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Digitalisieren ja – aber bitte nicht an der Belegschaft vorbei

SBZ: Herr Thiel, worum ging es im Projekt DigiResHand konkret?

Matthias Thiel: Wir wollten wissen: Wie kann Digitalisierung im Handwerk gelingen? Und zwar so, dass die Belegschaft nicht auf der Strecke bleibt? Das Projekt heißt vollständig „Steigerung der Resilienz im SHK-Handwerk durch die praxisnahe Einführung von digitalen Assistenzsystemen“ und lief über drei Jahre mit Praxispartnern aus dem SHK-Bereich. Beteiligt waren u.a. die Arbeitswissenschaftlerin Dr.-Ing. Anna-Sophia Henke (Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg) und Kilian Schramm vom Handwerksunternehmen Hans Schramm. Unser Fokus lag darauf, die soziale Seite der Digitalisierung zu verstehen: Wie reagieren Mitarbeitende auf digitale Veränderungen?

Wer mitreden darf, fühlt sich ernst ­genommen und ­gestaltet ­aktiv mit.

Matthias Thiel, Referat Betriebswirtschaft, Datenmanagement und Demografischer Wandel im ZVSHK

SBZ: Was war besonders überraschend?

Thiel: Überraschend war, wie groß die Bandbreite an Reaktionen war. In ein und demselben Betrieb konnte man erleben, dass die einen total begeistert waren und die anderen blockierten. Oft lag das nicht an der Technik, sondern an der Art, wie sie eingeführt wurde. Ein Kollege sagte mal: „Die App ist okay – aber nicht, wenn man sie mir einfach aufdrückt.“ Das bringt es gut auf den Punkt. Digitalisierung funktioniert nur, wenn sie mit den Menschen gestaltet wird, nicht gegen sie.

SBZ: Wie wichtig war es im Projekt, die Belegschaft frühzeitig einzubinden?

Thiel: Das war ein zentraler Erfolgsfaktor. Wer Digitalisierung top-down einführt, scheitert meist an der Umsetzung. Wir haben gesehen, wenn Mitarbeitende frühzeitig einbezogen werden – etwa bei der Auswahl neuer Tools oder bei der Gestaltung neuer Abläufe – steigt die Akzeptanz deutlich. Wer mitreden darf, fühlt sich ernst genommen und gestaltet aktiv mit. Das schafft Identifikation.

SBZ: Welche Formate oder Methoden haben sich bewährt, um Skepsis in konstruktives Mitgestalten zu verwandeln?

Thiel: Besonders wirksam waren Workshops im kleinen Kreis – ohne Hierarchien, auf Augen­höhe. Dort konnten Mitarbeitende ihre Erfahrungen, aber auch Bedenken äußern. Wichtig war: Die Geschäftsführung war offen für Kritik und hat nicht gleich alles verteidigt. Auch digitale Tagebücher haben funktioniert – Mitarbeitende konnten dokumentieren, wo Prozesse klemmen. Daraus entstanden Verbesserungsideen. Kurz: Beteiligung wirkt, wenn sie ehrlich gemeint ist.

Betriebe sollten ­realistische ­Erwartungen haben und ihre Leute Schritt für Schritt ­mitnehmen.

SBZ: Was würden Sie einem Betriebsinhaber raten, der merkt: Ich will digitaler werden – aber mein Team zieht (noch) nicht mit?

Thiel: Erst mal ist das kein seltenes Szenario. Mein Rat lautet, genau hinzuhören. Warum ist die Skepsis da? Oft hilft ein niedrigschwelliger Einstieg: Lasst uns mal dieses eine Tool ausprobieren – nur für einen Bereich. Kleine Erfolge motivieren. Wichtig ist auch, nicht zu belehren, sondern den Nutzen zu zeigen. Manchmal hilft es, einen Mitarbeitenden mit Digitalaffinität zur internen Ansprechperson zu machen. Das schafft Vertrauen.

SBZ: Welche Fähigkeiten gewinnen an Bedeutung, wenn ein Betriebe digitaler arbeiten?

Thiel: Neben dem klassischen Fachwissen braucht es zunehmend digitale Grundkompetenz, also z. B. den Umgang mit Apps, Tablets, Cloudsystemen. Aber auch sogenannte Soft Skills werden wichtiger: Kommunikationsfähigkeit, Selbstorganisation, Offenheit für Neues. Denn viele digitale Tools verändern nicht nur das Was, sondern auch das Wie der Zusammenarbeit.

SBZ: Müssen Monteure plötzlich zu IT-Fachkräften werden – oder wie sieht ein realistisches Kompetenzprofil der Zukunft aus?

