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Komplexe Trinkwasseranlage desinfiziert und saniert

Brutstätten für Legionellen eliminiert

Häufig sind technische Mängel, unsachgemäßer Betrieb oder nicht eingehaltene wasserhygienische Anforderungen bei Planung und Bau der gesamten Trinkwasseranlage ein Grund für eine nachteilige mikrobielle Veränderung des Trinkwassers. Dabei können vor allem Korrosionserscheinungen und die Ausbildung eines Biofilms (Oberflächenbewuchs) in der Haus­installation eine wesentliche Rolle für die Verkeimung spielen. Wie man diese hygie­nischen Probleme beim Bau oder während des Betriebes der Anlage vermeiden kann, ist in den nachfolgenden Normen und Regelwerken ausführlich beschrieben:

  • DIN 1988 Teile 1-8
  • DIN EN 806 Teile 1-2
  • DIN EN 806-5
  • DIN EN 1717
  • DIN EN 12502 Teile 1-5
  • DIN EN 13443-1
  • DIN 50930-6
  • DVGW-Arbeitsblatt W 551
  • DVGW-Arbeitsblatt W 553
  • VDI 6023

Betreiber in der Verantwortung

Für den hygienisch einwandfreien Betrieb ab dem Wasserzähler bis zur Entnahmestelle ist allein der Hauseigentümer bzw. Betreiber verantwortlich. Eine vernachlässigte Hygiene in Trinkwasseranlagen kann für das ausführende Sanitärunternehmen oder den Betreiber einer Trinkwasseranlage sogar rechtliche Konsequenzen haben. Nach § 24 der Trinkwasserverordnung macht sich strafbar, wer vor­-s­ätzlich oder fahrlässig Wasser abgibt oder anderen zur Verfügung stellt, das nicht den An­forderungen der Trinkwasserverordnung entspricht. Bereits nach dem Wasserzähler erstreckt sich ein wichtiger Bereich der Installation, der für die ersten gravierenden technischen Mängel verantwortlich sein kann. Unmittelbar hinter dem Zähler muss ­eine Sicherungsarmatur gegen Rückfließen eingebaut sein, welche regelmäßig, jedoch mindestens entsprechend den Herstellerangaben, geprüft und gewartet werden muss. Damit soll ein Rückfließen aus der Trinkwasseranlage in die zentrale Wasserversorgung verhindert werden. Ein hohes Verkeimungspotenzial besitzt an dieser Stelle der bei metallischen Leitungen vorgeschriebene und bei Kunststoffleitungen empfohlene eingebaute Filter zur Vermeidung von Funktionsstörungen (z.B. Verstopfen von Duschköpfen und Perlatoren) und Korrosionsproblemen in der Hausinstallation. Obwohl das Trinkwasser beim Verlassen des Wasserwerks kristallklar ist, kann es auf dem oft kilometerlangen Transportweg zum Verbraucher oder bei Montagearbeiten am Rohrnetz verschiedene unerwünschte Partikel wie Rostteilchen und Sandkörner aufnehmen, die bis in die Installation eingespült werden können (Bild 1). Die Filtereinsätze müssen deswegen, auch aus hygienischen Gründen, regelmäßig ge­reinigt werden, da es sonst auf den Filter­oberflächen zu Verkrustungen, Steinbildung (Scaling) und Biofilmansiedlung (Biofouling) kommen kann.

