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Wärmepumpen im Bestand – SBZ-Serie, Teil 1

Reicht die Leistung von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden aus?

Etwa 75 % der Wohnfläche werden heute noch mit fossilen Brennstoffen beheizt. In den kommenden zwei bis drei Jahrzehnten müssen auch diese Wohnungen vollständig durch CO2-freie Wärme versorgt werden. Die Wärmepumpe ist neben CO2-freier Fernwärme hierbei die Schlüsseltechnologie.

Je mehr Studien, Szenarien und Prognosen der Wärmepumpe eine wichtige, ja sogar entscheidende Rolle für die Dekarbonisierung des Gebäudesektors zuschreiben, desto öfter kommen die Fragen:

● Wie können Wärmepumpen überhaupt im Bestand eingesetzt werden?

● Müssen alle Bestandsgebäude zuerst umfänglich saniert werden?

● Können Wärmepumpen im Bestand überhaupt sinnvolle Effizienzwerte erreichen?

● Sind Wärmepumpen in der Lage, die hohen Vorlauftemperaturen zu gewährleisten?

● Ist der Betrieb von Wärmepumpen im Bestand eigentlich ökologisch?

Die Serie „Wärmepumpen im Bestand“

Das Ziel der Serie „Wärmepumpen im Bestand“ ist es, diese und weitere Fragen fundiert zu beantworten, Vorurteilen zu begegnen und eine gute Grundlage für die notwendigen Weichenstellungen für einen klimaneutralen Gebäudebestand zu schaffen.

Der 2. Teil der SBZ-Artikelserie Wärmepumpen: Darum sind sie auch im Bestand sehr effizient erläutert Ergebnisse diverser Monitoringprojekte. Weiter wird der Einfluss des Elektroheizstabs auf die Effizienz von Wärmepumpen betrachtet.

Der 3. Teil Wärmepumpen: CO2-sparend und wirtschaftlich erläutert, wie Wärmepumpen ökologisch und ökonomisch bewertet werden.

Im 4. Teil Wärmepumpe: So entwickelt sie sich technologisch weiter geht es um zukünftige  Weiterentwicklungen der Wärmepumpen sowie um Hybridanlagen.

Der 5. und letzte Teil Die Wärmepumpe im unsanierten Ein- und Mehrfamilienhaus zeigt an zwei Beispielen, wie Häuser, die nicht bzw. geringfügig saniert wurden, mit Wärmepumpen trotzdem gute Ergebnisse erreichen.

Die fünf Folgen der Serie basieren auf dem Wissen und den Erfahrungen aus fast 20 Jahren Wärmepumpenforschung am Fraunhofer ISE. In dieser Zeit wurden unter anderem grob 300 Wärmepumpenanlagen im Feld messtechnisch untersucht und analysiert. Besonders die aktuellen Monitoringprojekte waren dabei Wärmepumpen in Bestandsgebäuden gewidmet.

Die Ergebnisse der Feldtests zeigen deutlich, dass Wärmepumpen in der Lage sind, auch in nicht sanierten oder nur geringfügig sanierten Bestandsgebäuden die notwendige Wärme zu liefern – wobei sie effizient genug sind, um klare ökologische Vorteile gegenüber fossil betriebenen Heizkesseln zu erzielen.

Sicherlich ist die Herausforderung, eine passende technische Lösung zu finden und diese erfolgreich zu implementieren, in einigen Fällen größer als in anderen. Diese wenigen Fälle sollten aber nicht die allgemeine Sinnhaftigkeit der Wärmepumpen im Bestand infrage stellen.

Ebenso zweifellos sollte die Installation von Wärmepumpen schneller und einfacher werden und der Betrieb noch effizienter und wirtschaftlicher. Die Wärmepumpenbranche arbeitet bereits genau in diese Richtung. Anders ausgedrückt: Wir sollten nicht weiter warten, sondern auf eine Lösung setzen, die schon jetzt technologisch ausgereift ist und zu einer Dekarbonisierung des Heizungssektors entscheidend beiträgt.

Bild 2: Die heutigen Wärmepumpen sind ohne zusätzlichen direktelektrischen Heizstab in der Lage, die in der Regel in Bestandsgebäuden notwendigen Vorlauftemperaturen zu erreichen.

Bild: Bundesverband Wärmepumpe (BWP)

Bild 2: Die heutigen Wärmepumpen sind ohne zusätzlichen direktelektrischen Heizstab in der Lage, die in der Regel in Bestandsgebäuden notwendigen Vorlauftemperaturen zu erreichen.

Können Wärmepumpen überhaupt ausreichend hohe Heizkreistemperaturen liefern?

