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Qualitätsmängel schaden der Technologie

Tacheles am Bohrloch

Man mag es kaum glauben, aber es kommt immer noch vor, dass angelernte Friseure im Akkord Bohrlöcher für Erdwärmesonden abteufen. Leider gibt es auch ­renommierte und zertifizierte Bohrunternehmen, die die Vorgaben des DVGW-Arbeitsblatts W 120 missachten, unpassendes Bohrgerät einsetzen, keine Notfallausrüstung parat haben und es mit der Verfüllung des Bohrloches nicht so genau nehmen. Nach einer Häufung von Schadensfällen in Baden-Württemberg – allein in Staufen im Breisgau wird der Schaden durch vermeintliche Kosten­einsparungen bei der geologischen Recherche und durch den Zuschlag an die preiswerteste Bohrfirma auf mittlerweile 60 Millionen Euro geschätzt – zog die Landesregierung in Stuttgart die Notbremse und verhängte einen Quasi-Bohrstopp, das heißt, die Bohrtiefe wurde auf den ersten Grundwasserleiter begrenzt.Inzwischen hat sich das Umweltministe­rium Baden-Württemberg mit den Branchenverbänden auf eine breit angelegte Qualitäts­offensive geeinigt. Dabei geht es in erster ­Linie um die Durchsetzung des Arbeitsblatts DVGW W 120-2, eine forcierte Zertifizierung der Bohrunternehmen sowie um mehr Kontrolle durch externe Sachverständige beim Bohr- und Verfüllprozess. Die Messe Offenburg als Ausrichter der Geotherm hat deshalb das diesjährige Kongressprogramm beim Thema oberflächennahe Geothermie ganz auf die Qualitätssicherung abgestimmt.

Baden-Württemberg legte Vollbremsung hin

In keinem Bundesland wurde die oberflächennahe Geothermie von politischer Seite so forciert wie in Baden-Württemberg. In keinem Bundesland wurde nach einer Häufung von Schadensfällen dann derart auf die Bremse getreten wie im Südweststaat. Letztendlich brachten drei gravierende Schadensereignisse innerhalb von drei Wochen das Fass zum Überlaufen. Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft verhängte am 18. August 2011 kurzerhand einen Quasi-Bohrstopp. Hauptprobleme waren angebohrte gespannte Grundwasserleiter und die ungenügende Abdichtung von Bohrlöchern. Von offiziellen Stellen wurden in Baden-Württemberg innerhalb der letzten beiden Jahre 84 gravierende Schadensmeldungen registriert (2010: 62 Fälle, 2011: 22) bei insgesamt 25000 niedergebrachten Erdwärmesonden. Allerdings wird von Geothermie-Fachleuten die Grauzone als nicht unerheblich eingeschätzt. Interessant ist, dass auch nach DVGW W 120 zertifizierte Bohrunternehmen mit guter Reputation und viel Erfahrung mit Schäden zu kämpfen hatten.

Die Konsequenzen aus der Schadenshäufung ließen nicht lange auf sich warten. Zusammen mit den Branchenverbänden und Zertifizierungsstellen setzte das baden-württembergische Umweltministerium eine verschuldungsunabhängige Haftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von 1 Million Euro durch. Die Mindestdeckung der Haftpflichtversicherung der Bohrunternehmen wurde von 3 auf 5 Millionen Euro erhöht. Bohrgeräteführer müssen künftig eine mindestens zweijährige Berufserfahrung nachweisen. Außerdem müssen bei geologisch schwierigen Untergrundverhältnissen – die gibt es häufig in Baden-Württemberg – die Baustellen durch einen externen Sachverständigen überwacht werden. Darüber hinaus wurde eine Notfall-Hotline für Bohrführer eingerichtet. Mit Einführung der „Leitli­nien Qualitätssicherung in Baden-Württemberg“ wurde die Tiefenbegrenzung wieder aufgehoben. Offen ist geblieben, welche Verfahren künftig für die Überwachung des Abdichtungsvorgangs im Bohrloch empfohlen werden.

