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Reduzierung der Kaltwassertemperaturen – Teil 1: Passive Maßnahmen

  • Praxisbeobachtungen zeigen, dass insbesondere die Anforderungen an den Wasser­austausch und die Temperaturhaltung im kalten Trinkwasser aufgrund der realisierten technischen Konzepte im Betrieb häufig nicht oder nicht durchgehend eingehalten werden.
  • Eine Kontamination des kalten Trinkwassers mit Legionellen lässt sich nachträglich nur noch mit aufwendigen Maßnahmen besei­tigen bzw. kontrollieren. Es ist daher von großer Bedeutung, Kontamina­tionen bereits durch optimierten konstruktiven Aufbau des Rohrnetzes in Kombination mit Überwachungsprozessen zu verhindern.
  • Wird die Trinkwassertemperatur kalt dauerhaft unter 20 °C gehalten, sinkt das Kontaminationsrisiko auf ein Minimum. Wie schnell sich das nach einem Entnahmevorgang stagnierende Kaltwasser wieder erwärmt, ist von der Umgebungslufttemperatur, dem Wasserinhalt der Rohrleitung und von den Eigenschaften der Leitungsdämmung abhängig.
  • Die vorgestellten passiven Maßnahmen zielen darauf ab, die Umgebungslufttemperatur im Verlegebereich der Leitungen zu ­reduzieren und den Wasseraustausch zu erhöhen. Selten durchströmte Stockwerks- und Einzelzuleitungen mit geringem ­Innendurchmesser (DN 12 / DN 15) sind besonders temperaturkritisch.
  • Berechnungen zeigen, dass sich das Problem der kritischen Überwärmung der Kaltwasserleitungen nicht allein durch Dämmmaßnahmen lösen lässt. So weit wie technisch möglich sollten weitere Maßnahmen zur Begrenzung/Verhinderung einer Wärmeübertragung und zur Intensivierung des Wasseraustauschs realisiert werden.
  • Ein erster Schritt zur Verbesserung des ­Wasseraustauschs in temperaturkritischen Leitungen ergibt sich, wenn die Stockwerks­installationen statt mit den in der Vergangenheit üblichen Stich­leitungen mit sogenannten Reihen­leitungen ausgestattet ­werden. Am Ende der Reihenleitung ist der ­Anschluss der am häufigsten ­genutzten Entnahmestelle sinnvoll.
  • Allerdings zeigen Ergebnisse aus Modellrechnungen, dass in Reiheninstallationen trotz Realisierung aller passiven Maßnahmen die aus den Regelwerken resultierenden Temperaturanforderungen für das kalte Trinkwasser ohne automatisierte (aktive) Prozesse zur Temperaturhaltung nicht dauerhaft eingehalten werden können.
  • Häufiger als erwartet werden in Trinkwasser-Installationen Kontaminationen des kalten Trinkwassers mit Legionellen nachgewiesen [1]. Diese Kontaminationen lassen sich fast immer auf zu hohe Temperaturen des Kaltwassers in Stagnationsphasen zurückführen (Bild B). Vor allem in Gebäuden mit besonderer Nutzung (Krankenhäuser, Pflegeheime sowie andere medizinische Einrichtungen) besteht dadurch eine erhöhte Infektionsgefährdung aufgrund möglicher immunsupprimierender Grunderkrankungen oder medikamentöser Therapien bei Patienten und Heimbewohnern. Probleme bereiten in erster Linie große Leitungssysteme mit ungenügendem Durchfluss [2].

    Letztlich verantwortlich für die gesundheitliche Unbedenklichkeit des abgegebenen Trinkwassers ist nach Trinkwasserverordnung (­TrinkwV) [3] der Eigentümer der Installation bzw. der Betreiber. Es ist daher in hohem Interesse der für den Betrieb Verantwortlichen, dass durch einen optimierten Aufbau der Trinkwasser-Installation, in Kombination mit automatisierten Überwachungsprozessen, das diesbezügliche Betriebsrisiko minimiert wird.

