Die Schlagzeilen in den Medien wiederholen sich in unschöner Regelmäßigkeit: „Gefährliche Bakterien: Legionellen-Alarm in Wiener Pensionistenwohnhaus“ (Heute; 2. März 2025), „Die High-Deck-Siedlung in Berlin-Neukölln hat ein Legionellen-Problem“ (rbb24; 1. April 2025) sowie „Legionellen-Befall – Sporthalle in Hohenkirchen früher geschlossen als geplant“ (Nordwest-Zeitung, 12. März 2025) sind nur ein kleiner Auszug aus diesem Jahr.
Zwar beziehen sich diese Meldungen speziell auf das Bakterium Legionella pneumophila, also den Krankheitserreger einer Variante der Lungenentzündung, die tödlich verlaufen kann. Dennoch werfen sie zugleich ein bezeichnendes Licht auf ein Risiko in Trinkwasser-Installationen, das insbesondere in großen Geschossbauten und Zweckbauten unterschiedlichster Nutzung besteht: den generellen Erhalt der Trinkwasserhygiene. Das wird beispielsweise in der Richtlinie (EU) 2020/2184 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (kurz: DWD), im Infektionsschutzgesetz (IfSG), in der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) sowie in weiteren Regelwerken gefordert.
Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch relativ schnell heraus, dass sich die zwei häufigsten Ursachen für dieses Risiko klar eingrenzen lassen:
Beide Aspekte hängen durchaus zusammen, da von überdimensionierten Trinkwarmwasserleitungen beispielsweise deutlich mehr Wärme auf kaltgehende Rohrleitungen abgestrahlt wird als von „schlankeren“ Rohrleitungen. Das Kaltwasser gelangt also wesentlich schneller in einen hygienekritischen Temperaturbereich, als es bei einer bedarfsgerechten PWH-Auslegung der Fall wäre. Die wärmeabstrahlende Mantelfläche einer PWH-Rohrleitung in DN 25 ist etwa 50 % größer als die einer Rohrleitung in DN 15. Umgekehrt gilt: Sind die PWC-Installationen zu groß bemessen, ist die Verweildauer des Wassers darin unnötig hoch. Das Wasser hat also mehr Zeit, Umgebungswärme – vor allem in Vorwandkonstruktionen oder Schächten – aufzunehmen. Der Effekt – das Erreichen eines hygienekritischen Temperaturfensters – ist derselbe.
Widersprüche auflösen
Dass diese Hygienerisiken auftreten können, liegt paradoxerweise zum Teil an den für die qualifizierte Auslegung geltenden Normen und Regelwerken. Ein wichtiges Stichwort ist hierbei die Beachtung von Gleichzeitigkeiten. Diese Gleichzeitigkeiten spielen für die Dimensionierung nach DIN 1988‑300 deshalb eine maßgebliche Rolle, weil das Regelwerk darauf abzielt, die kleinstmöglichen Innendurchmesser der Trinkwasser-Installation selbst bei Spitzenbelastungen zu erzielen und dennoch die Mindestdurchflüsse an allen Entnahmestellen sicherzustellen. Doch welche aufaddierten Mindestdurchflüsse sind selbst nach Einführung von Nutzungseinheiten in der Norm tatsächlich in der Berechnung anzusetzen, solange die reale Ausstattung – beispielsweise eines Wellnessbades in einem exklusiven Apartmenthaus – noch nicht final feststeht?
Gleichzeitig hat der künftige Nutzer einen Anspruch auf einen bestimmten Versorgungskomfort – Stichwort: Ausstoßzeiten. Die DIN 1988‑200 „Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen – Teil 200: Installation Typ A (geschlossenes System) – Planung, Bauteile, Apparate, Werkstoffe“ legt z. B. in der sogenannten „30‑Sekunden-Regel“ fest, dass spätestens nach einer halben Minute die Temperatur von PWH ≥ 55 °C und die von PWC ≤ 25 °C betragen muss. Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) geht in der VDI 6003 „Trinkwassererwärmungsanlagen – Komfortkriterien und Anforderungsstufen für Planung, Bewertung und Einsatz“ noch einen Schritt weiter und definiert, nach Sanitärgegenständen geordnet, drei Komfortstufen mit explizit zugeordneten Ausstoßzeiten. Beide Regelwerke wirken sich jedoch direkt auf die Dimensionierung der Rohrleitungen aus.
