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Mit Solarthermie werden Liegenschaften wieder konkurrenzfähig

Energetische Fitnesskur für alte Gemäuer

Deutschlands Strompreise steigen – und zwar ständig. Bauherren, Kommunen und Wohnungsgenossenschaften wissen längst, dass sie ohne Energiespar-Know-How nicht mehr konkurrenzfähig sind. Aufträge, insbesondere für Großprojekte, werden zunehmend nach diesen Gesichtspunkten vergeben.

Bei einem Großteil der Gebäude in Deutschland handelt es sich um Altbestände. Kenntnisse über energetisches Sanieren werden für Installateure deswegen immer wichtiger. Solarthermie kann neben anderen Maßnahmen wie etwa effektiver Dämmung entscheidend dazu beitragen, den Energieverbrauch älterer Gebäude zu senken.

„Die Einsatzmöglichkeiten von Solarthermie sind vielfältig, insbesondere in Kombination mit zusätzlichen Wärmepumpen“, berichtet Claus-Dieter Büscher, Geschäftsführer des Ingenieurbüros Schnieders in Emden. „Auf den ersten Blick denkt man es oft nicht, aber es gibt sehr viele Bereiche, in denen große Mengen Wasser erwärmt werden, beispielsweise in der Lebensmittelindustrie. Wir haben für ein Werk in Nordhorn, das 60 m3 Wasser pro Tag erwärmt, ausgerechnet, dass es mithilfe von Solarthermie 692000 Euro in 15 Jahren sparen kann.“ Der Sanierungs-Experte kann zahlreiche weitere Beispiele geben. Auch Brauereien, die alle zwei Tage den Gärungsprozess abbrechen und ihre Dampfkessel neu erwärmen, könnten nach seinen Berechnungen sehr viel Energie sparen, wenn sie mit Sonnenwärme arbeiten würden.

Sonnenwärme ist ein Ausweg aus der Kostenfalle

Die Kostensenkung war auch für die Gemeinde Juist der ausschlaggebende Grund, ihr mit Meerwasser betriebenes Hallenbad solarthermisch aufzurüsten. Die Gemeinde hatte überlegt, das Schwimmbad zu schließen. Büschers Ingenieurbüro nahm sich des Projekts an und konnte den Energieverbrauch durch Sonnenwärme um rund 35 % senken. Dafür sorgen drei Komponenten: Eine 821 m2 große Solar­absorberanlage zur direkten Wassererwärmung, eine 200-kW-Wärmepumpe und eine Luftkollektoranlage für die Hallenluft.

Der in Juist eingesetzte Absorber erzielt einen Wärmeertrag von rund 1000 kWh pro m2 und Saison. Das Ingenieurbüro musste bei der Auswahl der Materialien insbesondere auf Meerwasserbeständigkeit achten. Das System besteht aus PPH-Rippenrohren (kopolymere Rippenrohre). Diese verfügen über eine vergrößerte Oberfläche und erzeugen turbulente Strömungen im Rohr. Damit sorgen sie für eine gute Wärmeübertragung. Der Absorber ist hydraulisch auf möglichst geringen Druckverlust ausgelegt. Dies geschieht durch große Rohrdurchmesser. Zudem garantiert die Aufteilung der Absorberbahnen eine gleichmäßige Durchströmung. Da die PPH-Rippenrohre direkt vom zu erwärmenden Hallenwasser durchströmt werden, ist kein Wärmeübertrager notwendig. „Aus installationstechnischer Sicht war die größte Herausforderung bei diesem Projekt die Leistungsanpassung der Wärmepumpe an die Absorberfläche. Die in Juist montierte Pumpe fährt in zwei Stufen und ist perfekt an das individuelle Energieangebot angepasst“, erklärt Thomas Lange, Geschäftsführer der Solar-Anlagen Lange GmbH in Münster, die die Wärmepumpe installiert hat.

Das Projekt erforderte vielfältige Anpassungen

Auch in anderer Hinsicht musste der Installationsbetrieb das System genau an das Projekt anpassen. So musste er beispielsweise einplanen, dass die Insel Juist häufig von Stürmen heimgesucht wird. „Die Stürme darf man hier nicht unterschätzen. Die Konstruktion des Absorbers besteht deswegen aus einem robusten Stecksystem mit einzelnen Rippenrohren, die dem Wind keine Angriffsfläche für Auftrieb geben und mit am Dach befestigten Klammern zusätzlich gesichert sind“, sagt Thomas Lange. Da die Absorberanlage unbedeckt ist, hat sie keine Energieverluste durch aufliegende Glasscheiben. Zudem hat diese Lösung einen erheblichen Kostenvorteil. Mit Röhrenkollektoren hätte das Projekt etwa das Vierfache gekostet. „Wir arbeiten seit fast 25 Jahren mit Absorbersystemen. Solarthermie gewinnt zunehmend an Bedeutung, weil sich ihre Anwendungsbereiche immer stärker ausweiten, insbesondere in Kombination mit Wärmepumpen“, so Lange.

