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Hygienisch konstruierte RLT-Anlagen

Arbeitsstätten sicher und flexibel nutzbar machen

Ein Pausenraum wird zum Arbeitsplatz, ein Abstellraum zum Büro – die Coronakrise macht Unternehmen erfinderisch, um unter Einhaltung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregeln die Abläufe in Betrieben aufrechtzuerhalten, falls mobiles Arbeiten keine Option ist. Diese neue, außergewöhnliche Situation legt aber zugleich einen alten Missstand offen: Die hygienische Auslegung von raumlufttechnischen Anlagen (RLT-Anlagen) entspricht vielfach nicht den Anforderungen für Arbeitsstätten. Andererseits hat der Kampf gegen das Virus das Bewusstsein für den Wert einer hohen Raumluftqualität gesteigert. Lüftungsplaner sind daher umso mehr gefordert, Bauherren und Architekten bezüglich erforderlicher Hygienestandards von RLT-Anlagen aufzuklären, damit Räume bei höchstmöglicher Flexibilität als Arbeitsplatz nutzbar bleiben.

Die Hygieneanforderungen der VDI 6022 betreffen Räume, in denen sich ­bestimmungsgemäß Personen länger als zwei Stunden aufhalten und die über RLT-Anlagen belüftet werden.

Bild: Systemair

Die Hygieneanforderungen der VDI 6022 betreffen Räume, in denen sich ­bestimmungsgemäß Personen länger als zwei Stunden aufhalten und die über RLT-Anlagen belüftet werden.

Maßgebende Gesetze, Verordnungen und Regelwerke

Welche Hygienevorgaben bei der Auslegung von Lüftungsanlagen in Arbeitsstätten gelten, leitet sich aus vielen, durch Bezüge verbundene Gesetze, Verordnungen und Regelwerke ab. Während das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) die grundsätzlichen Fürsorgepflichten des Arbeitgebers zur Wahrung der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten definiert, geht die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) mehr ins Detail und beschreibt konkrete Anforderungen für Arbeitsräume. Dazu zählt auch die Lüftung. So muss „unter Berücksichtigung des spezifischen Nutzungszwecks, der Arbeitsverfahren, der physischen Belastungen und der Anzahl der Beschäftigten sowie der sonstigen anwesenden Personen während der Nutzungsdauer ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft vorhanden sein“ (Anhang 3.6, ArbStättV).

Was eine „ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft“ ausmacht, beschreibt die Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A3.6. Darin sind auch Berechnungsgrundlagen zu finden, wie die geforderte Innenraumluftqualität durch eine freie Lüftung – beispielsweise über Fensteröffnung – sicherzustellen ist. Häufig lassen die baulichen Gegebenheiten, der Außenlärm oder negative Auswirkungen auf die Arbeitsabläufe eine Fensterlüftung nicht zu. Daher wird für Arbeitsstätten in den meisten Fällen eine RLT-Anlage installiert. Grundlegende Anforderungen von der Auslegung bis zur Inbetriebnahme, Wartung und Prüfung sind ebenfalls in der ASR A3.6. festgeschrieben.

Für Details verweisen sowohl die ArbStättV als auch die ASR darauf, dass RLT-Anlagen dem Stand der Technik entsprechen müssen. Was die nationalen Hygienestandards betrifft, finden die sich in der Richtlinie VDI 6022 und der Norm DIN 1946-4. Die aktuellsten Vorgaben für RLT-Geräte hat der europäische Verband der Lüftungsgerätehersteller Eurovent entwickelt. Die Richtlinie „Eurovent Hygiene Air Handling Unit“ (Eurovent HAHU) enthält außer der Definition von Hygienestandards, ähnlich der VDI 6022, zusätzlich Vorgaben für regelmäßige Audits. Dabei wird von unabhängigen Fachleuten überprüft, ob der Hersteller die zugesagten Geräteeigenschaften im laufenden Fertigungsprozess einhält.

Hygieneanforderungen nach VDI 6022

Die VDI 6022 definiert Hygieneanforderungen von RLT-Anlagen für übliche Arbeitsplätze wie Büros und Fertigungsstätten. Höhere Standards gibt die DIN 1946-4 vor, beispielsweise für Operationssäle in Krankenhäusern. Besondere Gefährdungen der Innenraumluft durch Schadstoffemissionen am Arbeitsplatz hingegen fallen wiederum in den Zuständigkeitsbereich der Gefahrstoffverordnung. Ebenso sind spezielle Anforderungen an Reinräume oder in der Lebensmittelindustrie gesondert zu betrachten.