    Einflussfaktoren auf die hygienische Qualität des Trinkwassers

    Fakultative, opportunistische Krankheitserreger, wie Legionellen, atypische Mykobakterien, Pseudomonas aeruginosa usw., finden speziell in Trinkwasser-Installationen von Gebäuden häufig optimale Lebens- und Vermehrungsbedingungen vor, sowohl im Warm- als auch im Kaltwasser [4].

    Gemäß DIN 1988-200 müssen Trinkwasser-Installationen so geplant werden, dass an allen Entnahmestellen die Trinkwasserqualität den Anforderungen der TrinkwV genügt [5].

    Neben Wasseraustausch, Temperaturhaltung und Art der Durchströmung hat der Eintrag von Nährstoffen nachhaltigen Einfluss auf die hygienische Qualität des Trinkwassers. Beobachtungen aus der Praxis zeigen allerdings, dass in der Gesamtkette Planung, Ausführung und Betrieb immer noch massive Verletzungen grundlegender Anforderungen vorkommen.

    Insbesondere zum Wasseraustausch und zur Temperaturhaltung im kalten Trinkwasser gibt es im Technischen Regelwerk für Planung, Bau und Betrieb von Trinkwasser-Installationen eine Vielzahl von Regeln, die aufgrund der realisierten technischen Konzepte im laufenden Betrieb häufig nicht oder nicht durchgehend eingehalten werden (Bild B und Bild H).

    A Einflussfaktoren auf die Trinkwassergüte.

    Bild: RKI

    A Einflussfaktoren auf die Trinkwassergüte.

    Zielsetzungen zur Sicherstellung der Trinkwassergüte

    Durchströmung verbessern

    Die Hydraulik der Trinkwasseranlage beeinflusst in erster Linie nicht die Artenzusammensetzung der Biofilme, hat aber einen entscheidenden Einfluss auf deren mechanische Stabilität. EPS (Schleim) bietet Schutz und eine gewisse physikalische Stabilität gegenüber Scherkräften.

    Bei Stagnation oder geringen Fließgeschwindigkeiten des Trinkwassers erfolgt das Biofilmwachstum sehr unregelmäßig mit Bildung von Poren und Kanälen, mit der Folge geringer mechanischer Stabilität und damit der Gefahr einer infektionsrelevanten Ablösung. Bei hohen Fließgeschwindigkeiten und konstanten Scherkräften wird der Biofilm in seiner Mächtigkeit begrenzt und wächst kompakt und fest auf den Grenzflächen, was ein Abreißen stark erschwert.

    Wasseraustausch erhöhen

    Stagnation ist der wohl kritischste Faktor für die Vermehrung fakultativ-pathogener Krankheitserreger. Dies wird durch eine große Vielzahl nationaler und internationaler Regelungen (WHO, ECDC, HSE GB, ISSO NL) bestätigt, in denen der Stagnation die primäre Rolle für eine Verschlechterung der Wasserqualität in Gebäuden beigemessen wird.

    Hygienekritische Temperaturen vermeiden

    Niedrige Temperaturen bieten den Erregern schlechte oder keine Wachstumsbedingungen. Temperaturen nahe des Wachstumsoptimums ermöglichen ein schnelles Wachstum. Bei Legio­nellen, atypischen Mykobakterien, aber auch bei Pseudomonas aeruginosa sind Temperaturbereiche > 20 °C (25 °C) und < 55 °C – insbesondere aber von 30 bis 40 °C – strikt zu vermeiden (Bild B).

    Warmwasser

    In Gebäuden des Gesundheitswesens ist bei ­Planung, Bau und Betrieb von Trinkwasser-Installatio­nen zusätzlich zu der DIN EN 806 in Verbindung mit DIN 1988, dem DVGW-Regelwerk, den VDI-Richtlinien usw. die „Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention“ des Robert Koch-Instituts (RKI) zu berücksichtigen.

