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Biberacher Forum Gebäudetechnik

Smarte Technik — Fluch und Segen

Fachbegriffe mit dem Adjektiv smart haben Hochkonjunktur. Komponenten, Anlagen, Systeme, Häuser, Gebäude, Liegenschaften, Gemeinden, Städte, Regionen und Produktionsstätten schmücken sich mit diesem Begriff. Professor Dr.-Ing. Martin Becker von der Hochschule Biberach und Mitinitiator des 15. Biberacher Forums Gebäudetechnik freut sich, dass durch die branchenübergreifende Einführung smarter Technologien der Stellenwert der Gebäudetechnik verbessert werden konnte und daraus neue anspruchsvolle Geschäftsfelder entstehen. Doch auch eine gewisse Skepsis sei angesagt, meint Becker: „So richtig wissen wir noch nicht, was smart in unserer Gesellschaft alles bedeutet, aber das Wort klingt nun mal gut.“ Insbesondere fehle es an Geschäftsmodellen rund um die Themen Smart Grid und Smart Building, auch wenn einzelne Komponenten schon in der Lage seien, Informationen aus einem intelligenten Stromnetz zu verarbeiten. Dazu zählen zum Beispiel Wärmepumpen, die fähig sind, auf preisattraktive Stromangebote zu reagieren oder netzdienliche Betriebsweisen einzuleiten.

Wie Smart-Grid-Technologie funktionieren könnte, erläutert Becker so: „Sie sollte möglichst verlustfrei ineinandergreifen, angefangen bei den Komponenten einer Anlage über das Anlagensystem, das Gebäude, die Liegenschaft bis zur Vernetzung mit der Infrastruktur der Gemeinde, der Stadt oder der Region.“ Becker bemängelt allerdings, dass der Faktor Mensch bei der Diskussion um smarte Technologien für die Gebäudetechnik bisher kaum eine Rolle spiele. Nimmt man die vom Referenten Joachim Jakobs am Ende der Veranstaltung geäußerten Sicherheitsbedenken gegenüber der zunehmenden Vernetzung ernst, so besteht sogar die Gefahr, dass der smart-affine Bürger schnell der Dumme ist, da sein Nutzerverhalten und seine Lebensgewohnheiten durch Datenabgriffe Dritter missbraucht, im schlimmsten Fall sogar gegen ihn selbst verwendet werden können. Schon deshalb sei es wichtig, sich mit den positiven und negativen Aspekten vernetzter Infrastrukturen über die rein fachlichen Aspekte hinaus auseinanderzusetzen.

Die Hochschule Biberach hat deshalb das Thema Smart Building und Smart Grid bereits in den Lehrplan aufgenommen und für rund 2,3 Millionen Euro ein Smart-Grid-Labor sowie ein Feldlabor für regenerative Energiesysteme aufgebaut. Unter quasi-realen Bedingungen lässt sich dort simulieren, nach welchen Kriterien eine Stromversorgung auf der Basis von BHKW, PV-Anlage und Windkraft-Anlage funktioniert und welche Informationen notwendig sind, um elektrische Lasten wie Kälteanlagen, Wärmepumpen, Wärmespeicher, Stromspeicher und Elektrofahrzeuge netzdienlich einzubinden. Den Praxisbezug erhält das Labor durch die Option, auch Daten aus real existierenden Anlagen verarbeiten zu können.

Versorger müssen künftig mehr als nur Energie liefern

Motivation durch Information ist aktuell der offensichtlich wirtschaftlichste Weg, die Ziele der Energiewende zeitnah umzusetzen. „Wenn wir von Atomkraft und Öl unabhängig werden wollen, sind der wichtigste Energieträger Sie“, steht auf dem Flyer von Allgäustrom, ein Zusammenschluss von neun regionalen Stromanbietern. Gemeinsames Ziel sei es, die Energiewende voranzutreiben und dafür zu sorgen, dass die Bürger aktiv mitmachen und die Wertschöpfung in der Region erfolgt.

