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Für die Energiewende und gegen den Klimawandel

Aus Sicht der SHK-Innung bedarf es einer strukturierten Aktion aller Klimahandwerke.

Andreas Koch-Martin, Geschäftsführer Innung SHK Berlin

Bild: Innung SHK Berlin

SBZ: Der Klimawandel schreitet langsam, aber stetig voran. Die Energiewende in der Gebäudetechnik kommt in Deutschland dennoch nicht hinterher. Wo liegen die größten Hemmnisse?

Andreas Koch-Martin: Die Gründe sind komplex und die neuerliche Hängepartie nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts trägt nicht gerade zur Aufbruchsstimmung bei. Vielmehr können wir aktuell insbesondere bei der Wärmepumpe einen gewissen Attentismus verzeichnen. Gleichermaßen ist der Sanierungsrückstau immens. Wir reden ja immerhin von 21 Millionen Wärmeerzeugern im Bestand, darunter befinden sich alleine 14 Millionen erdgasbetriebene Heizungen. Das SHK-Handwerk hat in den nächsten 15 Jahren zusätzlich rund 33 Millionen Bäder alters- und pflegegerecht umzubauen. Im Augenblick haben wir vor allem ein Angebotsproblem und kein Nachfrageproblem. Liefer- und Kapazitätsengpässe beeinträchtigen jede Prozesskette.

Und dann stehen gar nicht all die Fachkräfte bereit, die Millionen von Sanierungen und Neubauten stemmen können. Hier ist die Politik gefordert, die Attraktivität der dualen Ausbildung zu erhöhen und Klimahandwerke besonders zu fördern. Allerdings haben sich unsere Betriebe schon auf den Weg gemacht. Sie begreifen die klimapolitischen Vorgaben als Chance auch für ihre Geschäftsmodelle.

In der Berliner Innung laufen aktuell zwölf Wärmepumpenschulungen. Die Transformation weg von der rein fossilen Wärmeerzeugung hin zu technologieoffenen, erneuerbaren Systemen schaffen wir nur, wenn viele Stellschrauben in einandergreifen: von den „low hanging fruits“ niedrig-investiver Maßnahmen über gebäudeabhängige optimale technologische Lösungen hin zu politischen Rahmenbedingungen und Fachkräftequalifizierung. Energiewende ist kein Billy-Regal, das mal eben zusammengeschraubt wird.

SBZ: Dabei haben sich Bund und Länder doch einiges vorgenommen. Auch die SHK-Branche mischt mittlerweile munter mit. Warum hakt es dennoch?

Koch-Martin: Gebäudetechnische Systeme sind kompliziert. Es reicht nicht, einfach einen Schrauber-Crashkurs absolviert zu haben. Das braucht jetzt Zeit. Allein der Beratungsbedarf ist in den letzten Monaten immens gestiegen. Das SHK-Handwerk wird überfordert. Von der Politik erwarten wir dringend die Vereinfachung von Beratungs- und Planungsgrundlagen, außerdem schnellere Genehmigungsverfahren bei Antragstellungen, eine Optimierung von Förderprogrammen, verlässliche Langfristplanung, den Abbau von regulatorischen Genehmigungshürden. Und dann muss die Politik unsere Expertise nutzen. Die Debatten um die GEG-Novelle zeigen ja, wie entscheidend es ist, dass das Fachhandwerk mit an den Verhandlungstisch geholt wird. Das organisierte Handwerk trägt maßgeblich zu einer Sicht auf das Machbare bei.

SBZ: Die Energiewende erfordert auch einen intensiveren Gewerkedialog. Gerade mit Blick auf die gewerkeübergreifende Koordination sind noch viele Baustellen offen. In Berlin planen Sie jetzt die Errichtung einer „Klimawerkstatt“.