    Darin ist u. a. folgende Anforderung an die Funktionalität von Trinkwasser-Installationen enthalten: „Für die Installation von Systemen sind Zirkulations­leitungen mit möglichst kurzen Verbindungen zur Entnahmestelle anzustreben. In diesen Zirkulationsleitungen darf die Warmwassertemperatur 55 °C nicht unterschreiten. […] Die Warmwassertemperatur muss unmittelbar vor dem Mischen am Auslass noch mindestens 55 °C betragen.“

    Wie die jahrzehntelange Erfahrung zeigt, ist eine gesundheitlich relevante Belastung des erwärmten Trinkwassers mit Krankheitserregern nicht mehr zu erwarten, wenn dieses Ziel dauerhaft erreicht wird (Bild A).

    ­B Beprobungsergebnisse: Zusammenhang zwischen der Temperatur des „kalten“ ­Trinkwassers nach Ablauf von 1 l Wasser und einer endständigen Kontamination mit ­Legionellen.

    Bild: Rickmann

    ­B Beprobungsergebnisse: Zusammenhang zwischen der Temperatur des „kalten“ ­Trinkwassers nach Ablauf von 1 l Wasser und einer endständigen Kontamination mit ­Legionellen.

    Kaltwasser

    Häufiger als erwartet werden auch in neu erstellten Installationen immer noch Kontaminationen des kalten Trinkwassers mit Legionellen nachgewiesen. Diese Kontaminationen lassen sich fast immer auf zu hohe Temperaturen des Kaltwassers in Stagnationsphasen zurückführen (Bild B). Anders als in Warmwasserinstallationen lässt sich im kalten Trinkwasser eine einmal erfolgte Besiedlung nachträglich meistens nur noch mit aufwendigen Spülprozessen in Verbindung mit chemischen Desinfektionsmaßnahmen beseitigen bzw. kontrollieren. Es ist daher von großer Bedeutung, dass eine Besiedlung der Trinkwasser-Installation mit fakultativen Krankheitserregern bereits durch einen verbesserten konstruktiven Aufbau des Rohrnetzes, kombiniert mit automatisierten Überwachungsprozessen, verhindert wird.

    Als technisch moderateste Temperaturanforderung an der Entnahmestelle gilt die sogenannte 30-Sekunden-Regel aus DIN 1988-200. Danach darf die Temperatur des kalten Trinkwassers bei bestimmungsgemäßem Betrieb maximal 30 ­Sekunden nach dem vollen Öffnen einer Entnahmestelle 25 °C nicht mehr übersteigen [6]. Wie eine Zusammenstellung internationaler Regelwerke über Anforderungen an Trinkwasser-Installationen zur Verminderung des Wachstums von Legionellen zeigt, wird weltweit allerdings überwiegend die Einhaltung einer Temperaturgrenze von 20 °C im kalten Trinkwasser gefordert [7].

    Auch in nationalen Regelwerken finden sich zum Einfluss der Temperatur auf das Vorhandensein von Legionellen gleichsinnige Hinweise. In der DVGW-Information Wasser Nr. 90 [8] und in der DVGW-Information Wasser Nr. 74 [9] heißt es dazu z. B.: „In der Praxis hat sich gezeigt, dass bei Trinkwassertemperaturen unter 20 °C nur sehr selten Legionellen nachgewiesen werden“ und in einem RKI-Ratgeber zur Legionellose: „Legionellen können auch in kaltem Wasser vorkommen, sich bei Temperaturen unter 20 °C aber nicht mehr nennenswert vermehren.“ [10]

    Im Planungsprozess für Trinkwasser-Installationen in Gebäuden mit besonderer Nutzung muss daher berücksichtigt werden, dass das Risiko einer Kontamination mit Legionellen im kalten Trinkwasser erst dann auf ein Minimum reduziert ist, wenn die Temperatur unabhängig von inneren und äußeren Wärmelasten dauerhaft unter 20 °C gehalten werden kann.

    Gemäß TrinkwV ist die Erhaltung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit des abgegebenen Trinkwassers eine zentrale Verantwortung des Eigentümers der Installation bzw. des Betreibers, die im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflicht für die Sicherheit des Trinkwassers sorgen müssen. Aufgrund der vorstehenden Zusammenhänge ist es erforderlich, dass der Planer einer Trinkwasser-Installation seinen Auftraggeber über den Zusammenhang zwischen der Kaltwassertemperatur und dem Betriebsrisiko informiert. Insbesondere darüber, dass sich mit höher zugelassenen Kaltwassertemperaturen (> 20 °C) sukzessive auch das Risiko und damit ggf. auch der betriebliche Aufwand für die Sicherung der Trinkwasserqualität erhöht.

