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Vom Helfer zum Gesellen

Die Fassade in der Matternstraße 9 in Berlin gibt wenig preis. Ein größeres Schaufenster, daneben die Eingangstür, davor parkt ein Pkw mit der Aufschrift „SWTec Sanitär- u. Wärmetechnik GmbH“. Gleiches steht an der Fassade. Auf den ersten Blick alles ziemlich gewöhnlich hier, am Stammsitz dieses SHK-Betriebs im Samariterviertel, östlich des Alexanderplatzes. Alles andere als gewöhnlich ist jedoch der Umgang mit dem zunehmenden Fachkräftebedarf im Handwerk.

Das Team um Geschäftsführer Gunnar Pawlik wächst. Es wächst, weil der Innungsbetrieb selber ausbildet. Das ist in diesen Tagen ja keine Selbstverständlichkeit mehr, selbst unter SHK-Betrieben nicht, trotz der rosigen Zukunftsaussichten. Weiß doch jeder, wie schwierig es manchmal mit den jungen Menschen werden kann. Oder, wie der Chef sagt: „Da gibt es durchaus schon fordernde Momente.“ Es sind aber nicht nur junge Menschen, die bei der SWTec eine berufliche Heimat finden. Gunnar Pawlik hat seinen Betrieb für Quereinsteiger geöffnet.

Bei der Bezeichnung ‚Handwerk‘ liegt die Betonung auf ‚Hand‘

Gunnar Pawlik

Bild: Jäger / SBZ

Ein Modellprojekt der Innung SHK Berlin

Er folgt damit einem Modell, das es so nur in der Hauptstadt gibt. Initiiert von der Innung Berlin trägt es den Titel „Vom Helfer zum Gesellen“. Vor allem Personen mit handwerklichen Grundkenntnissen (besser noch: einer handwerklichen Vorbildung in einem artverwandten Beruf) wird der Einstieg ins SHK-Handwerk erleichtert. Treffend wäre die Bezeichnung „Umschulung“, wobei der Ausdruck ja eher mit Arbeitssuchenden verbunden wird. Was in diesem Fall aber so nicht ganz passend ist. Es handelt sich um eine vollwertige Ausbildung zum Anlagenmechaniker SHK, ausgelegt auf zwei Jahre. Am Ende stehen die gleichen Prüfungen theoretischer und praktischer Natur, wie sie auch von herkömmlichen Auszubildenden nach dreieinhalb Jahren abgelegt werden müssen. Ausgelegt ist das Konzept für Interessierte, die schon mitten im Leben stehen und zum Beispiel eine Familie gegründet haben. Das ist der große Unterschied zu den – nennen wir sie an dieser Stelle: klassischen – Lehrlingen, die gerade erst den Schritt von der Schule ins Berufsleben wagen.

Bei Gunnar Pawlik haben aktuell drei Leute angeheuert, die diesen neuen Weg mit ihm gehen wollen. Der Älteste unter ihnen hat den 50. Geburtstag schon hinter sich, ein anderer war zuvor im Messebau tätig. Es sind alles keine Unbekannten im Hause SWTec. Sie waren allesamt zuvor als Bauhelfer einige Zeit angestellt. Das ist ein wichtiger Umstand, denn so konnten sich beide Seiten intensiv kennenlernen und quasi „im laufenden Prozess“ entscheiden, ob und wie es weitergehen soll. Hier trägt das Berliner Modell einen ganz großen Vorteil in sich, findet der Geschäftsführer. Es öffnet den bauhelfenden Quereinsteigern eine Tür, sich in der Fachschiene weiter zu qualifizieren. Und mit mehr Mitarbeitern mit deutlich ausgebauten Fähigkeiten und Fachwissen lässt sich mehr bewegen, so lautet Gunnar Pawliks einfache Rechnung.

Sich Zeit nehmen ist eine besondere Form der Wertschätzung gegenüber den Lehrlingen, gerade als Gegenpol zum hektischen Alltag .

Julia Claus

SBZ / Jäger

Hohe Lernbereitschaft wird vorausgesetzt

Wobei „einfach“ tatsächlich alles andere als einfach ist. Von den Teilnehmern wird erwartet, sich die Inhalte einer eigentlich auf dreieinhalb Jahre ausgelegten Berufsausbildung in zwei Jahren anzueignen. Und natürlich: die Abschlussprüfung zu bestehen. „Die müssen sich ziemlich auf den Hosenboden setzen und lernen, lernen, lernen“, sagt Julia Claus, Ausbildungsbeauftragte im Betrieb. Damit das klappt, wurde für Absolventen eine eigene Berufsschulklasse eingerichtet. So bleiben die „älteren Semester“ unter sich, einmal die Woche ist Unterricht. Diese Trennung ist wichtig: „Was soll ein gestandener Mann im Alter von Mitte 30 unter lauter Jugendlichen und jungen Erwachsenen?“, stellt sie eine berechtigte Frage. Da prallen Generationen aufeinander. Andere Themen, anderer Blickwinkel aufs Leben, das passt nicht gut zusammen.

Julia Claus geht davon aus, dass zum Beispiel auch Eigenschaften wie selbstständiges Arbeiten, Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein dazu beitragen, dass gerade die Ausbildung „auf der Schnellspur“ zum Ziel führen kann. Aber, und das ist jedem im Betrieb bewusst: Nach bestandener Prüfung gilt es, erst mal noch reichlich Erfahrung aufzubauen. „Das ist so ähnlich wie mit dem Führerschein. Wenn man die Fahrerlaubnis erhalten hat, beginnt eine lange Phase des Praxissammelns.“ Der Vergleich von Gunnar Pawlik leuchtet schnell ein.