Bei der Diskussion über die Einsatzmöglichkeiten von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden ist das Hauptgegenargument die zugrunde gelegte sehr hohe Heizkreisvorlauftemperatur. Diese würde zu einer schlechten Effizienz der Wärmepumpen führen und sei folglich ein Ausschlusskriterium für den Einsatz von Wärmepumpen. Dabei spielen zwei Fragestellungen eine Rolle. 

Können Wärmepumpen eigentlich die in Bestandsgebäuden notwendigen Vorlauftemperaturen liefern?

Wie hoch sind die tatsächlich notwendigen Vorlauftemperaturen in der Praxis?

Eine detaillierte Antwort auf die erste Frage ist von vielen Aspekten – wie zum Beispiel der Art des Kältemittels oder des Kompressors – abhängig. Pauschal kann man sagen, dass Standard-Wärmepumpen ohne Probleme eine Vorlauftemperatur von 55 bis 60 °C erreichen können. Das ist ein eher konservativer Richtwert.

Sogenannte Hochtemperaturwärmepumpen für den Einsatz in Wohngebäuden können ca. 65 bis 70 °C erzielen (in Industrie und Gewerbe ist dieser Begriff dagegen für Wärmepumpen reserviert, die über 100 °C erreichen). Auf dem Markt sind auch Geräte verfügbar, die 75 °C erreichen können – zum Beispiel Wärmepumpen mit dem natürlichen Kältemittel Propan. Die heutigen Wärmepumpen sind also allein (ohne den zusätzlichen direktelektrischen Heizstab) in der Lage, die in der Regel notwendigen Temperatur­niveaus zu erreichen.

Die Ergebnisse aus einem umfangreichen Feldmonitoring von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden (Ein- und Zweifamilienhäuser), das am Fraunhofer ISE durchgeführt wurde, haben unter anderem gezeigt, dass die erreichte mittlere Effizienz der Geräte relativ hoch liegt. Für manche auf den ersten Blick wahrscheinlich sogar überraschend hoch.

Maximal erforderliche Temperatur ist für Wärmepumpen im Bestand nicht entscheidend

Bei der Auswertung der Messdaten gab es noch eine Überraschung: die relativ niedrigen mittleren Vorlauftemperaturen. Nach tiefergehender Analyse haben sich zwar auch die – oft als notwendig erachteten – hohen Vorlauftemperaturen gezeigt, aber nur an den kältesten Tagen und nur bei einigen Wärmepumpenanlagen.

Diese Tage waren allerdings so selten, dass sie auf die Gesamteffizienz der Anlagen kaum einen Einfluss hatten. Selbst bei unsanierten Wohngebäuden mit alten Heizkörpern mussten Wärmepumpen eine Vorlauftemperatur von lediglich ca. 55 °C erzielen, um eine angenehme Raumwärme zu gewährleisten.

Das beschriebene Phänomen kann anhand von Bild 3 erklärt werden. Prinzipiell gilt: je tiefer die Außenlufttemperatur (die horizontale Achse), desto höher die Heizkreis­temperatur (orange Linie) und desto niedriger die Effizienz der Wärmepumpe (grüne Linie). Entscheidend für die mittlere (Jahres-)Effizienz ist, wann (bei welchen Temperaturen) der Großteil der Wärme bereitgestellt wurde (blaue Fläche). Zu 75 bis 90 % wird die benötigte Heizwärme bei moderaten Außentemperaturen bereitgestellt. Dabei sind die erforderlichen Vorlauftemperaturen nicht sehr hoch, was zu guten Effizienzen führt.

Zusammenfassend sind zwei Schlüsse zu ziehen:

Erstens sind Wärmepumpen in der Lage, auch hohe Heizkreistemperaturen zu liefern, wie sie an sehr kalten Tagen notwendig sind.

Und zweitens sind gar nicht die maximalen, sondern die mittleren Heizkreistemperaturen für die Gesamteffizienz ausschlaggebend. Das heißt, Wärmepumpen können auch in Bestandsgebäuden die benötigte Wärme mit zufriedenstellender Effizienz bereitstellen.

Bild 3: Die benötigte Heizwärme wird zu 75 bis 90 % bei moderaten Außentemperaturen bereitgestellt. Dabei sind die erforderlichen Vorlauftemperaturen nicht sehr hoch, was zu guten Effizienzen führt.

Bild: Fraunhofer ISE

Bild 3: Die benötigte Heizwärme wird zu 75 bis 90 % bei moderaten Außentemperaturen bereitgestellt. Dabei sind die erforderlichen Vorlauftemperaturen nicht sehr hoch, was zu guten Effizienzen führt.

