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So wird ein Betriebsgebäude energieautark beheizt

Am Anfang war die Idee. Es handelte sich bloß um einen Denkansatz, der sich in Peter Küppers Kopf festgesetzt hatte. Alles drehte sich um die Frage: Wie kann mein Firmenneubau am besten regenerativ betrieben werden? Im Jahr 2019 nahm die Idee Gestalt an, das Konzept wuchs heran zu konkreten Umsetzungsplänen. Am Ende entstanden ist dabei um die erste Gewerbeimmobilie in Deutschland, die mit grünem Wasserstoff als regenerativer Energiequelle beheizt werden kann und mit grünem Strom versorgt wird. Das ist ungewöhnlich, zumal es sich um das Betriebsgebäude eines SHK-Handwerksunternehmens handelt. Wobei die „Josef Küpper Söhne GmbH“ beileibe kein gewöhnlicher Betrieb ist. Zur Einordnung: Die drei Geschäftsführer Vera ­Küpper-Racke, Peter Küpper und Michael Brodziak beschäftigen rund 120 Personen in drei Niederlassungen, zwei davon in Bonn (Beuel und Bad Godesberg) und eine in der Nachbargemeinde Meckenheim. Beim Standort in Meckenheim handelt es sich um die jüngste Filiale. Während die beiden anderen grundlegend energetisch modernisiert worden sind - die anderen Standorte sind moderne Neubauten, errichtet 1999 und 2016 und energetisch ebenfalls auf neuestem Stand (Erdwärme, PV-Anlagen), nur eben ohne Wasserstoff - wurde außerhalb Bonns „auf der grünen Wiese“ neu gebaut: 25 x 25 m Grundfläche, überwiegend verwendeter Baustoff ist Holz.

Das eröffnete ganz andere Möglichkeiten als im Bestand. Die wurden gut ausgereizt, gerade was die Ausgestaltung der Haustechnik betrifft. Im Jahr 2021 fertiggestellt, gilt das mit Wasserstoff beheizte Gebäude heute als Vorzeigeprojekt der Energiewende. In Fachkreisen ebenso wie in der Energiewirtschaft, auf kommunaler Ebene und erst recht auf der großen politischen Bühne ist es gemeinhin als „Leuchtturm“ bekannt geworden.

Peter Küpper ist gefragt. Er stellt auf Einladung das Energiekonzept vor, empfängt Besucher in Meckenheim und nimmt Auszeichnungen entgegen. Zum Beispiel von der Deutschen Energie-Agentur den „Energy Efficiency Award 2022“ in der Kategorie „Komplexe Energiewendeprojekte“. „Das war schon außergewöhnlich. Da stehe ich als kleiner SHK-Unternehmer auf der großen Bühne, in einer Reihe mit großen Konzernen“, erinnert sich Peter Küpper. „Komplex“ als Adjektiv zur Kategorie traf es in seinem Fall ziemlich genau. Denn was in Meckenheim mit Unterstützung durch TGA-Fachplaner geplant und umgesetzt wurde, ist alles andere als trivial. „Es ging mir letztlich darum, bei einem Gebäude in dieser Größe energieautark zu sein“, nennt der Chef seinen Antrieb.

Demzufolge liest sich eine Liste der verwendeten Systeme und Techniken wie ein Who’s who der regenerativen Gebäudetechnik:

  • Photovoltaik auf dem Dach und an der Fassade, in Summe 98 kWp Leistung. Zum Vergleich: Private Photovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern haben meist eine Leistung zwischen 8 und 15 kWp
  • Energiezentrale (picea, Anbieter HPS), bestehend aus: Brennstoffzelle für die Rückverstromung des Wasserstoffs mit 7,5 kW Leistung; Elektrolyse für die Wasserstofferzeugung mit 12,5 kW Leistung; Batterie mit einer Speicherkapazität von 125 kWh; Wasserstoffspeicher für 440 kg Wasserstoff, entspricht 7500 kWh elektrische Energie / 7500 kWh Wärmeenergie, eingelagert in 400 Stahlbehältern zu je
    300 bar Druck
  • Erdwärmepumpe (Weishaupt WWP S 18), Heizleistung 17,5 kW, Erdsonden 2 x 130 m
  • Lüftungskonzept (Zewotherm) mit Wärmerückgewinnung.
  • Das alles kostet. Ungefähr 570.000 Euro hat die Investition in die Wasserstofftechnik gekostet, die Ausgaben wurden zu 55 % gefördert. Wobei es ein zäher Weg für Peter Küpper war, denn bis dato gab es eine Förderung in diesem Umfang für seinen Sonderfall „Wasserstoffheizung“ nicht. Da war er letztlich auch „Geburtshelfer“. Mittlerweile kommen Wasserstoffprojekte in Nordrhein-Westfalen generell in den Genuss der von ihm angestoßenen neuen Fördermöglichkeit.

