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TRINKWASSERHYGIENE

Aktualisierte VDI 6023: Hygienische Aspekte im Fokus

Der Artikel kompakt zusammengefasst

  • Die Richtlinienreihe VDI 6023 gilt als a. a. R. d. T. und ergänzt speziell die hygienischen Anforderungen an Trinkwasser-Installationen, die in anderen Regelwerken zu kurz kommen oder fehlen.
  • Bereits im ersten Kapitel ­(Anwendungsbereich) der neuen VDI 6023‑1 wird klargestellt, dass die grundlegenden hygienischen Anforderungen auch bei Ein- und Zweifamilienhäusern gelten.
  • Bei den Betriebstemperaturen gelten weiterhin maximal 25 °C für Trinkwasser kalt und 60/55 °C für Trinkwasser warm. Der Fokus liegt auf Hygienerisiken durch Wärmeübergänge auf Kaltwasser.
  • Ein fehlender Wasseraustausch über mehr als 72 Stunden gilt als Betriebsunterbrechung. Diese ist entweder zu vermeiden oder ggf. durch technische und/oder organisatorische Maßnahmen zu kompensieren.
  • Die Hygiene-Erstinspektion der Installation sollte vor der Befüllung und Verdeckung der Leitungen erfolgen, damit der Anlagenerrichter noch angemessen auf festgestellte Mängel reagieren kann.
  • Der Installateur schuldet dem Bauherrn eine Trinkwasser-Installation, die bestimmungsgemäß betrieben werden kann und die das Wasser nicht derart nachteilig verändert, dass es nicht mehr den Anforderungen der TrinkwV entspricht.
  • Damit Fachleute überhaupt mangelfrei arbeiten können, müssen sie die a. a. R. d. T. als das grundlegende Niveau für ihre Arbeit nicht nur kennen, sondern sich auch ständig aktiv fortbilden.
  • Die in VDI‑MT 6023‑4 ­beschriebene Schulung zur Trinkwasserhygiene vermittelt als einzige alle relevanten Inhalte und sollte möglichst viele Anwender erreichen, die für sauberes Wasser in ihrer jeweiligen Rolle verantwortlich sind.
  • Die Richtlinienreihe VDI 6023 ist weiterhin das maßgebliche Regelwerk für hygienerelevante ­Aspekte bei Planung, Bau und Betrieb von Trinkwasser-Installationen.
  • Das technische Regelwerk über die Planung, Errichtung und den Betrieb von Trinkwasser-Installationen ist sehr komplex. Die Richtlinienreihe VDI 6023 „Hygiene in Trinkwasser-Installationen“ gilt hier als allgemein anerkannte Regel der Technik (a. a. R. d. T.) neben den Funktionalnormen der Reihe DIN EN 806 „Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen“ mit der ergänzenden Reihe DIN 1988, ebenso wie die Arbeitsblätter des DVGW, die sich vorwiegend auf spezielle Themen wie Legionellen, Desinfektion oder Korrosion in Trinkwasser-Installationen fokussieren.

    DIN-Normen geben damit wichtige Anforderungen an die Planung und die Konstruktion von Trinkwasser-Installationen vor. Die Reihe VDI 6023 ergänzt speziell die hygienischen Anforderungen, die in anderen Regelwerken zu kurz kommen oder fehlen. In den maßgebenden technischen Regeln (z. B. DIN-Normen u. Ä.) ist das Thema „Hygiene in der Trinkwasserversorgung“ zwar als bedeutsam erwähnt, aber es werden nur wenig konkrete Anforderungen, Maßnahmen oder Orientierungshilfen angegeben. Genau dieses Defizit auszufüllen, ist Aufgabe der VDI‑Richtlinienreihe 6023. Dies wird auch nochmals deutlich durch den Verweis auf die Richtlinie in der DIN 1988‑200 unter Pkt. 3.1.1: „Für die Einhaltung der Hygiene in Trinkwasser-Installationen siehe VDI 6023 Blatt 1“.