    Es gilt die Regel: Je höher der Wasseraustausch und je geringer damit die Kaltwassertemperaturen sind, desto besser ist die mikrobiologische Qualität und Stabilität des Trinkwassers und desto geringer ist auch das Betriebsrisiko.

    Bei Neuplanungen von Trinkwasser-Installationen für Gebäude mit besonderer Nutzung müssen gemäß DIN 1988-200 die Planungsanforderungen mit dem Bauherrn/Betreiber abgestimmt werden. Danach muss ein Raumbuch erstellt werden, das eine Nutzungsbeschreibung und eine Konzeption für die Trinkwasser-Installation enthalten muss.

    Mit Erstellung des Raumbuchs müssen u. a. verbindliche Vereinbarungen zur Temperatur des kalten Trinkwassers und zur Nutzung der Entnahmearmaturen getroffen werden. Erst wenn diese Informationen vorliegen, können ein geeignetes Rohrnetz entworfen und die daraus resultierenden betrieblichen Erfordernisse im Hygieneplan festgelegt werden [11].

    Passive Maßnahmen zur Reduzierung der Kaltwassertemperaturen

    Wie schnell sich das nach einem Entnahmevorgang stagnierende Kaltwasser wieder erwärmt, ist von der Umgebungslufttemperatur, dem Wasser­inhalt der Rohrleitung und von den Eigenschaften der Leitungsdämmung abhängig. Ist die Umgebungslufttemperatur hoch (> 25 °C) und der Inhalt der Kaltwasserleitung gering, erfolgt die Erwärmung über 25 °C sehr schnell (Bild C). Selten durchströmte Stockwerks- und Einzelzuleitungen mit geringem Innendurchmesser (DN 12/DN 15) sind daher besonders temperaturkritisch.

    Die in der Folge aufgeführten passiven Maßnahmen zielen darauf ab, die Umgebungslufttemperatur im Verlegebereich der Leitungen zu reduzieren und den Wasseraustausch zu erhöhen. Diese Maßnahmen haben damit einen nennenswerten Einfluss auf die mittlere Temperatur des kalten Trinkwassers im Bereich der Stockwerksinstallationen und sollten so weit wie technisch möglich realisiert werden. Es gilt die Regel: Die Wärme, die vom Kaltwasser erst gar nicht aufgenommen wird, muss auch nicht zur Temperaturbegrenzung durch Spülen oder Kühlen wieder abgeführt werden.

    Reduzierung der Wärmeabgabe/Wärmeauf­nahme durch Dämmung der Leitungen

    Zirkulierende Warmwasserleitungen in den Stockwerksinstallationen müssen mindestens zu 100 % (DIN 1988-200, Tabelle 9) gedämmt werden. Eine mangelhafte Dämmung der zirkulierenden Warmwasserleitungen in diesem Bereich wurde in der Vergangenheit häufig als Ursache von Überwärmung und Kontamination des kalten Trinkwassers angesehen. Auch „die Trinkwasserleitungen kalt sind bei erhöhten Umgebungstemperaturen vor Erwärmung zu schützen“ [12].

    Die Dämmung der zirkulierenden Warmwasserleitung reduziert die Umgebungslufttemperatur in der Installationsvorwand, während die Dämmung der Kaltwasserleitung die Zeit verlängert, bis zu der die Kaltwassertemperatur eine kritische Grenze überschritten hat (Temperaturerhöhungszeit). Eine Beispielberechnung für einen Luftverbund Steigeschacht/Installationsvorwand verdeutlicht die Einflussnahme der Dämmung auf diese Parameter.

    Im Berechnungsbeispiel wird unterstellt, dass der Schacht mit Heizungsvor- und Rücklauf (70/55 °C) und Warmwasserleitungen (60/55 °C) voll belegt ist und das Warmwasser über die Stockwerksleitungen zirkuliert. Es wurden keine passiven Maßnahmen berücksichtigt.