Eva de Haas vom Umweltministerium in Stuttgart ist das jedoch noch nicht genug: „Mittelfristig brauchen wir eine Verordnung, die das verbindlich regelt.“ Vorstellbar sei auch ein Geothermie-Sachverständiger als neuer Berufszweig. Es gäbe eindeutig zu wenig Sachverständige für die Vor-Ort-Überwachung. Vorstellbar sei aber auch, dass der Planer für die Geothermie-Bohrung die Arbeiten selbst überwacht.

Melderegister für schwarze Schafe gefordert

Auch die Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfachs e.V. (DVGW), Bonn, als Richtliniengeberin sieht Nachholbedarf bei der Qualitätssicherung. Die oberflächennahe Geothermie gerate ins Hintertreffen, wenn die Branche die vorgegebenen Qualitätskriterien nicht erfülle, beispielsweise die Einhaltung der DVGW-Zertifizierungsgrundlage W 120-2. Udo Peth, Dipl.-Geologe beim DVGW, kam ohne Umschweife zur Sache: „Die Branche leidet unter den Schadensfällen in Staufen/Breisgau, Leonberg, Wiesbaden und Kamen.“ Peth verwahrt sich gegen die aktuelle Kritik der Brunnenbauer und Geothermie-Bohrfirmen, die Normen, Vorschriften und Zertifizierungsgrundlagen rund ums Bohrloch seien zu streng. Zitat Peth: „Die DVGW W 120-2 ist die Straßenverkehrsordnung für die Branche. Es reicht bei Weitem nicht aus, das Regelwerk in den Schrank zu stellen.“ Das Personal müsse regelmäßig überprüft werden, auch die Meister. Wer am Bohrloch arbeite, müsse auf alle Unwägbarkeiten reagieren können. Die eingesetzte Gerätetechnik sei entscheidend für die Bohrqualität. 97 % der Schadensfälle rund um das Bohrloch könnten vermieden werden, wenn die DVGW W 120-2 umgesetzt werden würde. Peth betonte jedoch auch, dass die DVGW keine Überwachungsbehörde sei, sondern die Zertifizierungsgrundlage für Bohr- und Brunnenbauunternehmen schaffe. „Verstöße gegen Normen sind Sache der Staatsanwaltschaft und nicht der DVGW.“ Obwohl die oberflächennahe Geothermie bereits 2005 auf Wunsch der Bohrfirmen mit in das bewährte DVGW W 120-Zertifizierungsverfahren aufgenommen wurde, sei weiterer Regulierungsbedarf zur Qualitätssicherung notwendig, bekräftigt Udo Peth.

In der überarbeiteten DVGW W 120-2 gibt es jetzt einen gesonderten Teil, der sich ausschließlich mit der oberflächennahen Geothermie beschäftigt. Allerdings bedürfe es nach den jetzt vorliegenden Erfahrungen weiterer qualitätssichernder Maßnahmen rund um das Bohrloch für Erdwärmesonden, die über die DVGW-Richtlinie W 120 Teil 2 noch hinausgehen, so Peth. Dazu müssten jedoch alle beteiligten Verbände und Behörden mitmachen. Offen sei, wie man mit unseriösen Firmen umgehe. Aus seiner Sicht sei ein Melderegister erforderlich, damit sich die seriös arbeitenden Unternehmen der Branche von ihren schwarzen Schafen absetzen können.

Auch Teilauftragnehmer müssen DVGW W 120-zertifiziert sein

Die Zertifizierer, wie beispielsweise die Zertifizierung Bau e.V., Berlin, wollen wegen der vermehrten Schadensfälle künftig bei zertifizierten und unzertifizierten Bohrunternehmen, ebenso bei deren Subunternehmen und Teilauftragsnehmern, genauer hinsehen. Durch die Prüfung der Dokumentation von abgeschlossenen Projekten sowie einer Betriebshof- und Baustellenkontrolle will die Zertifizierungsstelle sicher gehen, dass am Bohrloch regelwerkskonform gearbeitet wird. „Der Sub aus Osteuropa mit Friseuren am Bohrer darf keine Chance mehr am Bohrmarkt bekommen“, sagt Christina Buddenbohm von der Zertifizierung Bau e.V.. Betroffene Unternehmen, Bauherren und Wettbewerber hätten die Möglichkeit, sich offiziell bei den Zertifizierungsstellen über Bohrunternehmen zu beschweren, die nicht regelkonform arbeiten. Bekannt seien Fälle, bei denen sogar zertifizierte Bohrunternehmen Erdwärmesonden regelmäßig nicht oder unzureichend verpresst hätten.