    Trinkwasserhygiene

    In der Einleitung der VDI 6023‑1 heißt es: „Hygiene im Sinne dieser Richtlinie ist die Gesamtheit aller Bestrebungen und Maßnahmen zur Verhütung von mittelbaren oder unmittelbaren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Störungen des Wohlbefindens (Unbehagen) beim einzelnen Nutzer. Ziel ist es, die einwandfreie Trinkwasserbeschaffenheit in der Trinkwasser-Installation zu bewahren.“

    Nur die Reihe VDI 6023 umfasst den gesamten Bereich der Hygiene in allen Prozessschritten und über den gesamten Lebenszyklus einer Trinkwasser-Installation. Die aktuellen Anforderungen nach VDI 6023 bilden damit den hygienischen Kern der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“.

    Langjährig etabliert

    Die Historie der VDI 6023 begann im März 1997 mit einem erfolgreichen Projektantrag an das damalige Bundesgesundheitsamt (heute Umweltbundesamt) und schon im Jahr 1998 erschien dann der erste Entwurf. Damit existiert die Richtlinie bereits seit 25 Jahren und in dieser Zeit haben ca. 40.000 VDI‑Partnerschulungen stattgefunden.

    Die Richtlinienreihe VDI 6023 bildet im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung – gemeinsam mit der „Schwester“-Richtlinienreihe aus dem Bereich Facility Management VDI 3810 „Betreiben und Instandhalten von gebäudetechnischen Anlagen“ – heute ein in sich geschlossenes Regelwerk, das alle Aspekte im Lebenszyklus einer Trinkwasser-Installation aus hygienischen Gesichtspunkten betrachtet.

    Neue VDI 6023-1 Planung

    Die VDI 6023 wurde turnusmäßig aktualisiert und erschien im September 2022 in der dritten überarbeiteten Fassung, weil es in den vergangenen Jahren eine Vielzahl neuer Erkenntnisse zum Erhalt der Trinkwassergüte gab. Da die Aspekte und Anforderungen immer vielfältiger wurden, wurde das Regelwerk im Zuge der mehrjährigen Überarbeitung in vier Bereiche aufgeteilt:

  • Blatt 1 – Planung und Errichtung
  • Blatt 2 – Gefährdungsanalyse
  • Blatt 3 – Betrieb und Instandhaltung
  • Blatt 4 – Qualifizierung.
  • Die Richtlinie gilt für alle Trinkwasser-Installationen, auch in bestehenden Gebäuden (z. B. bei Nutzungsänderungen, Rückbau oder Erweiterung).

    Eine wichtige Voraussetzung für die Einhaltung der Hygieneanforderungen ist hierbei ein einwandfreier, sauberer Anlieferungszustand des Trinkwassers und insbesondere der trinkwasserberührten Komponenten der Trinkwasser-Installation. Die Verantwortung für eine lückenlose Qualitätskette liegt daher gleichermaßen beim Versorgungsunternehmen sowie bei den Komponentenherstellern, der Lieferkette, dem Handel, Anlagenerrichter, späteren Betreiber und den Nutzern.

    Bereits im Anwendungsbereich wird klargestellt, dass die grundlegenden hygienischen Anforderungen (Vermeidung von Stagnation, notwendige Betriebstemperaturen usw.) auch bei Ein- und Zweifamilienhäusern gelten. Hier können zwar nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Erleichterungen (insbesondere vereinfachtes Raum-, Anlagen- und Betriebsbuch, vereinfachter Instandhaltungsplan) vorgenommen werden, jedoch wird hierdurch nochmals die Notwendigkeit betont, auch bei Ein- und Zweifamilienhäusern die wesentlichen Informationen zumindest in vereinfachter Form vorliegen zu haben.

    Veranschaulichung der Verbindungen der wesentlichen technischen Regelwerke untereinander. Die Reihe VDI 6023 bildet hierbei den zentralen hygienischen Kern der Regelwerke.

    Bild: Arnd Bürschgens

    Veranschaulichung der Verbindungen der wesentlichen technischen Regelwerke untereinander. Die Reihe VDI 6023 bildet hierbei den zentralen hygienischen Kern der Regelwerke.

    Temperaturen im Fokus

    Zu den hygienisch relevanten Parametern einer Trinkwasser-Installation gehören die Betriebstemperaturen. Hier gelten nach der neuen VDI 6023 für Trinkwasser kalt auch weiterhin maximal 25 °C und für Trinkwasser warm die bekannten 60/55 °C als Planungsziel durch Verweis auf das DVGW‑Arbeitsblatt W 551.

