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Brandschutz und Gebäudeversorgungstechnik, Teil 3

Risikobetrachtung von Abgasleitungen

Leider werden in den Landesbauordnungen Lösungen für Bereiche mit erhöhtem Brandrisiko nur allgemein beschrieben. Erst in den Ausführungs- und Durchführungsverordnungen und Richtlinien lassen sich unmittelbare Maßnahmen ableiten. Aber es zeigt sich, dass bei Weitem nicht alle Risiken abgedeckt sind, dass nicht grundsätzlich alle Bausituationen erfasst sind und Fachplaner und Ausführende bei der Umsetzung der Schutzmaßnahmen sehr wohl auch ihr Fachwissen und den gesunden Menschenverstand ergänzend einsetzen müssen.

Zentrale Verantwortung

Vor dem Hintergrund, dass die meisten Brände nicht etwa in Bauwerken mit offensichtlich erhöhtem Brandrisiko stattfinden, sondern in harmlosen Wohngebäuden, kommt diesem Umstand besondere Bedeutung zu. Ist es doch hier, wo bei einem Brand direkt die Gesundheit von Menschen gefährdet wird. Der Gesetzgeber definiert Gebäude als bauliche Anlagen, „die dem Schutz von Menschen dienen“. Dem Fachplaner und Ausführenden von baulichen Maßnahmen an Gebäuden kommt damit eine zentrale Verantwortung zu. Gelingt es nicht diese Schutzfunktion zu verwirklichen und werden bei Planung, Leitung oder Ausführung eines Baus die allgemein anerkannten Regeln der Technik verletzt und dadurch Leib oder Leben anderer Menschen gefährdet, wird dies mit Freiheitsstrafe bestraft; bezeichnet wird es als Baugefährdung. Ein besonderes Beispiel, bei welchem eben nicht jede Bausitua­tion und die daraus notwendigen Methoden zur Abwendung von eventuell entstehenden Risiken für die im Gebäude wohnenden Menschen erfasst ist, ist die Konzeption von Abgasleitungen von Feuerstätten.

Feuerstätte und Heizraum

Während das Errichten von Feuerstätten und das Einrichten von Aufstellräumen und Heizräumen für Feuerstätten in Abhängigkeit von deren Heizleistung ab 50 kW in den Feuerstätten- oder Feuerungsverordnungen genau definiert ist, sind die Methoden zur Führung von Abgasleitungen durch angrenzende Gebäudeabschnitte nicht ausreichend beschrieben. Und dies, obwohl Abgasleitungen, also Schornsteine und Verbindungsstücke, zwangsläufig oft bauaufsichtlich benannte Bauteile durchdringen müssen, wenn sie nicht außerhalb des Gebäudes entlang der Fassade geführt werden. Das heißt, immer dann wenn Abgasleitungen durch Bauteile hindurch geführt werden, an die Anforderungen gegen die Übertragung von Feuer und Rauch gestellt sind und von welchen dadurch eine unmittelbare Schutzfunktion für die Gesundheit von Menschen abhängt, müssen besondere Sicherungsmaßnahmen durchgeführt werden. Schon deshalb, um diese ursprüngliche Schutzfunktion des Bauteils, die vor der Durchführung der Abgasleitung bestand, wieder herzustellen.

Brandursachen

Moderne Feuerstätten sind als Brandentstehungsorte statistisch nicht besonders auffällig. Brandursachen sind dann meist das Versagen von Sicherheitseinrichtungen wie Thermostate oder technische Defekte an Brennern. Wesentlich häufiger sind Brände aus Baumängeln an Abgasleitungen. Besonders ist hier ein zu geringer Abstand zu brennbaren Baustoffen zu nennen. Die Abgasleitung kann auch Brandausbreitungsweg sein, wenn sie selbst oder die angeschlossene Feuerstätte gar nicht brandursächlich ist. Dabei handelt es sich um einen offensichtlichen, aber vergessenen Ausbreitungsweg von Feuer und Rauch im Brandfall. Es geht bei der Brandrisikobetrachtung von Abgasleitungen nicht nur um die sichere Abführung von Abgasen von Feuerstätten. Ein Abgassystem durchdringt genauso wie jede andere Ver- oder Entsorgungsleitung in einem Gebäude bauaufsichtlich benannte Decken und Wände und bildet eine Brücke für einen Brand von einem Geschoss in das nächste.

