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Mangelhafte Ausführung ist das Hauptproblem

Mehr Qualität am Bohrloch

Selten wurde in einer Branche so frei über offensichtliche Ausführungsmängel und menschliches Versagen diskutiert wie bei der oberflächennahen Geothermie. Die Häufung von Schadensfällen in Baden-Württemberg durch Mängel an der Bauausführung hatte im August 2011 faktisch einen Baustopp zur Folge. Mit ausschlaggebend für das resolute Vorgehen des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Stuttgart war die Zunahme von Schäden bei Erdwärmesonden, obwohl die meisten Anlagen von „guten“ Bohrfirmen – also solchen mit Erfahrung – abgeteuft worden sind. Technisches Versagen konnte deshalb so gut wie ausgeschlossen werden.

Frank Burkhardt von der Heinz Burkhardt GmbH & Co. KG in Neuweiler wirbt um Verständnis: „Bohrungen können ganz schön launisch sein.“ Die vom Land Baden-Württemberg initiierten Leitlinien Qualitätssicherung Erdwärmesonden mit der Forderung nach ­einer automatischen Überwachung des Abdichtvorgangs am Bohrloch sei der richtige Weg zu mehr Sicherheit und Qualität, stecke aber noch in den Kinderschuhen. Die Herausforderung dieser Art der Überwachung besteht darin, den Suspensionsspiegel in der Bohrung und die eingebrachte Suspensionsmenge dem Geräteführer während des gesamten Abdichtvorgangs anzuzeigen und digital zu dokumentieren. Wichtig sei, Klüfte und Verlustzonen zu erkennen und mit der richtigen Maßnahme darauf zu reagieren. Erfreulich sei, dass alle in den LQS EWS unter Punkt 3.3.4 genannten Messsysteme zu einer Erhöhung der Qualität und einer besseren Nachweisbarkeit der erfolgreichen Abdichtung führen. Ob die Systeme dem rauen Baustellenbetrieb auf Dauer gewachsen sind, müsse die Praxis zeigen. Eine erste Bewertung durch Burkhardt:

  • Das Sotronik/Dietrich-System liefert gut interpretierbare Ergebnisse, insgesamt sei der Messprozess jedoch aufwendig.
  • Das noch prototypische Michalik-System liefert sehr genaue Messdaten, der Messvorgang (zwei Drucksonden im Abstand von 2 m an Glasfiberstäben befestigt) könnte aber im rauen Baustellenbetrieb zu Problemen führen.
  • Das HDG-EWS-Verfahren zeigt Anoma­lien im Bohrloch an. Allerdings muss der Bohrführer die Messung interpretieren können, um die richtigen Maßnahmen einzuleiten, z. B. Aufkiesen statt Verpressen. Die Baustellentauglichkeit wird als hoch eingeschätzt.

Sein Fazit: Alle Systeme können die Qualität der Verpressung erhöhen, da sie Verlustzonen und Probleme bei der Verfüllung erkennen. Allerdings könne über deren Praxistauglichkeit noch keine Aussagen gemacht werden. Letztendlich hänge es vom Bohrführer ab, ob die Vorgaben der LQS EWS am Bohrloch mit oder ohne Überwachungsgeräte umgesetzt werden.

Unverhofft durchgeführte Prüfungen am Bohrloch

Die Situation rund um das Bohrloch dürfte schlechter sein, als in der Öffentlichkeit bekannt ist. Anders ist das Engagement des Bundesverbandes Wärmepumpen e.V., Berlin (BWP), beim Thema Qualitätssicherung kaum zu interpretieren. Dieser will künftig einen Teil der Kosten für eine Qualitätsoffensive auf der Basis des DVGW-Arbeitsblattes W-120-2 (Entwurf) übernehmen. Aus Sicht von Dr. Martin Sabel, BWP, reicht die Zertifizierung von Bohrunternehmen nach DVGW Cert bzw. Zertifizierung Bau allerdings nicht aus, um die Qualität am Bohrloch zu verbessern. Auch erfahrene Bohrführer von zertifizierten Unternehmen seien manchmal betriebsblind, nehmen vieles als gegeben hin und übersehen Mängel und Fehler, sagt Sabel. Formal betrachtet müsse der Bauherr (!) die Umsetzung bestehender Vorschriften und Auflagen kontrollieren, wozu er jedoch fachlich meist nicht in der Lage sei.