    Einen besonderen Fokus legt die neue VDI 6023‑1 auf Risiken für die Hygiene durch Wärmeübergänge auf Kaltwasser. Trinkwasser-Installationen müssen so geplant und gebaut werden, dass sie von Wärmequellen thermisch entkoppelt sind. Wärmeübergänge auf das Kaltwasser sind durch die Rohrleitungsführung zu minimieren.

    Hausanschluss- und Hauptverteilleitungen für Trinkwasser kalt sowie Anlagen zur Wasserbehandlung dürfen nur in Räumen installiert werden, in denen eine Raumtemperatur von 25 °C nicht überschritten wird. Auch die Möglichkeit, dass die Temperatur des Trinkwassers bereits am Hauswassereingang mehr als 20 °C beträgt, ist im Vorfeld zu prüfen und ggf. planerisch zu bewerten und zu berücksichtigen, da eine regelwerkskonforme Temperaturhaltung im Trinkwasser kalt im Gebäude sonst wesentlich erschwert wäre. Für solche Fälle sollten objektbezogen andere Lösungen gefunden werden, um das Risiko der Vermehrung von Mikroorganismen zu mindern (z. B. erhöhter Wasseraustausch).

    Grafische Darstellung der Anwendungsbereiche der jeweiligen Richtlinien über den Lebenszyklus eines Gebäudes.

    Bild: Arnd Bürschgens, in Anlehnung an VDI 6023-1, Bild 1

    Grafische Darstellung der Anwendungsbereiche der jeweiligen Richtlinien über den Lebenszyklus eines Gebäudes.

    Wasserinhalt minimieren

    Die Trinkwasser-Installation ist nach der neuen Richtlinie so klein wie möglich und nur so groß wie nötig zu dimensionieren. Überdimensionierungen sind sowohl bei Trinkwasserleitungen als auch bei Trinkwasserspeichern und Apparaten zu vermeiden. Das betrifft nicht nur eine bedarfsgerechte Installation des Leitungssystems, da bekanntlich nicht jede Installation zwanghaft bis zur Entnahmestelle durchgeschleift werden sollte. Auch die Dimensionierung von Trinkwasserspeichern und anderen Apparaten ist auf das notwendige Volumen zu reduzieren. Speicher dürfen z. B. nicht als Energiespeicher für Nichttrinkwasserzwecke zweckentfremdet werden und sind regelmäßig durchzuladen. Ionenaustauschanlagen sollten generell nach 72 Stunden vollständig automatisch regenerieren.

    Insgesamt sollte eine Trinkwasser-Installation also so wenig Wasser wie möglich beinhalten, um einen regelmäßigen Wasseraustausch durch Nutzung zu unterstützen.

    Bestimmungsgemäßer Betrieb

    Bei Außerachtlassen der notwendigen technischen und hygienerelevanten Anforderungen, bei nicht bestimmungsgemäßem Betrieb und bei Vernachlässigung der erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen der Trinkwasser-Installation sind Risiken für die Gesundheit der Nutzer nicht auszuschließen. Daher umfasst die neue VDI 6023‑1 die notwendigen planerischen Aspekte, um einen bestimmungsgemäßen Betrieb während der Nutzung zu ermöglichen.

    Hygiene hat grundsätzlich Vorrang vor einer möglichen Energieeinsparung. Die notwendigen Temperaturen nach DVGW W 551 (A) werden mit der neuen VDI 6023 bestätigt.

    Bild: Arnd Bürschgens

    Hygiene hat grundsätzlich Vorrang vor einer möglichen Energieeinsparung. Die notwendigen Temperaturen nach DVGW W 551 (A) werden mit der neuen VDI 6023 bestätigt.

    Konkrete Anforderungen an Betrieb und Instandhaltung von Trinkwasser-Installationen finden sich in der bereits seit 2020 gültigen „Doppelrichtlinie“ VDI 3810‑2/VDI 6023‑3.

    „Bestimmungsgemäßer Betrieb“ meint in der neuen VDI 6023‑1 jedoch zunächst ganzheitlich betrachtet den Betrieb der Trinkwasser-Installation mit vollständigem Wasseraustausch über alle Entnahmestellen mit regelmäßiger Inspektion und den erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen, um den betriebssicheren Zustand unter Einhaltung der zur Planung und Errichtung zugrunde gelegten Betriebsbedingungen (Nutzungshäufigkeiten, Entnahmemengen, Gleichzeitigkeiten) jederzeit zu gewährleisten. Dies kann auch eine „simulierte Entnahme“ (manuelles oder automatisiertes Spülen) beinhalten.