SWTec im Berliner Osten beschäftigt rund 20 Mitarbeiter.

Bild: SWTec

SWTec im Berliner Osten beschäftigt rund 20 Mitarbeiter.

Junge Azubis absolvieren zuerst ein Praktikum

Bliebe noch die Frage zu klären, wie SWTec denn an „herkömmliche“ Schulabgänger herankommt? Da hat der Berliner SHK-Betrieb einen ganz pragmatischen Weg eingeschlagen. Junge Menschen sind eingeladen, ein Praktikum zu absolvieren. Diese Herangehensweise entwickelt sich zu einem zunehmend verbreiteten Schlüssel, um früh Zugang zu den potenziellen Azubis zu erlangen. Zu einem Zeitpunkt weit vor der eigentlichen Phase, in der bei Schülern die Entscheidung für den Ausbildungsberuf getroffen wird. Dafür gibt es laut Julia Claus einen guten Grund. Deutlicher als in einem reinen Vorstellungsgespräch wird erkennbar, ob der Kandidat oder die Kandidatin grundsätzlich Geschick mitbringt: „Bei der Bezeichnung ‚Handwerk‘ liegt die Betonung auf ‚Hand‘.“ Außerdem öffnen sich die Kandidaten bei einem längeren Praktikum auch im zwischenmenschlichen Bereich.

Dieser persönliche Austausch schlägt nach der Meinung des Chefs jede Bewerbungsmappe: „Früher habe ich auf so eine Mappe bestanden, heute kann und will ich das gar nicht mehr verlangen. Es ist viel ergiebiger, ganz offen auf die Jugendlichen zuzugehen.“ Andere Zeiten, andere Faktoren, die deutlich an Gewicht gewonnen haben.

So ist es Julia Claus und Gunnar Pawlik ein großes Anliegen, dass Gespräche mit den Azubis während der Ausbildung immer einen entsprechenden Rahmen erhalten. „Zwischen Tür und Angel, das geht gar nicht“, findet der Chef. Die Ausbildungsbeauftragte ergänzt: „Sich Zeit nehmen ist eine besondere Form der Wertschätzung gegenüber den Lehrlingen, gerade als Gegenpol zum hektischen Alltag.“ Dazu zählt
auch, die Eltern kennenzulernen und miteinzubinden.

Und wenn es mal kritisch wird, wenn es an manchen Stellen knarzt und knackt? Etwa in der Berufsschule oder im kollegialen Umgang untereinander? Dann gilt ebenfalls:dDas Gespräch suchen, Unterstützung anbieten und auf Veränderungen hinwirken. Aber – und das ist in dem Berliner Betrieb ebenfalls von Bedeutung – niemand erhält einen Freibrief. Trotz des hohen Bedarfs an zusätzlichen Kräften werde kein Mitarbeiter „zähneknirschend durchgeschleppt“. Da könnte und würde Gunnar Pawlik niemals ein Auge zudrücken. Was andernorts ja durchaus noch gang und gäbe ist, um bloß keinen Mitarbeiter zu verlieren. Also, noch ein ungewöhnlicher Punkt mehr, hier hinter der Fassade des SHK-Betriebs in der Matternstraße 9 in Berlin.

Welcher Mitarbeiter bringt welche Eigenschaften mit? Gunnar Pawlik und Julia Claus planen die Aufstellung der Betriebsmannschaft.

Bild: Jäger / SBZ

Welcher Mitarbeiter bringt welche Eigenschaften mit? Gunnar Pawlik und Julia Claus planen die Aufstellung der Betriebsmannschaft.
Spaß bei der Arbeit: Azubis und Quereinsteiger sind gleichermaßen vollwertige Mitglieder im Team.

Bild: SWTec

Spaß bei der Arbeit: Azubis und Quereinsteiger sind gleichermaßen vollwertige Mitglieder im Team.

Über SWTec

Das Unternehmen wurde am 10. Oktober 2002 ge- gründet. Geschäftsführer ist Gunnar Pawlik, der be- reits 1998 seine Meisterprüfung im Installateur- und Heizungsbauhandwerk absolviert hat. 2007 ist Julia Claus zum Team gestoßen. Mit langjähriger Erfah- rung im Handwerk, einer juristischen Ausbildung und einer IHK-Anerkennung als Ausbilderin ergänzt sie in idealer Weise den bis dahin rein handwerklichen Aus- bildungsbetrieb. Aktuell beschäftigt der Betrieb rund 20 Mitarbeiter.

www.swtec.de

Vom Helfer zum Gesellen, von der Helferin zur Gesellin (HzuG)

Die Innung Berlin qualifiziert Menschen mit Berufserfahrung im SHK-/Metallbereich, die aber bislang ohne Berufsabschluss sind, für die Gesellenprüfung als Anlagenmechaniker/-in SHK. Die Qualifizierung HzuG richtet sich an:

Bauhelfer/-innen in Beschäftigung ohne Berufsabschluss, mit 5 Jahren Berufserfahrung im SHK-/Metallbereich, mindestens 25 Jahre alt (Sprachstand B2 bei Migrationshintergrund).

Dauer: 24 Monate, jeweils 1 Tag pro Woche Schule. Die Schulungs- und Prüfungskosten werden durch die Bundesagentur für Arbeit übernommen.
Das Projekt wird von der Agentur gefördert als integrierte Vermittlungsoffensive, kurz: InVork.

www.shk-berlin.de/kompetenzzentrum

Autor

Dennis Jäger
ist Chefredakteur der SBZ

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