Aufgrund der Schadensfälle in Baden-Württemberg plant der Bundesverband Wärmepumpen zusammen mit dem Umweltministerium in Baden-Württemberg sowie in Zusammenarbeit mit erfahrenen Auditoren ein Pilotprojekt zur Qualitätsverbesserung bei Erdwärmesonden. Kern des Projekts sind unangekündigte Qualitäts-Audits durch erfahrene und unabhängige Auditoren nach den Vorgaben des DVGW-Arbeitsblattes ­W-120-2. Festgestellte Verstöße sollen nach einem Sanktionskatalog geahndet werden. Der BWP erhofft sich durch die Qualitätsoffensive ein sorgfältigeres Vorgehen der zertifizierten Unternehmen sowie eine Marktbereinigung bei den unseriösen Bohrfirmen oder solchen Unternehmen, die sich einem Qualitätsstandard entziehen. Bei mehrfachen Verstößen sei auch der Entzug des erworbenen Zertifikats möglich. Sabel betont, der BWP wolle damit kein neues Regelwerk etablieren, sondern die Vorgaben des DVGW-Arbeitsblatts W-120-2 voranbringen.

Lieber mini-invasiv sanieren statt überbohren

Typisch für die meisten bekannt gewordenen Problemfälle bei Bohrungen sind Fehlstellen der Ringraumverfüllung. Um die Bohrlöcher zu sanieren, bedarf es an Erfahrung und Fingerspitzengefühl, da Ungleichgewichte in den Grundwasserleitern in jedem Fall behoben werden müssen; Hebungen (Gips) oder Setzungen (Karbonatkarst) seien sonst die Folge. Die Gungl Bohrgesellschaft mbH in Renningen hat hierfür ein mini-invasives Sanierungsverfahren entwickelt, das die Überbohrung einer problembehafteten Sondenbohrung in den meisten Fällen ersetzen kann, so Eric Moegle. Gungl konstruierte eine Schlitzeinrichtung, mit der die Sondenrohre oder Verfüllschläuche im bereits verfüllten Bohrloch über eine Länge von jeweils etwa 3,5 cm von innen aufgeschlitzt werden, um den Ringraum nachzuverfüllen. Die Wirksamkeit der Nachverpressung kann noch während des Eingriffs durch eine begleitende geophysikalische Messmethode überprüft werden. Eric Moegle sieht im System Gungl ein bereits in der Praxis bewährtes Sanierungsverfahren zur nachträglichen Verpressung von mangelhaft hinterfüllten Ringraumabschnitten und zur Beseitigung von unerwünschten Wegsamkeiten im Bohrloch.