    Grundlage für die Planung von Trinkwasser-Installationen ist jedoch das mit dem Bauherrn abgestimmte Raumbuch (vereinbarte Beschaffenheit) einschließlich Nutzungsbeschreibung und vollständigem Konzept der Trinkwasser-Installation. Auch vorhersehbare Betriebsunterbrechungen (z. B. Ferien-/Urlaubszeiten) sind planerisch zu berücksichtigen. Hierbei muss eine Nutzung zugrunde gelegt werden, bei der sichergestellt ist, dass an jeder Stelle der Trinkwasser-Installation ein vollständiger Wasseraustausch durch Entnahme innerhalb von maximal 72 Stunden stattfindet.

    Es ist zu berücksichtigen, dass ein fehlender Wasseraustausch über mehr als 72 Stunden als Betriebsunterbrechung gilt, die entweder grundsätzlich zu vermeiden oder ggf. durch technische und/oder organisatorische Maßnahmen zu kompensieren ist. Bei besonderen Anforderungen (z. B. bei Lebensmittelbetrieben, Krankenhäusern, Seniorenpflegeheimen oder wenn eine verstärkte Erwärmung des Kaltwassers bereits offenkundig ist) können auch kürzere Intervalle erforderlich sein.

    Stagnation

    Nicht durchströmte Leitungen und Apparate, in denen sich stagnierendes Wasser befindet, sind bekanntlich nicht zulässig. Die VDI 6023 fasst das sehr gekonnt zusammen mit der Klarstellung: „Es dürfen nur Leitungen und Apparate für die Trinkwasser-Installation verwendet werden, die zwangsweise durchströmt werden. Unzulässig sind nicht nur Bypassleitungen, bei denen keine Durchströmung nach spätestens 72 Stunden sichergestellt ist, und Totleitungen mit verschlossenen Enden, sondern auch ungenutzte Entnahmestellen.“

    Löschwasserleitungen (nass), die unmittelbar an die Trinkwasser-Installation angeschlossen sind, können ebenfalls nicht dauerhaft hygienisch sicher betrieben werden, daher gibt es für sie keinen Bestandsschutz (vgl. § 4 TrinkwV). Die Sicherungseinrichtungen sind nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik umzurüsten (z. B. freier Auslauf AB), um nachteilige Veränderungen der Trinkwasserbeschaffenheit aus dauerhaft stagnierenden Löschwasseranlagen generell auszuschließen.

    Hygiene-Erstinspektion vor der Befüllung

    In der neuen VDI 6023‑1 findet sich unter Punkt 5 die Anforderung zur Hygiene-Erstinspektion. Hier heißt es gezielt, dass die Einhaltung der in der Richtlinie aufgelisteten hygienischen/technischen Anforderungen an Trinkwasser-Installationen bereits vor der Befüllung der Trinkwasser-Installation vor Ort geprüft werden muss. Eine Voraussetzung zur Befüllung einer Trinkwasser-In-stallation ist auch gemäß VDI 3810‑2/VDI 6023‑3 die Hygiene-Erstinspektion nach VDI 6023‑1. Sie ist vom Auftraggeber zur Überprüfung des hygienisch einwandfreien Zustands der Trinkwasser-Installation zu beauftragen.

    Wer einen Fehler macht, muss natürlich für dessen Beseitigung sorgen. Spätere Qualitätsveränderungen des Trinkwassers können ihre Ursache beispielsweise in einer unzureichenden Planung, einer ungeeigneten Materialauswahl, falsch ausgewählten bzw. fehlenden Sicherungseinrichtungen oder einer mangelhaften Arbeitshygiene im Umgang mit Werkzeugen, Bauteilen und Materialien haben.

    Regelmäßig vor Gericht diskutiert wird jedoch die Frage, wer für den (durch rechtzeitige Inspektion vermeidbaren) Mehraufwand für das Öffnen und Schließen von Wänden, Decken und Böden oder für den Zeitverzug zur Schadensbehebung im Bauablauf einzustehen hat.

