Als Christoph Ulland nach der Betriebsübernahme täglich nur noch mit Krisenmanagement beschäftigt war, entschied er sich für einen radikalen Umbau. Heute arbeitet sein SHK-Unternehmen mit klaren Strukturen, digitaler Planung und konsequenter Vorfertigung. Im Gespräch mit SBZ-Redakteurin Beate Geßler erklärt der Geschäftsführer, warum dieser Weg für ihn alternativlos war, ab wann sich Vorfertigung lohnt und wie der Einstieg in den BIM-Alltag gelingt.
SBZ: Herr Ulland, Sie haben 2016 ein klassisches SHK-Unternehmen von Ihrem Vater übernommen. Wann war Ihnen klar: So wie bisher geht es nicht weiter?
Christoph Ulland: Das war 2018. Wir hatten damals innerhalb kurzer Zeit zehn neue Mitarbeiter eingestellt und waren plötzlich bei 35 Beschäftigten. Alles lief über meinen Schreibtisch. Jeden Morgen dieselben Probleme: nicht eingetroffene Lieferungen, fehlende Werkzeuge, Krankenstände. Das war klassisches „selbst und ständig“, aber kein echtes Unternehmertum. Irgendwann stand ich vor der Entscheidung: Entweder aufgeben oder radikal umsteuern. Ich entschied mich für den zweiten Weg und begann, Strukturen und Prozesse grundlegend zu verändern.
SBZ: Das klingt, als hätten Sie sich damals aus einem Hamsterrad befreien müssen.
Ulland: Absolut. Ein Hamsterrad sieht von innen genauso aus wie eine Karriereleiter. Erst der Blick von außen zeigt einem, dass man sich eigentlich nur im Kreis dreht. Dieses Problem sehe ich bei vielen Kollegen im SHK-Handwerk.
SBZ: Was machen Sie heute anders?
Ulland: Ich habe gelernt, um mich strategisch weiterzuentwickeln, muss ich das Unternehmen auch von außen betrachten können. Der entscheidende Wendepunkt kam, als ich erkannte, dass meine eigenen Mitarbeiter enormes Potenzial haben und teilweise mehr können als ich selbst. Mittlerweile habe ich ein gutes Auge dafür, welche Mitarbeiter für welche Aufgaben qualifiziert sind. Aktuell finanzieren wir zum Beispiel einem Gesellen die Meisterweiterbildung, damit er künftig bei uns die Azubis gezielt fördert – schließlich sind das unsere Fachkräfte von morgen.
Die Anforderungen für die Vorfertigung sind überschaubarer als oft angenommen.
SBZ: Wann haben Sie die Mitarbeiter eingebunden und wie lief dieser Prozess genau ab?
Ulland: Recht früh. Wir haben eine Mitarbeiterversammlung durchgeführt, begleitet von einer Unternehmensentwicklung, die im Vorfeld alle Mitarbeiter anonym befragt hat. Was läuft gut? Was läuft schlecht? Wo sehen die Mitarbeiter den Betrieb in zehn Jahren? Das Ergebnis war für mich wie ein Weckruf. Wir haben dann eine zweite Führungsebene aus langjährigen, vertrauten Mitarbeitern aufgebaut und klare Strukturen etabliert.
Heute kennt jeder Mitarbeiter seinen direkten Ansprechpartner durch ein übersichtliches Organigramm. Wöchentliche MMB-Meetings auf Führungsebene – MMB bedeutet „mach mich besser“ – und ein anonymer Kummerkasten sorgen für kontinuierlichen Austausch. Besonders wichtig ist mir der direkte Kontakt – morgens im Lager oder beim kurzen Gespräch im Aufenthaltsraum. Körpersprache und Tonfall verraten oft mehr als Worte.
SBZ: Gab es auch Bedenken und Widerstände seitens der Mitarbeiter?
Ulland: Es wäre schön, wenn ich sagen könnte, dass alles harmonisch verlaufen ist. Wir hatten durchaus Mitarbeiter, die sich gegen die neuen Strukturen gesträubt haben. Das führte zu intensiven Gesprächen und letztendlich auch dazu, dass einige das Unternehmen verlassen haben. Jeder will Veränderung, jedoch wollen sich die wenigsten selbst verändern.
