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Effizienz-Etiketten verändern die Heiztechnikbranche (Teil 2/3)

Beratungsbedarf steigt exorbitant

Welche Wirkung die Effizienz-Etiketten für Heiztechnik unter dem Dach der ErP(Ökodesign)-Richtlinie letztendlich beim Endkunden haben werden, muss sich erst noch zeigen. Produkte, die mit den Investi­tionskosten für eine neue Heizungsanlage vergleichbar wären, sind bislang jedenfalls noch nicht durch die ErP-Richtlinie erfasst worden. Und anders als bei Beleuchtungskörpern oder Unterhaltungselektronik, die von Effizienzklasse zu Effizienzklasse vergleichsweise geringe Unterschiede in den Preisen haben, können zwischen den Effizienzklassen bei Heizanlagen finanzielle Welten liegen.

Dies beruht u.a. auch darauf, dass – politisch gewollt – jede Elektro-Wärmepumpe per Definition immer eine bessere Energie-Effizienzklasse erhält als ein Gas-Brennwertgerät. „Das bedeutet beispielsweise, dass ein Billigprodukt mit einem sehr geringen COP eine bessere Energie-Effizienzklasse als jedes Hightech-Gas-Brennwertgerät erhält – obwohl es für den Nutzer höhere Energiekosten verursacht. Das verdeutlicht den Beratungsaufwand und Erklärungsbedarf, der künftig auf die Branche gegenüber dem Endkunden zukommen wird“, so Andreas Christmann, Leiter Produkt und Marketing bei Vaillant Deutschland dazu.

Bestimmung der Energie-Effizienzklassen

Die Energie-Effizienzklassen bilden keine Energiemengen unter vergleichbaren Bedingungen wie bei Haushaltsgeräten ab, sondern die sog. „jahreszeitbedingte Raumheizungs-Energieeffizienz“ (ηs), die am ehesten einem Jahresnutzungsgrad bzw. einer Jahresarbeitszahl, jeweils um Hilfsstrombedarf und gegebenenfalls die integrierte Stromerzeugung erweitert, in Prozent entspricht. Die jahreszeitbedingte Raumheizungs-Energie­effizienz (ηs) bezeichnet nach der Delegierten-Verordnung (EU) Nr. 811/2013 der Kommission vom 18. Februar 2013 den Quotienten aus dem von einem Heizgerät gedeckten Raumheizungsbedarf in einer bestimmten Heizperiode und dem jährlichen Energieverbrauch zur Deckung dieses Bedarfs in Prozent. Stromeinsatz und -erzeugung werden auf Basis des europäischen Durchschnitts der Stromerzeugung mit einem Umrechnungskoeffizienten (Umwandlungskoeffizienten) von 2,5 dem Brennwert von Brennstoffen ­bilanziell gleichgesetzt. Die Vorschrift ordnet jahreszeitbedingte Raumheizungs-Energie­effizienzen gemäß der Tabelle rechts auf dieser Seite den Energie-Effizienzklassen von brennstoffbasierten Raumheizgeräten und Elektro-Wärmepumpen zu.

Effizienzklassen sagen nichts über die Kosten

Da die Effizienz-Etiketten die Energieträger nur energetisch und nicht kostenseitig berücksichtigen, drängt sich die Frage auf: Kann von zwei Produkten mit unterschiedlicher Effizienzeinstufung das Produkt mit der schlechteren Einstufung deutlich geringere Energiekosten verursachen? Die Antwort ist eindeutig: Ja, das ist möglich. In der Praxis wird dies wohl auch keine Ausnahme sein. Das bedeutet, dass trotz der Effizienz-Etiketten weiterhin die fachliche Beratung und die Kompetenz des Fachhandwerkers, Fachplaners oder Energieberaters zählen. Zusammen mit den Anforderungen und Wünschen der Bauherren und den zusätzlich zu beachtenden Bauvorschriften und gegebenenfalls verfügbaren Förderprogrammen können sie am besten beurteilen, welche Heizsysteme sich für welche Gebäude am besten eignen und auch auf Dauer die geringeren Energiekosten beziehungsweise Gesamtkosten verursachen werden.

