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Sicherheit für hilfsbedürftige Bewohner

Brandschutz in Pflegeeinrichtungen: Das ist zu beachten

Bild 1: Einrichtungen für Menschen mit Pflegebedürftigkeit oder mit Behinderung müssen in ihrem Feuerschutz besondere Bedingungen erfüllen. 

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Bild 1: Einrichtungen für Menschen mit Pflegebedürftigkeit oder mit Behinderung müssen in ihrem Feuerschutz besondere Bedingungen erfüllen.
 

Bedingt durch den demografischen Wandel in unserer Gesellschaft, der eine wachsende Anzahl pflege- und betreuungsbedürftiger Menschen zur Folge hat, sind in den letzten Jahren bundesweit neue betreute Wohnformen im Pflege- und Behindertenbereich entstanden (Bild 1). Hierzu regelt die Muster-Wohnformen-Richtlinie (MWR) besondere Anforderungen und Erleichterungen für Gebäude mit Nutzungseinheiten, die der Pflege oder Betreuung von Personen mit Pflegebedürftigkeit oder Behinderung dienen. Gemäß der Musterbauordnung § 2 Absatz 4 Nummer 9 gilt das für Nutzungseinheiten, die

a) einzeln für mehr als sechs Personen oder

b) für Personen mit Intensivpflegebedarf bestimmt sind oder

c) einen gemeinsamen Rettungsweg haben und für insgesamt mehr als zwölf Personen bestimmt sind.

Bei Nutzungseinheiten nach a) und b) soll die Rettung dieser Personen hauptsächlich dadurch unterstützt werden, dass diese ausreichend lange in einem sicheren Bereich verbleiben oder dass diese Personen einen sicheren Bereich aufsuchen können.

Im Falle von Nutzungseinheiten nach c) beschreibt die Richtlinie, unter welchen Voraussetzungen keine Bedenken wegen der Personenrettung bestehen und deshalb kein zweiter baulicher Rettungsweg erforderlich ist. Nutzungseinheiten, in denen Pflege oder Betreuung in Familien erbracht wird, fallen nicht in den Anwendungsbereich der Muster-Wohnformen-Richtlinie (MWR).

Pflege und Betreuung im Sinne der MWR liegen nicht vor, wenn sie sich auf hauswirtschaftliche Versorgung, Verpflegung oder allgemeine Dienstleistungen wie Notruf- oder Hausmeisterdienste, Informations- und Beratungsleistungen beschränken.

Brandschutzkonzept für Pflegeeinrichtungen

Das Brandschutzkonzept bildet die Gesamtheit aller brandschutztechnischen Maßnahmen in einem Gebäude ab. Gefordert wird das Brandschutzkonzept insbesondere im Rahmen von bau- und versicherungsrechtlichen Verfahren. Es ist Hauptbestandteil der Brandschutzplanung und ein wichtiges Instrument bei Abstimmungen mit Behörden und Feuerwehren.

Das Brandschutzkonzept gemäß der Muster-Wohnformen-Richtlinie unterscheidet grundsätzlich nach den Sonderbautatbeständen des § 2 Absatz 4 Nummer 9 Buchstabe a, b und c der Musterbauordnung (MBO). Es berücksichtigt die Präsenz von Pflege- und Betreuungskräften, auch von Nachtwachen sowie Angehörigen und ehrenamtlichen Personen. Wenn sich zum Beispiel, bedingt durch bauliche Gegebenheiten, andere Brandschutzkonzepte ergeben, muss in jedem Fall sichergestellt sein, dass die bauordnungsrechtlich vorgegebenen Schutzziele erfüllt werden.

Aufgestellt wird das Brandschutzkonzept von einem Fachplaner für Brandschutz. Unter diesen Begriff fallen zum Beispiel Brandschutzfachingenieure, Sachverständige für Brandschutz und Feuerwehrleute der höheren Dienstgrade.