Die VDI 6022 ist auf RLT-Anlagen und -Geräte anzuwenden, die Räume oder geschlossene Aufenthaltsbereiche versorgen, in denen sich Personen bestimmungsgemäß mehr als 30 Tage pro Jahr oder regelmäßig länger als zwei Stunden pro Tag aufhalten. Dies ist bereits ein maßgeblicher Hinweis, bei welcher Raumnutzung RLT-­Anlagen ­Hygienestandards erfüllen müssen. Abluftanlagen fallen im Übrigen nur dann in die Zuständigkeit dieser Richtlinie, wenn sie die Zuluftqualität durch Umluft beeinflussen können.

Um eine Betriebsstätte flexibel nutzen zu können, sind Lüftungsplaner daher gut beraten, Bauherren eine Ausschreibung der RLT-Anlage nach VDI 6022 oder Eurovent HAHU zu empfehlen. Denn der Aufenthalt von Personen in einem Raum über mehr als zwei Stunden hinweg pro Tag ist schnell erreicht. Auch Räume, in denen sich Personen bestimmungsgemäß weniger als 30 Tage im Jahr aufhalten, dürften in den meisten Betrieben die Ausnahme sein.

Muss eine RLT-Anlage Hygieneanforderungen nach VDI 6022 bzw. Eurovent HAHU erfüllen, hat das aber Auswirkungen auf die Bauweise der Anlage, die erste Hygieneinspektion vor der Inbetriebnahme und die Hygienekontrollen im laufenden Betrieb.

Zu den gesetzlichen Anforderungen an RLT-Anlagen gehört, dass die Innenraumluft der Außenluftqualität entspricht. Ist die Außenluft besonders belastet, sind zusätzliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Bild: Systemair

Zu den gesetzlichen Anforderungen an RLT-Anlagen gehört, dass die Innenraumluft der Außenluftqualität entspricht. Ist die Außenluft besonders belastet, sind zusätzliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Hygieneanforderungen machen Anlagen größer

Von der Anlagentechnik dürfen keine Belastungen der Raumluftqualität ausgehen. Dazu kann es kommen, wenn Staub, Viren, Pilze durch Schimmelbefall der Anlage oder sonstige Schadstoffe von dort in den Zuluftstrom übertragen werden. Um das zu verhindern, macht die VDI 6022, Blatt 1, konstruktive Vorgaben für den Anlagenbau.

Für Lüftungsfachleute besonders wichtig: Bei einer Hygieneauslegung nach VDI 6022-1 wird die Anlage zwangsläufig größer. Der Grund ist einfach: Die Norm verlangt ausreichend große Inspektions- und Reinigungsöffnungen und darüber hinaus entsprechende Freiflächen für den ungehinderten Zugang. Das muss bei der Planung des Technikraums berücksichtigt und dem Architekten kommuniziert werden.

Größer wird die RLT-Anlage auch vielfach durch den Einbau von zwei Filterstufen, die je nach Außenluftqualität und angestrebter Innenluftqualität erforderlich sind. Für die Kombination der passenden Filterstufen und Filterklassen gibt die DIN EN 16798-3 Hilfestellung. Sie setzt drei Qualitätsstufen der Außenluft (Outdoor Air, ODA, 1 bis 3) ins Verhältnis zu vier Qualitätsanforderungen der Zuluft (Supply Air, SUP, 1 bis 4, nach Eurovent SUP 1 bis 5).

VDI-6022-konforme RLT-Geräte sehen in der Regel einen Filter für die Außenluft vor. Er verhindert, dass grober Schmutz in das Gerät gelangt, und steigert als Vorfilter die Standzeit des Filters am Zulufteinlass. Beim Umluftbetrieb ist ebenfalls das Prinzip der zwei Filterstufen zu bevorzugen, um Verunreinigungen der Frischluft zu verhindern – hier dient ein Abluftfilter als Vorfilter. Es gibt auch Fälle, in denen ein Filter ausreichend ist. Dann muss dieser alleinige Frischluftfilter jedoch eine höhere Qualität haben. In den meisten Fällen kommen aber zwei Filter zum Einsatz.

Zu berücksichtigen ist bei der Festlegung der Filterklassen und -stufen, dass der Druckverlust der Filter mit der Abscheideleistung steigt.

Für die Baureihe „Geniox“ hat Systemair das Konzept „Hygienic by Design“ entwickelt. Damit werden generell die wesentlichen Hygieneanforderungen der VDI 6022 und Eurovent HAHU konstruktiv erfüllt, wie z. B. glatte Oberflächen im Inneren.

Bild: Systemair

Für die Baureihe „Geniox“ hat Systemair das Konzept „Hygienic by Design“ entwickelt. Damit werden generell die wesentlichen Hygieneanforderungen der VDI 6022 und Eurovent HAHU konstruktiv erfüllt, wie z. B. glatte Oberflächen im Inneren.

Weitere konstruktive Hygieneanforderungen

Damit sich im RLT-Gerät möglichst wenig Schmutz sammelt und bei der regelmäßigen Reinigung Anhaftungen vollständig beseitigt werden können, schreibt die VDI 6022-1 glatte Flächen ohne scharfe Kanten oder Vertiefungen vor. Elektrische Leitungen sind dafür vorzugsweise außen am Gerät zu verlegen und innen so zu schützen, dass sie nicht zu Schmutzfängern werden. Besonderer Wert wird auch auf den Korrosionsschutz der Materialien gelegt.