    Die mangelhafte Dämmung (4 mm statt 20 mm) der zirkulierenden Stockwerksleitungen erhöht unter den vorgenannten Randbedingungen die Umgebungslufttemperatur in der Installationsvorwand um ∆ϑL ≈ 1 K und verkürzt die Temperaturerhöhungszeit um ≈ 1 Stunde. Die Beispielberechnung aus Bild C verdeutlicht, dass selbst die 100 %-Dämmung aus DIN 1988-200 eine kritische Temperaturerhöhung nur zeitlich verzögern, aber nicht grundsätzlich verhindern kann. Daher kann das Problem der kritischen Überwärmung der Kaltwasserleitungen nicht alleine nur durch Dämmmaßnahmen gelöst werden.

    C Einfluss der Dämmung auf die Temperaturerhöhungszeit und auf die Lufttemperatur in der Installationsvorwand nach einer Stagnationszeit von fünf Stunden.

    Bild: Kirchhoff/Rickmann

    C Einfluss der Dämmung auf die Temperaturerhöhungszeit und auf die Lufttemperatur in der Installationsvorwand nach einer Stagnationszeit von fünf Stunden.

    Reduzierung der wärmeabgebenden Oberfläche

    Es sollten nur Zirkulationssysteme realisiert werden, die nicht die Parallelführung von Verbrauchs- und Zirkulationsleitung erfordern. Das senkt die Wärmelasten im Verlegebereich der Kaltwasserleitungen und reduziert die Bereitschaftsverluste der Zirkulation (Bild D, Pkt. 5).

    Begrenzung der konvektiven Wärmeübertragung

    Die Kaltwasserleitungen und die warmgehenden Leitungen müssen in getrennten Schächten verlegt werden. Kann das baulich nicht realisiert werden, sollte eine thermische Trennung durch Abschottungsmaßnahmen zwischen warmgehenden Leitungen und der Kaltwasserleitung innerhalb des Schachtes hergestellt werden (Bild D, Pkt. 1). Grundsätzlich muss die konvektive Wärmeübertragung aus Schächten bzw. Zwischendecken in den Luftraum der Installationsvorwände durch Abschottungsmaßnahmen verhindert werden (Bild D, Pkt. 2).

    Innerhalb der so abgeschotteten Installationsvorwand müssen Warmwasserleitungen immer oberhalb und Kaltwasserleitungen immer unterhalb der Entnahmearmaturen geführt werden. Dadurch ergibt sich eine Temperaturschichtung innerhalb der Installationsvorwand und die konvektive Wärmeübertragung auf die Kaltwasserleitung wird weitestgehend unterbrochen. Die Wärme-/Bereitschaftsverluste der zirkulierenden Warmwasserleitungen werden reduziert (Bild D, Pkt. 3).

    Wärmeleitung über Entnahmearmaturen reduzieren

    Zur Verminderung einer Wärmeübertragung über die Entnahmearmatur müssen wandmontierte Entnahmearmaturen (Waschtisch/Dusche) warmwasserseitig immer mit einer Stichleitung von ca. 10 cm von oben und kaltwasserseitig immer von unten angeschlossen werden. Es sollten dafür thermisch trennende Bauteile verwendet werden (Bild D, Pkt. 4).

    Wärmeleitung über Armaturenanschlüsse (z. B. Wandscheiben) verhindern

    Bei „Rücken-an-Rücken“-Installation für zwei Nasszellen muss der metallische Kontakt gegenüberliegender Warm- und Kaltwasseranschlüsse für Dusch- und Waschtischarmaturen durch thermische Trennung unterbunden werden.

    Wasseraustausch in den Stockwerksleitungen erhöhen

    Es sollten Ringleitungen installiert werden, die mit einem Strömungsteiler an die Verteilungsleitung angeschlossen sind. Damit wird der Wasseraustausch in den Stockwerksleitungen signifikant erhöht und die mittlere Temperatur des kalten Trinkwassers bereits im laufenden Betrieb um ca. 3 bis 5 K abgesenkt (Bild D, Pkt. 6).