Erdsondenspeicher mit Temperaturzonen

Warum im Untergeschoss eines Gebäudes nach Passivhaus-Standard riesige Speicher zur Wärme- und Kältebereitstellung installieren, wenn man dazu auch ein strategisch angelegtes Erdsondenfeld nutzen könnte? Am Beispiel einer Produktionshalle zeigte Dr. David Kuntz, Tewag GmbH, Regensburg, anhand verschiedener Simulationsberechnungen, was bei der Auslegung eines Geomassivspeichers zu beachten ist. Vorgabe war ein saisonaler Erdwärmespeicher, der eine direkte Beheizung des Gebäudes im Winter ohne zusätzliche Wärmepumpe mit einer Zieltemperatur für den Heizungsvorlauf von 28 °C dauerhaft ermöglicht. Diese Wärme soll aus der Abwärme einer solarthermisch angetriebenen Adsorptionskältemaschine über einen aus 198 Erdwärmesonden (30 m tief) bestehenden Geomassivspeicher generiert werden. Die Ergebnisse der Simulation sind eher ernüchternd: 20 Jahre Ladezeit reichen nicht aus, den Speicher komplett zu beladen. Selbst dann lässt sich allenfalls eine Zieltemperatur von 26 °C erreichen, so das erste ­Simulationsergebnis. Da der Erdsondenspeicher im Sommer auch als Wärmesenke für die Serverraumkühlung genutzt werden soll, darf der Erdspeicher auch nicht kleiner ausgelegt werden, da sonst die Erdreichtemperatur zu sehr ansteigt und somit die Kühlwirkung für den Server nicht mehr ausreicht. Die Lösung liegt, so Dr. Kuntz, in der Zonierung des Erdsondenfeldes in Bereiche für die Einspeicherung der Serverabwärme und Bereiche der Wärmespeicherung für den Heizfall im Winter. Vorstellbar sei eine wärmere Innenzone im Sondenfeld zur Einspeisung der Abwärme aus dem Absorptionskälteprozess sowie eine kältere Außenzone für die Kühlung des Serverraums. Dadurch könnte auch der Wärmeabfluss von innen nach außen begrenzt werden. Kuntz räumte ein, dass die Planung ­eines solchen Sondenfeldes mit vielen Unsicherheiten behaftet ist, obwohl das Simulationsprogramm sehr genaue Bilanzierungen des Wärme-Kälte-Angebots zulasse.

Nicht berücksichtigt wurde bei den Berechnungen die thermische Wirkung des umgebenden Erdreichs auf den Geomassespeicher. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass die Fremdeinflüsse auf Erdwärmespeicher durch den weiteren Ausbau der oberflächennahen Geothermie – je nach geologischer Konstellation – signifikant zunehmen und damit die Aussagekraft singulär berechneter Erdwärmespeicher infrage gestellt werden muss.

Grundwasser nachhaltig nutzen

Die Nutzung von oberflächennahem Grundwasser als Wärmequelle bzw. Wärmesenke für Wärmepumpen zum Heizen und Kühlen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Der Grund sind die einfache Erschließung von Grundwasser sowie vergleichsweise hohe Wärmequellentemperaturen und damit günstige Jahresarbeitszahlen für Wärmepumpen. Das Wärmepotenzial des Grundwassers ist jedoch stark von hydrogeologischen Gegebenheiten abhängig: Bei zu hohen Entnahmemengen, reinem Heizbetrieb oder reinem Kühlbetrieb ist damit zu rechnen, dass sich die Anlagen – über Zeithorizonte von 20 bis 30 Jahren und weiterem Wärmepumpenanlagenzubau betrachtet – gegenseitig beeinflussen, wie das Beispiel der nordschweizerischen Gemeinden Ober- und Unterentfelden im Suhrtal zeigt. Dort wurde mithilfe eines 3D-Grundwasserströmungsmodells simuliert, wie sich der weitere Zubau von Wärmepumpenanlagen kleiner, mittlerer und großer Leistung thermisch auf den Grundwasserleiter auf dem Gebiet der beiden Gemeinden auswirkt. Das Team um Dr. Joachim Poppei, AF-Consult Switzerland AG, Baden/Schweiz, rechnete verschiedene Szenarien durch (nur Großanlagen, kombinierte Nutzung Heizen/Kühlen, standortoptimierte Nutzung, 20 Jahre Nutzungsdauer ab der letzten Inbetriebnahme) und kam dabei zu folgenden Ergebnissen:

  • Bei ausreichend hohem Abstand der Entnahmebrunnen ist mit nur geringen jahreszeitlichen Temperaturschwankungen im Grundwasser zu rechnen.
  • Das Nutzungspotenzial wird durch die vorherrschenden hydrogeologischen Verhältnisse geprägt (Durchlässigkeit grundwasserführender Schichten, Filtergeschwindigkeit). Durch eine Standortoptimierung kann das Nutzungspotenzial des Siedlungsgebietes optimiert werden.
  • Die kritische Nutzungsgrenze für die thermische Beanspruchung des untersuchten Gebietes (quartärer Schotter-Tal-Aquifer) liegt bei 2 bis 3 W/m<sup>2</sup>. Konkret bedeutet das für eine 100-kW-Anlage, dass eine Fläche von 3 bis 5 Hektar erforderlich ist, um die Ressource Grundwasser nicht zu übernutzen.
  • Der Mindestabstand bei kleinen Grundwasser-Wärmepumpenanlagen (10 bis 20 kW) sollte 50 bis 100 m betragen, will man die gegenseitige Beeinflussung sicher vermeiden. Bei geringeren Abständen ist eine langfristige Absenkung der Grundwassertemperatur nicht auszuschlie&szlig;en.
  • Gro&szlig;anlagen ab 300 kW müssen hinsichtlich ihrer Temperaturbeeinflussung des Erdreichs genauer betrachtet werden. Bei hohen Jahresbetriebsstunden können sich lange Temperaturabströmfahnen bilden.
  • Kombianlagen (Heizen und Kühlen) haben auf den regionalen Energiehaushalt nur einen begrenzten Effekt.

Dr. Poppei resümiert: Wer verstärkt auf die Wärmequelle Grundwasser setzt, muss Entwicklungsszenarien für das betroffene Gebiet jetzt in Angriff nehmen und weitere Zubauten von den Wärmeentnahmen und Wärmeeinspeisungen abhängig machen. In jedem Fall habe die Trinkwassergewinnung Vorrang.

Forderung nach frostfreiem Erdwärmesondenbetrieb

Kritisch zur 50-W/m-Pauschalauslegung von Erdwärmesonden äußerte sich Rüdiger Grimm, Diplom-Geologe der Geoenergie Konzept GmbH, Freiberg. Durch die branchenüblichen Berechnungen nach VDI 4640 oder SIA 384/6 würden für den Bauherrn deutliche Mehrkosten entstehen. Da die Genehmigungsbehörden zunehmend einen frostfreien Betrieb der Erdwärmesonden einfordern, komme der genauen Dimensionierung von Erdwärmesonden künftig eine größere Bedeutung zu. Statt einer 100-m-Bohrung müsse bei der Vorgabe „frostfreier Betrieb“ bei Auslegung auf Grundlast 120 m, bei Auslegung auf Spitzenlast 145 m tief gebohrt werden.

Die aktuelle Diskussion um einen frostfreien Betrieb von Erdwärmesonden hängt in erster Linie damit zusammen, dass bei mehrfachen Frost-Tau-Wechseln die am Markt üblichen Verfüllmaterialien ihre Festigkeit verlieren können und damit die Dichtheit zwischen zwei Grundwasserleitern auf Dauer nicht garantiert werden kann. Da für die Frost-Tau-Wechselbeständigkeit von Verfüllmaterialien bis dato keine einheitlichen Normen existieren, schreiben die Genehmigungsbehörden in Zweifelsfällen frostfreien Betrieb vor. Nicht notwendig sei ein frostfreier Betrieb bei Erdwärmesonden, die sich auf den oberen Grundwasserleiter beschränken oder auf Sonden in kristallinen Felsgesteinen, so Rüdiger Grimm. Bis die Unsicherheiten hinsichtlich der Frostbeständigkeit von Verfüllmaterialien beseitigt sind, empfiehlt er folgende Vorgehensweisen:

  • Augenma&szlig; bei der Festlegung von behördlichen Auflagen zum frostfreien Betrieb,
  • eine Norm für Frost-Tau-Wechselbeständigkeit von Verfüllbaustoffen, die sich an den jeweiligen geologischen Rahmenbedingungen der Erdwärmesondenanlage orientiert,
  • mehr Monitoring von Erdwärmesondenanlagen, um aufzuzeigen, wo die Ursachen von Vereisung liegen.