    Dem Auftraggeber obliegt eine Schadensminderungspflicht, d. h., er kann eine nicht erkennbar mangelhafte oder fehlerhafte Ausführung der Arbeiten zulassen, um einen Mangel erst im Rahmen der Abnahme zu rügen. Um eine solche Situation und ggf. einen vermeidbaren Mehraufwand durch Folgeschäden bei der Schadensbeseitigung zu verhindern, sollte die Überprüfung der Installation zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem der Anlagenerrichter noch angemessen reagieren kann, also vor Befüllung und Verdeckung der Leitungen.

    Im Rahmen der Hygiene-Erstinspektion festgestellte Mängel müssen vor dem Befüllen der Trinkwasser-Installation behoben werden. Die vorhandenen Unterlagen sind entsprechend zu aktualisieren und Druckprüfungen sind nach baulichen Änderungen ggf. zu wiederholen.

    Als Hilfestellung für Sachverständige, Installateure, Planer und Auftraggeber hat der Deutsche Verein der qualifizierten Sachverständigen für Trinkwasserhygiene e. V (DVQST) in seiner Fachlichen Stellungnahme FS‑401 „Anforderungen an Gutachten zur Hygiene-Erstinspektion von Trinkwasser-Installationen“ in Ergänzung zur VDI 6023‑1 den grundlegenden Ablauf, die Form und die Inhalte einer Hygiene-Erstinspektion ausführlich aufbereitet, um Streitigkeiten oder Folgeschäden zu vermeiden. Die DVQST FS‑401 bietet im Anhang darüber hinaus umfangreiche und detaillierte Checklisten als Hilfsmittel, die ggf. ausgefüllt als Anlage zum Gutachten zur Hygiene-Erstinspektion dem Auftraggeber übergeben werden können (www.dvqst.de).

    Einen Fokus legt die neue VDI 6023-1 auch auf Maßnahmen zur Vermeidung einer unzulässigen Erwärmung des Kaltwassers.

    Bild: Arnd Bürschgens

    Einen Fokus legt die neue VDI 6023-1 auch auf Maßnahmen zur Vermeidung einer unzulässigen Erwärmung des Kaltwassers.

    MT und EE

    Seit einigen Jahren gibt der Verein Deutscher Ingenieure e. V. (VDI) auch Richtlinien mit Nummern wie VDI‑MT 3810‑1 oder, mit direktem Bezug zum DVQST, die VDI/DVQST‑EE 3810 Blatt 2.1 heraus.

    Das „MT“ steht hier für „Mensch & Technik“, da es Regelungen gibt, z. B. die Schulungsrichtlinie VDI‑MT 6023‑4, die zwar nicht vorrangig technische Aspekte beinhalten, aber dennoch in engem, notwendigem Zusammenhang mit der Technik stehen. VDI‑MT 3810‑1 beispielsweise beschreibt die Grundlagen des Betreibens und Instandhaltens von Gebäuden und gebäudetechnischen Anlagen. Sie beschäftigt sich in großen Teilen mit der Frage „Was muss ich als Eigentümer/Betreiber eines Gebäudes oder einer Anlage tun, um Menschen mit der gebührenden Sorgfalt vor den von meinem Objekt ausgehenden Gefahren geschützt zu haben?“ Hier geht es kaum um konkrete technische Inhalte, sondern vorrangig um organisatorische und juristische Dinge. Der Zusammenhang zur Technik ist jedoch klar: Die Technik ist die Quelle der Gefährdung.

    Informationen, die kurz nach dem Erscheinen einer Norm zur Verfügung stehen, werden meist gesammelt und erst bei der nächsten Überarbeitung wieder hervorgeholt. Wenn die „neue“ Information dann irgendwann den Anwendern zur Verfügung steht, sind bereits sieben bis acht Jahre vergangen. Das Format der „Expertenempfehlung“ (EE) ermöglicht es, schnell fundiertes Expertenwissen in den Markt zu bekommen, ohne erst den Bearbeitungszyklus (fünf Jahre) abwarten zu müssen. Die EE werden nach etwas gelockerten Vorgaben erarbeitet, die diese schnellere Bearbeitung gestatten. Das Gremium, das eine VDI‑EE erarbeitet, muss nicht zwingend wie bei einer Richtlinie alle interessierten Kreise in ausgewogener Weise abbilden. Und es gibt keinen Entwurf, sondern die EE kommt, wenn das Gremium sie verabschiedet hat. Bei der EE handelt es sich also um ein „Interims-Regelwerk“ – schnell, aktuell und immer mit einem Neuigkeitswert.