    D Prinzipdarstellung einer Stockwerksinstallation mit realisierten passiven Maßnahmen.

    Bild: Kemper/Dendrit/Rickmann

    D Prinzipdarstellung einer Stockwerksinstallation mit realisierten passiven Maßnahmen.

    Modellrechnungen

    Die folgenden Modellrechnungen sollen beispielhaft zeigen, welche grundsätzlichen Temperaturverläufe im kalten Trinkwasser in Abhängigkeit vom konstruktiven Aufbau der Stockwerksinstallationen und der Betriebsführung erwartet werden müssen.

    Das Berechnungsbeispiel betrachtet eine Trinkwasser-Installation mit horizontal verlaufenden Verteilungsleitungen in fünf Geschossen und umfasst insgesamt 100 Doppelnasszellen (Bild F). Alle Modellrechnungen basieren auf realen Volumenstrom- und Temperaturmesswerten (Messzeitraum 14 Tage) aus einer Trinkwasser-Installation mit unregelmäßiger Nutzung (Bild E).

    Die Messwerte zeigen zunächst, dass die Doppelnasszelle (Bild F) im Zeitraum von 14 ­Tagen über 6 Tage nicht genutzt wurde (Abzweig – hellblau dargestellte Messwerte Bild E). Länger andauernde Phasen mit Teilnutzung größerer Rohrnetzstrukturen lassen sich auch aus den Volumenstrommesswerten in der Stockwerks-Verteilungsleitung ableiten (Durchgang – dunkelblau dargestellte Messwerte Bild E).

    Die Erkenntnisse aus den folgenden Modellrechnungen können auf Trinkwasser-Installationen mit zu erwartender unregelmäßiger Nutzung, die sogenannten Risikoinstallationen, z. B. in Krankenhäusern, Seniorenwohnheimen, Kindergärten, Schulen und Gebäuden mit gewerblicher Nutzung (Hotels) usw., übertragen werden.

    Reihenleitungen

    Ein erster Schritt zur Verbesserung des Wasseraustauschs in temperaturkritischen Leitungen ergibt sich bereits, wenn die Stockwerksinstallationen statt mit den in der Vergangenheit üblichen Stichleitungen mit sogenannten Reihenleitungen ausgestattet werden. Mit Nutzung der am Ende angeordneten Entnahmearmatur werden dann alle Teilstrecken der Stockwerksinstallation bis hin zum jeweiligen Armaturenanschluss durchströmt. Ein Optimum für die Durchströmung ergibt sich, wenn die am häufigsten genutzte Entnahmestelle, das ist im Normalfall das WC, am Ende der Reihenleitung angeschlossen wird (Bild F) [13].

    Das Temperaturverhalten einer Reihenleitungskonstruktion in Abhängigkeit von der Wasserentnahme zeigen die Ergebnisse der Modellrechnungen. Bei unzureichender thermischer Entkopplung, spätestens aber in den Sommermonaten liegen die Lufttemperaturen in der Installationsvorwand bei 27 bis 28 °C. In längeren Stagnationsphasen folgt die Temperatur des kalten Trinkwassers der Umgebungslufttemperatur. Dadurch befindet sich die Kaltwassertemperatur im Mittel mehr als 18 Stunden am Tag über 25 °C (77 %). Im Betrachtungszeitraum liegt die mittlere Temperatur in der ersten Teilstrecke der Stockwerksinstallation bereits bei 25,8 °C (Bild G). Diese Betriebsverhältnisse müssen trinkwasserhygienisch als risikoreich bewertet werden.

    Die systemische Prüfung zum „Nachweis der einwandfreien Beschaffenheit zur Übergabe/Abnahme (Verantwortungsübergang)“ gemäß DIN 1988-200 bzw. VDI-Richtlinie 6023 wird in der Regel an Waschtischarmaturen vorgenommen (Bild H). Eine einfache Beispielberechnung verdeutlicht auch hier die Problematik: Nach einer unterstellten Stagnationszeit von fünf Stunden ist nicht nur das kalte Trinkwasser in den Stockwerksleitungen kritisch überwärmt, sondern auch in den in Zwischendecken verlegten Stockwerksverteilungsleitungen mit geringem Innendurchmesser.

