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Regelstrategie erhöht Luftqualität

Passivhaus plus Lüftungsanlage – das ist eine Kombination, die an trockenen und kalten Wintertagen zu extrem trockener Raumluft führen kann. Diese Erfahrung machte auch Dipl.-Ing. Bernhard Martin in seinem eigenen Bürogebäude, das er 2003 in Weßling für seine damalige Firma Martin GmbH – Geschäftsfeld Reparatur von Leiterplatten – fertiggestellt hatte. Es war das erste Bürogebäude in Passivhausbauweise im Landkreis Starnberg. Für die Architekten war es ein Pionierprojekt, das auch die Bauherren Elke und Bernhard Martin überzeugt hatte. Rückblickend sagen die Bauherren, dass Architektur und Gebäudetechnik mit hoher Energieeinsparung wohl sehr gut in Einklang gebracht wurden. Dennoch galt es die zentrale Lüftungsanlage noch zu optimieren: Das Gebäude wurde aufgrund der einfachen Lüftungssteuerung und der Luftheizung mit einem hohen Luftwechsel von 0,5 h–1 betrieben. Die Luftfeuchtigkeit sank im Winter auf unangenehme 13 %. Gegenmaßnahmen wie regelmäßige manuelle Eingriffe in die Steuerung und das Aufstellen von Luftbefeuchtern führten nicht annähernd zu dem erforderlichen Ergebnis von wenigstens 30 % relativer Feuchte, die für das Behaglichkeitsbefinden erforderlich ist. Zudem wurden die Räume in den Gebäudeecken als zu kalt und andere Räume, die am Anfang der Lüftungsstränge liegen, als zu warm empfunden. Einstellungsmöglichkeiten für individuelle Raumtemperaturen gab es ebenfalls nicht.

Es gab also ein großes Potenzial für Verbesserungen. Aus den Erfahrungen während des Optimierungsprozesses resultierten im Laufe der Zeit konkrete Anforderungen an ein neues Gerätekonzept für die Lüftung mit einer anspruchsvollen Regel- und Steuerungstechnik. Um dieses umzusetzen, begann Bernhard Martin einen Käufer für seine Firma Martin GmbH zu suchen und gründete 2009 gemeinsam mit seiner Frau Elke und dem Ingenieur Thomas Schally ein neues Unternehmen für Lüftungstechnik mit dem Namen Blumartin GmbH. Im Sommer 2010 begann dann die konkrete Entwicklung eines neuen Lüftungsgeräts. So entstand das bedarfsgeführte, dezentrale Lüftungsgerät mit Wärmerückgewinnung Freeair 100, das sich in einer verhältnismäßig kurzen Zeit am Markt etablieren konnte.

Die Marktentwicklung bei der Lüftung bleibt insgesamt zäh

Zentrale Komfort-Lüftungsgeräte für Wohngebäude mit Wärmerückgewinnungsgraden bis 90 % sind heute Stand der Technik. Trotz der allseitig anerkannten Vorzüge der ausgereiften Gerätetechnik ist die Verwendung beim Neubau aber immer noch nicht die Regel, obwohl Häuser oder Wohnungen mit Lüftungsanlagen besser funktionieren und das Wohnklima nachweislich gesünder ist. Gerade einmal 41 695 solcher Anlagen wurden im Jahr 2013 deutschlandweit installiert (Quelle: FGK Report im Februar 2014). Auch die Energiewende ist ohne höhere Effizienz bei der Raumwärme nicht zu schaffen. In Deutschland werden 20 % der gesamten Endenergie für die Raumwärme privater Haushalte aufgewendet (Quelle: Dena und Energiedaten vom BMWi, Bezugsjahr 2010). Ein Viertel hiervon könnte durch den konsequenten Einsatz von Wärmerückgewinnung bei der Wohnraumbelüftung eingespart werden. Das wären immerhin 5 % der gesamten Endenergie der Bundesrepublik Deutschland, ein riesiges Potenzial also.