Regelmäßige Wartung ist Pflicht

Bei wechselbaren Filterelementen muss der Austausch in sechsmonatigen Abständen erfolgen, während bei rückspülbaren Filtern die Rückspülung in umgekehrter Fließrichtung in Intervallen von nicht länger als zwei Monaten durchzuführen ist. Auch Druckminderer, die beispielsweise immer bei einem Ruhedruck von mehr als 5 bar an den Entnahmestellen oder zur Begrenzung des Betriebsüberdrucks in den Versorgungsleitungen eingebaut werden, müssen jährlich gewartet werden, da die Regler gegen Verunreinigungen äußerst empfindlich sind. Ein weiteres großes Problem stellt der nachfolgende Warmwasserboiler dar, der nur selten oder gar nicht jährlich gereinigt wird. Dies führt oft zu vermehrten Schlammablagerungen am Boden des Boilers, der dann als ideales Rückzugsgebiet und Brutstätte für Legionellen dienen kann. Auch die damit verbundene Zirkula­tionsleitung sollte immer mit dem richtigen hydraulischen Abgleich dauerhaft betrieben werden und nicht aus angeblichen Energiespargründen vorübergehend abgeschaltet oder sogar abgeklemmt werden. Damit entstehen meterlange undurchflossene Stagnationsstrecken, in denen zeitweise die Bildung von Ablagerungen/Biofilm und das Wachstum von Mikroorganismen erheblich begünstigt werden. Zusätzlich sind noch die oft nicht fachgerecht abgesicherten Verbindungen zu Löschwassersystemen, Heizungsfüllanschlüssen, Abwassersystemen, Außenzapfstellen im Garten oder Dampfbädern, Whirlpools und Saunakabinen zu erwähnen, von denen ein sehr hohes Risiko mikrobieller Verkeimung oder sogar der unerlaubten Verschmutzung mit den im Wellness-Bereich eingesetzten Chemikalien (z.B. Badewasserzusätze, Desinfektionsmittel) ausgeht.

Sanieren statt desinfizieren

Falls nun pathogene Keime in einer Hausinstallation gefunden werden, reicht es eben nicht aus, unabhängig vom zugelassenen Her­stellungsverfahren des Desinfek­tionsmittels, nur zu einer dauerhaften Dosierung von Chlor oder Chlordioxid nach W 290 oder anderen Einzelmaßnahmen überzugehen, die eigentlich immer wiederholt werden müssen, ohne wirklich einen dauerhaften Erfolg zu ­erzielen. Denn mit einer solchen Vorgehensweise lässt sich die Ursache der Verkeimung nicht beseitigen und es können bisher bestehende Probleme, wie die eben erwähnte Korrosion in den Rohrleitungen der Trinkwasserinstallation, weiter verschärft werden. Für die nachhaltige Abtragung von Biofilmen sind diese Chemikalien in den nach W 290 für die Dauerdosierung zugelassenen Konzentrationen ebenfalls nicht geeignet.

In einer Erklärung des DVGW-Technischen Komitees „Wasseraufbereitung“ heißt es hierzu: „Eine prophylaktische Desinfektion von Trinkwasser in Hausinstallationen, die nach den Regeln der Technik errichtet und betrieben werden, ist jedoch weder notwendig noch sinnvoll und widerspricht dem Minimierungsgebot der Trinkwasserverordnung“. Hygienisch auffällige Trinkwasserinstallationen gehören somit saniert. Unter diesem Aspekt wird im Folgenden anhand eines Praxisbeispiels ein Konzept vorgestellt, das, begleitet durch eine notwendige Zu­dosierung von Chlordioxid und eine chemische Grundspülung mit speziell maß­geschneidertem Wasserstoffperoxid, über die Bewertung der gesamten Anlage und daran anschließende bautechnische Maßnahmen (Reparaturen/Teilerneuerungen), zu dem angestrebten Ziel einer nachhaltigen Lösung mit Depotwirkung ohne die weitere dauerhafte Zudosierung von Chemikalien kommt.

Ausgangssituation

In dem nun geschilderten Beispiel handelt es sich um einen großen Wohn- und Geschäftskomplex, der aus verschiedenen Bauteileinheiten besteht. Integriert in diesen Komplex waren insgesamt 169 Mietwohnungen, ca. ein Dutzend gewerblich genutzte Räume, ein Discounter mit Backshop und Fleischtheke sowie verschiedene Arztpraxen (Zahnarzt, Physiotherapie, Orthopädie). Die Orthopädische Praxis wurde dabei im Juli 2006 neu eröffnet. Aus diesem Grund kam es in den Praxisräumen vorab am 28.6.2006 anlässlich der vorgeschriebenen Routineuntersuchung des Gesundheitsamtes zu einer Probenahme an einer Warmwasserentnahmestelle. Der Befund ergab eine stark erhöhte Keimbelastung an Pseudomonas aeruginosa von 570 KbE/100 ml. Die nachträglich veranlasste Spülung des Systems durch das Hauspersonal des Vermieters brachte keine Verbesserung. Die bakteriologischen Untersuchungen vom 12.7.2006 an insgesamt 19 repräsentativen Probenahmestellen im gesamten Objekt ergaben Werte von 112 KbE/100 ml bis zu nicht auswertbaren Proben an Pseudomonas aeruginosa (Bild 2). Ein Eintrag der Verkeimung aus der öffentlichen Wasserversorgung konnte durch zeitgleiche Untersuchungen im umgebenden Versorgungsnetz der Stadtwerke ausgeschlossen werden. Bestätigt wurde diese Tatsache auch durch die negativen Befunde während der gesamten Maßnahme direkt nach dem Hauptwasserzähler am rückspülbaren Filter.