Koch-Martin: Wir sehen, wie verwoben die Klimatechnologien mittlerweile sind. Es sind komplexe Systeme, die eine enge Verzahnung der Gewerke erforderlich machen. Es bedarf Synergien, wir müssen ganze Auftragsarbeiten gemeinsam denken und voneinander lernen. Außerdem haben wir ein eklatantes Fachkräfteproblem. Berechnungen des Zentralverbandes SHK gehen von 60.000 fehlenden Monteuren nur in SHK aus. In den anderen Klimahandwerken ist es nicht besser. Aus Sicht der SHK-Innung bedarf es einer strukturierten Aktion aller Klimahandwerke. Einzelprojekte oder ein Nebeneinander von Plattformen und ständig neue Bündnisse für Ausbildung führen nicht zum Ziel. So entstand schon 2021 die Idee einer Klimawerkstatt: ein zentraler Bildungsort, der alle relevanten Handlungsfelder für die Berliner Energie- und Klimahandwerke bündelt und den notwendigen gewerkeübergreifenden Dialog aller an der Klimawende beteiligten Handwerke fördert.

SBZ: Was soll diese Institution künftig leisten?

Koch-Martin: Gedacht ist die Klimawerkstatt – die genau genommen Klimawerkstatt@Berlin heißt – als gewerkeübergreifender Lernort. Dort sollen junge Leute für Klimaberufe begeistert werden. Über sechs Etagen beabsichtigen wir, einen Showroom zu errichten, der klimarelevante Aspekte plastisch in Werkstätten und Laboren zeigt und somit die Motivation von Schülerinnen und Schülern für Nachhaltigkeitsthemen und Klimatechnologien fördert. Dort sind auch Lehrkräfte willkommen und andere interessierte Gruppen. Wir denken da ebenso an Angebote für Eltern, die ja maßgeblich die Berufswahlentscheidungen ihrer Kinder begleiten. Die Attraktivität der Handwerksberufe würde somit bei allen Zielgruppen und Alterskohorten verankert. Die Klimawerkstatt zeigt mit didaktischer Aufbereitung, welche technischen Lösungen es gibt und welche Berufsbilder das Klimahandwerk bietet.

Die Klimawerkstatt bietet jedoch auch Raum für den Dialog mit Politik, Industrie und Forschungsinstituten. Es ist außerdem ein Ort der Weiterbildung, der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung, der Meisterschulen. Die beteiligten Gewerke SHK, Elektro, Dachdecker, Schornsteinfeger und Kälte-Klimatechniker rücken zusammen, um gemeinsam neu zu denken, neue Ausbildungsinhalte zu implementieren und Schnittstellen zu schaffen. Der Kunde am Ende will ja auch Leistung aus einer Hand. Ohne einander geht es nicht mehr.

SBZ: Welche Themen sehen Sie als Hauptaufgabenfelder?

Koch-Martin: Wir haben vier Handlungsfelder identifiziert, die in dem Gebäude vereint werden: Nachwuchsgewinnung, Ausbildung, Weiterbildung und Innovationsförderung. Ziel ist die gebündelte, gewerkeübergreifende und praxis­orientierte Ansprache junger Menschen, die Vermittlung von Klimawissen zur Erhöhung von Ausbildungserfolgen, die berufsbegleitende Weiterbildung in Effizienztechnologien oder der Meisterausbildung und schließlich die Vorstellung von Produktinnovationen.

SBZ: Wie wollen Sie erreichen, dass das dann auch konkret so angegangen und umgesetzt wird?

Koch-Martin: Bei einem Fachworkshop von Masterplan Solarcity präsentierten die SHK- und ­Elektro‑Innungen 2021 ihre Vision eines gemeinsamen Bildungszentrums. Daraufhin beauftragte die Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe ein Konsortium der zwei Innungen und des gemeinnützigen Instituts „ideas into energy“ mit einer Machbarkeitsstudie, die auszuloten versuchte, welche Anforderungen an eine solche Klimawerkstatt zu stellen wären und welches Profil sie haben müsste. Diese Machbarkeitsstudie wurde 2022 veröffentlicht und es gab parteiübergreifend Zustimmung für unser Konzept. Inzwischen ist die Klimawerkstatt im Koalitionsvertrag des Berliner Senats verankert und wird mit einem namhaften Baukostenzuschuss öffentlich gefördert.

