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Brandschutz und Gebäudeversorgungstechnik, Teil 5 und Schluss

Wie sich Feuer und Rauch über Lüftungsanlagen ausbreiten

Wenn wir von Brandschutz in Gebäuden reden, denken wir zuerst an Feuer. Aber Brandopfer sind in aller Regel Rauchopfer. Bei Hitzeeinwirkung beginnen sich die meisten modernen Baustoffe, die wir in ein Gebäude einbringen zu zersetzen. Erste „Rauchfähnchen“ entstehen schon bei ca. 120 °C. Hält die Hitzezuführung an und nähern wir uns ca. 300 °C, nimmt das Volumen der entstehenden Zersetzungsgase enorm zu, die Geschwindigkeit der Zer­setzung ebenfalls. Spätestens bei 560 bis 600 °C kommt es zur spontanen Selbst­entzündung, ohne dass eine offene Flamme notwendig ist. Je nach Art des der Hitze ­exponierten Baustoffes, ist sowohl die Art der Zersetzungsgase wie auch die Menge unterschiedlich. Die häufigsten am Bau verwendeten Isolierstoffe sind gleichzeitig auch die Baustoffe, die die größten Mengen Rauchgase erzeugen.

Wirkung auf den Menschen

Um eines vorweg zu nehmen, das Problem Rauch ist nicht an Kunststoffen allein festzumachen. Auf Kunststoffe können wir auch nicht verzichten. Die Beschaffenheit und die Eigenschaften moderner in der Haustechnik verwendeter Kunststoffe, machen Haustechnik erst möglich. Sie sind korrosionsbeständig, chemisch resistent, leicht, zäh, schweiß- oder klebbar. Von der Erhitzung bis zur Zersetzung entstehen Mengen an Rauchgasen, die den Faktor 1000 des ursprünglichen Volumens übersteigen. Je nach Art des Kunststoffes stark rußend, abtropfend und unterschiedlich toxisch. Manche wirken extrem reizend, das heißt die Menschen, die solchen Gasen ausgesetzt sind, empfinden starkes Brennen in Augen und Atemwegen, im Extremfall auch auf der Haut. Einige Bestandteile wirken direkt auf Nerven und Atemzentrum. Die Folge sind Schwindel und Übelkeit, Reizhusten, tränende Augen. Schnell ist die Orientierung im Raum verloren, die Opfer können sich nicht mehr aus der Rauchexposition heraus in Sicherheit bringen. Letztlich tödlich wirken Kohlendioxid und Kohlenmonoxid, welche bei jedem Brand in einem Gebäude entstehen, gleichgültig was gerade brennt. Kohlendioxid, CO2, ein Gas das wir auch ausatmen, wirkt regulierend auf unser Atemzentrum, es steuert unsere Atemfrequenz. Ein Zuviel äußert sich in typischer Hechelatmung, in höherer Konzentration über gewisse Zeit stellt es ein Nervengift dar. Kohlenmonoxid, CO, beim Gebäudebrand immer vorkommend, ein Zeichen für eine unvollkommene Verbrennung, ist ein starkes Blutgift. Es blockiert die Sauerstofftransportfähigkeit des Hämoglobins indem es sich selbst anlagert. Es kommt zum inneren Erstickungstod, selbst wenn die Opfer noch an die frische Luft gebracht werden. Beide Gase sind nicht riech- oder schmeckbar, im Gegensatz zu den beispielhaft genannten anderen Zersetzungsgasen, die bei einem Gebäudebrand vorkommen. Auch so genannte natürliche Baustoffe, wie Hanf, Ried, Horn, Federn, Wolle oder Holz nehmen sich da nicht aus. Als Begleit­gase neben CO2 und CO sind nitrose Gase, Ammoniak, Stickstoff und Essigsäure zu ­nennen.