Rückblickend sehen wir jedoch deutlich die Vorteile der neuen Strukturen: Jeder Mitarbeiter weiß heute genau, was seine Aufgaben sind. Einen zentralen Baustein bilden klare Stellenbeschreibungen, die es vorher überhaupt nicht gab und die auch in den Jahresgesprächen diskutiert werden: Wo besteht noch Anpassungsbedarf? Was funktioniert bereits hervorragend? So entsteht konstruktives Feedback auf beiden Seiten.
Der Erfolg zeigte sich mir konkret, als ich erstmals vier Wochen am Stück in den Urlaub gefahren bin. Im Betrieb lief alles problemlos weiter. Das war für mich der Beweis, dass unsere neuen Strukturen und Prozesse wirklich greifen.
Ein Hamsterrad sieht von innen wie eine Karriereleiter aus.
SBZ: Ein zentrales Thema bei Ihnen ist die Vorfertigung. Ihr erstes Projekt war die Hochschule Ruhr West, bei der Sie gleich ganze Baugruppen vorgefertigt haben. Wie haben Sie das bewerkstelligen können?
Ulland: Das Projekt war tatsächlich unser Startschuss für die werkseitige Vorfertigung. Wir standen vor der Herausforderung, dass 30 Monteure gefordert waren, wir aber nur 15 für dieses Bauvorhaben zur Verfügung hatten und gleichzeitig noch andere Baustellen liefen. Da erkannten wir das Potenzial. Die Rohrtrassen ließen sich bereits in der Werkstatt montieren – mit fertigen Zeichnungen und Stücklisten, die wir gemeinsam mit unserem Partner Hilti entwickelten. So konnten Azubis und Helfer die Baugruppen zusammenlegen, ohne komplexes Know-how vor Ort zu benötigen.
Auch die Technikzentralen wurden 3D geplant und vorgefertigt. Noch bevor die Rohbauarbeiten fertiggestellt waren, konnten wir so wetter- und baustellenunabhängig vorbereiten. Diese Strategie zahlte sich aus. Wir gehörten zu den ersten vier Gewerken, die termingerecht fertig wurden. Das war ein echtes Aha-Erlebnis und wir erkannten: Mit vernünftiger Planung und maximaler Vorfertigung können auch kleine Unternehmen Großprojekte erfolgreich stemmen.
SBZ: Viele Betriebe fragen sich: Wann lohnt sich Vorfertigung überhaupt? Ab welcher Projektgröße macht das Sinn?
Ulland: Eine pauschale Faustregel gibt es dafür nicht. Wir entscheiden uns für Vorfertigung, wenn wir standardisierbare Baugruppen mit hohem Wiederholungsgrad identifizieren – unabhängig von der absoluten Projektgröße. Das können identische Räume ebenso wie Rohrtrassen mit wiederkehrenden Durchmessern und Stückzahlen sein. Zentralen und Verteiler für Heizung und Kälte fertigen wir in der Werkstatt ebenfalls vor.
Ziel ist immer so wenig Arbeit wie möglich auf der Baustelle. Bei einem Projekt mit 50 gleichen Wohnungen haben wir zum Beispiel die Sanitärregister komplett vorgefertigt – inklusive Spülkästen, Waschtischen und der Trinkwasser-Installation. Diese vorgefertigten Einheiten konnten wir dann so direkt in das Rohgebäude einbauen.
SBZ: Vorfertigung braucht jedoch Platz, Personal und Logistik. Welche Voraussetzungen müssen im Betrieb gegeben sein?
Ulland: Die Anforderungen für die Vorfertigung sind überschaubarer als oft angenommen. Für den Einstieg reicht eine Fläche von 200 bis 300 m² völlig aus – damit lässt sich schon sehr viel umsetzen. Wir bauen darin die Baugruppen zusammen, lagern sie zwischen und transportieren sie dann zur Baustelle. Dafür genügt meistens ein Transporter und ein großer Anhänger. Bei Bedarf mieten wir aber auch schon mal einen 7,5-Tonner.
SBZ: Was sind die Vorteile, die Sie ganz praktisch auf der Baustelle spüren?
Ulland: Die Effizienz ist deutlich höher. Der größte Zeitgewinn entsteht dadurch, dass die klassischen Baustellenprobleme wegfallen: fehlende Muttern, Fittings oder Formteile, spontane Fahrten zum Großhändler mit Wartezeiten an der Theke. Durch ein gut bestücktes Lager und eine durchdachte Planung mit Stück- und Massenlisten reduzieren wir die Fehlerquote erheblich.