    Im Beispielsfall befindet sich im Fließweg zur Entnahmearmatur ein Stagnationsvolumen von 9,22 l mit einer Temperatur > 25 °C. Selbst bei günstigsten Druckverhältnissen (Ruhedruck) kann aus der in Kaltwasserstellung voll geöffneten Entnahmearmatur maximal nur ein Volumenstrom von 12,2 l/min entnommen werden. Damit ergibt sich rechnerisch eine Ausstoßzeit für das überwärmte kalte Trinkwasser von 46 Sekunden (Bild H).

    Mit diesem Ergebnis ist die Trinkwasser-Installation sowohl auf Grundlage der DIN- als auch der VDI-Anforderungen rein formal gesehen nicht „einwandfrei beschaffen“. Diese Fehlfunktionen werden ggf. durch den Einsatz von wassersparenden Entnahmearmaturen zusätzlich noch einmal erheblich verstärkt.

    Wie auch dieses Beispiel zeigt, können mehr oder weniger alle Temperaturanforderungen für das kalte Trinkwasser aus dem Technischen Regelwerk (DIN/DVGW/VDI) ohne geeignete manuell ausgelöste Spülmaßnahmen durch den Betreiber oder ohne automatisierte (aktive) Prozesse zur Temperaturhaltung allgemeingültig nicht eingehalten werden. Diese Feststellung gilt auch dann noch, wenn alle sinnvollen Maßnahmen zur thermischen Entkopplung umgesetzt wurden.

    Im Hygieneplan muss daher festgelegt werden, dass bei fehlenden automatisierten Prozessen zur Temperaturhaltung der Betreiber durch geeignete manuell ausgelöste Spülmaßnahmen dafür sorgen muss, dass es im laufenden Betrieb nicht zu längeren Stagnationsphasen und damit auch nicht zu hygienekritischen Kaltwassertemperaturen kommt. Fehlt dieser Hinweis im Hygie­neplan, ist im Streitfall die Position des Planers geschwächt.

    E Messwerte für den Volumenstrom in der Stockwerksverteilungsleitung (Durchgang) und im Abzweig zur betrachteten Stockwerksinstallation.

    Bild: Kemper/Rickmann

    E Messwerte für den Volumenstrom in der Stockwerksverteilungsleitung (Durchgang) und im Abzweig zur betrachteten Stockwerksinstallation.

    Fazit

    Trotz Realisierung aller passiven Maßnahmen zur thermischen Entkopplung und zur Intensivierung des Wasseraustauschs, können in Gebäuden mit besonderer Nutzung nicht alle Temperaturanforderungen für das kalte Trinkwasser aus dem Technischen Regelwerk dauerhaft eingehalten werden.

    Die Erfahrung zeigt, dass letztlich eine unzulässige Temperaturerhöhung in Stockwerks- und Einzelzuleitungen – insbesondere auch in den Sommermonaten – nur durch automatisierte Prozesse, wie das temperaturgeführte Spülen oder die Kreislaufkühlung, sicher vermieden werden kann. Auf diese aktiven Maßnahmen geht Teil 2 des Beitrags, der in der SBZ 05.24 erscheint, ausführlich ein.

    F Doppelnasszelle mit einer Reiheninstallation.

    Bild: Kemper

    F Doppelnasszelle mit einer Reiheninstallation.
    G Temperaturverlauf des kalten Trinkwassers in einer Reiheninstallation in Abhängigkeit von der Wasserentnahme.

    Bild: Kemper/Rickmann/Dendrit

    G Temperaturverlauf des kalten Trinkwassers in einer Reiheninstallation in Abhängigkeit von der Wasserentnahme.
    H Berechnetes Temperaturzapfprofil nach einer Stagnationszeit von fünf Stunden an der markierten Entnahmearmatur (Entnahmevolumenstrom bei Ruhedruck: 12,2 l/min).

    Bild: Rickmann/Dendrit

    H Berechnetes Temperaturzapfprofil nach einer Stagnationszeit von fünf Stunden an der markierten Entnahmearmatur (Entnahmevolumenstrom bei Ruhedruck: 12,2 l/min).