Die Anforderungen

Zuerst unterliegt ein Abgassystem den Anforderungen, die aus der bestimmungsgemäßen Nutzung entstehen: Nach der Musterbauordnung müssen Feuerungsanlagen und sonstige Anlagen zur Wärmeerzeugung, Brennstoffversorgung betriebssicher und brand­sicher sein. Die Abgase von Feuerstätten sind durch Abgasleitungen, wie Schornsteine und Verbindungsstücke so abzuführen, dass keine Gefahren entstehen. Aber weil das Abgassystem auch ein Bauteile durchdringendes Element, von einem Wohnbereich in den nächsten ist, dürfen wir nicht nur die Betriebs­sicherheit, das heißt die Feuerwiderstands­fähigkeit der Abgasleitung von innen nach außen betrachten, sondern müssen wie bei jeder anderen Leitung auch, die Feuerwiderstandsfähigkeit von außen nach innen und damit durch ein Bauteil hindurch in einen fremden angrenzenden Raum betrachten. In Deutschland gilt der Schutz des Nachbarn als ein elementarer Teil des vorbeugenden Brandschutzes und war schon früh schriftlich in den Landesgesetzen verankert. Die älteste schriftliche Quelle ist der Sachsenspiegel, der Anfang des 13. Jahrhunderts verfasst wurde: „Jeder soll auch abdecken seinen Backofen und seine Mauer, dass die Funken nicht in eines anderen Mannes Hof fliegen, jenem zu Schaden.” Auch heute hat der Gesetzgeber klare Aussagen getroffen. Der Musterverordnung für Feuerungsanlagen (vergleiche jeweilige Landesverordnungen), ist zusammenfassend zu entnehmen, dass jede Abgasanlage, die Geschosse überbrückt, in einem eigenen Schacht angeordnet sein muss. Auch die Qualität dieser Schächte ist definiert: Die Schächte müssen eine Feuerwiderstandsdauer von mindestens 90 Minuten, in Wohngebäuden geringer Höhe von mindestens 30 Minuten haben.

Schwerentflammbar bedeutet keineswegs nicht brennbar

Bei modernen Abgassystemen für abgastemperaturbegrenzte Brennwertfeuerungsanlagen, kommen Kunststoffleitungen zur Verwendung, die sich auszeichnen durch geringes Gewicht, geringe Wandstärken und die unempfindlich sind gegen Kondensat. Doch auch wenn sie schwerentflammbar gemacht worden sind, benötigen sie eine zusätzliche Ummantelung aus mineralischen Baustoffen, denn schwerentflammbar, bedeutet nicht „nicht brennbar“. Es besteht weiterhin die Gefahr der Zersetzung und damit der starken Rauchentwicklung und der Gefahr für die Gesundheit von Menschen durch toxische Rauchgasanteile. Letztendlich besteht auch weiterhin die Gefahr des Abbrandes, wenn ausreichend Temperatur erzeugt wird. Auch metallische Abgasleitungen, die selbst nicht brennen, benötigen eine zusätzliche Ummantelung aus mineralischen Baustoffen. Deren Risiko besteht vor allem im Übertragen eines Brandes durch Übertragen von Hitze sowie der Gefahr der Zerstörung von Bauteilen durch thermische Längenausdehnung und Versagen von Rohrhalterungen, bzw. Auseinanderfallen der Leitung. Nur wenn die Abgasleitung selbst über eine Feuerwiderstandsdauer verfügt, kann die Ummantelung aus mineralischen Baustoffen entfallen. Dann übernehmen die Abgasrohre selbst die Funktion der Ummantelung. Möglich ist dies durch die Verwendung von feuerwiderstandsfähigen Rohrwerkstoffen, Porenbeton oder z.B. Beton mit Zuschlägen wie Wasserglas, der dann eine wesentlich höhere Widerstandsfähigkeit hat.