Im Spannungsfeld dieser Anforderungen stehen die Fachplaner und Fachhandwerker.
Um ebendiese gegenläufigen Anforderungen einzufangen, stellte unter anderem der Arbeitskreis Maschinen- und Elektrotechnik staatlicher und kommunaler Verwaltungen (AMEV) schon vor Jahren fest: „Um eine effiziente Planung und Baudurchführung erreichen zu können, ist bereits bei der Festlegung des Bauprogramms (Dokumentation im Raumbuch) eine enge Zusammenarbeit zwischen Bauherren, den späteren Betreibern und Nutzern der Anlagen, Architekten und Fachingenieuren sowie Sonderfachleuten erforderlich. Hierzu wird besonders auf die Ausführungen des Bundesministeriums des Inneren, für Bau und Heimat im ‚Leitfaden Nachhaltiges Bauen‘ hingewiesen.“ In diesem Hinweis sind vor allem zwei Stichworte entscheidend: „enge Zusammenarbeit“ (zwischen den Projektbeteiligten) und „Raumbuch“ (gemäß VDI 6070 Blatt 1 „Raumbuch – Allgemeine Anforderungen und Grundlagen“), wobei Letzteres die Abstimmung – also eine enge Zusammenarbeit – bereits zwingend erfordert.
Ziel des Raumbuches ist es, alle Absprachen zu jedem einzelnen Raum in einem Gebäude schriftlich festzuhalten. Das gilt insbesondere in Bezug auf die vorgesehene Nutzung und die daraus abgeleitete technische Ausstattung. Mit diesen Angaben steht für die Dimensionierung der wasserführenden Rohrleitungen eine verlässliche Grundlage hinsichtlich Gleichzeitigkeiten und Ausstoßmengen zur Verfügung, sodass die Trinkwasser-Installation bedarfsgerecht ausgelegt werden kann. Und zwar losgelöst davon, welche Gleichzeitigkeiten beispielsweise in einzelnen Normen und Regelwerken definiert sind.
Über das Raumbuch und die ebenfalls schriftlich festzuhaltende Abstimmung mit dem Auftraggeber ist es möglich, die genannten Gleichzeitigkeiten ebenso wie die Ausstoßmengen individuell zu vereinbaren – vorausgesetzt, dass dabei keine anderen elementaren, schutzwürdigen Regeln (wie die Belästigung der Nutzer durch Fließgeräusche) verletzt werden und die Einhaltung der grundlegenden gesetzlichen Anforderungen gewährleistet bleibt.
Abweichende Widerstandsbeiwerte
Gerade bei der angestrebten möglichst „schlanken“ Dimensionierung der Rohrleitungen sind die Fließgeschwindigkeiten und damit die Fließgeräusche ein zentrales Thema, da sich der Volumenstrom direkt auf den vereinbarten Versorgungskomfort, insbesondere bei PWH, auswirkt. Für durchgeschleifte Reihenleitungen sind beispielsweise nach DIN 1988‑300 Fließgeschwindigkeiten von maximal 2 bis 5 m/s (je nach Größe des Gesamtwiderstandsbeiwertes in der Teilstrecke für die Einzelwiderstände) zulässig. Um diese gegenläufigen Anforderungen an
gleichermaßen zu erfüllen, empfiehlt sich ein genauerer Blick auf das zu installierende Rohrleitungssystem.