Michael Lucke, Geschäftsführer Allgäuer Überlandwerk (AÜW), Kempten, setzt auf eine emotionalere Kundenbindung, da die bestehenden Geschäftsmodelle mit den sogenannten Commodities – Strom, Erdgas, Fernwärme, Trinkwasser – wirtschaftlich nicht mehr tragfähig seien. „Künftige Geschäftsmodelle basieren auf Innovationen und Dienstleistungen, die den geänderten Kundenbedürfnissen von Stromproduzenten und Stromkonsumenten, den sogenannten Prosumern, gerecht werden.“

Energiekonzepte hängen von Art der Bebauung ab

Dabei gelte es, unterschiedliche Konzepte für Einfamilienhäuser in eher ländlichen Gebieten und für Mehrfamilienhäuser in Städten zu entwickeln. Das Energiemodell Einfamilienhaus besteht seiner Ansicht nach künftig aus einer Kombination von Photovoltaikanlage und Wärmepumpe mit einer Batterie als Puffer. In Städten mache es dagegen Sinn, überschüssigen Strom in containergroßen Batteriespeichern innerhalb des Quartiers zu puffern. Etwa ab dem Jahr 2017 sei mit einem wirtschaftlichen Durchbruch bei Quartierspeichern zu rechnen. Voraussetzung für Geschäftsmodelle zur Finanzierung der dezentralen Stromspeicher seien intelligente Verteilnetze in den Städten und ländlichen Regionen auf der Basis strategischer Mess- und Zählpunkte. „Wir müssen die Ortsnetze besser in den Griff bekommen. Das erspart uns erhebliche Investitionen in den überregionalen Netzausbau“, sagt Lucke. Dagegen sei der flächendeckende Roll-Out von intelligenten Stromzählern derzeit noch nicht wirtschaftlich. Wichtig für die Entwicklung neuer Dienstleistungen durch die Stromversorger seien der Ausbau der E-Mobility und die Umsetzung von Smart-Home-Konzepten zur Verbesserung des Lastmanagements. Dabei seien thermische Speicher sowie Nachtspeicherheizungen zur Aufnahme von Stromüberschüssen aus dem Netz durchaus eine Alternative zur Stromspeicherung. Weniger geeignet für den ländlichen Raum seien dagegen Mikro-KWK-Geräte zur Eigenstromerzeugung. Diese kommen eher für Mehrfamilienhäuser in den Städten in Betracht, so Lucke. Eine wichtige Planungshilfe zur Abschätzung des Solarenergiepotenzials sieht Lucke in der Befliegung des gesamten Allgäuer Netzgebietes mittels hochauflösender 3D-Kameras. „Diese Art der Kartierung ermöglicht uns die exakte Bezifferung des maximal zu erwartenden Zubaus an PV-Anlagen und damit Kenntnisse über die Gleichzeitigkeit von Stromeinspeisung und Stromverbrauch.“

Akzeptanz der Bürger ist unbedingt erforderlich

Die künftige Energieversorgung ist nachhaltig, dezentral und effizient. Aktuell stellen viele Städte dazu die Weichen, so auch die Stadt Leutkirch im Allgäu, die bereits vor dem Ausstieg aus der Kernenergie auf eine nachhaltige Stadtentwicklung sowie erneuerbare Energien setzte.

Seit 2011 werden die Aktivitäten der Stadt im Rahmen des Projektes „Nachhaltige Stadt Leutkirch“ von der Hochschule Biberach, den Oberschwäbischen Energiewerken (OEW) sowie der EnBW auch wissenschaftlich begleitet. Ziel des Projektes ist die Umsetzung der Energiewende unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit unter Berücksichtigung raumplanerischer Konzepte. Die Hochschule Biberach hat dazu in den beiden Teilorten Bleiche und Diepoldshofen den energetischen Ist-Zustand ermittelt, über Bürgerbefragungen daraus die technischen Optionen abgeleitet und exemplarisch die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen untersucht. Beispielsweise lag der Durchschnittsverbrauch von 39 Haushalten im Ortsteil Bleiche (Baualtersklasse 1984 bis 1994) bei 182,7kWh/m2a, in Diepoldshofen (51Haushalte, Baualtersklasse 1969 bis 1978) bei 170kWh/m2a, so die Recherche von Prof. Dipl.-Ing. Ute Margarete Meyer und ihrem Team. Das Einsparpotenzial ist riesig: Im Vergleich mit den Referenzdaten aus dem EU-Projekt TABULA (Typology Approach of Building Stock Energy Assessment) könne bei dieser Bausubstanz durch Maßnahmen an der Gebäudehülle, durch den Einsatz von Biomasse-Feuerungen oder durch eine Nahwärmeversorgung – je nach Sanierungsstandard – zwischen 50 und 80% des Endenergieverbrauchs eingespart werden, erklärt Meyer.