Die beschriebenen Erkenntnisse bestätigt eine Feldstudie aus der Schweiz. Auch bei dieser Studie wurden Wärmepumpen unter anderem in Bestandsgebäuden analysiert. Sehr ähnlich wie bei der Studie des Fraunhofer ISE lagen die maximalen Heizkreistemperaturen bei den untersuchten Wärmepumpen mit Heizkörpern um 55 °C. Die zentrale Aussage der Autoren der Ostschweizer Fachhochschule lautet: „Wärmepumpen können bei ordentlicher Planung, Installation und Inbetriebnahme fossile Heizungsanlagen auch im Gebäudebestand effizient ersetzen.“

Muss ein Haus zuerst saniert werden, damit eine Wärmepumpe installiert werden kann?

Ganz klar: Je weniger Energie für die Erzeugung eines angenehmen Raumklimas benötigt wird, desto besser. Deshalb sind Sanierungsmaßnahmen zur Reduzierung des Heizenergiebedarfs immer sinnvoll. Dies gilt für alle Heizsysteme, nicht nur für Wärmepumpen.

Aus unterschiedlichen Gründen ist eine (Voll-)Sanierung von Gebäuden manchmal nicht kurzfristig möglich. Glücklicherweise müssen Häuser aber auch nicht umfassend saniert sein, um für den Einsatz von Wärmepumpen infrage zu kommen. Natürlich ist der Wärmepumpenbetrieb umso effizienter, je geringer die Wärmeverluste sind. Sowohl das Portemonnaie der Bewohner als auch die Ökologie profitieren von einem möglichst geringen Einsatz von Heizenergie.

Entscheidend für den Einsatz von Wärmepumpen sind aber die erforderlichen Heizkreistemperaturen. In vielen alten Häusern sind die Wärmeübergabesysteme überdimensioniert. Dadurch ist es beim Tausch der Heizungsanlage meist möglich, die im System eingestellte Vorlauftemperatur abzusenken und die Wärmepumpe effizienter zu betreiben. In vielen weiteren Fällen wurden bereits Sanierungsschritte, wie ein Austausch der Fenster, unternommen. Auch dies reicht häufig aus, um eine Wärmepumpe effizient einzusetzen.

Mithilfe zusätzlicher, relativ kostengünstiger und kurzfristig umsetzbarer Maßnahmen lässt sich die Effizienz positiv beeinflussen. Dazu gehört der z. B. der Austausch von einzelnen Heizkörpern. Moderne Radiatoren oder Konvektoren können die gleiche Wärmemenge bei signifikant geringerer Heizkreislauftemperatur an den Raum übertragen. Solche einfachen Sanierungsmaßnahmen können oft der erste Schritt eines mittelfristigen Sanierungsfahrplans sein, mit dem sich später weitere Effizienzverbesserungen erzielen lassen.

Ein weiteres verbreitetes Vorurteil ist, dass Wärmepumpen nur mit einer Fußboden- oder Wandheizung einsetzbar seien. Das ist jedoch nicht nur physikalisch falsch, sondern wird auch von Tausenden mit Heizkörpern realisierten Wärmepumpensystemen widerlegt. Heizkörper erfordern nicht zwangsläufig „sehr hohe“ Vorlauftemperaturen. In der Feldstudie hat nur eine Handvoll der Luft/Wasser-Wärmepumpenanlagen, die ausschließlich mit Heizkörpern ausgestattet waren, mittlere Heizkreistemperaturen von über 45 °C erreicht. Bei der Mehrheit der Anlagen lagen die Temperaturen sogar unter 40 °C.

Werden Bestandsgebäude mit Wärmepumpen überhaupt angenehm warm?

Der wichtigste Punkt für die Bewohner ist sicherlich: Ist die Raumtemperatur angenehm, auch wenn es draußen sehr kalt ist? In den ersten zwei Februarwochen 2021 war es in Deutschland ziemlich kalt. Eine ganz aktuelle Auswertung von 20 Luft/Wasser-Wärmepumpenanlagen, bei denen die Messwerte am Fraunhofer ISE kontinuierlich erfasst werden, hat Folgendes gezeigt: Die mittlere Außenlufttemperatur bei den ausgewerteten Wärmepumpen betrug in dieser Zeit -3,6 °C. Wie kalt das ist, zeigt der Umstand, dass es in letzten 50 Jahren nur fünf Monate mit mittleren Temperaturen unter -3,5 °C in Deutschland gab.

Die Effizienz von 17 Anlagen (die drei besten in voll sanierten Häusern wurden nicht berücksichtigt) betrug in dieser Zeit 2,3, wobei die Bandbreite zwischen 1,6 und 2,8 lag. Das heißt, selbst bei so kalter Witterung konnte pro kWh Strom aus der Umgebungsluft mehr als doppelt so viel Wärme gewonnen werden.