    Literatur

    [1] Flemming, C. et al.: Erkenntnisse aus dem BMBF-Verbundprojekt „Biofilme in der Trinkwasserinstallation“, Bundesministerium für ­Bildung und Forschung, 2010

    [2] Robert Koch-Institut (RKI): Legionellose – Dokumente für Gesundheitsämter – Primärprävention von Legionellosen, Juli 2019

    [3] Trinkwasserverordnung (TrinkwV) vom
    20. Juni 2023, BGBl. 2023 I Nr. 159

    [4] Mathys, W.: Legionella, Pseudomonas und Co. – Kemper Kompetenzbroschüre – ­Fakultative opportunistische Krankheitserreger in Trinkwasser-Installationssystemen von ­Gebäuden, 2. Auflage, Mai 2019

    [5] DIN 1988-200: Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen – Teil 200: Installation Typ A (geschlossenes System) – Planung, Bauteile, Apparate, Werkstoffe, Mai 2012, Kap. 3.2 Grundlagen

    [6] DIN 1988-200: Technische Regeln für ­Trinkwasser-Installationen – Teil 200: ­Installation Typ A (geschlossenes System) – ­Planung, Bauteile, Apparate, Werkstoffe, Mai 2012, Kap. 3.6 Betriebstemperatur

    [7] Mathys, W.: Legionella, Pseudomonas und Co. – Kemper Kompetenzbroschüre – ­Fakultative opportunistische Krankheitserreger in Trinkwasser-Installationssystemen von Gebäuden, 2. Auflage, Mai 2019, Tabelle 17

    [8] DVGW-Information Wasser Nr. 90: Informationen und Erläuterungen zu Anforderungen des DVGW-Arbeitsblattes W 551, März 2017

    [9] DVGW-Information Wasser Nr. 74: Hinweise zur Durchführung von Probennahmen aus der Trinkwasser-Installation für die Untersuchung auf Legionellen, Januar 2012

    [10] Robert Koch-Institut (RKI) – Epidemiologisches Bulletin Nr. 36: RKI-Ratgeber Legionellose – Aktuelle Daten und Informationen zu Infektions­krankheiten und public health, ­September 2019

    [11] DIN 1988-200: Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen – Teil 200: Installation Typ A (geschlossenes System) – Planung, Bauteile, Apparate, Werkstoffe, Mai 2012, Kap. 8 Planungs- und Ausführungsunterlagen

    [12] DIN 1988-200: Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen – Teil 200: Installation Typ A (geschlossenes System) – Planung, Bauteile, Apparate, Werkstoffe, Mai 2012, Kap. 14.2.6/14.2.7 Dämmung von Trinkwasserleitungen

    [13] Tagungsbericht: Ergebnisse einer Expertenanhörung am 31.03.2004 im Universitätsklinikum in Bonn, veröffentlicht im Bundesgesundheitsblatt 2006 49, S. 681-686

    Weitere Infos auf www.sbz-online.de

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    Mehr rund um das Thema Trinkwasser-Installation erfahren Sie in unserem Online-Dossier unter:
    www.bit.ly/sbz_twi

    Autoren

    Prof. Dr.-Ing. Carsten Bäcker
    ist tätig an der FH Münster – Fachbereich Energie · Gebäude · Umwelt im Lehr- und Forschungsgebiet „Integriertes Planen und Sanitärtechnik“.

    Bild: Maxi Krähling

    Prof. Dipl.-Ing. Bernd Rickmann
    ist ehem. Prof. der FH ­Münster – Fachbereich Energie · Gebäude · Umwelt.

    Bild: Bernd Rickmann

    Prof. Dr. Werner Mathys
    ist ehem. Leiter des Bereichs Umwelthygiene und Umweltmedizin am Institut für Hygiene der WWU Münster.

    Bild: Werner Mathys

    Prof. Dr. Lars Rickmann
    ist tätig an der SRH Hochschule in NRW, Campus Hamm, im Fachbereich Technik und Wirtschaft.

    Bild: Lars Rickmann

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