Bauliche Anforderungen

Im Abschnitt 2.1 „Allgemeines“ der Richtlinie heißt es: „Soweit nichts anderes geregelt ist, genügen die Anforderungen, die die Musterbauordnung an Wohnungen und Wohngebäude stellt. Werden in bestehenden Wohnungen Nutzungseinheiten im Sinne dieser Richtlinie eingerichtet, sind in der Regel keine Anforderungen an Bauteile zu stellen, die über die Anforderungen dieser Richtlinie hinausgehen.“

Anforderungen an Bauteile

Die Anforderungen an Bauteile werden im Abschnitt 2.2 der Richtlinie beschrieben. Bei Nutzungseinheiten nach § 2 Absatz 4 Nummer 9, Buchstabe a) der Musterbauordnung (einzeln für mehr als sechs Personen) oder b) (für Personen mit Intensivpflegebedarf) sind Bereiche oder alternativ Zellen zu bilden. Eine Ausbildung von Bereichen oder Zellen ist in Nutzungseinheiten nach § 2 Absatz 4 Nummer 9, Buchstabe a) der MBO (einzeln für mehr als sechs Personen) nicht erforderlich, wenn

·          in jedem Geschoss der Nutzungseinheit ein zweiter jedem Bewohner zugänglicher und entgegengesetzt liegender Ausgang vorhanden ist, der unmittelbar ins Freie führt, oder

·          in Gebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 ein zweiter baulicher Rettungsweg ausgebildet ist (Bild 2).

Bild 2: Tabelle der Gebäudeklassen nach der Musterbauordnung (MBO).

Bild: Bernd Ishorst

Bild 2: Tabelle der Gebäudeklassen nach der Musterbauordnung (MBO).

Bereichslösung

Gemäß Abschnitt 2.2.1 der Muster-Wohnformen-Richtlinie (MWR) sind in Nutzungseinheiten mindestens zwei Bereiche mit jeweils höchstens sechs Betten zu bilden. Bereiche müssen durch Wände oder Decken voneinander getrennt sein, die als raumabschließende Bauteile die Feuerwiderstandsfähigkeit der tragenden und aussteifenden Bauteile des Gebäudes haben, jedoch müssen sie mindestens feuerhemmend (F 30) sein.

Zellenlösung

Bei der Zellenlösung nach Abschnitt 2.2.2 der MWR sind die Wände und Decken der Schlafräume als raumabschließende Bauteile mindestens feuerhemmend (F 30) auszubilden; dies gilt nicht für Außenwände. Türen in Schlafraumwänden müssen dicht- und selbstschließend sein, ausgenommen die Türen zugehöriger Sanitärräume.

Brandlasten und Brandklassifizierung

Der Begriff Brandlast wird immer im Zusammenhang mit dem Brandschutz von Gebäuden verwendet. Unter der Brandlast eines Gegenstandes versteht man die Energie, die bei dessen Verbrennung frei wird und damit bei Schutzmaßnahmen für einen möglichen Gebäudebrand zu berücksichtigen ist. Die Brandlast entsteht durch alle brennbaren Stoffe, die in ein Gebäude eingebracht werden. Sie ist von der Menge und vom Heizwert der Stoffe abhängig.

Die Brandlast wird in kWh/m² angegeben und ist das auf eine bestimmte Grundfläche – zum Beispiel eine Brandabschnittsfläche – bezogene Wärmepotenzial aller vorhandenen brennbaren Stoffe. Eine Liste mit „Brandlasten für verschiedene Nutzungen“ steht zum Beispiel vom Bauforum Stahl zur Verfügung.

Hohe Brandlasten entstehen zum Beispiel schon durch eine ungünstige Auswahl von Baustoffen. Deshalb sollte bereits in der Planungsphase des Gebäudes auf eine Reduzierung unnötiger Brandlasten geachtet werden. Nichtbrennbare Materialien mit der Baustoffklasse A sollten immer bevorzugt werden.

In Deutschland ist momentan die Klassifizierung des Brandverhaltens von Baustoffen sowohl nach DIN 4102-1 als auch nach DIN EN 13 501-1 möglich. Nur bei Bauprodukten und Bauarten, die der CE-Kennzeichnung unterliegen, ist eine Brandklassifizierung nach der DIN EN 13 501-1 zwingend erforderlich (Bild 3).

Bild 3: Zuordnung der Euroklassen nach DIN EN 13 501-1 zur DIN 4102-1.

Bild: IZEG

Bild 3: Zuordnung der Euroklassen nach DIN EN 13 501-1 zur DIN 4102-1.

