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Technik der Monte-Rosa-Hütte setzt Maßstäbe

Passivhaus auf 3000 Meter

Zwischen mächtigen Gletschern steht sie da auf 2883 Meter Höhe, inmitten der bizarren Berg- und Gletscherwelt oberhalb der Touristenhochburg Zermatt: die neue Monte-Rosa-Hütte. In rund eineinhalbjähriger Bauzeit (dazwischen lag aber eine lange Winterpause) wurde die Berghütte des Schweizer Alpenclubs (SAC) nur einen Steinwurf oberhalb der alten Hütte gebaut. Modern sollte sie sein, aber immer noch gemütlich. Und sie sollte aus energetischer Sicht wegweisend sein, für alles bisher dagewesene im alpinen Berghüttenbau.

Die Grundlage der architektonischen und bautechnischen Überlegungen war, einen niedrigen Ressourcenverbrauch anzustreben. „90 Prozent des Energiebedarfs wird durch regenerative Energien erzeugt“, erklärt Bauleiter Hans Zurniwen. Auch deshalb sieht die Hütte von außen nicht mehr wie eine klassische Berghütte aus. Auf die im Durchmesser 16 Meter große Stahlunterkonstruktion – ein Achteck – wurden in Holzständerbauweise fünf Stockwerke gesetzt. Die Grundform „Achteck“ soll an einen Bergkristall erinnern. Die Technikräume mit moderner Lüftungsanlage, Energiezentrale und Rechnereinheiten sind im Untergeschoss untergebracht. Im großzügig und offen gestalteten Erdgeschoss finden die Küche und der Gastraum Platz. Von dort aus geht es noch zwei Stockwerke weiter in die Schlafräume. Eine Treppe zieht sich kaskadenförmig im äußeren Bereich der Hülle um den Kern herum nach oben. Große Fenster geben den Blick auf die gigantische Bergwelt des Schweizer Wallis frei.

Bergflair mit Hightech kombiniert

Als zukunftsträchtig erweist sich das Energiekonzept, das sich schon in der Konstruktion widerspiegelt. 30 cm Mineralwolle als Dämmung sorgen unter anderem dafür, dass die Hütte später den Schweizer Minergie P-Standard (entsprechend dem Passivhaus-Standard mit einem Heizwärmebedarf von 15 kWh/(m²a)) entspricht. Nur die Luftdichtheit wird beim Minergie P-Haus noch höher bewertet. Der U-Wert der Hülle wird mit 0,11 W/m² K angegeben.

Die Sonne liefert den Strom

Die Fenster sind mit einer speziellen Dreifach-Verglasung gefertigt (Uw = 1,2 W/[m²K]). Sie sorgen dafür, dass durch die Sonneneinstrahlung Wärme in das Haus gelangt und wenig Wärme wieder hinaus. Die Grundvoraussetzung, um das hochgesteckte Ziel einzuhalten, fast energieautark auf der „Berginsel“ auszukommen. Die Warmwasserbereitung übernehmen 56 m² Solarkollektoren, die gleich unterhalb der Hütte auf einer speziellen Stahlkonstruktion an den Berg verankert wurden und einen 6600-Liter-Wasserspeicher erwärmen. Zur Stromversorgung wurde auf der Südseite der Fassadenfläche eine 84-m²-Photovoltaikanlage (PV) mit 16 kWp montiert. Die Module bedecken rund 110 m² der Fassade, das entspricht rund 10 Prozent der Außenfläche. Die anderen Flächen wurden mit Blech verkleidet, das die Hütte in der Sonne zum Glitzern bringt und von weither sichtbar macht. Mehr Photovoltaik-Module wären auch auf der Süd-West- und Süd-Ost-Seite möglich gewesen, aber für die Deckung des Strombedarfs für maximal 120 Gäste nicht notwendig, erklärt der Verantwortliche für Energie- und Gebäudetechnik, Matthias Sulzer. „Die indirekte Strahlung hier oben ist beträchtlich“, weiß er. Die sogenannte Albedo, das heißt die diffuse Strahlung, die durch die umliegenden Gletscher und den langen Winter verursacht wird, trägt mit der niedrigen Temperatur – und damit dem höheren Ertrag der PV-Anlage – und der klaren Luft dazu bei, dass die Anlage eine 70 Prozent höhere Ausbeute verspricht, als Vergleichsanlagen auf 400 Meter Meereshöhe.