    Noch einmal 240.000 Euro wurden in die restliche Gebäudetechnik gesteckt. Das sind hohe Summen, die sich vor allem dem großen Ziel „Energieautarkie“ unterordnen. Wer ein Projekt nach dieser Maxime vorantreibt, der fragt auch nicht nach einer Amortisation. „Darüber habe ich nie nachgedacht.“

    Bild: Küpper / Bonn

    Der Betrieb des Systems lässt sich grob in eine Sommer- und eine Winterphase trennen.

    Sommerzeit: Die Energiezentrale picea wandelt den Gleichstrom aus der Photovoltaikanlage (Dach und Fassade) in den gängigen Wechselstrom um. Er versorgt die Beleuchtung, die IT-Infrastruktur und alle weiteren elektrischen Geräte. Auch die Batterien der Elektrofahrzeuge des Betriebs Küpper erhalten an 5 Ladesäulen mit 10 Ladepunkten auf dem Firmenparkplatz ihre benötigte Energie. Die Wärmepumpe erhält ebenfalls Strom von picea. Im Sommer hält sie über die Fußbodenheizung mit der Lüftunsanlage die Räumlichkeiten angenehm kühl. Die elektrische Energie aus der Solaranlage, die nicht sofort verbraucht werden kann, wird in einer Batterie gespeichert und durch Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt und für den Winter eingelagert. Überschüssige Energie wird ins öffentliche Stromnetz eingespeist.

    Winterzeit: Die Sonne hat nicht ausreichend Kraft, um die Batterie zu laden und das Gebäude vollständig zu versorgen. Die Energiezentrale hat im Sommer Wasserstoff gewonnen und gespeichert. Jetzt kann daraus mithilfe der Brennstoffzelle wieder Strom erzeugt werden, der die fehlende Sonneneinstrahlung kompensiert. Wasserstoff versorgt also die Brennstoffzelle, diese versorgt das Gebäude mit Strom und lädt die Batterien. Auf diese Weise werden weiterhin 100 % selbst erzeugter, CO2-freier Strom genutzt. Bei den Prozessschritten Elektrolyse, Einlagerung des Wasserstoffs im Speicher sowie in der Brennstoffzelle entsteht zusätzlich Wärme, die dem Gebäude im Winter als Heizenergie oder für die Brauchwassererwärmung zur Verfügung steht.

    Peter Küpper ist ganz in seinem Element, wenn er die Zusammenhänge erklärt. Nach gut zwei Jahren Betriebszeit haben er und sein Team sowie der Anlagenlieferant HPS reichlich Erfahrungen gesammelt. Denn eines war bei einem Vorhaben dieser Größenordnung allen Beteiligten von vornherein klar: Die Kalkulation wird in weiten Teilen aufgehen, aber gerade zu Beginn sicher noch nicht vollumfänglich. „Da leisten wir schon ein gutes Stück Pionierarbeit“, findet der Chef. Das Zusammenspiel der einzelnen Bereiche, die Regelungstechnik, überall gibt es noch Möglichkeiten zur Optimierung.

    Über allem steht aber eine Erkenntnis, mit der letztlich der sinnvolle Betrieb einer solchen Anlage steht und fällt: „Es muss PV-Strom im Überfluss vorhanden sein, um grünen Wasserstoff dezentral selbst zu erzeugen.“ Dieser Punkt ist Peter Küpper extrem wichtig. Denn wenn letztlich doch nur herkömmlicher Strom „aus der Steckdose“ für die Elektrolyse verwendet würde, dann würde dies alle regenerativen Ansätze gnadenlos unterlaufen.

    Es dreht sich nicht alles allein um das Betriebsgebäude und dessen Autarkie. Die hier gesammelten Erfahrungen erweisen sich auch als äußerst wertvoll für das Küpper-Team, wenn es um andere Projekte geht, bei denen kundenseitig die Energieversorgung unter Nutzung von Wasserstoff favorisiert wird. Gerne auch ein paar Nummern kleiner. „Was wir hier lernen, gilt selbstverständlich auch bei Ein- oder Zweifamilienhäusern“, hält Peter Küpper fest. Und: „Wir müssen zeigen, was geht.“ Somit erfüllt der Neubau mehrere Zwecke. Er schafft die Voraussetzungen für die Energie­autarkie dieser Niederlassung der Küpper GmbH. Er ist Werbung in eigener Sache, wenn es um Wasserstoff und Brennstoffzellen geht. Und ganz wichtig: Er zeigt, dass das SHK-Handwerk nicht nur energieeffiziente Gebäudetechnik bewirbt und verkaufen will, sondern dass es auch durchaus in der Lage ist, selbst eine aktive(re) Rolle bei der Energiewende zu spielen. Vorbild zu sein.