Aktuell befinden wir uns in den komplexen planerischen Vorphasen zur Gründung einer Betreibergesellschaft, wir loben europaweit einen Architektenwettbewerb aus und feilen weiter am Nutzungskonzept. Entstehen wird der nach aktuellen Planungen sechsgeschossige Bau mit eigenem Energiekonzept aus PV-Anlage, Kühlung, Wärme- und Stromerzeugung sowie Elektromobilität auf einem noch unbebauten Grundstück der Berliner Elektro-Innung in Oberschöneweide.

SBZ: Bei den vielen Gewerken muss ja dennoch eine handelnde Person den Hut aufhaben, das ist bei Kundenprojekten nicht anders als in der von Ihnen skizzierten Klimawerkstatt. Wer wird federführend das Haus leiten und die Richtung vorgeben? Das SHK-Handwerk, nehme ich an?

Koch-Martin: Gemeinsam mit der Elektro-Innung und „ideas into energy“ agieren wir als Dreierkonsortium, das sich die Arbeit aufteilt und gemeinsame Anstrengung auch zur Einwerbung von Drittmitteln unternimmt.

SBZ: Wie geht es jetzt weiter? Gibt es schon ein Datum zur Grundsteinlegung? Denn – mal ehrlich gesagt – Zeit ist doch ein entscheidender Faktor.

Koch-Martin: Die Klimawerkstatt@Berlin ist zwar kein Luftschloss, aber eine Glaskugel haben wir trotzdem nicht. Ganz im Ernst: Ein festes Team nutzt 2023 für entscheidende Vorplanungen, wozu auch das Finanzierungskonzept und die rechtliche Absicherung gehören. Das nächste Jahr wird im Zeichen der gestalterischen Entwürfe stehen. Die Bauphase wird 2025 beginnen. So etwas wie eine Einweihung oder feierliche Eröffnung gäbe es nach derzeitigem Meilensteinplan 2027.

SBZ: Zum Schluss interessiert mich noch, wie der Name Klimawerkstatt@Berlin entstanden ist. Der Zusatz Werkstatt weckt in mir ein Bild von einem Klima, das allenfalls noch repariert werden kann.

Koch-Martin: Das ist ein nettes Bild. Die Klimawerkstatt ist ein Lösungsbaustein für die Umsetzung der Energiewende. Bildlich verschrauben wir einzelne Ansätze unter einem Dach. Die Klimawerkstatt ist ein Laboratorium der Transformation. Das klingt sehr hochtrabend, aber faktisch ist es ein Lernort, an dem praktisch und haptisch Klimahandwerk erlebbar wird. Nüchtern nennen wir unsere Klimawerkstatt auch manchmal KW@B.

SBZ: Besten Dank für die Hintergründe und den Ausblick.

Klimawerkstatt@Berlin

Showroom / Thinktank des Klimahandwerks

  • Projektleitung: SHK-Innung Berlin, Elektro-Innung Berlin, ideas into energy
  • Ort: Grundstück der Elektro-Innung Berlin in Berlin-Oberschöneweide
  • Gesamtgeschossfläche: 2979,56 m²
  • Grundfläche: 519,27 m²
  • Meilensteine

  • 2022: Machbarkeitsstudie im Auftrag der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und ­Betriebe
  • 2023: Nutzungskonzept, Betreibergesellschaft, Ausschreibung Architektenwettbewerb
  • 2024: Vorplanungen, Auftragsvergabe an Siegerentwurf
  • 2025–2027: Baudurchführung
  • Bild: Innung SHK Berlin

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