Für den Strombedarf bei Nacht oder bei einer Schlechtwetterperiode wird die Energie in Batterien mit 200 kW/h Kapazität gespeichert. Mit zum ökologischen Gesamtkonzept des neuen Hauses gehört auch eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Die thermische Solaranlage heizt mit dem warmen Wasser über einen Wärmetauscher die Luft entsprechend vor, bevor sie den Räumen wieder zugeführt wird. Trotz der Lüftungs­anlage haben die Nutzer aber später die Möglichkeit, die Fenster zu öffnen.

Raffinierte Wasserversorgung

Auch beim Thema Wassergewinnung und -recycling ist das Projekt vorbildlich: Eine mikrobiologische Membranfilter-Kleinkläranlage auf biologischer Basis reinigt das Abwasser, das später als Grauwasser für die Toilettenspülung sowie für die Waschmaschinen wiederverwendet wird bzw. dann auch das Grauwasser wieder in den Zustand der Entnahme versetzt. Das Brauchwasser wird aus dem Schmelzwasser des Frühjahrs gewonnen. Eine riesige Kaverne speichert 200000 Liter 40 Höhenmeter oberhalb der Hütte, um das natürliche Gefälle auszunutzen und weitere Verbraucher für eine Druckerhöhung zu sparen. Die Kaverne musste rund 20 Meter in den Berg eingelassen werden, damit keine Probleme mit dem Einfrieren entstehen. Das Wasser reicht über ein Jahr, wird in der Hütte gefiltert und steht dann als Warm- oder Kaltwasser primär fürs Kochen und für die Körperhygiene zur Verfügung.

Das Ergebnis dieses ausgeklügelten energetischen Gesamtkonzeptes, das letztlich nicht neu ist, aber im Berghüttenbau in dieser Konsequenz noch nicht angewandt wurde: Der Betreiber muss bei einer angenommenen Auslastung von 6500 Übernachtungen pro Jahr nur rund 10 Prozent der benötigten Gesamt­energie (gerechnet werden 3000 kW/h oder rund 350 Liter Rapsöl) von außen einbringen. Im Fall der neuen Monte-Rosa-Hütte bedeutet das: Gas zum Kochen, Rapsöl und synthetischer Diesel für den Betrieb eines Mini-Blockheizkraftwerkes (bei Energieknappheit – z.B. bei einer längeren Schlechtwetterperiode – wird so Strom und gleichzeitig Wärme erzeugt) werden mit dem Helikopter aus dem Tal herangeschafft. „Der Ener­gieverbrauch ist im Vergleich zur alten Monte-Rosa-Hütte um zwei Drittel geringer“, rechnet Matthias Sulzer vor. Die große Herausforderung sei es, eine fast autarke Hütte zu projektieren, die trotzdem hohen Komfortansprüchen gerecht wird. „Wir verstehen das gesamte Gebäude als System, in dem alle energetischen Komponenten in­ein­ander spielen.“

Eine weitere Optimierung ist mit einem verfeinerten, vorausschauenden Energiemanagement denkbar, indem angenommene Besucherzahlen und Wetterprognosen in die Gebäudesteuerung integriert werden. Damit können die Energiespeicher entsprechend bewirtschaftet werden, die Betriebszeiten des Blockheizkraftwerkes werden minimiert und der Autarkiegrad erhöht. Die Entwicklung dieser vorausschauenden Gebäudesteuerung ist Gegenstand eines Forschungsprojektes nach Inbetriebnahme der Hütte.

Warmes Wasser als Extra

Große Glasfronten geben den Blick auf die Monte-Rosa-Gruppe mit dem höchsten Berg der Schweiz, die 4634 Meter hohe Dufourspitze frei, der Blick ins Tal streift den wohl berühmtesten Schweizer Berg, das 4478 Meter hohe Matterhorn. Und auch die Schlafräume unterscheiden sich von gewöhnlichen Berghütten: Werden die Bergsportler in der alten Monte-Rosa-Hütte noch in Matratzenlagern mit 20 Betten ölsardinengleich untergebracht, legt man in der neuen Hütte auch beim Schlafen Wert auf kleinräumige Gemütlichkeit. Vierer- bis Achterzimmer nehmen in den oberen beiden Stockwerken die Gäste auf. Die Lüftungsanlage mit einem Luftumsatz von 4300 m³/h trägt zum Komfort der modernen Hütte bei.