Beim Projekt „Bleiche“, einem eher städtischen Quartier, biete sich der Ausbau der Nahwärme, beginnend mit KWK-Inseln, sowie die energetische Gebäudesanierung an. Im eher ländlich strukturierten Diepoldshofen lohne sich Nahwärme vermutlich nicht; der Schwerpunkt sollte deshalb auf der Modernisierung der Einzelgebäude liegen. Wichtig sei es, integrierte Konzepte für Siedlungen und Quartiere zu entwickeln und die Ziele verbindlich festzulegen.

So ist die Stadt Leutkirch bestrebt, bis 2025 mindestens 60 % des Gesamtstromverbrauchs durch regenerative Energien zu decken. Dazu soll unter anderem der Ausbau der Aufdach-Photovoltaikanlagen von aktuell 1100 auf 2000 Anlagen beitragen. Parallel soll der KWK-Anteil auf über 10 % ausgebaut werden.

Virtueller Stromspeicher als Geschäftsmodell

„Bis zum Jahr 2050 besteht unsere Stromerzeugung zu 80% aus regenerativen Ener­gien.“ Wie dieses weitgehend volatil anfallende Stromangebot möglichst heute schon wirtschaftlich genutzt werden kann, erklärt Dr. Friedrich Weng, Südwestdeutsche Stromhandels GmbH, Tübingen. Weng stellt sowohl die Wirtschaftlichkeit von Pumpspeicherkraftwerken als auch die von Power-to-Gas-Anlagen zur Nutzung von Überschussstrom infrage. Ökonomischer sei ein virtueller Stromspeicher, bestehend aus BHKW, Wärmepumpe, Wärmespeicher und elektrischem Durchlauferhitzer zur Umwandlung von Strom in Wärme. Das Geschäftsmodell von Südweststrom basiert auf der Teilnahme am Regelenergiemarkt und der Nutzung günstiger Stromtarife zum Antrieb der Wärmepumpe, die mit einem 200 m3 fassenden Speicher gekoppelt ist. Je nach Tarifangeboten kann Strom über einen elektrischen Durchlauferhitzer auch direkt in Wärme umgewandelt und gespeichert werden. Sobald die Strompreise steigen, geht das BHKW in Betrieb, entweder, um Spitzenstrom ins Netz zu liefern oder um den Eigenbedarf zu decken. Solche virtuellen Stromspeicher lohnen sich bei Gebäuden, Liegenschaften oder Nahwärmenetzen mit mehr als 500 kW thermischer Leistung und ganzjährigem Wärmebedarf, so die Erfahrungen von Weng.

Erstmals umgesetzt wird diese Art eines virtuellen Stromspeichers in den Gebäuden der Bereitschaftspolizei in Biberach. Die Anlage hat folgende Eckdaten:

  • Wärmebedarfsleistung: etwa 1,5 MWth
  • Gasheizkessel: 1,2 MWth
  • BHKW: 2 x 400 kWel
  • Wärmepumpe: 350 kWth
  • Wärmespeicher: 200 m3
  • Prognostizierte Energiekosteneinsparung: 250000 €/a
  • Investitionskosten: 2,3 Millionen Euro
  • Bauherr: Land Baden-Württemberg
  • Südweststrom als Projektpartner übernimmt folgende Leistungen:
  • Konzeptentwicklung und Simulationsrechnung
  • Betriebskostenoptimierung im Rahmen des Bilanzkreismanagements
  • Gebündelte Vermarktung der Flexibilität
  • Abrechnung

Weng stellt heraus, dass das BHKW jährlich mindestens 2500 bis 3000 Stunden im Betrieb sein müsse, damit sich die Investition rechne. Wichtig sei eine ganzjährig hohe Wärmeabnahme, z.B. ein hoher Warmwasserbedarf, sowie günstige Voraussetzungen für den Wärmepumpenbetrieb (Niedertemperaturheizung).

Wirtschaftlichkeit ist für viele Verbraucher derzeit zweitrangig

Obwohl Batteriespeicher noch nicht rentabel sind, wächst das Interesse der Bürger an diesen Geräten, berichtet Dr.-Ing. Christof Wittwer, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE), Freiburg. Der Markt für PV-Systeme und Stromspeicher sei in Bewegung, der Bürger wolle diese Systeme, um seinen Anteil an selbst genutztem Strom zu erhöhen. Dezentrale Batteriespeicher seien einfacher am Markt zu platzieren als Pumpspeicherkraftwerke, so Wittwer. Letztere seien politisch kaum mehr vermittelbar.