Reale Einbausituation

Die reale Einbausituation ist eigentlich fast immer das Durchdringen von bauaufsichtlich benannten Bauteilen. Ein Abgassystem durchdringt oft in technisch notwendiger Weise mehrere Stockwerke. Es kann damit grundsätzlich einen Brand von einem Stockwerk in das nächste übertragen und zwar überwiegend von unten nach oben. Die Brennwerttechnik ist in der Heiztechnik zum Standard geworden. Rohre aus Polypropylen (PP) bzw. Polypropylen schwerentflammbar (PPs) haben sich als praktikable Lösung für den Installateur schnell durchgesetzt. In Fällen, in welchen Kunststoffinnenrohre Teil des Systems sind, besteht die Gefahr, dass sich Brände auch von oben nach unten durch brennendes Abtropfen ausbreiten. Dabei hat in den meisten Fällen der Brand mit einem Brand aus der Feuerstätte selbst gar nichts zu tun, sondern entsteht irgendwo in einem Zwischen­geschoss. Ein Kunststoffinnenrohr eines Abgassystems ist im störungsfreien Betrieb für niedrige Abgastemperaturen von Brennwertkesseln ausgelegt. Diese Temperaturen schädigen das in unserem Beispiel schwer entflammbar (B 1) ausgerüstete Innenrohr in keiner Weise. Doch wie bereits erwähnt, bedeutet schwer entflammbar keineswegs nicht brennbar. Kommt es in einem Zwischengeschoss oder in der Feuerstätte selbst zu einem Brand, steigen die Temperaturen zwangsläufig nach gewisser Zeit weit über die zulässige Betriebstemperatur des Kunststoffinnenrohres an. Es beginnt zu schmelzen. Dabei werden Gase erzeugt, die zunächst noch über Dach für Mensch und Tier im Gebäude schadlos entweichen. Steigt die Brandraumtemperatur weiter, kann es zum Schmelzen, Entzünden und schließlich zum brennend Abtropfen kommen. Auf diese Weise gelangt ein Brand aus einem Zwischengeschoss hinunter in die Feuerstätte, bzw. durch Überhitzung des innen brennenden Schornsteinsystems überträgt sich die Temperatur auch hinauf in das nächste Geschoss und könnte dort angrenzende, brennbare Bauteile entzünden. Im Extremfall fallen die einzelnen Bauteile auseinander oder es bilden sich Öffnungen und Feuer und Rauch finden einen direkten Weg in weitere Gebäudeabschnitte.

Bauaufsichtliche Zulassung

Am Anfang steht der Brandtest an einer akkreditierten Materialprüfanstalt, die einen Prüfbericht ausstellt. Mit diesem kann der Hersteller dann in Berlin, beim Deutschen Institut für Bautechnik die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (AbZ) beantragen. Basis ist also die Prüfung, der Brandtest an der Materialprüfanstalt: In der Regel wird das System so in einem Prüfofen aufgebaut, dass der Brandraum des Ofens die Feuerstätte darstellt. In ihm wird ein Normbrand nach DIN 4102 Teil 2 erzeugt, nach welcher in einer bestimmten Zeit, eine bestimmte Temperatur bei Anwesenheit eines bestimmten Drucks entsteht (Einheitstemperaturzeitkurve, kurz ETK genannt). Das Abgassystem durchdringt eine Porenbetondecke und auf der dem Brandraum abgewandten Seite werden nach den Regeln der genannten Norm Temperaturmessfühler angebracht. Während im Brandraum nach 90 Minuten eine Temperatursteigerung vom Ausgangsniveau von 986 K erzeugt wird, darf in der gleichen Zeit an keinem Messpunkt über der Brandraumdecke am Schornsteinsystem ein Temperaturwert von 180 K über der zu Beginn herrschenden Temperatur entstehen. Außerdem darf möglichst wenig Rauch, nach den Landesbauordnungen streng genommen gar kein Rauch, auftreten, natürlich auch kein offenes Feuer und das Bauteil mit dem eingebauten System darf nicht zusammenbrechen. Rauch über die Schornsteinöffnung über Dach darf abgeführt werden, hier wird niemand ­gefährdet. Oft werden bei solchen Tests die Kunststoffinnenrohre weggelassen und man schließt die Funktionsfähigkeit, die Brandsicherheit einfach aus den ansteigenden Temperaturen. Die Begleiteffekte des Schmelzens, des Gaseerzeugens oder gar des Brennens wird ­also gar nicht betrachtet. Eine Ausbreitung nach unten durch abtropfende Kunststoffteile kann nicht beurteilt werden. Mehrstockige Testaufbauten, bei welchen der Brandraum in einem Zwischengeschoss, also über der Feuerstätte angeordnet ist, werden in der Regel nicht gemacht. Und so stellt sich die Frage, welches Abgassystem denn nun über eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung verfügt, die sowohl die Ausbreitung von Feuer und Rauch von der Feuerstätte nach oben, als auch eine Ausbreitung aus einem Zwischengeschoss von oben nach unten und von unten nach oben vermeidet? Tatsächlich scheint es hier Nachholbedarf zu geben, wobei man den Herstellern nicht den Vorwurf machen kann, wenn zu diesem Thema die Prüfnormen keine besonderen Anforderungen stellen, die dem Thema gerecht werden. Die Firma brandschutz.org, die sich mit der Entwicklung von Brandschutz-Lösungen befasst, hat sich entschlossen, unabhängig von einem Auftrag, Hersteller solcher Systeme einem Brandtest zu unterziehen.