Im Übrigen weist Grimm darauf hin, die Empfehlung der LAWA (Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser) für wasserwirtschaftliche Anforderungen an Erdwärmesondenanlagen und Erdwärmekollektoren zu beachten. Dort heißt es unter Punkt 7: „Die Erdwärmesondenanlage ist auch im Spitzenlastfall ohne Gefahr einer Vereisung des Untergrundes (frostfrei) zu betreiben. Dies ist durch einen werkseitig eingestellten Frostwächter zu gewährleisten.“

Wahl der Erdwärmesonde schafft Leistungsreserven

Wie sehr die in VDI 4640 genannte pauschale Entzugsleistung von 50 W/m von den realen Gegebenheiten entfernt ist, verdeutlicht der Vortrag von Prof. Dr. Steffen Wagner, TU Bergakademie Freiberg, Institut für Bohrtechnik und Fluidbergbau. Da Messungen an unterschiedlichen Sonden in realen Bohrungen praktisch kaum durchführbar sind, wurden an der Bergakademie Freiberg die gängigen Sondenbauarten im Rahmen einer Simula­tionsstudie hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit bei einheitlichen Rahmenbedingungen modelliert (einjähriger Dauerbetrieb, zehnjähriger Heizbetrieb mit 2500 Jahresbetriebsstunden, Bohrdurchmesser 180 mm, Bohrlochtiefe 100 m, thermophysikalische Standardwerte). Ergebnisse:

  • Die Doppel-U-Rohrsonde hat gegenüber der einfachen U-Sonde nur geringe Vorteile.
  • Koaxial- und Phasenwechselsonden zeigen gegenüber U-Rohrsonden ein bedeutend besseres Leistungsverhalten.
  • Phasenwechselsonden (Direktverdampfer, Heat Pipe) haben prinzipiell eine um 20 bis 30 % höhere Leistung, getrieben durch die grö&szlig;ere Temperaturdifferenz. Erschwerend ist jedoch die gasdichte Verrohrung.
  • Der Ersatz von Zement-Betonit-Gemischen durch reinen Zement beziehungsweise Thermozement bringt Leistungssteigerungen von bis zu 25 %. Dies wirkt sich besonders günstig bei Doppel-U-Rohrsonden mit aufgespreizten Schenkeln aus.
  • Bei optimalen Rahmenbedingungen liefert eine Koaxialsonde gegenüber einer U-Rohrsonde 91 % bessere Leistungs­werte.

Die Simulation liefert nicht nur Aussagen zur optimalen geothermischen Entzugsleistung, sondern auch Hinweise zur nutzungsorientierten Auswahl des Sondentyps, also Sonden für nur Heizen, für Heizen und Trinkwassererwärmung, für Heizen und Kühlen, für saisonale Erdreichspeicherung sowie für Regeneration mittels Abwärme.

Verdrängungsrammung statt Bohrung

Viele Genehmigungsbehörden stehen Anträgen auf Erdwärmesondenbohrungen wegen des Grundwasserschutzes zunehmend kritisch gegenüber. Oft stellt sich während der Genehmigungsplanung heraus, dass Erdwärmesonden wegen des Einsatzes von Wärmeträgerflüssigkeiten nicht infrage kommen. Aus Sicht von Holger Kaiser, GF-Tec, Rödermark, bietet sich in einem solchen Fall die thermische Aktivierung von Pfahlfundamenten an. Bei der Genehmigung einer Reihen­haussiedlung mit 17 Wohneinheiten in Passivhaus-Bauweise (je 3 kW Heizen/Kühlen) entschied sich der Bauherr deshalb für thermisch aktivierte duktile Pfähle als Erdwärmetauscher. Die Pfähle werden eingerammt anstatt gebohrt. Die Stahlhülse des Duktilpfahls wirke dabei wie eine dritte Hülle um das Wärmeträgermedium, so Holger Kaiser. Eine Verunreinigung des Grundwassers werde dadurch wirksam verhindert. Im konkreten Fall wurden innerhalb einer Woche 85 Energiepfähle je 9 m Länge eingerammt, U-Rohr-Sonden aus PE 100-RC eingebracht und mit einer thermisch verbesserten Verfüllsuspension verfüllt.