Unsere Monteure können auch viel früher eigenständig arbeiten und bereits nach drei bis fünf Jahren Erfahrung komplexe Projekte abwickeln. Bei unserem letzten Projekt haben ein Azubi und ein Helfer die Schienensysteme und Rohraufhängungen gebaut. Normalerweise hätte ich dafür einen erfahrenen Monteur auf die Baustelle geschickt, der die Rohrtrassen plant und baut.
Zusätzlich arbeiten die Mitarbeiter unter optimalen Bedingungen, geschützt vor Witterungseinflüssen und bei angenehmen Raumtemperaturen. Sie müssen nicht im überfluteten Keller stehen, schrammen sich nicht die Knie auf und verheben sich nicht den Rücken. Das ist nicht nur ergonomisch besser, sondern ermöglicht auch eine deutlich professionellere Arbeitsweise.
Besser holprig gestartet als perfekt gewartet.
SBZ: Vorfertigung ist auch mit einigen Risiken verbunden, etwa wenn etwas nicht passt oder nachträglich Änderungen gewünscht sind. Gab es auch negative Erfahrungen?
Ulland: Total neu beginnen mussten wir zum Glück noch nicht, aber Umbauten kommen durchaus vor – beispielsweise, wenn man nach Zeichnung fertigt und die Durchbrüche vor Ort nicht dort sind, wo sie laut Planung eigentlich sein sollten.
Diese Erfahrungen sind wichtige Lernprozesse, wie etwa, dass ein sorgfältiges Aufmaß und eine Bestandsaufnahme vor Ort unerlässlich sind. Wünschenswert wäre zudem, dass sich auch bei uns das Konzept des Design-Freeze durchsetzt. Ab einem bestimmten Punkt sollten keine Änderungen mehr möglich sein, die Zeichnung sollte eingefroren und dann erst gebaut werden.
SBZ: Welche Rolle übernehmen Digitalisierung und BIM dabei genau? Kann Vorfertigung ohne BIM funktionieren?
Ulland: Durchaus, das haben wir jahrelang auch erfolgreich praktiziert. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch in der Abstimmung zwischen den Gewerken. Ohne BIM arbeitet jedes Gewerk isoliert an seiner Planung. Das führt unweigerlich zu Kollisionen auf der Baustelle – Sprinkler kreuzen Trinkwasserleitungen, Elektroinstallationen kollidieren mit der Heizungsführung oder die Lüftung blockiert andere Leitungen. Dann stehen fünf gut bezahlte Teamleitermonteure vor Ort im Kreis und suchen nach Lösungen. Das ist zeitaufwendig und teuer.
SBZ: Viele SHK-Betriebe haben Berührungsängste mit BIM: zu komplex, zu teuer, zu akademisch. Wie sind Sie an das Thema rangegangen?
Ulland: Wir standen zunächst vor der gleichen Herausforderung. BIM erschien uns wie ein riesiges, unüberschaubares Feld. Mein Rat: klein anfangen und die Punkte identifizieren, die dem Unternehmen echten Mehrwert bieten. Und dann umschauen, wer bereits Erfahrungen gesammelt hat, und sich dort gezielt Informationen holen. Es ist wichtig, über die reine Ausführung hinaus zu denken und den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes zu betrachten.
Ohne BIM stehen fünf gut bezahlte Monteure von beteiligten Unternehmen vor Ort im Kreis und suchen nach Lösungen.
SBZ: Wie kann ich als SHK-Betrieb davon konkret profitieren?
Ulland: Bei uns werden die erfassten BIM-Daten etwa für den Kundendienst genutzt. Unsere Servicetechniker können zum Beispiel vorab sehen, welche Pumpe verbaut ist, und direkt eine Ersatzpumpe mitnehmen. Das spart Zeit und Kosten.
Ein anderes Beispiel bietet die Hochschule Ruhr West. Wir haben dort seit 2015 die Wartung der Heizungs- und Lüftungstechnik übernommen. Ruft der Hausmeister an, können wir gezielt reagieren, weil wir alle Daten und Unterlagen haben. Mit einem 3D-Gebäudemodell lassen sich die Informationen viel übersichtlicher darstellen und Probleme schneller lokalisieren.