Was könnte der wichtigste Grund für das zähe Wachstum dieses Marktes sein? Nach Überzeugung von Bernhard Martin berührt das Bauen von Wohnraum die Urinstinkte der Menschen und daher liegt es nahe, das Vertraute und Althergebrachte reproduzieren zu wollen. Veränderungen von traditionellen und vertrauten Bauweisen können auch bedrohlich wirken und zu Verunsicherungen führen. Eine erfolgreiche Verbreitung von Lüftungsanlagen und das Schaffen von Vertrauen in diese Technik würden nicht zuletzt davon abhängen, ob es gelingt, die technischen Komponenten optimal an die Bedürfnisse der Bewohner anzupassen. Für solche Anpassungsleistungen sei ein wechselseitiger Lernprozess zwischen Herstellern und Anwendern – in diesem Fall nicht nur Gebäudebewohner, sondern auch Bauträger, Architekten oder Haustechniker – eine wichtige Voraussetzung.

Konkrete Anforderungen an das neue Lüftungsgerät

Das neue Lüftungsgerät selbst sei ein Produkt aus einem solchen Lernprozess im eigenen Betrieb und könne deshalb auch einen Beitrag zur steigenden Akzeptanz dieser Technologie darstellen, wie Martin ausführt. Im folgenden sind die wichtigsten Anforderungen aufgelistet:

  • kein Austrocknen der Wohnräume im Winter durch bedarfsgeführte Regelung,
  • durch dezentrales Lüftungskonzept individuelle Temperaturen in den Wohnbereichen,
  • Trennung von Lüftung und Heizung,
  • ganzjährig einfache Bedienung ohne hausmeisterliche Eingriffe,
  • Filterwechsel normalerweise nur einmal pro Jahr,
  • den ungeliebten Lüftungsapparat in der Außenwand verschwinden lassen
  • So wenig Lüftungsleitungen wie möglich,
  • wohnliches Design.

Hinter einer intuitiven Ein-Knopf-Bedienung beim FreeAir100 verstecke sich eine komplexe Regelungstechnologie, die es dem Nutzer einfach machen soll. Acht Sensoren sorgen für eine automatische Steuerung. Die erforderliche Menge an Außenluft werde permanent den Wohnräumen zugeführt und die gleiche Menge an Fortluft parallel abgeführt, egal ob im Sommer oder Winter, bei Tag und Nacht oder bei Party und im Urlaub. Die acht Sensoren sind bereits in der Grundausführung enthalten und im Gerät so angeordnet, dass keine externen Leitungen, Kästchen oder Bedieneinheiten nötig sind. Alle Bauteile seien für eine problemlose und langfristige Nutzung ausgelegt. Dahinter stecke jahrelanges Forschen und Streben nach einer perfekten Lösung: Tausende von Messungen und Hunderte von Optimierungsschritten seien notwendig gewesen, um automatisch die richtige Luftmenge in jeder erdenklichen Situation für den Nutzer bereitzustellen. Das Ziel einer solchen ausgefeilten und bedarfsgeführten Regelung ist es, die minimal erforderlichen Luftströme in die Räume einzubringen, um die folgenden Vorteile zu erreichen:

  • gesunde Raumfeuchtigkeitswerte,
  • weniger Filterwechsel,
  • geringerer Energieverbrauch,
  • geringe Geräusche,
  • hohe Kundenakzeptanz.

Wärmeströme sind nicht begreifbar und technische Verbesserungen sind ohne Nachweis wenig wert. Das Lüftungsgerät sammelt deshalb konsequent alle Systemdaten über Jahrzehnte. Um diese Daten auswerten zu können, steht für jeden Nutzer die kostenlose Freeair-Connect Software zur Verfügung. Zunächst werden die aktuellen Messwerte, der momentane Wirkungsgrad und die Leistung der Wärmerückgewinnung angezeigt. Die Verläufe von Temperaturen, Feuchtigkeitswerten, CO2-Gehalt, Wärmerückgewinnung und Stromverbrauch können im Minutentakt angezeigt oder auch in Stunden, Tagen und Monatswerten gemittelt visualisiert werden. Diese Auswertungen führen zur Versachlichung in der Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Lüftungsgeräten mit Wärmerückgewinnung und für Vertrauen und Akzeptanz bei den Kunden. Zur besseren Kontrolle von Filterzuständen, CO2-Konzentration und Feuchtigkeit wurden vier Ampeln in der Software integriert. Die Bedarfsführung erkennt Veränderungen der Luftqualität automatisch und optimiert sie selbständig.