Sofort-Maßnahme

In Absprache mit dem Gesundheitsamt und der Hausverwaltung beschloss man eine erste sofortige Intensivmaßnahme, die aus der Spü­lung aller bekannten Leitungsstränge und Ent­nahmestellen mit Chlordioxid bestand. Aus diesem Grund wurde am 18.7.2006 eine Dosieranlage für Chlordioxid eingebaut, das Lei­tungssystem entleert und eine ClO2-Lösung mit einer maximalen Dosis von 2,0mg/l nacheinander in die einzelnen Bauteile des Wohnblocks eingebracht. Damit sollte eine höchstmögliche Desinfektionswirkung erreicht und gleichzeitig die Korrosionswirkung des Chlordioxids auf die Leitungsmaterialien so gering wie möglich gehalten werden. Nach Spülung und Feststellung des angestrebten ClO2-Gehalts wurden sämtliche Entnahmearmaturen versiegelt. Die alternative Wasserversorgung der betroffenen Mieter konnte in dieser Zeit durch bereitgestellte Wasserwagen sichergestellt werden. Nach einer Standzeit von insgesamt zwölf Stunden wurde das Leitungssystem in den einzelnen Gebäudeteilen wieder entleert. Bei Abschluss der Sofortmaßnahme und Freigabe der letzten Entnahmestellen für die Verbraucher vereinbarte man letztendlich auf Empfehlung des Gesundheitsamtes den zeitweiligen Verbleib der Desinfektionsanlage im Objekt. Die Dosierpumpe wurde nun so kalibriert, dass eine maximale ClO2-Konzentration von 0,2 mg/l (max. Grenzwert gemäß Trinkwasserverordnung 2001 0,4 mg/l) in den Leitungssträngen erreicht wird. Die am nächsten Tag durch Stichproben festgestellte Verbesserung wurde von einem darauf folgenden drastischen Anstieg der Keimzahlen an Pseudomonas aeruginosa begleitet (Bild 2, Werte vom 20.7.2006). Hier zeigen sich wiederum deutlich die Nachteile bei der Wirkungsweise des Chlordioxids auf Biofilme. Da ClO2 nur in der Lage ist Teilablösungen im Biofilm zu erzeugen, führt das im Extremfall kurzfristig zu einer Verschärfung des Problems, in dem die pathogenen Mikroorganismen vermehrt freigesetzt werden. Schließlich wurden Pseudomonas aeruginosa sogar im fließenden Wasser auch an Entnahmestellen nachgewiesen, an denen zuvor der Nachweis bisher negativ bzw. viel geringer ausfiel. Aufgrund dieser Tatsachen konnte die Sofort-Desinfektionsmaßnahme nicht den entsprechenden Erfolg erzielen. Da jedoch Pseudomonas aerigunosa im fließenden Wasser grundsätzlich besser durch Desinfektionsmittel erfassbar und abtötbar sind, wurde bis auf weiteres die kontinuierliche prophylaktische Desinfektion mit Chlordioxid als Notmaßnahme während der Sanierung aufrechterhalten, um eine Weiteraufkeimung innerhalb der Installation zu vermeiden. Dadurch konnte ein Abkochgebot durch das Gesundheitsamt umgangen, eine vorübergehende Schließung der Arztpraxen verhindert und die Weiterversorgung des Komplexes mit Trinkwasser garantiert werden. Weiterhin konnte der notwendige Zeitgewinn für Handwerksarbeiten und Mängelbeseitigung erzielt werden.