Schon jetzt könne mit Kurzzeitspeichern die Eigenversorgung mit Strom aus PV- und KWK-Anlagen erheblich verbessert werden. Spätestens ab einem Anteil von 40 % Strom aus erneuerbaren Energien müssten Langzeitspeicher zum Ausgleich von saisonalen Ungleichgewichten in das Stromnetz integriert werden. Näheres Ziel sei jedoch, mithilfe von Batteriesystemen den Eigenverbrauch an PV-Strom zu steigern, zumal die Vergütung für eingespeisten Strom aus PV-Anlagen weiter abnehme. Neuanlagen müssten deshalb konsequent auf Eigenstromnutzung und netzdienlichen Betrieb ausgelegt werden. Das erfordere jedoch ein Umdenken in der Beladestrategie. Anstatt die Batterien bereits am Morgen mit selbst erzeugtem PV-Überschussstrom zu beschicken ist es energiewirtschaftlich sinnvoller, den Batteriespeicher erst um die Mittagszeit zu beladen, wenn alle PV-Anlagen Spitzenstrom anbieten. Dazu sei ein intelligentes Speichermanagement erforderlich, das die Netzeinspeiseleistung begrenzt und eine prognosebasierende Stromerzeugung und Stromnutzung ermöglicht. Simulationsrechnungen des ISE hätten ergeben, dass durch eine Optimierung der Batteriebewirtschaftung aufgrund von Prognosen eine 100-prozentige Nutzung der solaren Energie bei 60% Leistungsbegrenzung ins Netz erreicht werden kann.

Ein Forschungsschwerpunkt am ISE sei deshalb die Entwicklung von Batteriebewirtschaftungsstrategien mit selbstlernenden Algorithmen, die sowohl einen priorisierten Eigenverbrauch als auch eine netzdienliche Beladung der Batterien zulassen. Wichtig sei die Schaffung von Batteriekapazitäten für den nächsten Tag, zum Beispiel durch eine nächtliche Rückspeisung von Batteriestrom ins Netz. Das ISE entwickle derzeit Energiemanagementsysteme für Wärmepumpen zur Eigen­stromoptimierung, die sowohl einen wärmegeführten als auch einen PV-Strom-geführten Betrieb zulassen (Heat Shifter).

Ähnliche prognosebasierende Regelungskonzepte werden vom ISE auch für Strom-Wärme-geführte KWK-Anlagen mit Smart-Grid-Anbindung entwickelt. Ziel ist eine dynamische Reaktion der steuerbaren Stromerzeuger wie BHKW oder Mikro-KWK und der elektrischen Geräte (Lasten) auf Strompreise und auf netzstabilisierende Systemanforderungen.

Betriebsoptimierung muss nachvollziehbar sein

Wer sein konventionelles Gebäude zu einem Smart House oder einem Smart Building aufrüsten will, tut gut daran, die bestehenden Anlagen und Geräte zunächst durch niedriginvestive Optimierungsmaßnahmen auf ihr Einsparpotenzial abzuklopfen. Gebäudefachleute wissen, dass viele Anlagen noch mit den Grundeinstellungen des Anlagenbauers oder des Geräteherstellers laufen – laut einer EU-Expertise trifft dies auf rund 70 % der Anlagen zu. Die Einführung von Energiemanagementsystemen und Betriebsoptimierungen bedeutet deshalb für viele Gebäude eine erste professionelle Inbetriebnahme. Olaf Mittrach, BMG Engineering AG, Schlieren/Schweiz, spricht gar vom Missbrauch der Dienstleistung Betriebsoptimierung als Abnahmewerkzeug. Nach seinem Verständnis gehe es bei der Betriebsoptimierung und beim Energiedatenmanagement darum, die gebäudetechnischen Anlagen nach einer gewissen Zeit an die tatsächlichen Bedürfnisse der Nutzer anzupassen und gleichzeitig Opti­mierungspotenziale zu erschließen. Priorität hätten Maßnahmen, die sich innerhalb von zwei bis drei Jahren amortisieren, wie beispielsweise die regelungstechnische Optimierung von Wärme- und Kälteerzeugern, der Austausch veralteter bzw. überdimensionierter Pumpen und Ventilatoren oder die regelungstechnische Verknüpfung von Sonnenschutzeinrichtungen und Klimaanlagen. Oberstes Gebot für Optimierungsstrategien sei die Botschaft „kein Betrieb ohne Nutzen“, das heißt, keine Bereitstellung von Wärme, Kälte oder Luft, wenn diese aktuell nicht gebraucht werde.