    Es ist gerade der letztgenannte Punkt, der Peter Küpper richtig Freude bereitet. Ginge es allein nach ihm, auf dem Grundstück in Meckenheim würde demnächst eine Windenergieanlage zur zusätzlichen Stromproduktion errichtet. Aber das ist ein wahrlich komplizierter (Verwaltungs-)Akt. Aber dennoch, die Idee ist vorhanden. Es wäre nicht das erste Mal, dass bei Küpper daraus ein konkretes Projekt wird.

    Die Energiezentrale picea von HPS spaltet mittels Elektrolyse Wasser in grünen Wasserstoff und Sauerstoff.

    Bild: Küpper / Bonn

    Die Energiezentrale picea von HPS spaltet mittels Elektrolyse Wasser in grünen Wasserstoff und Sauerstoff.
    Zusätzlich zur Wasserstoffheizung wurde der Neubau noch mit einer Geothermieanlage ausgestattet.

    Bild: Küpper / Bonn

    Zusätzlich zur Wasserstoffheizung wurde der Neubau noch mit einer Geothermieanlage ausgestattet.
    Sommerzeit: Die Energiezentrale Picea wandelt den Gleichstrom aus der Photovoltaikanlage (Dach und Fassade) in den gängigen Wechselstrom um.

    Bild: Küpper / Bonn

    Sommerzeit: Die Energiezentrale Picea wandelt den Gleichstrom aus der Photovoltaikanlage (Dach und Fassade) in den gängigen Wechselstrom um.
    Winterzeit: Aus dem im Sommer gewonnenen und ­gespeicherten Wasserstoff wird mithilfe der Brennstoffzelle wieder Strom erzeugt.

    Bild: Küpper / Bonn

    Winterzeit: Aus dem im Sommer gewonnenen und ­gespeicherten Wasserstoff wird mithilfe der Brennstoffzelle wieder Strom erzeugt.

    Handwerkerkooperation

    Die Küpper GmbH ist Mitglied der Handwerker­kooperation bad & heizung AG. Dort hat Peter Küpper das Wasserstoffprojekt ebenfalls schon vorgestellt. Es handelt sich um eine Vereinigung führender Fachbetriebe. Sie formierte sich bereits 1977 als erste SHK-Erfa-Gruppe überhaupt. Eine Handvoll fortschrittlicher Handwerker begann damit, Konzepte und Werkzeuge zur Verbesserung ihrer Leistungen zu erarbeiten. Die AG-Zentrale in Geislingen übernimmt dabei die Aufgabe des Vordenkens und Bündelns von ­Ideen, entwickelt Konzepte und koordiniert deren Realisierung.

    Die mehr als 80 Mitglieder haben sich zum Ziel gesetzt, durch hervorragende Qualität, eine gute Betriebsorganisation und motivierte Mitarbeiter die regionale Marktführerschaft zu erreichen oder auszubauen. Die Betriebe der bad & heizung AG haben erkannt, dass sie die vielfältigen Aufgaben eines Handwerksunternehmens in Verbindung mit absoluten Spitzenleistungen allein kaum noch erfüllen können. Denn in der Gruppe können viele Dinge effektiver und kostengünstiger als vom einzelnen Betrieb vorangetrieben und umgesetzt werden.

    www.badundheizung.de/kooperation

    Kleine Farblehre

    Grauer Wasserstoff: entsteht durch die Dampfreformierung von Erdgas (CH4), bei der das Abfallprodukt CO2 direkt in die Atmosphäre abgegeben wird.

    Blauer Wasserstoff: resultiert aus der Dampfreduzierung von Erdgas. Das Erdgas wird dabei in Wasserstoff und CO2 gespalten. Das Kohlenstoffdioxid wird bei diesem Verfahren der Dampfreformierung aber nicht in die Atmosphäre ausgestoßen, sondern gespeichert oder industriell weiterverarbeitet.

    Türkiser Wasserstoff: entsteht durch ein thermisches Verfahren, bei dem Erdgas mittels Methan­pyrolyse in Wasserstoff und festen Kohlenstoff ­gespalten wird. Sofern der Kohlenstoff dauerhaft gebunden bleibt und nicht bei der Weiterverarbeitung verbrannt wird, ist auch dieses Verfahren CO2-neutral.

    Grüner Wasserstoff: wird durch Elektrolyse von Wasser hergestellt, wobei für die Elektrolyse ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien zum Einsatz kommt.

    Alle Verfahren der Wasserstofferzeugung sind ­äußerst energieintensiv. Ohne den weiteren massiven Ausbau der Erneuerbaren wird die Energie- und Wärmewende nicht funktionieren.

    Autor

    Dennis Jäger
    ist Chefredakteur der SBZ.

    Bild: SBZ

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