Auch im Meerwasserbad Juist wird das System durch eine Wärmepumpe ergänzt. Bei ihrer Auswahl waren die Kosten ausschlaggebend. Auch ist die Insel nicht immer leicht zu erreichen und Transporte können nur mit der Pferdekutsche vorgenommen werden. Reparaturen und aufwendigen Wartungen galt es deswegen nachhaltig vorzubeugen. Büscher und die umsetzenden Installateure entschieden sich für eine elektrische Kompressionspumpe.

Weiteres Potenzial zur Kosteneinsparung ergab sich bei der Lüftung. Durch den Einsatz einer Luftkollektoranlage im Zuluftbereich wird an sonnenreichen Tagen ein Teil der Außenluft durch die Sonne vorgewärmt. Die Anbindung der Kollektoranlage erfolgte an das vorhandene Lüftungssystem. „Die drei eingesetzten Komponenten können sich so optimal ergänzen“, erklärt Claus-Dieter Büscher. Auf Juist zeigt man sich zufrieden mit dem Resultat. Die Überlegung, das Meerwasserbad zu schließen, ist vom Tisch.

Wenn der Kunde die Initiative zum Energiesparen ergreift

Energiesparen ist nicht nur auf Juist angesagt, sondern auch im Schenkendorfer Flur 18–21 in Königs Wusterhausen bei Berlin. Der orange und gelb gestrichene Plattenbau verfügt über 40 Wohneinheiten mit einer zu beheizenden Fläche von insgesamt 2159 m2. Die Mieter sorgten sich – wie viele andere auch – zunehmend um die steigenden Nebenkosten. Martina Krüger, Technischer Vorstand der Wohnungsgenossenschaft Königs Wusterhausen sah sich zum Handeln aufgefordert: „Bei der Gestaltung der Mietpreise haben wir immer weniger Spielraum. Der Rechtfertigungsdruck gegenüber den Mietern steigt und die Nebenkosten entwickeln sich zunehmend zur zweiten Miete. Der Ruf nach niedrigeren Strom- und Energiekosten wird immer lauter“, erklärt sie. Gemeinsam mit dem Aufsichtsrat ergriff der Vorstand deswegen die Initiative und beschloss, den Einsatz regenerativer Energien zu prüfen.

Die Kostenvergleiche sprachen für die Solarthermie

Photovoltaik kam wegen der für Genossenschaften anfallenden Vorsteuer nicht in Frage, auch Wärmepumpen sind nach Ansicht Krügers für Plattenbauten keine optimale Lösung. Schließlich prüfte der Vorstand die Kombination Fernwärme mit Solarthermie. Die Prognosen hierfür fielen nach eingehenden Berechnungen überaus positiv aus. Durch die Aufrüstung mit einer solarthermischen Anlage kann in dem Plattenbau der Energieverbrauch um 25 % von 281 MWh auf 211 MWh gesenkt und die absoluten Heiz­energiekosten (exakte Zahlen für 2008) um rund 29 % von 29152 Euro auf 20929 Euro verringert werden, so das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsrechnung.

Die Finanzierung des Projektes verlief reibungslos. Die KfW-Bankengruppe fördert energetische Sanierungen von Altbauten und gewährt Darlehen mit 30% Tilgungszuschuss aus dem KfW-Programm „Erneuerbare Ener­gien“. Der solare Anteil der Investitionen – in Königs Wusterhausen 81340 Euro von insgesamt 131740 Euro – werden mit bis zu 100 % gefördert.

„Wir haben das Projekt komplett durchgerechnet und kamen auf eine Modernisierungsumlage von 11 %. Das sind 0,33 Euro pro Monat und pro Quadratmeter Wohnfläche. Wenn man beachtet, dass die Gesamtenergiekosten für Jahre sinken, ist das ein günstiger Preis“, so Martina Krüger im Kongress „Energetische Sanierung von Großprojekten“ der Solarenergy in Berlin.