Der Brandtest

Verwendet wurden Bauteile der Firma Skoberne aus Pfungstadt, der „Skobifix 30“. Zum Test wurde ein Vertreter des Herstellers als Zeuge eingeladen. In einer Prüfkammer wurde ein dreigeschossiger Aufbau erstellt:

UG: Keller, Feuerstätte,

EG: Der eigentliche Brandraum der gemäß den Temperatur- und Druckanforderungen der DIN 4102 Teil 2 befeuert wurde, und

OG: Dachgeschoss mit Gebälk und Ziegeleindeckung in welchem die Trägerkonstruktion aus Holz direkt in Berührung mit dem „Skobifix-Schacht“ standen.

Der „Skobifix 30“ ist für eine Feuerwiderstandsfähigkeit von 30 Minuten ausgelegt. Wir waren jedoch entschlossen den Test über das ausgelegte Schutzziel hinaus bis zum Versagen der Konstruktion zu führen. Wobei „Versagen“ mit erhöhter Temperatursteigerung, d.h. über 180 K Steigerung an einem Messpunkt, oder Rauch oder Feuer in den angrenzenden Geschoßebenen definiert ist. Zu keinem Zeitpunkt wurde in den ausgelegten 30 Minuten die Temperaturgrenze überschritten, es traten weder Feuer noch Rauch in den angrenzenden Geschossen auf. Nach Ablauf der 30 Minuten trat etwas weißer Rauch über die Kaminöffnung, über der Dachkonstruktion auf, erst nach der 52. Minute entzündete sich das Innenrohr. Erst nach 1 Stunde und 4 Minuten kam es zum Durchbrand in das Untergeschoss und der Versuch wurde abgebrochen.

Das System „Skobifix 30“ hat bei einem verschärften, orientierenden Brandtest, der über die Anforderungen der Normbrandtests hinausging, eine Feuer­widerstandsfähigkeit gezeigt und das sowohl nach oben, wie auch nach unten. Obwohl der Schacht eine sehr schmale Abmessung bei verhältnismäßig geringer Wandstärke aufweist. Direkt an die Wange des „Skobifix 30-Schachtes“ herangeführte brennbare Bauteile (Rahmenschenkel der Dachkonstruktion), entzündeten sich nicht, es kam zu keiner Rauchgasentwicklung, weder am brennbaren Bauteil, noch durch das System selbst. Erst nach der doppelten Testzeit kam es zum Versagen. Brandschutztechnische Aspekte rund um die Gewerke Sanitär-, Lüftung- und Klimatechnik werden in folgenden separaten Abschnitten besprochen.

Weitere Informationen

Unser Autor Bernd Prümer ist als Inhaber der Firma Brandschutz.org im Bereich Entwicklung und Grundlagenforschung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt beratend tätig. Außerdem ist er Fachbuchautor und Mitglied des Prüfungsausschusses der Handwerkskammer Heilbronn-Franken, Telefon (0 62 98) 93 68 12, Telefax (0 62 98) 93 68 13, E-Mail: info@brandschutz.org.