Denn maßgeblich beeinflusst werden die drei genannten Faktoren durch den Fließwiderstand, den das Installationssystem dem Wasser entgegensetzt. Entscheidend ist dabei weniger die für diesen Fließwiderstand stehende Reynoldszahl des bevorzugten Rohrmaterials, sondern vielmehr die Anzahl (und die konstruktive Ausführung) der Rohrverbinder: Je mehr Verbinder benötigt werden, desto höher sind die Druckverluste. Je größer zudem der innere freie Querschnitt der Verbinder und je strömungsgünstiger deren Geometrie ist, desto geringer sind die Fließwiderstände – und desto „schlanker“ können die Rohrleitungen ausgelegt werden.
Angegeben wird der Druckverlust der Formteile als Widerstandsbeiwert (auch: Zeta-Wert). Wobei sich ebenfalls hier die Theorie – also die DIN 1988‑300 als maßgebliches Regelwerk – und die Praxis, insbesondere die Angaben der Hersteller, grundlegend unterscheiden können. So weichen die Widerstandsbeiwerte vergleichbarer Formteile teilweise um den Faktor 10 voneinander ab. Für die bedarfsgerechte Auslegung von Trinkwasser-Installationen sollte daher vorzugsweise mit den realen Zeta-Wert-Angaben der Hersteller und nicht mit den Werten aus den Normtabellen gerechnet werden.
Rohrleitungssystem überlegt auswählen
Hinzu kommt die konstruktive Ausführung der Formteile, die zu signifikanten Unterschieden bei den Fließwiderständen führt. Innen abdichtende Verbinder, wie sie für Kunststoffrohrsysteme typisch sind, haben nämlich einen deutlich höheren Zeta-Wert als die Verbinder von Pressverbindungssystemen aus Metall, die von außen auf dem Rohr abdichten. Im ersten Fall wird der Rohrquerschnitt massiv verengt, leistet also einen hohen Fließwiderstand, im zweiten Fall nicht.
Der vermeintlich einfache Ausweg, für Trinkwasser-Installationen statt eines Kunststoffrohrsystems grundsätzlich ein Rohrleitungssystem aus Metall einzusetzen, greift in diesem Zusammenhang jedoch zu kurz. Durch eine konstruktive Optimierung der Verbinder (wie bei dem Pressverbindersystem Raxofix) ist es mittlerweile gelungen, die Zeta-Werte solcher Kunststoffrohrsysteme (hier als Mehrschichtverbundsystem) denen der Systeme aus Metall stark anzunähern.
Damit ist es möglich, „schlanke“ Trinkwasser-Installationen auch mit Kunststoffrohrsystemen zu realisieren – und gleichzeitig von den installationsseitigen Vorteilen, wie der einfachen Verlegung der Anbindeleitungen von der Rolle in einer Vorwandkonstruktion, zu profitieren. Trinkwasser-Installationen mit einem nicht strömungsoptimierten Rohrleitungssystem müssen hingegen in der Regel um ein bis zwei Nennweiten größer dimensioniert werden als beispielsweise ein zeitgemäßes Pressverbindersystem mit nahezu freiem Querschnitt der Verbinder, wenn ein vergleichbarer Versorgungskomfort erreicht werden soll.
Fazit
Die für die Auslegung von Trinkwasser-Installationen maßgeblichen Normen und Regelwerke, wie die DIN 1988‑300 oder die VDI 6003, bilden einen wichtigen Handlungsrahmen, der unbedingt zu beachten ist. Gleichzeitig sind elementare Schutzziele wie der Erhalt der Trinkwasserhygiene nur zu erreichen, wenn die Auslegung differenziert auf das jeweilige Projekt bezogen erfolgt.
Auch bei einer softwaregestützten Auslegung sollte daher, sofern möglich, statt mit Tabellenwerten – beispielsweise zu Gleichzeitigkeiten oder Widerstandsbeiwerten – mit den präziseren Angaben über die im Raumbuch vereinbarte Nutzung bzw. mit den Daten der Hersteller gearbeitet werden. Beides ist jedoch in jedem Fall schriftlich zu vereinbaren.

Bild: Viega

Bild: Viega / Toelle Studios

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Bild: Viega / Quelle: VDI 3810 Blatt 2; VDI 6023 Blatt 3

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