Lüftungs- und Klimatechnik als Rauchvehikel

Beim Transport von Raumluft und dem ­Zuführen von Frischluft ist das Risiko Brandrauch zu transportieren viel größer, als bei den anderen zu transportierenden Medien in der Gebäudetechnik. Die Lüftungsleitung stellt nicht nur eine technische Durchführung, ein Loch in sicherheitsrelevanten Bauteilen dar, sondern sie kann eine direkte offene Verbindung zwischen einem Brandraum mit Abluft­öffnungen und in ­anderen Abschnitten befindliche Abluft­öffnungen oder technische Einrichtungen der Luftaufbereitung herstellen. Bei Luft­geschwindigkeiten bis ca. 20 m/s eilt der ­toxische Brandrauch geradezu durch das ­Gebäude. Er ist in der Lage, technische ­Einrichtungen wie Filter, Wärmetauscher, Ventilatoren und die Leitungen selbst zu ­verschmutzen, aufzuheizen bis auch diese Zersetzungsgase bilden, oder letztlich auch nur in andere Aufenthalträume auszutreten und damit weitere Menschen zu gefährden.

Schutzmaßnahmen

Als Schutzmaßnahme müssen besonders in der Ablufttechnik Vorkehrungen gegen die Übertragung von Feuer und Rauch in andere Gebäudeabschnitte oder Fluchtwege getroffen werden, wie es so schön in den Bauordnungen der Länder und Richtlinien heißt. Gerade aber die Übertragung von Rauch zu verhindern ist viel schwieriger, als die Übertragung von Feuer zu verhindern. Besonders bei diesem Thema bietet die LüftungsanlagenRichtlinie, M-LüAR, 29.9.2005, wichtige Hinweise, die unbedingt umzusetzen sind. Schutz beginnt bereits bei der Auswahl der Leitungsmaterialien. Lüftungsleitungen, deren Bekleidung und Dämmstoffe müssen aus nichtbrennbaren (A) Baustoffen bestehen. Brennbare (schwerentflammbar B1) Baustoffe sind zulässig, wenn sie nicht zur Brandentstehung und -weiterleitung beitragen, oder nicht durch bauaufsichtlich benannte Bauteile hindurchgeführt werden. Müssen sie aus technischen Gründen Brandabschnitte queren, so müssen sie am Durchtritt durch bauaufsichtlich benannte Bauteile eine Brandschutzklappe mindestens K 30 oder höher haben bzw. mindestens in einem F-30-Schacht verlegt werden oder durch eine Ummantelung in die Qualität L30 gebracht ­werden. Brennbare Lüftungsleitungen sind nicht zulässig in:

  • notwendigen Fluchtwegen (es sei denn sie sind F 30 oder über Unterdecken),
  • wenn sie heiße Luft fördern> 85 °C,
  • wenn sich brennbare Stoffe ablagern ­können (z.B. Industrie oder gewerbliche ­Küchenabluft).

Dies gilt nicht für Dampfsperrfolien unter 0,5 mm Dicke. Kleine Anlagen und Anlagenteile sind ebenfalls nicht betroffen. Zum Beispiel der direkt an einem Arbeitsplatz vor­handene Prozessabluftfilter, dessen Technik keine Brandabschnitte durchquert. Auch ­kleine Bauteile wie Ein- und Auslassgitter, elektrische, pneumatische Anlagen an den Leitungen dürfen brennbar ausgeführt sein. Diese grundlegenden Anforderungen sind auch erfüllt, wenn die Durchdringung eines bauaufsichtlich benannten Bauteils mit einer Brandschutzklappe in derselben Widerstandsqualität gesichert wurde. Bauteilklassifizierung F 30 = Widerstandsfähigkeit der Klappe K 30/K 90, F 90 = K 90. In notwendigen ­Fluren mit feuerhemmenden Wänden (F 30) reicht es aus, wenn geschlossene Lüftungs­leitungen aus Stahlblech eingesetzt werden. Nicht verbunden werden dürfen Lüftungs­leitungen, in welchen sich brennbare Stoffe ablagern können oder für die sonstige er­höhte Brand- oder Explosionsgefahr besteht wie:

  • Küchenabluft
  • Industrieabluft (oft gibt es keine geeigneten Brandschutzklappen)

Deren Leitungen müssen unbrennbar sein oder an der Brandabschnittsquerung über ­eine Absperrvorrichtung, mit Verwendbarkeitsnachweis verfügen. Sie dürfen zusammen in einem gemeinsamen Schacht, jedoch ohne andere Leitungen geführt werden.