Bautechnische Maßnahmen

Während der Maßnahme wurde die Zeit genutzt um sich einen Überblick über den Zustand, Auslegung und Leitungsverlauf der gesamten Hausinstallation zu verschaffen und sichtbare Installationsmängel zu dokumentieren. Diese Begutachtung des Objektes ergab folgende zahlreiche Mängel im System die nach und nach durch Umbaumaßnahmen bis Mitte August 2006 behoben wurden. Zu Beginn fielen vor allem nicht nachvollziehbare Leitungsführungen im gesamten System auf, die auf Grund nicht vorhandener Installationspläne und -schemata auch bei nochmaliger Überprüfung nicht erklärbar waren. Bypassleitungen und deutlich erkennbare Stagnationsleitungen konnten fast überall festgestellt werden. Dazu zählten z.B. ein über fünf Jahre ungenutztes und nicht den Vorschriften entsprechend abgetrenntes, entleertes und somit stagnierendes Zuführungs- und Leitungssystem zu einem ehemaligen Restaurant. Im gesamten Objekt verteilte Zuführungsleitungen zu weitestgehend ungenutzten und teilweise seit Inbetriebnahme nie genutzten Waschmaschinenanschlüssen (Bild 3 und 4) und viele weitere derartige Entnahmestellen im gesamten Komplex mit langen Zuführungsleitungen. Selbst die Räume der erwähnten orthopädischen Praxis standen insgesamt vier Jahre leer und das Leitungssystem in diesem Bereich stagnierte. Die Leitungsführung wurde vereinfacht und entsprechend dem Bedarf angepasst. Bypässe und alle Stagnationsstrecken wurden konsequent entfernt oder abgetrennt. Weiterhin gab es im Keller eine stehende Enthärtungsanlage, die mit in das Trinkwasserversorgungssystem eingebunden war. Vor ca. zwei Jahren hatte man im Versorgungsgebiet eine Umstellung auf ein Mischwassersystem vollzogen, wobei die Wässerhärte von ehemals über 30°dH auf ca. 14°dH reduziert wurde. Die Anlage regelte vor und nach dieser Umstellung das Wasser noch immer auf 13°dH. Die Notwendigkeit einer solchen Anlage war aus diesem Grund nicht mehr gegeben. Im Mischbehälter der Enthärtungsanlage selbst fand man bereits dreistellige Koloniezahlen von Pseudomonas aerigunosa. Zudem war eine feste Verbindung zwischen Überlaufleitung der Enthärtungsanlage und dem Abwassersystem installiert, welche ganz klar den Maßgaben der DIN 1988 hinsichtlich einer konsequenten räumlichen Trennung (Mindestabstand 20 mm zwischen Unterkante Ablauf und höchstmöglichem Wasserspiegel) von Trink- und Abwassersystemen widersprach. (Bild 5). Die Enthärtungsanlage wurde letztendlich vollständig entfernt. Weitere Querverbindungen zwischen Trink- und Abwassersystem waren auch bei einem mit dem Trinkwassersystem verbundenen, wassergefüllten Löschwassersystem vorhanden (Bild 6).