    Die erwähnte VDI/DVQST‑EE 3810 Blatt 2.1 war beispielsweise motiviert durch die geringere Nutzung vieler Gebäude in der Coronapandemie. Vom Projektantrag Mitte September 2020 bis zur Veröffentlichung am 1. Dezember 2020 vergingen gerade mal zweieinhalb Monate.

    Bei der nächsten turnusmäßigen Überarbeitung der VDI 3810‑2/VDI 6023‑3 im Jahr 2025 wird dann die bis dahin ergänzende Expertenempfehlung 2.1 (Außer- und Wiederinbetriebnahme) gemeinsam mit der jüngst im Januar 2023 erschienenen neuen Expertenempfehlung VDI/DVQST 3810 Blatt 2.2 (Überflutung) in die Richtlinie eingearbeitet.

    Um Folgeschäden zu verhindern, ist die Hygiene-Erstinspektion nach VDI 6023-1 eine Voraussetzung zur Befüllung einer Trinkwasser-Installation.

    Bild: Christian Strehlow

    Um Folgeschäden zu verhindern, ist die Hygiene-Erstinspektion nach VDI 6023-1 eine Voraussetzung zur Befüllung einer Trinkwasser-Installation.

    Allgemein anerkannte Regeln der Technik

    Bei den a. a. R. d. T. geht es um den Schutz vor technischen Risiken. Die Einhaltung der a. a. R. d. T. ist wesentlich, um den sog. „Verkehrssicherungspflichten“ nachzukommen, d. h. den ­Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu schützen.

    Die a. a. R. d. T. beschreiben daher das, was in der Fachwelt als theoretisch richtig, allgemein bekannt und aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt ist. Einfach gesagt: „So musst du arbeiten. Das haben wir ausprobiert. Es ist sinnvoll, wichtig und funktioniert.“ Die a. a. R. d. T. lösen zwar nicht jedes denkbare Problem, aber sie bieten Lösungen und Vorgaben für viele der üblichen Problemstellungen.

    Nach § 633 BGB hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber das Werk frei von Sach- oder Rechtsmängeln zu verschaffen. Eine Arbeitsleistung ist zunächst immer dann frei von Sachmängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat (z. B. im Raumbuch festgelegt). Soweit die Beschaffenheit nicht konkret vereinbart ist, ist die Arbeitsleistung frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Auftraggeber nach der Art des Auftrags erwarten kann. Oder anders ausgedrückt: „Der Installateur schuldet dem Bauherrn eine Trinkwasser-Installation, die bestimmungsgemäß betrieben werden kann und die das Wasser nicht derart nachteilig verändert, dass es nicht mehr den Anforderungen der Trinkwasserverordnung entspricht“ (sinngemäß OLG Dresden Az. 11 U 878/01).

    Was im Einzelfall „üblich und zu erwarten ist“, steht dann in den verfügbaren Regelwerken und insbesondere gemäß § 4 VOB/B hat der Auftragnehmer hierzu die a. a. R. d. T. und die gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen zu beachten. Die a. a. R. d. T. sind also das grundlegende Niveau, nach dem man mindestens arbeiten muss. Deswegen müssen Fachleute sie kennen, damit sie überhaupt in der Lage sind – wie nach § 633 BGB gefordert –, richtig (mangelfrei) zu arbeiten.

    Wer die Festlegungen nicht kennt, die im Kreis der auf aktuellem Stand gebildeten Fachleute bekannt und mehrheitlich als gut und richtig akzeptiert sind, gehört eben nicht zu den Fachleuten. Oder andersherum: Wer sich zu den Fachleuten zählen möchte, hat sich ständig aktiv fortzu­bilden.