Die wirtschaftlich interessantesten Optimierungspotenziale ergeben sich nach den Erfahrungen von BMG bei der Raumnutzung und bei der Motivation der Nutzer. Hier seien 15 % Energieeinsparung bei Amortisationszeiten von ein bis vier Jahren zu erreichen, betont Mittrach. In jedem Fall lohne sich der Pumpenaustausch (25 % Stromeinsparung) sowie das Fine-Tuning von Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen (bis zu 30 % Einsparung). Eher gering seien die Einsparerfolge im Bereich Fenster, Fassaden und Verschattung (hohe Investitionskosten, geringes Einsparpotenzial, geringe Machbarkeit im laufenden Betrieb).

Wichtig sei es, die Maßnahmen gegenüber dem Kunden genau zu beschreiben, die Vorgehensweise gemeinsam mit ihm festzulegen und das Budget zu definieren. Das Einsparpotenzial sei enorm; Gebäude mit realen Verbrauchswerten von über 500kWh/m2a seien keine Seltenheit. Allerdings gebe es fließende Übergänge zwischen Optimierungsmaßnahmen und dem Komplettersatz von technischen Anlagen. Oft könnten bei Primäranlagen erst durch einen Komplettaustausch sowie eine Neudimensionierung die technisch möglichen Effizienzziele erreicht werden. Auch sei es wichtig, die Einsparerfolge (Energie, Kosten, Komfort) für den Kunden transparent darzustellen und die Daten Gewerke-spezifisch aufzubereiten.

Sicherheitsrisiken bei der Vernetzung

Die vielzitierte Intelligenz von Gebäuden und Systemen scheint für die Energiewende nicht nur Heilsbringer, sondern auch Dämon zu sein. Joachim Jakobs, freier Journalist, Bern/Schweiz, hat mit Akribie zusammengetragen, was die digitale Welt an künftigen Horrorszenarien speziell auch für die Branchen Energie, Heizung, Lüftung, Klima, Elektro zu bieten hat. Grundsätzlich gilt: Je vernetzter ein System, desto anfälliger, aber auch desto attraktiver für Hacker & Co. Dabei gehe es nicht allein darum, dass ehrgeizige Hackerclubs durch „Einbrüche“ Schwachstellen aufdecken, sondern auch um das routinemäßige Abgreifen ganz persönlicher Daten sowie von Lebensgewohnheiten und menschlichen Neigungen durch Suchmaschinenbetreiber, Soziale Netzwerke und spezialisierte Unternehmen. Für Big Data Mining, also das systematische Sammeln einzelner Daten zur Erstellung kommerzialisierbarer, personenbezogener Profile, ist das intelligente Gebäude und das Smart Home ebenso interessant wie für nachrichtendienstliche Organisationen. Eine Auswahl an Schlagzeilen und Zitaten, die Jakobs zu diesem Thema zusammengetragen hat:

  • … wir beobachten Sie, wenn Sie das Licht in Ihrem Wohnzimmer mit Ihrem intelligenten Telefon einschalten (CIA Direktor David Petraeus),
  • 1000 intelligente Stromzähler geknackt … und 10 % von Maltas Strom gestohlen (Energie und Technik, 25.02.2014),
  • Kashmir Hill (eine Bloggerin) spielt Poltergeist in „intelligenten“ Wohnungen … und weiteren Geräten (Forbes, 26.7.2013),
  • inkontinente Geräte: hochkritisches Sicherheitsloch bei Vaillant-Heizungen (gemeint ist das Ecopower 1.0-Gerät) (Heise 4/2013),
  • RFID-Türschlüssel mit Skipass zu knacken (Heise 1/2014),
  • … wir versuchen grundsätzlich alles zu sammeln und behalten es für immer (Iva Hunt, CIA).