Rettungswege

Bei Nutzungseinheiten nach § 2 Absatz 4 Nummer 9 der Musterbauordnung (MBO) ist ein baulicher Rettungsweg ausreichend, wenn keine Bedenken wegen der Personenrettung bestehen. Diese Anforderung entspricht der MBO (§ 33 Absatz 3 Satz 2), in der es heißt: „Bei Sonderbauten ist der zweite Rettungsweg über Rettungsgeräte der Feuerwehr nur zulässig, wenn keine Bedenken wegen der Personenrettung bestehen.“

Diese Anforderung ist bei Nutzungseinheiten nach § 2 Absatz 4 Nummer 9, Buchstabe a) der MBO (einzeln für mehr als sechs Personen) erfüllt, wenn die baulichen Voraussetzungen nach Abschnitt 2.2 „Anforderungen an Bauteile“ der Richtlinie gegeben sind. Werden herbei Bereiche nach Abschnitt 2.2.1 ausgebildet, müssen die Rettungswege von jedem Bereich aus unmittelbar erreichbar sein.

In Nutzungseinheiten nach § 2 Absatz 4 Nummer 9, Buchstabe b) der MBO (für Personen mit Intensivpflegebedarf) mit mehr als sechs Personen ist ein zweiter baulicher Rettungsweg erforderlich. In den Fällen nach § 2 Absatz 4 Nummer 9, Buchstabe c) der MBO (die einen gemeinsamen Rettungsweg haben und für insgesamt mehr als zwölf Personen bestimmt sind) bestehen bis zu 24 Personen in der Regel keine Bedenken wegen der Personenrettung insbesondere bei Nutzungseinheiten, die

·          so angeordnet sind, dass eine Brandausbreitung zwischen diesen Nutzungseinheiten für die Personenrettung ausreichend lang verhindert wird, oder

·          an einem Treppenraum liegen, der durch zusätzliche bauliche Maßnahmen (z. B. feuerhemmende und rauchdichte Abschlüsse) oder technische Anlagen mit Funktionserhalt so ertüchtigt ist, dass eine Personenrettung über den Treppenraum ausreichend lang ermöglicht wird.

Bild 4: Brandschutztechnische Kapselung von brennbaren Leitungen in Flucht- und Rettungswegen.

Bild: IZEG

Bild 4: Brandschutztechnische Kapselung von brennbaren Leitungen
in Flucht- und Rettungswegen.
Bild 5: Freie Verlegung von nichtbrennbaren gusseisernen Abflussrohrsystemen in Flucht- und Rettungswegen.

Bild: IZEG

Bild 5: Freie Verlegung von nichtbrennbaren gusseisernen Abflussrohrsystemen in Flucht- und Rettungswegen.

Notwendige Flure

Notwendige Flure im Sinne der Musterbauordnung § 36 sind innerhalb der Nutzungseinheit nicht erforderlich.

Rauchwarnmelder

In Nutzungseinheiten nach § 2 Absatz 4 Nummer 9, Buchstabe a) der Musterbauordnung (einzeln für mehr als sechs Personen) oder b) (für Personen mit Intensivpflegebedarf) müssen alle Aufenthaltsräume und Flure miteinander vernetzte geeignete Rauchwarnmelder haben, die ständig betriebsbereit sind.

Feuerlöscher

Mindestens ein Feuerlöscher muss in jeder Nutzungseinheit nach § 2 Absatz 4 Nummer 9, Buchstabe a) der MBO (einzeln für mehr als sechs Personen) oder b) (für ­Personen mit Intensivpflegebedarf) vorhanden sein.

Leitungsanlagen in Rettungswegen

Bei der Verlegung von Leitungsanlagen innerhalb der Rettungswege von Gebäuden, die unter die Muster-Wohnformen-Richtlinie (MWR) fallen, gilt der Abschnitt 3 der Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR), Fassung 10. Februar 2015 (Redaktionsstand 5. April 2016).

Im Abschnitt 3 der MLAR sind die grundlegenden Voraussetzungen für sichere Flucht- und Rettungswege festgelegt. Hiernach dürfen brennbare Leitungen in Flucht- und Rettungswegen nicht frei verlegt werden. In der Regel ist dann eine brandschutztechnische Kapselung durch die Verlegung innerhalb von Unterdecken, Bodenkanälen oder Installationsschächten mit einer Feuerwiderstandsdauer von 30 Minuten (F 30) erforderlich (Bild 4). Nichtbrennbare Leitungen dürfen in Flucht- und Rettungswegen frei verlegt werden (Bild 5).