Bohrlochdokumentation wird entscheidend

Die exakte Dokumentation aller Vorgänge rund um das Bohrloch, vom Angebot bis zum Prüfnachweis mit Fotos und Videos, sichert nicht nur die Qualität der Erdwärmesonde, sondern auch das Fortbestehen des Bohrunternehmens. Alfred Weinmann, Esiomconsulting, Brühl, ist überzeugt, dass am Bohrloch durch eine professionelle Vorbereitung, Baustelleneinrichtung und Nacharbeit signifikante Kosteneinsparungen möglich sind. Denn, so Weinmann: „Das schwächste Glied bestimmt den Erfolg einer Bohrung.“ Allein die Kosten für Mannschaft und Gerät schlagen mit 19 % zu Buche, Rohre und Armaturen mit 9 % und die Hinterfüllung ebenfalls mit 9 %. Wichtig sei, die Beschaffenheit des Untergrundes im Vorfeld zu klären, da er die größten Risiken berge. Leider seien in Deutschland die bestehenden Bohrlöcher nicht ausreichend dokumentiert. Schuld daran sei der Wettbewerb zwischen den Bohrfirmen, da sich diese durch die Zurückhaltung von Informationen einen Vorteil erhoffen. Wie wertvoll Informationen über die hydrogeologischen Verhältnisse an einem Bohrloch sein können, zeigt ein Kostenvergleich. Im Normalfall kostet eine EWS-Bohrung (120 m tief, 152 mm Durchmesser) rund 6610 Euro, so Weinmann. Ein instabiles Bohrloch kostet rund 30 % mehr, ein Bohrloch mit großen Klüften 50 % mehr und eines mit drückendem Wasser 60 % mehr. Jede gut dokumentierte erfolgreiche Bohrung diene dazu, kommende Bohrungen nachhaltig zu verbessern und damit die Kosten per Bohrmeter zu reduzieren sowie das Risiko von Fehlbohrungen zu vermindern. Weinmanns Credo: „Wer schreibt, der bleibt!“

Fazit

Die Bohrung von Erdwärmesonden könnte durch die geplante Qualitätsoffensive des BWP sowie der LQS-EWS-Vorgaben des Landes Baden-Württemberg erheblich teurer werden. Ob eine Erdwärmesondenanlage für ein Ein- oder Zweifamilienhaus dann noch wirtschaftlich ist, muss bei geologisch schwierigem Untergrund bezweifelt werden. So gut wie alle bekannten Fehlbohrungen in Baden-Württemberg sind auf menschliches Versagen zurückzuführen. Allein die Bohrführer für Fehlbohrungen verantwortlich zu machen wäre jedoch zu einfach. Verantwortung trägt auch der TGA-Planer, dem oftmals das notwendige Know-how fehlt, der aber den Ehrgeiz hat, das komplexe Gebiet der Erdwärmesondenanlagen mitzuplanen. Hier sind Kooperationen mit den Geologen gefragt, denn: Das schwächste Glied in der Kette bestimmt die Effizienz einer geothermischen Wärmepumpenanlage.