Doch es muss nicht gleich ein Einbruch in ein Netz, einen Computer oder ein intelligentes Gerät sein. Im Netz gefundene Einzeldaten über Personen summieren sich für Daten-Sammler zu ergiebigen Geldquellen. Jakobs hat dazu folgende Wertangaben gefunden:

  • Geburtsdatum 3 $ US
  • Kreditkarte 1,50 $ US
  • Mädchenname 6 $ US
  • Krankenakte 50 $ US

Speziell für Patientendaten gebe es bereits einen „kriminellen Supermarkt“. Wer meint, die freizügige Preisgabe persönlicher Daten im Netz oder auf Online-Portalen sei harmlos, der unterschätzt den Puzzle-Effekt. Jakobs zitiert dazu Iva Hunt, CTO CIA, aus der Huffington Post: „Der Wert einer Information ist nur dann zu erkennen, wenn Du sie verbinden kannst mit etwas anderem, das zu einem zukünftigen Zeitpunkt aufläuft …“ und weiter, „es liegt in sehr greifbarer Nähe, dass wir in der Lage sind, jede vom Menschen verursachte Information weiterzuverarbeiten.“

Selbst vor der Nutzung geschredderter analoger Daten sei man nicht gefeit. So werbe unshred.com für ein digitales „shredder document reconstruction system“, um aus Papierstreifen lesbare Dokumente zu rekonstruieren. Obwohl auch physikalische Diebstähle von Daten (Computer, Server, Festplatte) noch an der Tagesordnung seien, müsse künftig mit mehr digitalen Entwendungen gerechnet werden. Jakobs dazu: „Je mehr Daten der Angreifer von der Zielperson hat, desto besser kann er sein Opfer imitieren und sich somit Zugang zu Gebäuden und deren Infrastruktur verschaffen.“ Laut Lagebericht des Bundesamtes für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) sind im Jahr 2011 rund 1,1 Millionen Identifikationsdiebstähle in Deutschland begangen worden. Laut BSI nutzen die Angreifer dazu fast ausschließlich „Trojanische Pferde“.

Die größte Sammelwut gehe jedoch von Geheimdiensten und ihnen nahestehenden Organisationen aus, wie zum Beispiel In-Q-Tel. Das Unternehmen vergibt Risikokapital an junge IT-Unternehmen mit, Zitat Wikipedia, „dem Ziel, neue und relevante Technologien frühzeitig zu erkennen und sie für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten nutzbar zu machen.“ Dazu gehören, so Jakobs, auch Profile von Personen, Objekten, Gebäuden, Orten, Unternehmen und Organisationen. Gegen Fremdzugriffe und Ausspähungen empfiehlt Jakobs folgende ad-hoc-Maßnahmen:

  • an Arbeitsplätzen nur Terminals
  • USB-Zugänge deaktivieren
  • Zugang zu sozialen Netzwerken sperren
  • keinen mobilen Zugriff auf das Firmennetz gestatten
  • keine Kundendaten auf das Mobiltelefon laden
  • keine „dateninkontinenten“ Router einsetzen

Fazit

Die Umsetzung der Energiewende führt in Anlagen, Gebäuden, Liegenschaften, Ortschaften und Regionen zu einer starken Vernetzung von Systemen, die es uns erlaubt, mittels komplexer Regelungsalgorithmen Angebot und Nachfrage im Strommarkt netzdienlich und nutzergerecht zu steuern. Diese Vernetzung verstärkt jedoch auch das Risiko von Hackerangriffen und Datenklau. Parallel dazu werden harmlos erscheinende Personendaten wie Geburtstag, Kontonummer, Kfz-Kennzeichen sowie Informationen aus den sozialen Netzwerken zu kommerzialisierbaren Profilen zusammengefügt. Der Griff von Google nach dem Raumautomationshersteller Nest lässt erahnen, dass künftig auch Daten aus der häuslichen Umgebung, wie Anwesenheitszeiten, Raumtemperaturen, Gas-, Wasser- und Stromverbrauch, TV- und Internet-Nutzung, Telefonie sowie Anzahl und Ausstattungsgrad elektrischer und elektronischer Geräte in diese Profile Eingang finden werden. Dabei geht es nicht mehr allein um eine Bestandsaufnahme, sondern um das Generieren von Prognosen, wie sich Personen künftig verhalten werden. Der Begriff smart bekommt dann womöglich eine neue Bedeutung, die sich auf die tangierenden Branchen eher geschäftsschädigend auswirken kann.

Autor

Wolfgang Schmid ist Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, 80751 München, wsm@tele2.de

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