Injiziertes Stagnationswasser

Diese Verbindung wurde sofort entfernt und das Trinkwassersystem vom Löschwassersystem mit einem Systemtrenner, entsprechend den bekannten Vorschriften, abgetrennt. Es wurde festgelegt, dass das Löschwassersystem, welches im Wesentlichen aus einer Ringleitung mit Hydranten im Hof des Objekts besteht, in Zukunft in einem Intervall von sechs Monaten gespült und somit der Leitungsinhalt des Systems mindestens einmal ausgetauscht wird. Des Weiteren gab es Membranausdehnungsgefäße (MAGs), teilweise im Nebenschluss, deren Notwendigkeit im System weder erkennbar noch nachweisbar war. Die Pumpen der eingebauten Druck­erhöhungsanlage waren alle mit Frequenzumrichter ausgestattet, wodurch sich auch hier die Notwendigkeit der MAGs nicht erkennen ließ. Durch den Einsatz dieser Bauteile bestand die Gefahr, dass bei jedem Druckstoß permanent eine undefinierte Menge an Stagnationswasser in das System injiziert wurde. Die Membranausdehnungsgefäße wurden aus dem System herausgenommen, was keine nennenswerten Veränderungen im Anlagenverhalten hinsichtlich des Versorgungsdrucks zur Folge hatte. Eine weitere gravierende Schwäche der Installation war die durch zahlreiche Reparaturen und Nachinstallationen erzeugte Mischinstallation. Dies führte an vielen Stellen zu Kontaktkorrosion, da eine galvanische Trennung zwischen den einzelnen Installationsmaterialien nicht beachtet wurde (Bild 7 und 8). Die daraus resultierenden Korrosionsablagerungen in den Leitungen waren ebenfalls ein ideales Rückzugsgebiet für Mikroorganismen wie Pseudomonas aeruginosa und Legionellen, welche ideale Bedingungen vorfanden um sich vor äußeren Einflüssen (z.B. Temperatur, Strömungsbedingungen, etc.) zu schützen und sich weiter zu vermehren. Diese korrosiven Probleme wurden wie schon in zahlreichen kürzlich erschienenen Artikeln ausführlich behandelt und dargelegt durch Teil- und Kompletterneuerungen technisch behoben. Das nächste Problem trat am Austritt der Warmwasserspeicher auf. Dort wurden Temperaturen von max. 55 °C festgestellt, die nicht der nach dem DVGW-Arbeitsblatt W 551 bei Großanlagen vorgeschriebenen Mindesttemperatur von 60 °C entsprachen. Dies wurde angepasst. Weiterhin wurden die Zirkulationspumpenleistungen dementsprechend korrigiert, so dass nun auch im Rücklauf der Zirkulation die Warmwassertemperatur um nicht mehr als 5 K gegenüber der Austrittstemperatur des Trinkwassererwärmers unterschritten wird. Dabei reinigte man auch die Warmwasserspeicher. In der Folge wurde dann für diese Warmwasserspeicher ein Wartungs- und Reinigungszyklus von 12 Monaten festgelegt (Wartung gemäß DIN EN 806-5). Ein weiteres sehr großes Risiko der Rückverkeimung mit Pseudomonas aeruginosa stellten die Entnahmearmaturen, vor allem in den Küchen der Mietwohnungen, dar. Die oft bis zu zehn Jahre alten Armaturen und Perlatoren sind in dieser Zeit teilweise weder gereinigt noch ersetzt worden. Dazu kam das hohe Verkeimungspotenzial durch alte Panzerschlauchleitungen mit teilweise brüchig gewordenen Innengummierungen (Bild 9). Durch die Probenahmen konnten auch bei diesen Armaturen massive Verkeimungen festgestellt werden. Da diese Entnahmearmaturen in den Küchen Eigentum der Mieter waren, musste die Hausverwaltung mit den Mietern bzgl. einer Auswechslung und Kostenübernahme betroffener Armaturen verhandeln. Der vollständige Ersatz der betroffenen Panzerschlauchleitungen bzw. Armaturen und Austausch aller Perlatoren wurde schließlich während der folgenden Spülung der entsprechenden Bauteileinheit des Komplexes mit maßgeschneidertem Wasserstoffperoxid (Grunddesinfektion) vorgenommen.