Christmann: „Der Endkunde will eine Heizungsanlage, die ihm zuverlässig und genau auf seine Bedürfnisse hin langfristig einen hohen und kostengünstigen Wärmekomfort bietet. Das Effizienz-Etikett allein ist hierfür aber kein Garant. Eine Luft/Wasser-Wärmepumpe im ungedämmten Baubestand einzusetzen, der 75 °C Vorlauftemperatur benötigt, anstatt dafür ein Mikro-BHKW oder ein Gas-Brennwertsystem zu verwenden, wäre sträflicher Unsinn. Dennoch würde auch in diesem Fall die Luft/Wasser-Wärmepumpe immer die bessere Energie-Effizienzklasse haben. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Die beste Energie-Effizienzklasse ist nicht automatisch die beste Lösung. Sowohl Hersteller als auch Fachhandwerker und Fachplaner sind deswegen in der Pflicht, noch intensiver als bisher, professionelle und kompetente überzeugende Beratung zu liefern. Es muss eine durchdringende Aufklärungsarbeit geleistet werden, warum eine im Zweifelsfall auch noch so kostengünstige Anlage mit einer guten Energie-Effizienzklasse für den Kunden im Betrieb teurer ist, als eine größere Investition für eine Heizanlage mit einem schlechteren Effizienzlabel.“

Gleiche Effizienzklasse heißt nicht gleiche Effizienz

Auch wird es in der Praxis vielfach dazu kommen, dass zwei Produkten der gleichen Gerätekategorie mit deutlich unterschiedlicher Wirtschaftlichkeit nach den ErP-Kriterien die gleiche Energie-Effizienzklasse zugeordnet wird. Besonders auffällig wird dies beispielsweise bei den Bereichen Wärmepumpe und Kraft-Wärme-Kopplung. Selbst erhebliche Unterschiede beim COP und der Jahresarbeitszahl spielen bei der Einstufung von Wärmepumpen in Energie-Effizienzklassen kaum eine Rolle.

Im KWK-Bereich wurden Mikro-BHKW mit Gas-Verbrennungsmotoren durch die Gestaltung der Energie-Effizienzklassen und die Berechnungsvorschriften den Mikro-BHKW mit Stirlingmotor gleichgestellt – obwohl der elektrische Wirkungsgrad von Stirling-BHKW technisch bedingt nicht das Niveau eines Gas-Verbrennungsmotors erreichen kann. Dies ist jedoch noch nicht final entschieden.Christmann: „Auch hier wird wieder deutlich, wie viel Informations- und Beratungsbedarf in den kommenden Jahren auf die Branche zukommt. Leider ist die EU-Kommission nicht den Vorschlägen der Branche gefolgt, ein spezifisches Etikett für jede Produktgruppe einzuführen. Dadurch wären sehr genaue Klassifizierungen der tatsächlichen Energieeffizienz ermöglicht worden.“

Brennwertgebot mit einer Ausnahme

Bedingt durch die ErP-Mindesteffizienzkrite­rien wird ab Herbst 2015 in ganz Europa ein Brennwertgebot gelten und Heizwert­geräte werden mittelfristig aus den Verkaufsregalen verschwinden. Heizwertgeräte werden zwar generell in den Energie-Effizienzklassen C bis D eingruppiert, können aber aufgrund ihrer technologischen Voraussetzungen nicht die Mindesteffizienzkriterien erfüllen. Dann kann ihnen keine CE-Kennzeichnung als Voraussetzung für das Inverkehrbringen mehr erteilt werden.

In den Diskussionen der Arbeitskreise konnte immerhin erreicht werden, dass in Mehrfamilienhäusern unter bestimmten Voraussetzungen noch Heizwertgeräte zum Einsatz kommen können. „Zu einem großen Problem hätten sich sonst Mehrfamilienhäuser mit Heizwert-Etagengeräten und einem gemeinsamen Schornstein entwickelt“, erläutert Christmann. „Hätte hier ein defektes Gerät ausgetauscht werden müssen, wäre man aufgrund der Bestimmungen dazu gezwungen gewesen, ein Brennwertgerät einzusetzen. Dazu hätten dann aber auch alle anderen Wärmeerzeuger im Haus ausgetauscht werden müssen, weil die gemeinsame Abgasführung von älteren Heiz- und neuen Brennwertgeräten technisch unmöglich ist.“ Deswegen sind künftig ausschließlich in Mehrfamilienhäusern mit mehrfach belegten Kaminen raumluftabhängige Wärmeerzeuger mit Strömungssicherung bis zu einer Heizleistung von 10 kW und Kombigeräte bis zu einer Leistung bis zu 30 kW im Austausch weiterhin erlaubt.

Selbstdeklaration der Effizienzklasse durch Hersteller

Die Einordnung in die Energie-Effizienzklasse erfolgt bei allen Wärmeerzeugern durch Selbstdeklaration. Ausschließlich die Zertifizierung des thermischen Wirkungsgrades von Wärmeerzeugern für fossile Energieträger wird durch akkreditierte Prüfstellen vorgenommen. Auch die Herstellerangaben zur elektrischen Leistungsaufnahme und den Stand-by-Verlusten werden nicht von dritter Seite aus bestätigt.

