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Was soll die Heizung im Internet?

Es liegt auf der Hand: In allen Branchen wird vernetzt, was das Zeug hält. Die Digitalisierung, wie das oft genannt wird, zählt zu den spannendsten Innovationen unserer Zeit. In dieser Serie zeigen wir, wie sich die Heizungstechnik in intelligent vernetzten Häusern einbringt, wie sie damit bei der Energiewende hilft und welche Chancen das auch fürs Geschäft bringt.

Das „Smarthome“ ist in aller Munde. Ein wichtiger Baustein der Gebäudetechnik ist die automatische Heizungssteuerung. Praktisch jede Smarthome-Lösung erlaubt es, die Wärmezufuhr mithilfe von Zeitplänen, Raumsensoren und anderen Automatiken zu optimieren. Wirklich smart sind aber nur die wenigsten dieser Systeme. In der Regel betrachten sie die Heizung als isolierte Aufgabe, öffnen und schließen Ventile oder schalten nach Zeitplänen und Raumtemperatur den Heizkessel ein und aus. Die Anforderungen der Energiewende nach einem flexibleren Einsatz der Energie erfullen solche Systeme höchstens im Ansatz.

Vernetzung für mehr Komfort und besseren Service

Für eine umfassende Vernetzung der Heizung ist es zunächst notwendig, dass nicht nur die Wärmeübergabe in der Fußbodenheizung oder am Heizkörper steuerbar ist, sondern die Heizung als Ganzes. Praktisch alle modernen Anlagen lassen sich mit wenig Aufwand in ein digitales Heimnetzwerk einbinden. Entsprechende Gateways gibt es von praktisch allen Herstellern – oder von Fremdanbietern aus dem Smarthome-Bereich.

Auch ältere Thermen und Kessel lassen sich so mit überschaubarem Aufwand nachrüsten – in der Regel genügt der Austausch des zentralen Steuergerätes gegen ein vernetzbares Modell. Die Verbindung zum Netzwerk ist kein Hexenwerk und kann von PC-affinen Heizungstechnikern nach einer kleinen Einweisung selbst erledigt werden. Einige Hersteller haben auch geschulte Techniker, die solche Heizungs-Gateways in das Heimnetzwerk der Kunden integrieren und so den Fachbetrieb entlasten.

Die Netzwerk-Connection bringt auch dem Servicetechniker Vorteile, etwa durch Diagnoseabfragen per Fernzugriff über das Internet. Eine Mitteilung, wenn eine Wartung der Heizungsanlage ansteht oder eine Störung vorliegt, nutzt allen Beteiligten – vor allem aber dem Kunden, der schnell Hilfe bekommt und vom sicheren Betrieb seiner Heizung profitiert.

Die vernetzte Heizung dient der Energiewende

Vor allem aber kann eine vernetzte Heizung wichtige Anforderungen der Energiewende erfüllen. Es ist heute schon klar, dass der Wandel zu einem immer höheren Anteil regenerativer Energiequellen auch Veränderungen für den Verbraucher bringt. Strom aus Sonne und Wind ist eben nicht immer in gleicher Menge verfügbar. Neben der Speicherung von Energieüberschüssen wird deshalb auch die Verteilung und Steuerung des Verbrauchs immer wichtiger.

In sogenannten Prosumer-Haushalten, also Häusern, die Energie über Photovoltaik produzieren und zugleich auch Energie-Consumer sind, dreht sich das Energiemanagement heute schon darum, möglichst viel selbst erzeugte Energie im Haus zu nutzen oder zu speichern. Dafür muss der PV-Wechselrichter mit der Hausbatterie, der Wärmepumpe und etwa der E-Auto-Ladestation klären, wann welcher Verbraucher überschüssige Energie nutzen oder diese in Form von Wärme oder Strom speichern kann. Dafür müssen die verschiedenen Geräte miteinander kommunizieren – in der Regel über das heimische Datennetzwerk.