Die Anlage mit der niedrigsten Effizienz musste mit der niedrigsten mittleren Außenlufttemperatur von -10,2 °C arbeiten. Bei nur fünf Anlagen kamen die Heizstäbe zum Einsatz und wurden bei der Ermittlung der Effizienz berücksichtigt. Insgesamt wurde von allen Anlagen die gewünschte Heizwärme bereitgestellt.

Dass Wärmepumpen auch bei sehr niedrigen Außentemperaturen erfolgreich eingesetzt werden können, zeigt sich auch daran, dass sie in Ländern mit deutlich strengeren Wintern, wie z. B. in Skandinavien, bereits weit verbreitet sind. Auf dem Markt gibt es Produkte, die sogar bei -25 °C ohne Heizstab arbeiten können.

Was passiert bei einer Sanierung, die nach dem Einbau der Wärmepumpe erfolgt?

Mit Blick auf die Sanierung wird zudem häufig gefragt: Was passiert, wenn zuerst eine Wärmepumpe installiert und erst später saniert wird? Wäre die Wärmepumpe dann überdimensioniert? Die nachträgliche Sanierung wird dann vor allem eine Steigerung der Effizienz der Wärmepumpe mit sich bringen.

Wärmepumpen liefern die benötigte Wärme sowohl im milden Herbst als auch im frostigen Winter. Das heißt, sie müssen während der ganzen Heizperiode sehr flexibel reagieren können. Daher ist auch eine Überdimensionierung (außer in Extremfällen) kein großes technisches Problem.

Bild 4:Durch den Austausch von einzelnen Heizkörpern lässt sich die Effizienz positiv beeinflussen. Moderne Radiatoren oder Konvektoren können die gleiche Wärmemenge bei signifikant geringerer Heizkreislauftemperatur an den Raum übertragen.

Bild: Getty Images / AndreyPopov

Bild 4:Durch den Austausch von einzelnen Heizkörpern lässt sich die Effizienz positiv beeinflussen. Moderne Radiatoren oder Konvektoren können die gleiche Wärmemenge bei signifikant geringerer Heizkreislauftemperatur an den Raum übertragen.

Zudem sind Wärmepumpen mit Invertertechnologie, die eine Leistungsregelung der Wärmepumpe ermöglichen und so einen flexiblen Leistungsbereich mit hoher Effizienz liefern können, mittlerweile fast zum Standard geworden.

Es zeigt sich also, dass Wärmepumpen auch in Bestandsgebäuden sinnvoll einsetzbar sind. Dabei ist es zwar grundsätzlich immer besser, zuerst zu sanieren, aber es ist nicht zwingend notwendig. In den allermeisten Fällen ist eine gute Wärmepumpenlösung auch unsaniert (bzw. geringfügig saniert) realisierbar. Es gibt mittlerweile viele Fachhandwerker, die auf solche Fälle spezialisiert sind.

Im nächsten Teil dieser Serie werden die Ergebnisse aus einem Monitoringprojekt von Luft- und Erdreich-Wärmepumpen vorgestellt und der Einfluss des Elektroheizstabs auf die Effizienz von Wärmepumpen wird betrachtet. 

Lesen Sie auch: Interview mit Marek Miara: So schaffen wir mehr Neuanlagen im Bestand

Info

Artikelserie: Wärmepumpen im Bestand

In dieser Artikelserie werden die verschiedenen Argumente gegen den Einsatz von Wärmepumpen im Bestand analysiert und diversen Untersuchungsergebnissen gegenübergestellt. Basis dafür sind das Wissen und die Erfahrungen aus fast 20 Jahren Wärmepumpenforschung am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. 

Grundlage der Serie ist eine von der Stiftung Klimaneutralität beauftragte und von Marek Miara verfasste Blogreihe. Das Ziel ist es dabei, Vorurteilen gegenüber dem Einsatz von Wärmepumpen im Bestand zu begegnen und eine Grundlage für die notwendigen Weichenstellungen für einen klimaneutralen Gebäudebestand zu schaffen.

Die Stiftung Klimaneutralität wurde gegründet, um in enger Kooperation mit anderen Denkfabriken sektorübergreifende Strategien für ein klimagerechtes Deutschland zu entwickeln. Auf der Basis von guter Forschung will die Stiftung informieren und beraten – jenseits von Einzelinteressen.

www.stiftung-klima.de

Dieser Artikel erschien zuerst in der Heftausgabe 05-2021 der SBZ unter dem Titel „Auf die Mittelwerte kommt es an“ von Marek Miara.