Grunddesinfektion

Wie die Werte der Beprobung des Gesundheitsamtes vom 7.8.2006 (Bild 2) zeigten, kam es mit fortschreitender Mängelbeseitigung durch die Umbaumaßnahmen zu einer erheblichen Abnahme der Keimbelastung. Nur in den Praxisräumen der Orthopädie gab es weiterhin große Probleme, da weiterhin sogar bis zu nicht auswertbare Belastungen an Pseudomonas aeruginosa gefunden wurden. Durch eine weitere Stoßdosierung mit Chlordioxid des Bauteils A und der orthopädischen Praxis im Bauteil B in Konzentra­tionen von 6 mg/l (nach DVGW-Arbeitsblatt W 291) konnte keine nennenswerte Verbesserung der Befunde erzielt werden. Es wurde, wie auch bisher bei der Dauerdosierung, nur eine Reduzierung auf 2-stellige Werte erreicht (Grenzwert: 0 KbE/100 ml !). Dieser Umstand zeigt eindeutig, dass in den meisten Fällen eine Dauerdosierung von Chlordioxid nicht in der Lage ist, die Ursache der Verkeimung (Biofilm) zu beseitigen und damit die Einhaltung des Minimierungsgebotes der Trinkwasserverordnung in solchen Fällen wohl mehr als berechtigt ist. Um den Weiterbetrieb in der orthopädischen Praxis sicherzustellen wurden bis zum Abschluss aller Arbeiten und der Beseitigung aller Keimbelastungen Membrankartuschenfilter an den Entnahmestellen der Praxis eingesetzt. Schließlich musste die gesamte Trinkwasserinstallation, inklusive Armaturen, in der orthopädischen Praxis vollständig erneuert werden. Eine nachträgliche Analyse ergab, dass ein Großteil der ursprünglichen Verkeimung von den Installationsleitungen der Praxisräume ausging. Eine genaue Analyse war jedoch wegen widriger Umstände im Nachhinein nicht mehr möglich. Auf Grund einer nicht erkennbaren weiteren Minimierung der Keimbelastungen wurde für die weiteren Spülmaßnahmen der einzelnen Gebäudeabschnitte ein provisorischer Trinkwasserverteiler eingebaut (Bild 10). Von Ende August bis Mitte November 2006 wurden alle Bauteile des Komplexes einzeln mit speziell stabilisiertem maßgeschneiderten Wasserstoffperoxid bei einer Konzentration von ∼1000 ppm für einen Zeitraum von vier Stunden gespült.

Nachhaltiger Erfolg

Die Desinfektion erfolgte dabei im dynamischen Verfahren (Fließverfahren), was nicht zuletzt zur Schonung des Installationsmaterials beitragen sollte. Dabei wurden auch die Zuführungsleitungen zum Hauptverteiler, der Hauptwasserverteiler selbst sowie die jeweils angeschlossenen Warmwassersysteme, inklusive Warmwasserspeicher, erfasst. Das Wasserstoffperoxid reagierte als reines Oxidationsmittel mit der EPS-Matrix und führte innerhalb von Minuten zum Abschälen großer, zusammenhängender Biofilmbereiche. Diese abgelösten Biofilmpartikel und der sehr dünne noch an der Rohrwand anhaftende Basisbiofilm wurden anschließend während des Fließverfahrens durch das Desinfektionsmittel leichter oxidiert. Einen entscheidenden Beitrag bei diesem Verfahren lieferte die dabei auftretende schonende mechanische Energie, die zu einem regelrechten Flockenabriss führte, wodurch auch sehr viele Mikroorganismen mit der Strömung weggespült werden konnten. Anzumerken sei in diesem Zusammenhang, dass der Einsatz chemischer Produkte, die vollständig wasserlöslich sind, ohne den Beitrag von mechanischer Energie kein optimales Ergebnis ergibt. Die Effektivität dieses Verfahrens zeigten die Werte der Probenahmen hinsichtlich Koloniezahlen bei 20 °C und 36 °C, vor und nach der Spülung von Bauteil B, in der Orthopädischen Praxis (Bild 11) und die auf den Wert 0 KbE/100 ml abgesunkenen Werte an Pseudomonas aeruginosa nach dem 26.10.2006 (Bild 2) in den Bauteilen A, B und C. Nur Bauteil D zeigte an einer Entnahmestelle noch einen positiven Befund an Pseudomonas aeruginosa, was auf den hygienischen Zustand im Bereich der Armatur an dieser Stelle zurückzuführen war. Die nach dem 15.11.2006 durchgeführte Spülung mit Wasserstoffperoxid konnte auch hier die Verkeimung beseitigen. Die letzten abschließenden Untersuchungen am 15.1.2007 vom Gesundheitsamt ergaben 0 KbE/100 ml Pseudomonas aeruginosa und 0 KbE/100 ml Legionellen im gesamten Objekt. Nach Bekanntgabe dieses Ergebnisses wurde die Chlordioxid-Anlage außer Betrieb genommen um dem Mini­mierungsgebot der Trinkwasserverordnung nachzukommen. Als weitere wichtige Maßnahme wurde zusammen mit der Hausverwaltung die Umsetzung von zusätzlichen Spülplänen ab dem Jahr 2007 von nur selten genutzten Entnahmestellen (Waschräumen, Leerwohnungen) vereinbart, bei denen im wöchentlichen Zyklus das Volumen des betroffenen Leitungsabschnittes komplett ausgetauscht wird. Zur weiteren ­Eigenkontrolle und zur Beweisführung gegenüber dem Gesundheitsamt wurden seither regelmäßige Probenahmen durch ein unabhängiges Labor durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Maßnahme einen nachhaltigen Erfolg erzielt hat, da bisher keine nennenswerte Verkeimung mehr aufgetreten ist. Die letzten Werte im September 2007 lagen wieder bei 0 KbE/ 100 ml Pseudomonas aeruginosa.