Nur wenig SHK-Betriebe bauen große Solaranlagen

Für die Wohnungsgenossenschaft war dies die optimale Lösung, doch nun musste sie die richtigen Partner finden. Denn die Installa­tionsbetriebe, mit denen sie traditionell zusammenarbeitete, winkten ab. Ihnen fehlte die Erfahrung mit großen Solaranlagen. Über den Potsdamer Systemanbieter Parabel Energiesysteme GmbH, der die Anlage lieferte, fanden sie dann den passenden Partner – den Installationsbetrieb Mercedöl Feuerungsbau GmbH in Berlin, der bereits über langjährige Erfahrungen mit Großprojekten im Bereich regenerative Energien verfügt. Dieser baute auch das Herzstück des Projekts ein: Eine Solarenergiezentrale, die per Wärmetauscher fossil befeuerte Kesselanlagen oder Fernwärmeübergabestationen mit einer Kollektoranlage zu einer Einheit verbindet.

Die Kombination Fernwärme für die Grundlast – entweder aus Kraft-Wärme-Koppelung oder aus mit Erdgas betriebenen Heizkraftwerken – mit großen Solaranlagen ist relativ neu auf dem Markt. Besonders wichtig war in Königs Wusterhausen deshalb ein effizientes Wärme-Management-System, das die vorrangige Nutzung der Solarwärme steuert. Diese übergeordnete Steuerung kann bei zentralen und dezentralen Lösungen in Kombination mit Einzelfeuerung, Nahwärmenetz oder großen Fernwärmenetzen mit Kraftwärmekopplung eingesetzt werden. Das Monitoring stellt eine besondere Herausforderung dar. Es gewährleistet die erforderliche Transparenz mit Wärmemengezählern und einer Online-Überwachung via GSM-Modem, das Auskunft gibt über Auslastung und Ertrag der Solaranlage sowie über den konventionellen Energieverbrauch.

Betriebsführung und Betriebskostencontrolling im Auftrag der Eigentümer zeichnen sich laut der Mercedöl Feuerungsbau GmbH als wichtige zukünftige Geschäftsfelder ab. „Qualität ist nicht mehr im rein funktionalen Sinn zu verstehen, sondern sie bemisst sich immer stärker an der möglichen Kosteneinsparung bei der Energiebereitstellung. Das ist ein neues Kriterium, das für den Einsatz eines modernen Wärmemanagements unter Einbeziehung solarer Wärme spricht“, erklärt Andreas Stein von der Mercedöl Feuerungsbau GmbH. Installateure, die über entsprechende Kenntnisse verfügten, könnten ihren Kunden attraktivere Angebote machen, so Stein.

Garantien helfen den Kunden bei der Entscheidungsfindung

Das mittelständische Unternehmen war nicht zuletzt attraktiver Projektpartner für die Wohnungsgenossenschaft Wusterhausen, weil sie gemeinsam mit ihren Partnern im Rahmen eines „50-Gebäude-Programms“ hervorragende Garantien für das Projekt vergab: Das Festpreisangebot enthielt eine 20 % Kosteneinspargarantie für Warmwasser und Heizung. Dem Kunden wurden zudem 20 % Sicherheitseinbehalt auf die entsprechende Bausumme eingeräumt. Wichtig war auch die feste Zusage des Unternehmens, die Betriebsführung und das Monitoring über die Energiezentrale komplett zu übernehmen. Ziel des Programms war es, ein reibungsloses Zusammenspiel von Systemanbieter, Fachplaner und Installationsunternehmen im Hinblick auf die gebotene Qualitätssicherung zu erreichen. „Das Programm war eine Herausforderung für einen mittelständischen Installationsbetrieb wie uns, bedeutet es doch, eine Bürgschaft von rund 1 Mio. Euro zu flankieren. Das macht man nur, wenn man absolutes Vertrauen in die eigenen Kenntnisse und die seiner Partner – bis hin zum Systemlieferanten – hat“, so Andres Stein. Vertrauen scheint auch von Seiten des Kunden vorhanden zu sein: Die Wohnungsgenossenschaft Königs Wusterhausen nimmt inzwischen gemeinsam mit den Partnern die solare Modernisierung ihres gesamten Plattenbaubestands in Angriff.

Ausführende Betriebe

Kontaktdaten

Claus-Dieter Büscher, Schnieders Planungsbüro, 26721 Emden, Telefon (0 49 21) 99 38 95-0, http://www.schnieders-emden.de

Thomas Lange, Solaranlagen Lange GmbH, 48161 Münster, T. (0 25 34) 5 39 21 69, http://www.solar-lange.de

Martina Krüger, Wohnungsgenossenschaft Königs Wusterhausen, 15711 Königs Wusterhausen, Telefon (0 33 75) 24 16-0, https://www.wg-kw.de/

Andreas Stein, Mercedöl Feuerungsbau GmbH, 13158 Berlin (Pankow), Telefon (0 30) 91 60 00-0

Autor

Rebecca Raspe ist Redakteurin beim EuPD Europressedienst, 53111 Bonn, Telefon (02 28) 3 69 44-84, r.raspe@europressedienst.com, https://www.europressedienst.com/

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