Die jüngsten Schadensfälle in Baden-Württemberg im Zusammenhang mit der Erstellung von Erdwärmesonden gehen einher mit der Forderung nach zuverlässigeren und genaueren Messmethoden bei der Verfüllung der Sonden bzw. bei der Schadensdiagnose. Doch bisher fehlt es an ausreichenden Erfahrungen und baustellentauglichen Messmethoden. Mehr Aufschluss über die Eignung verschiedener Messverfahren erhofft sich die Branche aus dem Forschungsprojekt EWSplus des Solites Instituts, Stuttgart, das vom Wirtschaftsministerium von Baden-Württemberg gefördert wird. Im Rahmen dieses Projektes wurden vier Bohrungen mit einer Tiefe von 32m erstellt, in die nacheinander 20 Erdwärmesonden eingebaut wurden. Die Wiederverwendung der Bohrlöcher wird über zwei ineinander stehende konzentrische Rohre erreicht. Ziel ist die Verfüllqualität der unter Baustellenbedingungen abgeteuften Erdwärmesonden zu untersuchen, und zwar nach der Qualität der hydraulischen Abdichtung – auch zwischen verschiedenen Grundwasserleitern – und der thermischen Effizienz. Untersucht wurden die Verfahren Enhanced Geothermal Response Test (Tiefenabhängige Wärmeleitfähigkeitsbestimmung), Gamma-Gamma-Dichtemessungen (Messverfahren zur Überprüfung der Gleichförmigkeit der Hinterfüllungsdichte einer Erdwärmesonde), Gamma-Roy-Logs (Messung der natürlichen Gammastrahlung von Ringraumhinterfüllung und Gebirge), kontinuierliche Temperaturmessung mit Glasfaserkabeln zur Untersuchung der Hydrationswärme sowie Ultraschallmessung. Bewusst wurden dabei Wasser- und Luftfehlstellen in das Bohrloch eingebaut, um deren Lage mittels der zur Verfügung stehenden Messverfahren zu detektieren und zu analysieren.

Messtechnische Überwachung des Abdichtungsprozesses

Ein besonders hochwertiges Messverfahren stellten Claus Dietrich und Thorsten Weyrauch von der Dietrich Erdwärme GmbH, Weilheim/Teck, vor. Mithilfe eines sich noch in der Entwicklung befindlichen Gerätes der Firma Sotronix wurde aufgezeigt, wie ein ­optimaler Verpressvorgang einer Bohrsonde reproduzierbar aufgezeichnet und dokumentiert werden kann. Die erforderlichen Parameter sind die Suspen­sionsdichte des Verpressmaterials, die Durchflussmenge pro Zeiteinheit, der Druck der Suspensionssäule über der Druckmesssonde sowie deren Einbautiefe im Bohrloch zu jedem Zeitpunkt. Hinzu kommt die Erfassung aller Messdaten über die Zeitachse. Herzstück des Verfahrens ist das elektronische Aufzeichnungsgerät DBO 1/3 (Digital Bohrhole Observation), das alle Messdaten so dokumentiert, dass der Verpressvorgang an jedem Zeitpunkt und ­jeder Bohrtiefe zurückverfolgt werden kann und damit eine lückenlose Dokumentation für alle Beteiligten zur Verfügung steht, auch für den Bauherrn, der ja bekanntlich das volle Risiko der Bohrung trägt.