Erfolgreiches Feuchtemanagement

Zu trockene Luft in Wohngebäuden wird in den Wintermonaten durch zu hohe Luftwechselraten von Lüftungsanlagen ohne Bedarfssteuerung hervorgerufen. Eine Lüftungsauslegung nach DIN 1946-6 orientiert sich am Maximalbedarf. Ohne intelligente Regelung führt es zur Überlüftung der Gebäude. Dies macht sich besonders im Winter unangenehm bemerkbar. Als unbehaglich werden relative Luftfeuchtigkeitswerte von unter 30 % empfunden. In trockener, warmer Raumluft erkältet man sich viel leichter, weil trockene Schleimhäute die besten Nistplätze für Bakterien und Viren sind. Eine zu hohe Luftfeuchtigkeit wird dagegen im Sommer ab 60 % (bei 25 °C Raumtemperatur) als unangenehm schwül empfunden, weil die körpereigene Kühlung nicht mehr ausreichend funktioniert. Schimmelbildung kann ab etwa 70 % relativer Feuchte auftreten.

Da die Freeair-Lüftungsgeräte alle relevanten Daten selbständig sammeln, könne später auch der Installateur bei den Kunden den Nachweis erbringen, dass das Feuchtemanagement in Zusammenhang mit der Bedarfsführung sehr gut funktioniert. Die im Aufmacherbild dargestellten Feuchtigkeitsmonatswerte stammen aus 43 verschiedenartigen Kundenobjekten. Die Ergebnisse zeigen damit, dass es regelmäßig keiner Feuchterückgewinnung im Wärmetauscher oder einer zusätzlichen Befeuchtung in den Räumen bedürfe. Das ist eine neue, wichtige Erkenntnis, denn Befeuchtungsanlagen sind bekanntlich die hygienische Achillesferse von Lüftungssystemen. Bedarfsführung sorgt also durch die Reduzierung der Luftmengen sicher auch für ein gesünderes Wohnklima.

Technische Anlagen werden im Wohnraum eher als störend empfunden. Die zunehmend kompakte Bauweise moderner Lüftungsgeräte ist deshalb sicher auch ein Beitrag in Richtung Akzeptanz beim Kunden. Die Frontplatte des Freeair 100 lässt sich individuell gestalten. Viele Kunden sollen deshalb auch die Möglichkeit nutzen, die Front farbig, entsprechend den Wohnraumfarben anzupassen. Ist das Gerät etwa in der Küche eingebaut, so kann der Bewohner die Front als Tafel nutzen und mit Kreide beschriften. Im Schlafzimmer eignet sich die Front als indirekter Beleuchtungsträger oder als schlichtes Uhrwerk. In Hotels- oder Gewerbebauten wird die Technik teilweise komplett hinter einem Bilderrahmen versteckt. Hier können also die Bewohner ihrer Fantasie freien Lauf lassen.

Bedarfsführung halbiert den Energieverbrauch

Eine theoretische Simulation in Form einer Bachelorarbeit der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und auch erste Praxisbeispiele deuten darauf hin, dass der Energieeinsatz für die Wohnraumbelüftungen durch intelligente Regelung halbiert werden kann.

Das Institut für Bauen und Nachhaltigkeit von Andreas Nordhoff hat in einem aktuellen Gutachten ausgeführt, dass der Luftwechsel in Wohnräumen deutlich gesenkt werden kann, wenn das Lüftungssystem nach CO2 und Feuchtigkeit geregelt wird. Es wurden dabei verschiedene Wohnsituationen untersucht. Zum Beispiel eine typische Single-Wohnung mit 45 m² Wohnfläche, für die sich eine Reduzierung der Luftwechselrate von 0,35 auf 0,16 h–1 ergibt. Das entspricht einer Reduzierung der Luftmenge um 54 % mit der entsprechenden Einsparung an Energie.

Im Januar 2016 tritt eine neue Ecodesign-Richtlinie der Europäischen Union zur Kennzeichnung von Lüftungsgeräten in Kraft. Dabei werden Geräte mit Steuerungen nach örtlichem Bedarf in eine höhere Effizienzklasse eingeteilt. Das Freeair 100 erfüllt daher die Anforderungen für die beste Energieeffizienzklasse A+.