Thiel: Nein – das wäre völlig überzogen. Aber ein gewisses technisches Verständnis wird wichtiger. Zum Beispiel, wie man mit digitalen Aufträgen arbeitet, mobile Zeiterfassung nutzt oder ein digitales Übergabeprotokoll ausfüllt. Das ist erlernbar, aber es braucht Zeit, Schulung und Geduld. Wichtig ist: Betriebe sollten realistische Erwartungen haben und Leute Schritt für Schritt mitnehmen.

Digitalisierung ­funktioniert nur, wenn sie mit den Menschen gestaltet wird, nicht gegen sie.

SBZ: Wie wird das strategisch begleitet?

Thiel: Digitalisierung braucht klare Ziele und ­eine ehrliche Bestandsaufnahme: Wo stehen wir? Was brauchen wir wirklich? Dann sollte ein Betrieb intern Verantwortlichkeiten benennen, etwa eine „Digitalisierungspatenschaft“. Parallel braucht es strukturierte Weiterbildung, idealerweise angepasst an verschiedene Lernniveaus. Das Ganze sollte als langfristiger Prozess verstanden werden, nicht als einmaliges IT-Projekt.

SBZ: Wie geht es weiter, was bleibt vom Projekt?

Thiel: Ein Leitfaden bündelt die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Projekt. Er soll praxisnah zeigen, wie Betriebe digitale Veränderungen sozialverträglich und wirksam gestalten können. Dazu gehören Checklisten, Beispiele aus der Praxis, Reflexionsfragen und konkrete Vorgehensmodelle. Etwa für den Umgang mit Widerstand oder für die Einführung neuer Tools. Ziel ist, echten Mehrwert für den Alltag im Handwerk zu liefern. Unter
www.shk-resilient.de ist er ab Ende Juli 2025 abrufbar. Zudem haben wir Lernvideos produziert, die verschiedene Aspekte aufgreifen.

SBZ: Herr Thiel, vielen Dank für den Ein- und Ausblick.

Das Projekt DigiResHand hat im Ermittelt im „Experimentierraum“ der Hans Schramm GmbH 12 Faktoren ausgemacht, mit denen sich eine Digitalisierung erfolgreich bewältigen lässt. ­Wichtig ist, an einem Punkt zu ­beginnen und nicht alles auf einmal zu wollen.

Bild: ZVSHK

Das Projekt DigiResHand hat im Ermittelt im „Experimentierraum“ der Hans Schramm GmbH 12 Faktoren ausgemacht, mit denen sich eine Digitalisierung erfolgreich bewältigen lässt. ­Wichtig ist, an einem Punkt zu ­beginnen und nicht alles auf einmal zu wollen.

Da ist ein Fachbetrieb resilient

Es gibt verschiedenste Bereiche in einem Unternehmen, in denen sich ­Resilienz zeigt:

Organisation

  • Effiziente Organisation und kurze Entscheidungswege
  • Digitalisierung der Betriebsabläufe und Kommunikation
  • Nutzung digitaler Hilfsmittel und Kommunikationskanäle
  • Abbau von Bürokratie und Verwaltungsaufwand
  • Team

  • Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Mitarbeiter
  • Gutes Betriebsklima und Zusammenhalt im Team
  • Kontinuierliche Weiterbildung und Qualifizierung der Mitarbeiter
  • Proaktives und vorausschauendes Handeln
  • Arbeitszeitmanagement
  • Struktur

  • Breite Aufstellung des Unternehmens in verschiedenen ­Geschäfts­feldern
  • Fokus auf Service, Reparatur und Wartung
  • Regionale Ausrichtung und Nähe zu Kunden
  • Gute Beziehungen zu Lieferanten und Partnern
  • Gute Auftragslage und Kundenbindung
  • Finanzielle Stabilität und Rücklagen
  • Projektübersicht DigiResHand

    Auf welche Weise kann der SHK-Fachbetrieb eine ­digitale Unterstützung nutzen, um einen Arbeitsprozess zu verbessern? Dieser Frage ist das Forschungsprojekt zur „Steigerung der Resilienz im SHK-Handwerk bei praxisnaher Einführung von digitalen Assistenzsystemen“ (kurz: DigiResHand) nachgegangen. Gefördert wird das Forschungsprojekt vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rahmen seiner Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA). Auf Initiative des ZVSHK wurden digitale Systeme durch Monteure und Büroangestellte erprobt und Erfahrungen in Workshops zusammengetragen. Final entsteht Mitte 2025 ein Praxisleitfaden mit Lernvideos, von dem weitere Handwerksunternehmen profitieren können. Wissenschaftliche Begleitung: Dr.-Ing. Anna-Sophia Henke (Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg.

    www.shk-resilient.de

    Bild: DigiResHand

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