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Studien

Wasserstoff-Heizung: Vielleicht ab 2030, vorher Wärmepumpen

AA+W – stock.adobe.com

Schon der Veröffentlichungstermin des auf den 24. Juni 2022 datierten von den Fraunhofer-Institut ISE und IEE erstellten „Zwischenbericht zum Projekt Bottom-up Studie zu Pfadoptionen einer effizienten und sozialverträglichen Dekarbonisierung des Wärmesektors“ ist bemerkenswert: Der Nationale Wasserstoffrat (NWR) hat die ersten Ableitungen aus dem Projekt erst am 30. Juni 2022, einen Tag nach dem Wärmepumpengipfel von BMWK und BMWSB veröffentlicht.

Gleichwohl darf man annehmen, dass in der aktuell angespannten Lage bzw. mitten in der „Gaskrise“ (Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck) jedes Wort und jeder Satz in dem Zwischenbericht mehrfach auf seine Wirkung geprüft worden ist. Denn bei der Studie geht es nicht nur um Wasserstoff, sondern letztendlich darum, wie künftig das Geschäftsmodell der Gaswirtschaft aussieht, welches Volumen es haben wird, welche Kundengruppen in welchen Regionen beliefert werden und welche Gase wo eine Zukunft haben (können).

Die Studie ist im Oktober 2021 vom NWR beauftragt worden. Die Gaswirtschaft selbst ist offensichtlich lange davon ausgegangen, dass sie ihre bisherigen Geschäfte ohne eine der Bottom-up Studie entsprechende Untersuchung mit Erdgassubstituten in die Zukunft tragen kann. Nun springt der NWR in die Bresche, die Fertigstellung der Studie ist aktuell für Herbst 2022 geplant, bei der Beauftragung der Studie wurde vom NWR noch Frühjahr 2022 für die Fertigstellung genannt. Dann soll sie „als Grundlage für Empfehlungen im Sinne einer Roadmap mit Optionen für einen dekarbonisierten Wärmemarkt 2045“ sein. Mit anderen Worten: Die Politik soll sich gedulden und vorher keine Entscheidungen in Sachen Wasserstoff für Raumwärme treffen.

Kurzfassung des Zwischenberichts

Der Zwischenbericht enthält eine Kurzfassung, die ganz unabhängig von den künftigen individuellen Lösungen andeutet, dass neben der konkreten Dekarbonisierung des Wärmemarkts die Findung von Entscheidungen über das Wie eine herausfordernde Aufgabe ist:

„Für die erfolgreiche Transformation der Wärmeversorgung sind Vor-Ort-Analysen zwingend erforderlich, da eine energiesystemanalytische Betrachtung auf nationaler Ebene nicht alle lokalen Anforderungen und Restriktionen berücksichtigen kann. Diese lokale Analyse ist – das hat die Studie bisher klar verdeutlicht – aufgrund der Vielzahl an Einflussparametern hoch komplex, trifft auf Schwierigkeiten bei der Datenbeschaffung und benötigt Zeit. Bis diese Analysen vorliegen, sind allgemeine politische Schlussfolgerungen zum Beispiel zur zukünftigen Rolle von Gasverteilnetzen ohne wissenschaftliche Grundlage nicht zielführend.

Bei einer Einführung von verpflichtenden kommunalen Wärmeplänen sollten zum jetzigen Zeitpunkt keine Technologieoption ausgeschlossen werden, insbesondere die Belange der in der Fläche auf Prozesswärme und teilweise auf Prozessgase angewiesenen Industrie- und Gewerbebetriebe sind zu beachten. H2 wird in der Prozesswärme eine wichtige Rolle spielen.

Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Bedarfe der Industrie und der Kraftwerke vor Ort ohne den Erhalt der hierfür notwendigen Gasverteilnetze und deren Umstellung auf H2 schwer zu decken sind. Die Weiternutzung nicht betroffener Netzgebiete ist detailliert und im Einzelfall vor Ort zu prüfen, der Einsatz von H2 zur Raumwärmeerzeugung hängt von den lokalen Gegebenheiten ab.“

Erste Ergebnisse

Der 10-seitige Zwischenbericht enthält erste Ergebnisse und Empfehlungen für die kommunale Wärmeplanung. Dazu gehören unter anderem:

● „Aus der Studie lässt sich ableiten, dass bei der Erstellung von kommunalen Wärmeplänen einheitliche Rahmenbedingungen zu technischen (z. B. Entwicklung von Jahresarbeitszahlen, Temperaturniveaus, CO2-Emissionsfaktoren für die verschiedenen Energieträger) und ökonomischen Randbedingungen (z. B. Entwicklung von Energieträgerpreisen, Technologie- und Infrastrukturkosten), die in die Berechnung der dezentralen Wärmegestehungskosten eingehen, als Vorgaben fixiert und regelmäßig aktualisiert werden sollten. Hierbei ist es sinnvoll, Bandbreiten zur Abbildung von Unsicherheiten zu berücksichtigen.“

● „Der bisherige Erfahrungsgewinn aus der Bottom-Up Studie zeigt, dass der Lösungsraum maßgeblich von den benötigten Temperaturniveaus der Wärmenachfrage und der Verfügbarkeit lokaler Wärmequellen bestimmt wird. Daher ist eine genaue Kenntnis dieser Gegebenheiten unabdingbar und sollte bei einer kommunalen Wärmeplanung mit den entsprechenden Ressourcen (sowohl finanziell als auch personell) versehen werden, um die notwendige Datenerhebung zu gewährleisten. […]“