Ein Baustein: Sektorenkopplung

Bei der Vernetzung der verschiedenen Technikbereiche wie Heizung, Hausgeräte, Photovoltaik, E-Autos und Smart Grid sprechen Energieexperten von der „Sektorenkopplung“: Unterschiedliche Branchen und deren Produkte stimmen ihr Energieangebot und ihren Bedarf miteinander ab und arbeiten gemeinsam effizienter. Der Heizung kommt dabei eine besonders wichtige Rolle zu. Immerhin beansprucht sie mit durchschnittlich über 60 % den größten Teil des gesamten Energiebedarfs. Und sie lässt sich mit überschaubarem Aufwand flexibel nutzen, etwa über einen großen Wärmespeicher, der sich zusätzlich zur Gastherme auch über einen elektrischen Heizstab mit kostenlosem Sonnenstrom erwärmen lässt.

Doch die Heizung trägt auch entscheidend zum Komfort und Wohlergehen bei: Die Waschmaschine oder das E-Auto können im Notfall auch mal warten. Ist die Raumtemperatur aber dauerhaft zu tief, dann geht es den Bewohnern an die Gesundheit.

Eine übergreifende Vernetzung

Das übergreifende Energiemanagement im Haus ist kein Selbstläufer. Es gibt bereits heute unzählige Smarthome-Steuerungsprotokolle, die nebeneinander existieren und kaum zusammenarbeiten. Viele Heizungshersteller bieten zwar Schnittstellen zu besonders verbreiteten Smarthome-Systemen wie dem KNX-Busstandard sowie dem einen oder anderen Funksystem an. Doch längst ist nicht sicher, dass dann etwa die Photovoltaikanlage und weitere Hausgeräte ebenfalls mit diesem System zusammenarbeiten. Da die verschiedenen Technikbereiche im Haus von unterschiedlichen Unternehmen geplant und installiert werden, ist die Koordination der Systeme die größte Herausforderung für ein erfolgreiches Energiemanagement.

Die Heizungsbranche hat in den letzten Jahren erkannt, dass Thermen, Kessel, Wärmepumpen und alle anderen Wärmeerzeuger sich in das Energienetzwerk im Haus einbinden müssen. Und dass dafür eine standardisierte und offene Schnittstelle notwendig ist – eine gemeinsame Sprache für Energie, die alle Sektoren miteinander verbindet und zwischen ihnen übersetzt.

Gemeinsam mit dem Branchenverband BDH hat sich die Heizungsbranche deshalb 2016 der EEBUS-Initiative angeschlossen. Im Rahmen dieses Vereins haben die Mitgliedsfirmen aus der Heizungsbranche gemeinsam mit Photovoltaikherstellern, Smarthome-Entwicklern und Spezialisten für die E-Auto-Ladetechnik die Kommunikationsprotokolle entwickelt, in denen sich all diese Geräte und Anlagen im Haus über den Einsatz der Energie abstimmen.

Die Heizung vernetzt sich mit EEBUS per Plug-and-play

Die globale Sprache für Energie im Bereich Heizung, Klima und Lüftungstechnik (HVAC) wurde 2017 verabschiedet und schon zur ISH 2017 in ersten Produkten angekündigt. Der EEBUS-Standard mit allen Spezifikationen der Software-Schnittstelle ist über den Verein hinaus auch für Nichtmitglieder frei verfügbar.

Mittlerweile unterstützen immer mehr vernetzte Heizungsanlagen auf dem Markt die standardisierte EEBUS-Kommunikation – in vielen Fällen auch als Nachrüstlösung. Den Anfang machte beispielsweise Vaillant mit dem Steuergerät multiMatic 700 für Thermen und Wärmepumpen sowie dem Netzwerk-Gateway VR920, das eine direkte Verbindung mit EEBUS-fähigen Energiemanagern ermöglicht.

Entgegen häufigen Missverständnissen benötigt die EEBUS-Kommunikation dafür keine spezielle Busleitung oder eine andere spezielle Verbindungstechnik. Die EEBUS-Kommunikation erfolgt über das verbreitete IP-Netzwerk (Ethernetkabel oder WLAN). Ein DSL- und WLAN-Router genügt also, um das Energienetzwerk im Haus aufzubauen. Die Geräte kommunizieren auf dieser Ebene ohne weitere Programmierung miteinander – per „Plug-and-play“.