Trotzdem wird die Hütte kein Luxushotel auf 3000 Meter werden. „Fließend kaltes Wasser, Toiletten im Haus und für jeden Gast einen Sitzplatz in der Gaststube – das ist der Minimal-Luxus, den wir dem Bergsteiger bieten müssen“, sagt Peter Planche vom SAC der Sektion Monte Rosa. Warmes Wasser für die Dusche kostet extra. Die alte Hütte, die für 160 Gäste ausgelegt war, wird im Zuge des Neubaus abgerissen. Eine energetische Sanierung war laut SAC dringend notwendig gewesen, aber zu aufwendig. Für manch Nostalgiker ein herber Schlag. Die alte Hütte wurde 1856 errichtet und viele Male umgebaut. Urgemütlich und verwinkelt liegt sie nur einen Steinwurf unterhalb der neuen Monte Rosa-Hütte.

Den Charme der alten Hütte wird die neue Monte Rosa-Hütte nicht erlangen können, aber sie wird ein Meilenstein in der 145-jährigen Hüttengeschichte sein. Und trägt dazu bei, dass innovatives Bauen – in architektonischer und energetischer Hinsicht – auch in den Alpen vorwärts kommt.

Klempnerarbeiten

Fassade und Dach aus Alu

Der Klempnerauftrag beinhaltet die Unterkonstruktion ab Unterdach mit Konterlattung und Holzschalung. Darauf wurde direkt die Metallbekleidung verlegt. Die gesamte Dach-/Fassadenfläche beträgt 800 m2. Zur Ausführung kam Aluminium blank in der Dicke von 0,8 mm. Zur Befestigung und Verbindung der verschiedenen Blechbahnen erfolgte in Doppelstehfalztechnik. Bedingt durch die Dachfenstermaße wurde ein Achsmaß von 720 mm festgelegt. Diese wurden in zwei unterschiedlichen Blechbahnenbreiten produziert. Mit den Achsmaßen von je 1 x 320 mm und 1 x 400 mm erhielt man eine gewollte Unregelmäßigkeit. Die maximale Bahnenlänge beträgt 3000 mm.

Da es für solche Bauten keine Berechnungsgrundlagen der Blechbekleidungen gab, musste auf die Erfahrungswerte der ausführenden Unternehmungen zurückgegriffen werden. Die Spenglerei Arnold AG aus Flüelen in der Schweiz hat bewiesen, dass architektonische Herausforderungen mit der heutigen Spenglertechnik ausgeführt werden können.

Technische Daten

Projektteam Matthias Sulzer, Lauber IWISA AG, Naters Urs-Peter Menti, Zentrum für Integrale Gebäudetechnik, Hochschule Luzern

Blockheizkraftwerk Das rapsölbetriebene BHKW wird über eine separate Heizungsgruppe eingebunden. Der Betrieb wird ent­weder durch den Ladezustand der Batterie oder des Wärmespeichers freigegeben bzw. gesperrt.

Technische Daten

Rapsöl, synthetischer Diesel oder Ökodiesel

Elektrische Leistung max. 12 kW (je nach Luftdichte und Treibstoffqualität)

Heizleistung bis 27 kW

Thermische Solarkollektoren

Die nach Süd-Westen ausgerichteten Solarkollektoren mit einer Neigung von rund 70° erwärmen den Kombispeicher mit Schichtladeeinrichtung und integrierter Trinkwassererwärmung. Die technischen Daten der thermischen Solarkollektoren sind:

24 Stück Hochleistungs-Flach­kollektoren für Außenaufstellung (56 m2 Absorptionsfläche)

Edelgasgefülltes Antireflex-Doppelglas und hochselektive Absorber­beschichtung

Bruttomaße 1320 x 2220 x 165 mm, Kollektorfläche 2,93 m2, Absorberfläche 2,59 m2

Daten des Heizungsspeichers mit ­integriertem Warmwasserspeicher

Heizungsspeicher total 5500 Liter

Integrierter Warmwasserspeicher 280 Liter Wasseraufbereitung

Zum Einsatz kam eine mikrobiologische Kläranlage

Terra-Link, mikrobiologische Kläranlage

Energiebedarf: 39 kWh/Reinigungszyklus

Speicherkapazität: 4,5 m³