Bild 6: Rohrabschottung für waagerecht verlegte nichtbrennbare gusseiserne Abflussrohre mit ABP P-MPA-E-05-032.

Bild: Saint-Gobain Isover

Bild 6: Rohrabschottung für waagerecht verlegte nichtbrennbare gusseiserne Abflussrohre mit ABP P-MPA-E-05-032.
Bild 7: Waagerecht verlegte nichtbrennbare gusseiserne Abflussrohre PAM-Global S.

Bild: Saint-Gobain HES

Bild 7: Waagerecht verlegte nichtbrennbare gusseiserne Abflussrohre PAM-Global S.

Abschottungen von Leitungsdurchführungen

Für Leitungsanlagen in Gebäuden, die unter die Muster-Wohnformen-Richtlinie (MWR) fallen, gelten die Anforderungen der Leitungsanlagen-Richtlinien der Länder. Die Abschottungen von Leitungsanlagen müssen entsprechend der geforderten Feuerwiderstandsdauer der Bauteile – gemäß dem projektspezifischen Brandschutzkonzept – ausgeführt werden. Nach der Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR), Fassung 10. Februar 2015 (Redaktionsstand 5. April 2016), sind zum Beispiel Abschottungen von Abwasserleitungen entweder nach den entsprechenden Verwendbarkeitsnachweisen (Abschnitt 4.1) oder nach den Erleichterungen (Abschnitte 4.2 und 4.3) auszuführen (Bild 6 und 7).

Fazit

Oberstes Ziel der Muster-Wohnformen-Richtlinie (MWR) ist die rechtzeitige Branderkennung und Alarmierung sowie die daran anschließende geordnete Evakuierung der pflegebedürftigen bzw. behinderten Menschen, deren Selbstrettungsfähigkeit mitunter stark eingeschränkt ist. Bei Gebäuden, die unter die Richtlinie fallen, handelt es sich um Sonderbauten im Sinne des § 51 Absatz 1 der Musterbauordnung (MBO). Zur Sicherstellung der Schutzziele des Brandschutzes ist bei Sonderbauten grundsätzlich die Erstellung eines spezifischen Brandschutzkonzeptes erforderlich. Das Brandschutzkonzept ist die Basis für eine brandschutztechnisch einwandfreie Ausführung der Gebäude mit Wohnformen für Menschen mit Pflegebedürftigkeit oder mit Behinderung, einschließlich der Rettungswege und der Leitungsanlagen.

Damit die ohnehin hohen Brandlasten minimiert werden, sind grundsätzlich Leitungen aus nichtbrennbaren Werkstoffen der Brandklasse A empfehlenswert. Nichtbrennbare Leitungen führen zu keiner Brandlast oder Brandweiterleitung und dürfen in Flucht- und Rettungswegen frei verlegt werden.

Info

Hintergrund

Bei Gebäuden, die unter die Muster-Wohnformen-Richtlinie (MWR) fallen, handelt es sich um Sonderbauten im Sinne des § 51 Absatz 1 der Musterbauordnung (MBO). Zur Sicherstellung der Schutzziele des Brandschutzes ist bei Sonderbauten grundsätzlich die Erstellung eines spezifischen Brandschutzkonzeptes erforderlich.

LITERATUR

  • Muster-Richtlinie über bauaufsichtliche Anforderungen an Wohnformen für Menschen mit Pflegebedürftigkeit oder mit Behinderung (Muster-Wohnformen-Richtlinie – MWR), Fassung Mai 2012
  • Musterbauordnung (MBO), Fassung November 2002, zuletzt geändert durch Beschluss der Bauministerkonferenz vom 22. Februar 2019
  • Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Leitungsanlagen (MLAR), Fassung 10. Februar 2015 (Redaktionsstand 5. April 2016)
  • Kommentar zur Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR), 5. Auflage 2018
  • Dieser Artikel erschien zuerst in der Heftausgabe 17-2020 der SBZ unter dem Titel „Brandschutz in Pflegeeinrichtungen“ von Bernd Ishorst.

     

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