Vom Smarthome zum Smart Grid

Was heute vor allem in Häusern mit Photovoltaikanlagen gilt, entwickelt sich rasant für alle Nutzer weiter. Auch die Energieversorgung über das öffentliche Netz befindet sich durch die Energiewende im Wandel. Zum einen wird mit der schrittweisen Ablösung fossiler Brennstoffe die elektrische Energie eine immer größere Rolle spielen. Hier ist oft von der „All Electric Society“ die Rede. Das bedeutet nicht unbedingt, dass alle Geräte und Anlagen künftig nur noch elektrisch angetrieben werden. Doch die Verfügbarkeit von Strom wird mehr und mehr festlegen, wann die Energie aus allen Trägern günstiger oder teurer zu haben ist. Strom wird mittags bei windigem Wetter künftig viel billiger zur Verfügung stehen als bei Dunkelflaute an einem Winternachmittag. Dann müssen neben den knappen regenerativen Energieträgern beispielsweise Gaskraftwerke im großen Stil für die Stabilisierung der Stromnetze sorgen. Das kann auch die Gaspreise beeinflussen.

Auch wenn die Szenarien der Energiewende noch nicht im Detail klar sind, kann man eines festhalten: Die Tage der Energieversorgung zu immer gleichen Tarifen und Konditionen sind gezählt. Stattdessen beeinflusst die Verfügbarkeit mehr und mehr den Preis. Die gute Nachricht: Eine intelligente Heizung, die mit der übrigen Haustechnik, mit dem Internet und künftig mit dem Smart Grid verbunden ist, kann auf variable Preissignale reagieren und dann ihren Wärmespeicher füllen, wenn Energie möglichst günstig ist. Die smarte Steuerung des Heizverlaufs, je nach Wetterbedingungen und Heizwärmebedarf, ist ein weiterer Aspekt, über den vernetzte Heizungen gegenüber klassischen Anlagen eine Menge Energie einsparen können.

Heizungsanlagen heute fit für die Energiewende machen

In den nächsten Jahren folgt Schritt für Schritt die Installation vernetzter Stromzähler und in diesem Zuge auch die Einführung flexibler Tarife. Deshalb gilt es heute, bei der Installation einer Heizungsanlage die Weichen dafür zu stellen und sie mit einer vernetzten Steuerung auszustatten. Es ist auch ratsam, zu einer Gasheizung die Ergänzung durch einen elektrischen Heizstab im Warmwasserspeicher zumindest vorzusehen. Denn in Zukunft werden nur die Anlagen sparsam sein, die ihren Energieverbrauch flexibel regeln und dafür auch mit anderen Geräten im Haus und dem Smart Grid sprechen können – am besten über einen EEBUS-kompatiblen Energiemanager.

KURZINTERVIEW

„Von der übergreifenden Vernetzung profitieren“

SBZ: Wie wichtig sind Begriffe wie Energiemanagement, Smarthome, Smart Grid heute schon, wenn man eine Wärmepumpe oder eine andere Heizungsanlage plant?

Stefan Pachner: Diese Themen sind absolut aktuell. Wer heute eine neue, effiziente Heizungstherme oder Wärmepumpe plant, der sollte auf jeden Fall deren Vernetzung vorsehen und einen flexiblen Energiepuffer mit einplanen – auch ohne eigene Photovoltaikanlage. Sobald in den nächsten Jahren Smart Meter und flexible Energietarife kommen, spart derjenige am meisten, der in Zeiten von Stromüberschüssen aus regenerativen Energiequellen seinen Wärmespeicher kostengünstig auffüllt. Vor allem für die Heizung als größten Energieverbraucher im Haus ist es besonders wichtig, dass sie im Rahmen des Energiemanagements etwa mit Photovoltaik und dem Smart Grid kommuniziert.

SBZ: Welche Rolle spielt der EEBUS-Standard für Vaillant?