    Hygiene-„Führerschein“

    Bei so einem komplexen Thema wie der Trinkwasserhygiene muss man wissen, was man tut und warum man es tut. Daher müssen alle Personen, deren Arbeit die Trinkwasserhygiene beeinflussen kann, mit Blick auf Hygiene sensibilisiert sein. Die neue Richtlinie VDI‑MT 6023‑4, die ebenfalls im September 2022 erschienen ist, bildet für die Personen, die Trinkwasser-Installationen planen, errichten, betreiben und instand halten, eine wichtige Schulungsbasis.

    Die in VDI‑MT 6023‑4 beschriebene Schulung vermittelt als einzige alle relevanten Inhalte, nicht nur ausgewählte Regelwerke, und sollte möglichst viele Anwender erreichen, die für sauberes Wasser in ihrer jeweiligen Rolle verantwortlich sind. Die Schulungen nach dieser Richtlinie vermitteln allen im Bereich des Trinkwassers tätigen Personen ein zielgruppenspezifisches Verständnis der Hygiene in Trinkwasser-Installationen sowie konkrete, handlungsrelevante Hinweise für Planung, Installation und Betrieb von Trinkwasser-Installationen.

    Angelehnt an gültige Richtlinien bieten Expertenempfehlungen (EE) schnell aktuelle, ergänzende Informationen.

    Bild: Arnd Bürschgens

    Angelehnt an gültige Richtlinien bieten Expertenempfehlungen (EE) schnell aktuelle, ergänzende
    Informationen.

    Zielgruppenorientierte Schulung

    Um besser auf verschiedene Zielgruppen einzugehen, sind die Schulungen in drei Kategorien unterteilt. Kategorie A richtet sich an Meister, Ingenieure und Techniker in der Sanitärtechnik. Für ausführende Handwerker mit einer sanitärtechnischen Grundqualifikation ist die Kategorie B vorgesehen. Erstmals gibt es zudem die Kategorie FM, die gezielt Menschen anspricht, die im Facility Management arbeiten. Oft haben sie keine einschlägige Vorausbildung, stehen aber an vorderster Front, wenn es darum geht, ein Gebäude in Schuss zu halten.

    Die Schulung durch vertraglich verpflichtete Schulungspartner des VDI ist zwar nicht vorgeschrieben, aber dringend zu empfehlen: Absolventen können sicher sein, dass ihr Wissen dem neuesten technischen Stand entspricht. Dazu bietet die Urkunde einen Wettbewerbsvorteil bei Ausschreibungen.

    Wichtige Qualitätsmerkmale

    Es gibt Schulungen zur Trinkwasserhygiene von verschiedenen Anbietern. Zudem ist Trinkwasserhygiene Bestandteil vieler Studien- und Ausbildungsgänge, z. B. in der Versorgungstechnik oder im Sanitärhandwerk. Aber Schulungen, die von jeglichen Verbands- und Lobbyinteressen unabhängig sind, gibt es nur nach VDI 6023. Fortbildungen sollten vollständig, neutral, sachlich richtig und unabhängig sein. Sie sollten keine Vertriebs- oder Marketinginteressen verfolgen, die Zweifel an der Objektivität der vermittelten Informationen aufkommen lassen könnten.

    Schulungen und Unterweisungen auf Basis von VDI‑Richtlinien werden von vertraglich verpflichteten VDI‑Schulungspartnern durchgeführt, bei denen die Schulungsinhalte sowie die Referenten für die Bereiche Technik und Hygiene durch den VDI geprüft und zugelassen wurden. Teilnehmer erhalten u. a. ausführliche schriftliche Schulungsunterlagen des VDI‑Schulungspartners und einen VDI‑Sonderdruck, der die vollständigen, aktuellen Ausgaben der VDI 6023‑1, der VDI 3810‑2/VDI 6023‑3, der VDI‑MT 6023‑4 und der VDI/DVQST Expertenempfehlung 3810 Blatt 2.1 beinhaltet.

    Der VDI behält sich zum Zweck der Qualitätssicherung auch unangekündigte Kontrollbesuche bei Schulungsveranstaltungen vor. Andere Anbieter ohne Kooperationsvertrag unterliegen nicht diesen Qualitätsanforderungen.

    Zusätzlich/ergänzend zur Berufsausbildung vermitteln Schulungen nach VDI 6023 das vertiefte hygienische Wissen und die Zusammenhänge, um die Anforderungen verstehen und zielgerichtet umsetzen zu können.