Brandschutzklappen in der Lüftung

Übliche Blähgraphitschotts, wie sie bei Rohrleitungen oder Kabelabschottung zum Einsatz kommen, benötigen Hitze und Zeit, um einen Rohrquerschnitt verschließen zu können. Als Orientierungswert, beim Verschluss eines PE-Rohres DN 100, bei einer hohen Hitzebeaufschlagung durch einen Normbrand nach Einheitstemperaturzeitkurve, kann dies vier bis sechs Minuten dauern. Ein viel zu langer Zeitraum, der viel zu viel Rauch durch ein Lüftungssystem in einen anderen Brand­abschnitt strömen lassen würde (dies spielt keine Rolle bei einem über Dach entlüfteten Abflussrohr). Eine Katastrophe, wenn solch eine Rauchgasweiterleitung über das Entlüftungssystem in einem Altenheim, Krankenhaus oder Hotel von einer Nasszelle zur anderen geschehen würde, oder bei einem Mehrfamilienhaus. Ein Lüfterschott muss also schon bei geringer Hitze schlagartig schließen und das dicht. Das ist nur durch mechanische Unterstützung möglich. Meist durch federgespannte Klappen, die durch ein niedrig auslösendes Schmelzlot gesichert sind. Es gibt unterschiedliche Prinzipien der Verschlussanordnungen. Die höchste Sicherheit bieten senkrecht angeordnete Klappen direkt an jeder Rohreinführung. Rauchgase entwickeln einen deutlichen Überdruck im Brandraum, lt. DIN EN 1366 werden 20 Pa angenommen, 30–35 Pa sind aber leicht möglich. Ein waagerechtes Schmelzlotklappenschott im Zwischendeckenbereich wird da erst relativ spät reagieren, wenn abgekühlter Rauch von oben kommt. Die Rohrleitungen müssen entweder gegen Hitzeleitung isoliert werden, mit Längenausdehnungsgliedern versehen, oder aus Materialien bestehen, die solche Eigenschaften nicht haben, dabei dürfen sie natürlich nicht brennbar sein, wie zum Beispiel die nicht brennbaren Vermiculite-Rohre. Wohnhausabluftsysteme sind nur für saubere Abluft geeignet. Nicht etwa für stark belas­tete Prozessabluft oder Küchenabluft. Bald wäre der Mechanismus verklebt und nicht mehr gängig. Für belastete Abluft sind ausdrücklich entsprechend zugelassene Systeme notwendig. Eine Brandschutzklappe, die eine allgemein bauliche Zulassung sowohl für Prozess­abluft mit brennbaren Ablagerungen der Industrie, wie auch für gewerbliche Küchenabluft hat, ist die GSB-Firesafe R-90, der Firma GSB Neumarkt. Im Inneren befindet sich eine Stahlband-Kulisse mit einer Öffnung in den Maßen des Absaugrohres. Im Brandfall wird die Kulisse durch zwei Antriebsmotoren weitergedreht so dass die Öffnung aus dem Rohrbereich läuft und die Anlage verschlossen wird. Ablagerungen im Rohrbereich werden durch die Drehung der Stahlkulisse abgeschnitten und bilden kaum einen Widerstrand beim Verschlussvorgang. Nachteil bei den meisten dieser großen Brandschutzklappen ist die lange Zulaufzeit. Oft muss zuvor ein Ventilator mit hoher Leistung heruntergefahren (gebremst) werden, müssen Falschluftklappen geöffnet werden, um einen Verschluss durch eine Brandschutzklappe überhaupt zu ermöglichen. Dennoch sind sie zur Zeit eine gute Möglichkeit auch bei Lüfteranlagen mit brennbaren Ablagerungen einen wirkungsvollen Brandschutz zu ermöglichen. Bei beweglichen Teilen dieser Art ist natürlich immer eine Funktionsprüfung und Wartungsfrist vorgeschrieben, die Teil der allgemein baulichen Zulassung ist. Die Festlegung der Fristen und die Zulassung selbst erfolgt durch das Deutsche Institut für Bautechnik in ­Berlin.