● „Ein entscheidender Faktor für die Umrüstung eines Gasverteilnetzes auf H2 ist die aktuelle und zukünftige Nachfrage nach Prozesswärme bzw. Prozessgasen. Dies erweist sich insofern als ein erster zentraler Anhaltspunkt in Bezug auf die Weiternutzung der Gasinfrastruktur und somit auch als relevante Fragestellung in Bezug auf die möglichen Alternativen für die im gleichen Gebiet vorhandenen Wohngebäude. Sofern also eine Nachfrage aus Gewerbe/Industrie gegeben ist, stellt sich die Versorgungsfrage auch für die dort vorhandenen Wohngebäude in anderer Weise, als wenn dem nicht so ist. Dies ist ein relevanter Grund warum Pauschalaussagen nicht zielführend sind. Im weiteren Verlauf der Studie wird geprüft, inwieweit H2 für Wohngebäude in Versorgungsgebieten ohne oder mit geringem Industrie-/Gewerbeanteil eine effiziente Dekarbonisierungsoption darstellt.“

● „Ein schneller Zubau von Wärmepumpen in Neubauvorhaben und Bestandsgebäuden zur Versorgung von Wärmenachfragen ist für die Einhaltung der Klimaziele bis 2030 elementar.“

● „Die Option H2 sichert das Erreichen der mittel- [ab 2030] und langfristigen Klimaziele in der Industrie und Energieerzeugung (Fernwärme) ab und erweitert den Lösungsraum für die Dekarbonisierung der privaten Haushalte. Hierfür ist ein bedarfsgerechter Aus- bzw. Umbau der notwendigen Infrastrukturen zwingend erforderlich. Die Versorgung von Wohngebäuden mit H2 darf nicht prinzipiell ausgeschlossen werden und sollte im Lösungsraum erhalten bleiben.“

Download des Zwischenberichts „Erste Ableitungen aus der ‚Bottom-up Studie zu Pfadoptionen einer effizienten und sozialverträglichen Dekarbonisierung des Wärmesektors mit Blick auf die kommunale Wärmeplanung und die Rolle von Wasserstoff‘“

Anmerkungen der Kollegen aus der TGA-Redaktion

„Ein schneller Zubau von Wärmepumpen in Neubauvorhaben und Bestandsgebäuden zur Versorgung von Wärmenachfragen ist für die Einhaltung der Klimaziele bis 2030 elementar.“ Dieser Satz aus dem Zwischenbericht fällt auf den ersten Blick etwas aus dem Studienrahmen, ist jedoch entscheidend:

Zunächst einmal entspricht die Feststellung einem breiten Konsens wissenschaftlicher Studien. Wichtiger ist jedoch der Umkehrschluss: Wasserstoff kann bis 2030 (aufgrund der nicht vorhandenen kostengünstigen Verfügbarkeit) keine wettbewerbsfähige Rolle bei der Dekarbonisierung des Gebäudesektors übernehmen. Da aufgrund einer notwendigen Budget-Betrachtung der Treibhausgas- bzw. CO2-Emissionen die Dekarbonisierung nicht aufgeschoben werden kann, muss sie insbesondere von Heizungs-Wärmepumpen und einer parallelen Dekarbonisierung der Stromerzeugung geleistet werden.

Ein Bestand von 6 Mio. Heizungs-Wärmepumpen bis 2030 im Gebäudesektor ist keine Neuerung vom Wärmepumpengipfel, sondern lediglich eine Bestätigung und breite Unterstützung bisheriger Zubauziele bzw. einer notwendigen Marke zum Erreichen der nationalen Klimaziele. Ein halbwegs gesunder Zubaupfad, mit dem politisch ausgerufenen Eckpunkt „mindestens 500 000 Wärmepumpen pro Jahr ab 2024“ bedeutet die Installation von etwa 765 000 Wärmepumpen im Jahr 2030. Danach einen Schwenk bei der Installationskapazität auf Wasserstoff-Heizungen zu machen, ist aus heutiger Sicht unrealistisch.

Im Prinzip könnte man die Zeit bis 2030 nutzen, parallel zum Wärmepumpen-Rollout notwendige Erneuerungen von Gas-Heizungen mit Wasserstoff-fähigen Heizkesseln vorzunehmen, doch dies wäre mit der angekündigten 65-%-Klausel für erneuerbare Energien nicht kompatibel. Zudem müsste man schon bald wissen, in welchen Netzen Wasserstoff künftig mit welcher Wahrscheinlichkeit eine aus Kundensicht wirtschaftliche Alternative für den Gebäudesektor ist. Dass diese Informationen schnell zu Verfügung stehen, ist kaum realistisch.

Der Austausch von 4 bis 5 Mio. heute mit fossilen Energieträgern betriebenen Wärmeerzeugern bis 2030 gegen Wärmepumpen würde auch in großem Umfang Gas-Heizungen treffen, zumal sie im für Wärmepumpen prädestinierten Bereich Ein- und Zweifamilienhäuser weit verbreitet sind. Ausdünnungen bei der Gasnachfrage und dem zu unterstellenden Investitionsbedarf bei der Umrüstung eines Gasverteilnetzes auf Wasserstoff bedeuten für die verbleibenden Kunden steigende Netzgebühren und wirken sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit aus.

Letztendlich deutet einiges darauf hin, dass die Bottom-Up Studie zwar sehr wichtige Erkenntnisse liefern wird, diese aber den Markt zum Umsetzen der jeweils bestmöglichen Option(en) zu spät erreichen. Aufgrund der aktuellen Situation ist davon auszugehen, dass vermehrt Gaskunden Entscheidungen treffen, mit denen in einer zunehmenden Zahl von Gasverteilnetzen eine Versorgung von Wohngebäuden mit Wasserstoff nach 2030 wirtschaftlich nicht mehr darstellbar ist. ■

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