    Bild: Arnd Bürschgens

    Zusätzlich/ergänzend zur Berufsausbildung vermitteln Schulungen nach VDI 6023 das vertiefte hygienische Wissen und die Zusammenhänge, um die Anforderungen verstehen und zielgerichtet umsetzen zu können.

    Regelmäßig wiederholen

    Der Begriff der Fortbildung ist im Berufsbildungsgesetz (§ 1 Abs. 4 BBiG) geregelt. Eine Fortbildung setzt einen Berufsabschluss sowie einschlägige Berufserfahrung voraus. Eine fachfremde Person wird vielen Inhalten, die in einer A- oder B-Schulung vermittelt werden, nicht ohne Weiteres folgen können.

    Ziel der Fortbildung ist, die „berufliche Handlungsfähigkeit“ im aktuellen Tätigkeitsfeld zu gewährleisten (Anpassungsfortbildung), also beispielsweise auf dem neuesten Stand des Wissens zu bleiben, oder zu erweitern (Aufstiegsfortbildung), etwa zur Übernahme neuer Aufgaben. Das in einer Schulung nach dieser Richtlinie erworbene Wissen muss durch den Zuwachs an neuen Erkenntnissen im Fachgebiet jedoch regelmäßig aktualisiert werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht kontinuierlich damit gearbeitet wird. Aus diesem Grund ist nach spätestens fünf Jahren eine Wiederholung der Schulungen erforderlich.

    Fazit

    Sauberes Trinkwasser ist ein wertvolles Gut und die überarbeitete Richtlinienreihe VDI 6023 zur Trinkwasserhygiene trägt dazu bei, dass wir uns weiterhin auf einwandfreies Wasser aus Installationen verlassen können. Dabei ist das Regelwerk für gesundheitlich unbedenkliches Wasser komplex und setzt sich aus mehreren Richtlinien zusammen – die entsprechenden Schulungen müssen alle wichtigen Aspekte berücksichtigen.

    Die Richtlinienreihe VDI 6023 ist weiterhin das maßgebliche Regelwerk für hygienerelevante Aspekte bei Planung, Bau und Betrieb von Trinkwasser-Installationen. Sie hatte nie den Anspruch, das Regelwerk des Deutschen Instituts für Normung e. V. (DIN) oder des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW) zu ersetzen, sondern ergänzt die wesentlichen hygienischen Anforderungen.

    Lesetipps zum Thema

  • VDI‑MT 3810 Blatt 1 „Betreiben und Instandhalten von Gebäuden und ­gebäudetechnischen Anlagen – Grundlagen“, Stand 2022
  • VDI 6023 Blatt 1 „Hygiene in Trinkwasser-Installationen – Anforderungen an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung“, Stand 09/2022
  • Kommentar zur VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 „Hygiene in Trinkwasser-­Installationen – Gefährdungsanalyse“, Beuth Verlag, 1. Auflage 2021
  • Kommentar zur VDI 3810 Blatt 2/VDI 6023 Blatt 3 „Hygiene in Trinkwasser-Installationen – Betrieb und Instandhaltung“ mit VDI/DVQST‑EE 3810 Blatt 2.1 „Außerbetriebnahme und Wiederinbetriebnahme“, Beuth Verlag, 1. Auflage 2021
  • VDI/DVQST-EE 3810 Blatt 2.2 „Betreiben und Instandhalten von Gebäuden und gebäudetechnischen Anlagen – Trinkwasser-Installationen – Maßnahmen bei Überflutung“, Stand 01/2023
  • VDI-MT 6023 Blatt 4 „Hygiene in Trinkwasser-Installationen – Qualifizierung für Trinkwasserhygiene“, Stand 09/2022
  • Arnd Bürschgens „Legionellen in Trinkwasser-Installationen, Gefährdungsanalyse und Sanierung“, Beuth Verlag, 2. Auflage 2018
  • Autor
    Arnd Bürschgens ist ö. b. u. v. Sachverständiger für Trinkwasserhygiene im Installateur- und Heizungsbauerhandwerk sowie Vorsitzender des DVQST. Herr Bürschgens war u. a. stellv. Vorsitzender im Ausschuss VDI 6023‑1 und Vorsitzender im Ausschuss VDI 3810‑2/VDI 6023‑3.

    Bild: Arnd Bürschgens

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