Während bei den meisten Vorträgen auf dem Kongress in puncto Schäden vielfach um den heißen Brei herumgeredet wurde, nannte André Voutta von der gleichnamigen Firma für Grundwasserhydraulik, Herrenberg, die Probleme der Branche beim Namen. Durch mangelhafte Qualität am Bohrloch kam es in den letzten Jahren speziell in Baden-Württemberg zu Geländesetzungen und Geländehebungen, verbunden mit oft gravierenden Gebäudeschäden. Außerdem seien Quellen trocken gefallen und Brunnen versiegt. In allen Fällen waren fehlerhafte Hinterfüllungen der Erdwärmesonden die Ursache, so Voutta. Inzwischen seien mehrere bewährte Verfahren aus der Bohrlochgeophysik so miniaturisiert, dass Messungen innerhalb von Erdwärme-U-Rohrsonden möglich sind. In der Praxis hätten sich folgende Verfahren zur Güteprüfung von Erdwärmesonden bewährt:

  • Ruhetemperaturprofile. Dabei wird die Temperatur über die gesamte Tiefe des Bohrlochs zu unterschiedlichen Nutzungszeiten aufgezeichnet, z.B. Februar, Mai, August und November.
  • Kurz-Thermal-Response-Test. Die Hinterfüllung einer Erdwärmesonde wird mit hoher Energiezufuhr kurzfristig aufgeheizt. Nach Abschluss der Energiezufuhr wird das thermische Verhalten der Hin­terfüllung durch multitemporale Temperaturprofilmessungen beobachtet. Durch die Temperaturaufzeichnungen wird sichtbar, in welchen Abschnitten sich stehendes oder fließendes Grundwasser befindet, wo eine Ringraumzementation intakt ist und wo unvollständig.
  • Dichtemessung mit angepasster Gamma-Gamma-Messsonde. Mit diesem Verfahren werden die Zementation kontrolliert und Dichteanomalien in der Ringraumverfüllung angezeigt.

Rein messtechnisch seien die Verfahren ausgereift, ob sie baustellentauglich sind, müsse die Praxis zeigen. Offen ist, was zu tun ist, wenn sich die für die Gamma-Gamma-Messung notwendige Strahlenquelle – Caesium 137 – im Bohrloch verhakt. Auf jeden Fall sei das Verfahren sensibel und nicht für Experimente geeignet, so André Voutta.

Intelligente Technik statt möglichst vieler Bohrmeter

Oberflächennahe Geothermie heißt heute nicht zwangsweise möglichst tief zu bohren, um damit die Anzahl der Bohrlöcher zu minimieren. Schon wegen der Begrenzung der Bohrtiefe sowie strengeren Sicherheitsauflagen in einigen Bundesländern geht der Trend zu einer größeren Vielfalt bei den Sondensystemen. Dr. Markus Kübert von der Tewag GmbH, Regensburg, ist der Auffassung, dass in vielen Fällen weniger tiefe Speichersonden besser seien als die üblichen Doppel-U-Rohrsonden. Mit Speichersonden könnten die geothermischen Standortverhältnisse besser berücksichtigt und gegenüber einer konventionellen Bohrung mit Doppel-U-Sonden rund 24 bis 40 % an Bohrmetern eingespart werden. Kübert erklärt die Vorteile so: Speichersonden haben ein Volumen von 12 bis 14 Liter pro Bohrmeter, Doppel-U-Sonden von nur 2,14 Liter pro Bohrmeter. Durch die Speicherwirkung der Sonde werde die Leistungsanforderung der Wärmepumpe nicht unmittelbar auf den Untergrund übertragen; es komme daher zu einem gleichmäßigeren Wärme- bzw. Kälteentzug. Aufgrund des koaxialen Aufbaus der Speichersonde entstehe außerdem eine höhere effektive Wärmetauscherfläche, so Kübert. Mehr noch: Die Regeneration der Speichersonde erfolge auch während Stillstandszeiten durch einen weitgehend konstanten Wärmefluss mit geringer Entzugsleistung.