SBZ: In Ihrem Betrieb kommt eine ganze Reihe digitaler Tools zum Einsatz: Linear, Revit, Dalux, Fieldwire, BIMcollab, Trello, Metaroom. Wie entscheiden Sie, welche Software die richtige ist?
Ulland: Wir achten primär auf die Schnittstellen. Wie offen ist das Programm und wie lassen sich die Tools miteinander verknüpfen? Hilft es den Monteuren? Entlastet es die Projektleitung? Mittlerweile gibt es einen etablierten Prozess. Neue Tools werden in unserem wöchentlichen „Mach-mich-besser-Meeting“ der Führungsebene diskutiert. Ein technikaffiner Kollege prüft zunächst die Schnittstellen und bewertet die Integration. Fällt das positiv aus, treiben wir das Projekt weiter voran – oder verschieben es, wenn Budget oder Timing noch nicht passen.
SBZ: Vielen Betrieben fällt es schwer, ausreichend Zeiträume zu finden, um Digitalisierungsprojekte oder gar BIM anzugehen. Was raten Sie?
Ulland: Das Argument der fehlenden Zeit höre ich oft. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass die investierte Zeit später Zeit zurückbringt. Durch verbesserte Prozesse hole ich die Investition wieder heraus. Wenn ich immer mit einem platten Reifen fahre, darf ich mich nicht wundern, dass ich langsam bin. Dann muss ich mir einmal die Zeit nehmen, den Reifen zu reparieren, damit ich wieder schneller vorankomme. Es geht darum, die Ursache zu behandeln und nicht die Symptome.
SBZ: Ihr Motto lautet: „Besser holprig gestartet als perfekt gewartet.“ Wann ging es bei Ihnen besonders holprig zu – und was haben Sie daraus gelernt?
Ulland: Mein größter Fehler war es, die Mitarbeiter nicht mitzunehmen. Ich bin eher visionär veranlagt, probiere schnell etwas aus und stehe dann gedanklich schon 200 m weiter, während meine Mitarbeiter noch am Ausgangspunkt sind. Das Holprige daran war zu lernen, immer wieder zurückzugehen und zu erklären, warum wir etwas machen. Heute achten wir stark auf Kommunikation – über Teamleitermeetings, Onlineplattformen oder auch unsere Mitarbeiterzeitschrift.
SBZ: Was ist Ihre wichtigste Botschaft an SHK-Unternehmen, die noch zögern, sich mit Digitalisierung und Vorfertigung zu beschäftigen?
Ulland: Wer im öffentlichen Bereich unterwegs ist oder größere Projekte stemmen möchte, wird um digitale Planung und Vorfertigung nicht herumkommen. Also nicht mehr warten, sondern jetzt in den Zug einsteigen, solange er noch im Bahnhof steht. Wer heute handelt, kann bequem mitreisen, ohne später hinterherrennen zu müssen oder den Anschluss zu verpassen.
SBZ: Herr Ulland, vielen Dank für das überaus interessante Gespräch.
Bild: Ulland
Durch vernünftige Planung und Vorfertigung können die Monteure viel früher selbstständig arbeiten und bereits nach drei bis fünf Jahren Erfahrung komplexe Projekte abwickeln.
Bild: Ulland
Mit einem 3D-Gebäudemodell lassen sich Informationen viel übersichtlicher darstellen und Probleme schneller lokalisieren – nicht nur für die Montage, sondern auch im Kundendienst.
SHK-Betrieb Ulland
Die Ulland GmbH ist ein traditionsreicher SHK-Betrieb mit rund 50 Mitarbeitern und sechs Auszubildenden. Das 1978 gegründete Familienunternehmen wird in zweiter Generation von Christoph Ulland gemeinsam mit Dominik Terhaar geführt. Mit Standorten in Ahaus-Alstätte (Stammhaus) und Borken (seit 2018) deckt der Innungsbetrieb ein großes Einzugsgebiet ab.
Das Leistungsspektrum umfasst Großprojekte wie Krankenhäuser, Verwaltungsgebäude oder Schulen, ebenso Wohnhäuser und reicht bis zur individuellen Badsanierung. Seit 2022 verfügt das Unternehmen über eine eigene Badausstellung, die von Nadine Ulland geführt wird und maßgeschneiderte Lösungen für Privatkunden bietet.
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