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Schadensfälle

Die Bohrunternehmen in Baden-Württemberg sind in Aufruhr. Mehr „LQS EWS“ gehe nicht, so die Diskussion bei den Fachvorträgen auf der Geotherm in Offenburg. Gemeint sind die Leitlinien Qualitätssicherung Erdwärmesonden, die nach einer Häufung von Schadensfällen am 7. Oktober 2011 für Baden-Württemberg eingeführt wurden. „Mit noch strengeren LQS-EWS-Vorgaben bohren wir in Baden-Württemberg die Geothermie zu Tode“, so ein Diskussionsbeitrag. Auch die vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Auftrag gegebene Erprobung von Messsystemen zur Über­wachung des Abdichtungsvorgangs am Bohrloch nach Punkt 3.3.4 der LQS EWS ist umstritten. „Wir brauchen eine bautechnische Antwort und keine messtechnische, die viel Geld kostet“, so der Vertreter eines Bohrunternehmens auf dem BWP Praxis-Forum Erdwärme am Vortag der Geotherm in ­Offenburg.

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Messmethoden

Für den Nachweis der Ursache bei Schadensfällen in Baden-Württemberg wurden folgende Messmethoden angewandt:

Ruhetemperaturprofil: Temperaturmessung in der Erdwärmesonde; massearmer Temperaturfühler fährt mit konstanter Geschwindigkeit in einem der wassergefüllten U-Rohre der Erdwärmesonde.

Kurz-Thermal-Response-Test: Aufheizung der Sonde mit Wasser von etwa 30 °C über einen Zeitraum von einer Stunde, dadurch erwärmt sich auch die Hinterfüllung. Anschließend Aufzeichnung eines Temperaturprofils in der Sonde; Erkennen von Anomalien anhand der Temperaturkurve.

Gamma-Gamma-Messung: Messung der Gleichförmigkeit der Hinterfüllungsdichte mittels Photonen von Cäsium 137.

Die Kombination aller drei Verfahren hat sich nach Aussage von Eva de Haas vom Umweltministerium Baden-Württemberg bei der Ursachenklärung gut bewährt.

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Sanierungsmethoden

Kann eine Erdwärmesonde nicht nach dem Keller-Verfahren (Perforation der Sonde mit anschließender Nachverpressung des Ringraums) saniert werden, muss die Sonde überbohrt werden. Goller Bohrtechnik in Kirchentellinsfurt hat dazu ein Verfahren entwickelt, bei dem Stahlseile in die Sondenschläuche einzementiert werden. Diese unter Spannung stehenden Seile dienen als Führung für den Bohrstrang. Nach dem Überbohren wird die Sonde aus dem Bohrloch entnommen und das Bohrloch verpresst, damit die beiden Grundwasserstockwerke wieder getrennt sind.

Info

Qualitätsverbesserung

Um das Risiko beim Bau von Erdwärmesonden zu mindern, sind aus Sicht des Umwelt­ministeriums Baden-Württemberg folgende Maßnahmen notwendig:

Tiefenbeschränkung auf Gipsspiegel

bessere Qualifikation der Bohrgeräteführer

Einbeziehung externer Sachverständiger bei Bohrungen in geologisch und hydrogeologisch schwierigen Gebieten

Einsatz von Geräten zur automatischen Abdichtungsüberwachung

konkretere Arbeitsanweisungen für die Bohrführer

Mindestausrüstung auf Baustellen

Wichtig sei außerdem die Verwendung dauerhaft dichter Baustoffe sowie eine bessere Abstimmung von Baustoff und Mischtechnik. Dazu müsse sich die Branche auf einheitliche Prüfkriterien einigen, so Eva de Haas. Dennoch bleibe ein Restrisiko. Das müsse durch eine Versicherungslösung abgedeckt werden. Auch die neue Regierung in Stuttgart wolle trotz Risiken am Ausbau der Geothermie festhalten. Eva de Haas dazu: „Die Geothermie ist ein wichtiger Bestandteil der Energiewende.“

Autor

Wolfgang Schmid ist Fachjournalist für technische Gebäudeausrüstung, 80751 München, wsm@tele2.de

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