Simulationsrechnungen hätten ergeben, dass Lastspitzen des Gebäudes über Speichersonden besser abgepuffert werden als durch Doppel-U-Sonden. Die genauen thermischen Prozesse im Inneren der Speichersonde werden im Zuge eines F&E-Projektes derzeit von der RWTH Aachen, Lehrstuhl für Wärme- und Stoffübertragung, untersucht. Kübert schränkt ein, dass Speichersonden nur für Wärmepumpen mit geringer bis mäßiger Laufzeit, möglichst unter 2000 Stunden/Jahr, geeignet sind.

Exergetisch optimierte Betriebsführung

Dass in der oberflächennahen Erdwärmenutzung noch ein hohes Effizienz- und Optimierungspotenzial besteht, ist in der Branche unbestritten. Übergreifende exergetische Betrachtungen von Erdwärme-Sondenfeldern, Wärme- und Kälteversorgungssystemen sowie deren Verteilsystemen sind eher noch die Ausnahme. Beim neuen Hauptgebäude des Energieforschungszentrums Eon ERC der RWTH Aachen soll im Rahmen eines vom Bundesministerium für Wirtschaft geförderten Projektes auch die Qualität der verwendeten Energie an die thermischen Anforderungen der verschiedenen Nutzungsbereiche des Gebäudes angepasst werden, will heißen, die Energieströme werden auf unterschiedlichen Exergie-/Temperaturniveaus bereitgestellt. Dazu wurde von der Firma Geophysica Beratungsges. mbH, Aachen, ein umfassendes Messkonzept für die gesamte Versorgungskette, also von der Einzelsonde über das Sondenfeld, die Wärme- und Kälteversorgung bis zum Raum entwickelt. Daraus sollen Erkenntnisse über den Energieverbrauch unter realen Bedingungen gewonnen werden. Diese Informationen dienen gleichzeitig als Grundlage für ein noch zu entwickelndes Regelungssystem, das den Anlagenbetrieb an den aktuellen Exergiebedarf des Gebäudes anpasst.

Ein Schwerpunkt des Projektes ist die thermische Überwachung des Erdsondenfeldes – 40 Sonden, jeweils 100m tief – mittels Glasfaserkabel. Zwei Sonden sind außerdem mit Heizkabeln für den Enhanced Thermal Response Test ausgerüstet. Durch die gezielte Sondenbeheizung sei es möglich, auch die vertikale Wärmeleitfähigkeit des Erdreichs zu bestimmen, so Geophysica-Mitarbeiter Dr. Darius Mottaghy. Alle Daten fließen in ein geothermisches 3-D-Modell ein, um herauszuarbeiten, welche Daten in welcher Detailgenauigkeit für die Modellerstellung benötigt werden. Durch Inversion von elektrischen Tomographie-Daten soll auch untersucht werden, wie sich die Sonden-Bewirtschaftung nach exergetischen Gesichtspunkten auf die weitere Umgebung des Sondenfeldes auswirkt.

Falsche Berechnungen sind vorprogrammiert

Nicht nur rund um das Bohrloch werden Regeln gebrochen und Schludrigkeiten begangen, auch bei der Planung von Erdwärmesonden kann einiges schief gehen, wobei hier offensichtlich die Software eine der Ursachen ist. Dr. Sven Rumohr vom Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie, Wiesbaden, weist darauf hin, dass bei der in Deutschland am häufigsten eingesetzten Software für die Bemessung von Erdwärmesonden bzw. Erdwärmesondenfeldern – Earth Energy Design (EED) – einzelne Eingangsparameter von den Planern falsch interpretiert werden. Dr. Rumohr hat die Erfahrung gemacht, dass bei Planern insbesondere bei den Eingabefeldern „Grundlast“ und „Spitzenlast“ sowie „Untergrundtemperatur“ und „Geothermischer Wärmefluss“ Erklärungsbedarf bestehe.