Dabei sind die Herstellerfirmen grundsätzlich verpflichtet, die ErP-Konformität ihrer Geräte sicherzustellen und zu garantieren. Der Fachhandwerker und -planer ist nicht in der Pflicht, die Herstellerdaten zu verifizieren. Er kann – und muss – sich auf diese verlassen. Haftungsrisiken entstehen ihm hierdurch nicht. Die Daten und Angaben werden in der Praxis übernommen, um der Ausweispflicht gegenüber dem Endkunden nachzukommen oder sie werden für die Ermittlung des Package-Labels genutzt. Das Effizienz-Etikett wird künftig Teil der CE-Zertifizierung. Geräte ohne CE-Kennzeichnung sind im europäischen Markt nicht verkehrsfähig.

Was wird aus Lagerware und Bestandsanlagen?

Alle unter die ErP-Durchführungsverordnungen fallenden Produkte, die sich schon vor dem Stichtag 26. September 2015 in einem Lager beziehungsweise beim Großhandel befinden, gelten als bereits „in den Verkehr gebracht“. Sie sind nicht vom ErP-Regelwerk betroffen und dürfen demzufolge noch abverkauft, installiert und betrieben werden.

Bereits bestehende Anlagen genießen Bestandsschutz. Wird beispielsweise zu einem bestehenden Raumheizgerät eine Solaranlage oder ein Speicher ergänzt, muss der Fachhandwerker kein neues Package-Label ermitteln. Auch defekte Geräte in einer Heizungsanlage können getauscht werden, ohne dass hierfür ein neues Etikett für die Gesamtanlage notwendig wird. Jedoch ist hier zu beachten, dass bereits ein Raumheizgerät, das gemeinsam mit dem Regler angeboten wird, ein Package-Label benötigt. Alle neu in Verkehr gebrachten und installierten Geräte müssen darüber hinaus den ErP-Kriterien entsprechen. Das heißt: Defekte Heizwert­geräte dürfen nicht durch ein neues Heizwertgerät ersetzt werden, das nach dem Stichtag in Verkehr gebracht wurde – es sei denn, dass die Sonderregelung für Mehr­familienhäuser greift.

Wer wird gewinnen und wer wird verlieren?

Auf Seiten des Fachhandwerks und der Fachplaner werden wohl die Unternehmen gewinnen, die ihre Bauherrenberatung frühzeitig auf den neuen und erhöhten Beratungsbedarf aufgrund des ErP-Regelwerks ausrichten. Fachbetriebe, die nicht kontinuierlich an Trainingsmaßnahmen der Hersteller teilnehmen, können schnell vom Markt eingeholt werden. Denn Nutzen stiften kann ein Effizienz-Etikett in erster Linie in der Beratungs-, Angebots- und Entscheidungsphase.

Christmann: „Unsere Empfehlungen lauten, sich bereits frühzeitig auf die kommenden Aufgaben einzustellen und den Endkunden aktiv zu beraten. Das ist nur durch intensives Training möglich. Gleichzeitig sind die Hersteller gefordert, frühzeitig Lösungen anzubieten, die die Fachpartner bei ihren Aufgaben optimal unterstützen.“ Ein kleines Beispiel: Allein ein ErP-konformes Package-Label ohne entsprechendes Tool auszudrucken, wäre momentan aufgrund der peniblen Anforderungen eine Herausforderung. Zur Erinnerung: Das Etikett für Verbundanlagen ­(Package-Label) ist in der Verantwortung des Fachhandwerkers zu erstellen, Hersteller dürfen nur unterstützen.

Unter den Herstellern dürften besonders die großen und serviceorientierten Unternehmen profitieren, denn die notwendigen Dienstleistungen für das Fachhandwerk lassen sich in ihrer erforderlichen Vielfalt von kleineren Herstellern kaum noch leisten.

Ausblick auf Teil 3 der Serie

Im dritten Teil der Artikelserie zur ErP-Richt­linie werden die speziellen Bedingungen für Warmwasserbereiter, holzbefeuerte Heizkessel und Einzelraumfeuerstätten behandelt.

Autor

Dipl.-Kfm. Martin Schellhorn ist Fachjournalist und Inhaber der Fachpresseagentur Kommunikationsmanagement Schellhorn, 45721 Haltern am See, Telefon (0 23 64) 10 81 99, martin.schellhorn@die-agentur.sh, http://www.die-agentur.sh

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