Lösung mit Depotwirkung

Das in dem Praxisbeispiel geschilderte Konzept eines gesamtheitlichen Ansatzes zur Sanierung und Desinfektion einer komplexen Trinkwasserinstallation zeigt eine erfolgreiche nachhaltige Lösung mit Depotwirkung ohne die dauerhafte Zudosierung von Chemika­lien. Die komplette Vorgehensweise während dieser Maßnahme entspricht auch dem neuesten Stand der Technik (s. auch Minimierungsgebot der TrinkwV, DVGW, DIN, VDI). Die Dauer der Maßnahme erstreckte sich insgesamt über sieben Monate. Der Hauptgrund für die hygienischen Probleme in diesem Fall (Biofilm, Verkeimung) lagen bei Versäumnissen in der Wartung und einer hohen Zahl an Mängeln in der Installation. Daraus lässt sich folgern, dass nur eine sachgemäße Installation nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik und eine regelmäßige Wartung aller Anlagenteile einer Verkeimung im Trinkwasserbereich vorbeugen kann. Eine chemische Desinfektion kann nur eine zeitlich begrenzte Maßnahme sein, um einer Verkeimung entgegenzuwirken oder sie vorübergehend zu unterdrücken. Sie darf nie als dauerhaft einsetzbare Lösungsvariante betrachtet werden. Ein prophylaktischer Einsatz in nicht kontaminierten Systemen ist somit weder notwendig noch sinnvoll. Verallgemeinerte Aussagen wie „permanente Methoden sind ebenso für den prophylaktischen Einsatz in nichtkontaminierten Systemen geeignet“ entziehen sich somit jeglicher wissenschaftlicher wie auch wirtschaftlicher Grundlage. Ebenso muss in der Praxis der Stagnation durch Wohnungsleerstände bzw. Nichtnutzung von Entnahmestellen durch entsprechende Maßnahmen wie z.B. Spülpläne entgegengewirkt werden. Nur regelmäßige Probenahmen über ein unabhängiges Labor helfen bei der rechtzeitigen Entdeckung von problematischen oder sogar gesundheitsschädlichen Verkeimungen in Hausinstalla­tionen.

Weitere Informationen

Unser Autor Dr. rer. nat. Christian Schauer ist wissenschaftlicher Leiter bei Herlisil, 65929 Frankfurt, Telefon (0 69) 31 40 28-42, Telefax (0 69) 31 40 28-35, http://www.herlisil.de, E-Mail: schauer@herlisil.de

Weitere Informationen

Unser Autor Dipl.-Ing. Hubert Hasselwander ist Leiter Vertrieb und Technik bei Herlisil, 65929 Frankfurt, Telefon (0 69) 31 40 2842, Telefax (0 69) 31 40 28-35, http://www.herlisil.de, E-Mail: hasselwander@herlisil.de

Weitere Informationen

Unser Autor Dipl.-Ing. Alexander Minar ist Projektingenieur Wassertechnik bei der GKS Gesellschaft für Kommunalservice mbH, 99085 Erfurt, Telefon (03 61) 6 58 58 75, Telefax (03 61) 6 53 45 42, E-Mail: alex.minar@web.de