Pachner: Der EEBUS-Standard hat für die Vaillant Group einen hohen Stellenwert, da er im Bereich Energieeffizienz kundenorientierte Lösungen anbietet, die hersteller-, gewerke- und sektorenübergreifend einsetzbar sind. Da sich dadurch Entwicklungsaufwände und -risiken reduzieren, können wir hier schneller neue Lösungen anbieten.

SBZ: Wo steht diese standardisierte Vernetzung heute?

Pachner: Der EEBUS-Standard hat sich etabliert, da er auf unterschiedlichen Ebenen in die internationale Standardisierung und Normung eingeflossen ist und weltweit als Lösung für das Energiemanagement eingesetzt wird. Es gibt bereits Produkte, etwa im Bereich der Weißen Ware, Photovoltaik und Heizung, die den Eigenverbrauch des erzeugten Solarstromes optimieren und so Stromkosten reduzieren. Vaillant hat erst kürzlich den EEBUS-kompatiblen Heizungsregler multiMatic 700 mit dem Internetgateway VR920 auf den Markt gebracht. Er integriert neue wie auch bestehende Heizungsanlagen und Wärmepumpen ins heimische Energienetzwerk.

SBZ: Was hat der Heizungsbauer davon?

Pachner: Unsere Fachpartner partizipieren an der hersteller- und gewerkeübergreifenden Vernetzung, da hier der Anwendungsfall des Kunden im Mittelpunkt steht und nicht die Abgrenzung spezifischer Lösungen einzelner Unternehmen. Die standardisierte Schnittstelle senkt die Komplexität der Vernetzung: Die Heizung stellt eine passende Schnittstelle bereit, mit der sich ein Energiemanager und die übrige Haustechnik per Plug-and-play verbinden. So müssen sich Heizungsfachbetriebe keine großen Gedanken um fachfremde Themen machen und können dennoch zukunftssichere Systeme anbieten.

Info

Das kann die vernetzte Heizung

1. Fernbedienung: Man kann aus dem Urlaub die Heizung hochstellen, bevor es nach Hause geht.

2. GPS-Automatik: Über die Positionsdaten im Smartphone weiß die Heizungs-App, ob die Bewohner unterwegs, zu Hause oder auf dem Weg dorthin sind. Je weiter weg sie sich aufhalten, desto tiefer senkt die Therme die Temperatur ab.

3. Zeitplan: Die Heizung lässt sich pro Raum und Uhrzeit programmieren. Das Bad etwa wird morgens besonders warm, das Wohnzimmer erst im Lauf des Tages. Das bringt Komfort und hilft Heizkosten sparen.

4. Heizbedarfs-Vorhersage: Dank Online-Wetterdaten weiß die Heizung schon heute, wie viel Energie sie morgen benötigt, und kann den Heizverlauf optimal dafür einstellen, ohne Energie zu verschwenden.

5. Wartung: Wenn Kunden es erlauben, kann der Servicebetrieb übers Internet auf Diagnose- und Wartungsdaten zugreifen und bei Störungen aus der Ferne sehen, was kaputt ist. Das spart Zeit und Kosten – zum Beispiel doppelte Anfahrten.

6. Smarthome: Ist die Heizung mit der zentralen Gebäudesteuerung vernetzt, dann lassen sich dort programmierte Szenarien und Messwerte für die Beheizung mitnutzen, etwa An- und Abwesenheit oder bestimmte Situationen.

7. Energiemanager: Über einen Energiemanager erfährt die Heizung, wann überschüssige oder besonders günstige Energie zur Verfügung steht – und kann dann besonders günstig den Warmwasserspeicher aufheizen.

8. Überlastschutz: Ist die (elektrische) Heizung mit anderen großen Stromverbrauchern im Haus vernetzt, können sich diese abstimmen, wer gerade Strom benötigt. So lassen sich Überlastungen vermeiden – etwa beim gleichzeitigen Heizen und Schnellladen des E-Autos.

Autor

Reinhard Otter ist Fachjournalist aus Stuttgart. Er ist Spezialist für Themen rund um Smarthome und das „Internet of Things“. otter@r-ot.de www.r-ot.de