Wohnungslüftung

Als Beispiel einer Lösung, bei welcher nicht brennbare Leitungen zur Anwendung kommen, sei das Geberit-Aerotec-System genannt. Das Prinzip: Eine unbrennbare, feuerbeständige, nicht hitzeleitende Leitung ­(Vermiculite, leichtes, wasserglasverklebtes Gestein), deren Einführungen durch ein ­Fallmantelschott an der Rohreinführung und eine Federklappe im Lüftungsrohbau­kasten gesichert sind. Das Federschott ­belastet eine leicht gängige Platte, die nur bei Lüfterlauf öffnet. Der Lüfterrohbaukasten kann mit einem Aluminiumwickel­falzrohr mit dem Fallmantelschott unmittelbar am Aerotec-Rohr verbunden werden. Aluminium schmilzt schon bei 586 °C, daher ist das Fallmantelschott direkt am Aerotec-Rohr angeordnet. Das Fallmantelschott besteht aus einer massiven Metallschale in deren Innerem ein Fallmantel durch ein Schmelzlot gehalten wird. Bei 70 °C Ablufttemperatur löst sich der Fallmantel im Inneren des Schotts, fällt herunter und verschließt die Absaugöffnung und das auf dem Fallmantel aufgebrachte Blähgraphit nimmt an Volumen zu. Dadurch wird der metallene Fallmantel fest auf die Öffnung gepresst und gleichzeitig isoliert. Achtung: Bei der Montage ist die Transportsicherung des Schotts zu entfernen, alle Teile mit dem mitgelieferten mineralischen Kleber zu dichten, bzw. gemäß Montagerichtlinie zu verkleben. Das Aerotec-Rohr lässt sich mit herkömm­lichem Holzwerkzeug bearbeiten, wird mit Schellen und genanntem Mineralkleber verbunden. Es ist relativ dickwandig, aber dabei leicht, eine zusätz­liche Hitzeisolierung entfällt, da das Material keine Hitze leitet. Im Bauteildurchführungsbereich kann es direkt eingemörtelt werden, da es keine Längendehnung gibt. Theoretisch kann es mit jedem Lüftungsbaustein mit der entsprechenden Leistung kombiniert werden. Bei Geberit ist das Aerotec-Teil des Geberit-Quattro-Sys­tems. Aufgrund der ­unbrennbaren, nicht hitzeleitenden Eigenschaften des Vermiculite-Rohres ist es möglich, eine komplette haustechnische Ver- und Entsorgung einschließlich Lüftung in einem Installationsschacht herzustellen, ohne die Lüftungstechnik nochmals innerhalb des Schachtes von der übrigen Technik zu trennen oder das Vermiculite-Rohr zu isolieren. Dennoch ist die gesamte Anlage durch eine gemeinsame allgemein bauliche Zulassung abgedeckt.

Jede Art von Leitungsdurchführung durch Bauteile mit Brandschutzanforderungen ist mit Vorkehrungen gegen die Übertragung von Feuer und Rauch auszustatten. Besonders schwierig ist es, Vorkehrungen ­gegen die Übertragung von Rauch in der Prozessabluft, Lüftungs- und Klimatechnik umzusetzen und das vor dem Hintergrund, dass Brandopfer in der Regel Rauchopfer sind. Auch bei der Prozessabluft, Lüftungs- und Klimatechnik reden wir einmal mehr vom System, also vom sicheren Zusammenspiel von Leitung, Brandschutzklappen und Lufttransport bzw. Aufbereitung.

Die Artikelserie „Brandschutz und Ge­bäudeversorgungstechnik“ besteht aus folgenden Teilen:

Teil 1: Gefahren erkennen und ausschalten, SBZ 18/2007

Teil 2: Sicherheitsmängel bei der Elektro­installation, SBZ 21/2007

Teil 3: Risikobetrachtung von Abgasleitungen, SBZ 22/2007

Teil 4: Wie Rohrleitungen Bauteile durchdringen müssen, SBZ 23/2007

Teil 5: Wie sich Feuer und Rauch über Lüftungsanlagen ausbreiten, SBZ 24/2007

Weitere Informationen

Unser Autor Bernd Prümer ist als Inhaber der Firma Brandschutz.org im Bereich Entwicklung und Grundlagenforschung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt beratend tätig. Außerdem ist er Fachbuchautor und Mitglied des Prüfungsausschusses der Handwerkskammer Heilbronn-Franken, Telefon (0 62 98) 93 68 12, Telefax (0 62 98) 93 68 13, E-Mail: info@brandschutz.org