Viele dieser Vorgaben erfüllen beispielsweise die modularen Lüftungsgeräte der Baureihe „Geniox“ von Systemair bereits generell – auch wenn keine Hygieneanforderungen nach VDI 6022 gestellt werden. Zum Konzept „Hygienic by Design“ des Herstellers zählt darüber hinaus, nur solche Zukaufteile einzusetzen, die ebenfalls den Hygienestandards der VDI-Richtlinie entsprechen. Außerdem entsprechen die Metallteile des Gehäuses der Korrosionsschutzklasse C4 (nach ISO 12944). Damit sind die „Geniox“-Lüftungsanlagen grundsätzlich für Industrie- und Küsteneinsatzgebiete mit mäßigem Salzgehalt geeignet.

Wird ein Lüftungsgerät nach VDI 6022-1 ausgeschrieben, kommen zu den Hygienestandards weitere Ausstattungsmerkmale hinzu. Dazu gehören beispielsweise größere Revisions- und Reinigungsöffnungen. Die Konformität des RLT-Geräts mit den nationalen VDI-Vorgaben bzw. den internationalen Eurovent-Standards lässt das Unternehmen dann abschließend durch ein externes deutsches Prüflabor bestätigen.

Der große Mehrwert dieser Eurovent-Zertifizierung besteht für Lüftungsfachleute und Bauherren nicht alleine in der unabhängigen Überprüfung der Qualität des Lüftungsgeräts durch Audits in der Fertigung des Herstellers. Bedingung für ein Eurovent-Zertifikat ist außerdem, dass für das Gerät eine zuverlässige Auslegungssoftware zur Verfügung steht, wie zum Beispiel „SystemairCAD“ für die RLT-Geräte des Herstellers. Die Richtigkeit der ausgegebenen Daten wird regelmäßig geprüft. Dazu vergleicht der Verband die Werte der Auslegungssoftware mit den realen Leistungsdaten eines gefertigten Lüftungsgeräts.

Hygieneinspektionen nach VDI 6022-1.1

Ergibt die Raumnutzung einer Arbeitsstätte, dass die Ausschreibung der RLT-Anlage nach VDI 6022 erforderlich ist, hat das aber nicht nur Konsequenzen für den Bau der Anlage. Automatisch kommt dann auch das Blatt 1.1 der Richtlinie zum Ansatz. Es beschreibt die Hygiene-Erstinspektion der Lüftungsanlage vor Inbetriebnahme. Anhand einer Checkliste mit 104 Positionen aus 14 Teilbereichen wird die Konformität der Anlage mit den Hygieneanforderungen der VDI 6022 überprüft. Bei der ersten Hygieneinspektion werden außerdem Mindestprüforte für Hygienekontrollen und Wiederholungs-Hygieneinspektionen festgelegt. Hygieneinspektionen sind bei RLT-Anlagen ohne Befeuchtung alle drei Jahre vorzunehmen, bei Anlagen mit Befeuchtung alle zwei Jahre.

Zur Inspektion gehört zunächst eine Sichtprüfung. Dabei wird die Anlage auf Verschmutzungen, Korrosion, Kalkablagerungen und Beschädigungen untersucht. Anschließend folgt die mikrobiologische Prüfung mit Abklatschproben und Wassertests.

Für Wartungsarbeiten der RLT-Anlage, die über die Hygieneinspektion hinausgehen, hat der Lüftungsfachmann ein Konzept zu erstellen.

Fazit

Der Hygienebegriff für raumlufttechnische Anlagen ist in Gesetzen und Verordnungen nicht eindeutig definiert. Das mag ein Grund sein, warum viele RLT-Anlagen ohne Hygieneanforderungen ausgeschrieben werden. Ein Herstellerkonzept wie das „Hygienic by Design“ von Systemair verfolgt das Ziel, RLT-Geräte generell hygienefreundlich zu bauen und sich dabei an den Standards der VDI 6022 und Eurovent HAHU zu orientieren.

Lässt die Raumnutzung einer Arbeitsstätte jedoch erkennen, dass sich dort häufiger als 30 Tage im Jahr bzw. länger als zwei Stunden am Tag Personen bestimmungsgemäß aufhalten, ist die RLT-Anlage nach VDI 6022 oder Eurovent HAHU auszuschreiben. So ist der Hygieneerhalt der RLT-Anlage konsequent sichergestellt.

Autor

Daniel Bundschuh 
ist bei der Systemair GmbH u. a. als ­Produktmanager für modulare ­Lüftungsgeräte tätig. Zudem wirkt er in Verbänden mit, wie beispielsweise der EVIA.

Bild: Systemair

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