Im EED-Programm sei der als „Spitzenlast“ bezeichnete Lastfall der Normalfall, mit dem die in einer Erdwärmesonde (im Heizfall) bei Berücksichtigung der tatsächlichen Wärmepumpenleistung auftretenden minimalen Temperaturen abgeschätzt werden, erklärt Dr. Rumohr. Ziel der Grundlast-Betrachtung sei dagegen – im Heizfall – die Abschätzung der monatlich mittleren Temperatur in einer Erdwärmesonde, bezogen auf einen kontinuierlichen Wärmepumpenbetrieb über 720 Stunden pro Monat, das heißt, 30 Tage mal 24 Stunden. Die dem Grundlast-Fall zugrunde liegende Wärmeleistung sei in der Regel deutlich geringer als die tatsächliche Leistung, so dass die resultierenden Temperaturabsenkungen ebenfalls deutlich niedriger seien. Die Spitzenlast müsse immer dann berücksichtigt werden, wenn eine vorgegebene Temperatur, z.B. 0°C, in einer Erdwärmesonde nicht unterschritten werden darf. Die Frage ist natürlich erlaubt, ob eine Auslegungssoftware überhaupt Interpretationsspielraum zulassen darf oder ob hier womöglich beim Softwaredesign Nachholbedarf besteht.

Regeneration des Erdreichs mit Solarthermie

Zu hohe Entzugsleistungen, geringe Sondenabstände, aber auch der Zubau weiterer geothermischer Wärmepumpenanlagen in der Nachbarschaft können die Erdreichtemperatur langfristig absenken und damit die Effi­zienz der Wärmepumpe negativ beeinflussen. Um die Nachhaltigkeit der Erdreichbewirtschaftung zu gewährleisten, empfiehlt Arthur Huber von der Huber Energietechnik AG, Zürich, preisgünstige unverglaste Sonnenkollektoren in die Wärmepumpenanlage einzubinden und zwar so, dass im Sommer die überschüssige Wärme auch zur Trinkwasser-Erwärmung eingesetzt werden kann. Durch die Einspeisung von solarer Wärme über die Erdwärmensonden in das Erdreich könne dieses schneller regenerieren und stehe damit dauerhaft als Wärmequelle zur Verfügung. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass es rund um die Sonden zur irreversiblen Abkühlung kommt, die sich negativ auf die Effizienz der Wärmepumpe auswirkt.

Bei richtiger Auslegung und Anordnung könnten Erdsondenfelder mithilfe der solaren Regeneration zu saisonalen Wärmespeichern ausgebaut werden. Dabei sei darauf zu achten, dass die Aufladung höher ist als der Wärmeentzug. Eine optimale Erdspeichertemperatur liege bei 10 bis 20°C; die maximale Einspeisetemperatur sollte 40°C nicht überschreiten. Bei richtiger Auslegung, beispielsweise mit dem Programm EWS von Hertag, könne durch die solarthermische Regenera­tion die Anzahl der Sonden bzw. die Sondentiefe reduziert werden. Wichtig sei eine kompakte Anordnung der Sondenfelder, damit sich im Untergrund ein Erdspeicher ausbildet. Einzelsonden würden sich nicht für die Jahreszeitenspeicherung eignen. Eine Alternative zur solaren Regeneration sei das so genannte Geocooling oder Sonden-Freecooling über Fußbodenheizungen. Auch damit könnten erhebliche Sondenmeter eingespart werden, da sich das Erdreich durch den Wärmeeintrag schneller regeneriere. Wichtig sei, von Anfang an auf Frostschutz in den Sonden zu achten. Um einen Langzeitspeicher optimal zu beladen, könne es bis zu zehn Jahre dauern, bis sich der Speichereffekt einstellt, so Arthur Huber.

Innovative Bohrverfahren können künftig Kosten sparen

Qualitätsorientiertes Bohren ist teuer. Deshalb spielen innovative Bohrverfahren künftig eine größere Rolle. Coil Tubing, also das kontinuierliche Abteufen eines aufgewickelten Stahlrohrs – vergleichbar mit dem Prinzip der Rohrreinigung mittels einer flexiblen Spirale – entwickelt sich nach Aussage von Volker Wittig vom Internationalen Bohrzentrum Bochum (GZB) weltweit zu einem der wirtschaftlichsten Bohrverfahren. Insbesondere bei bestehenden, aber mit konventionellen Methoden bereits ausgebeuteten Öl- und Gaslagerstätten komme das schnelle und damit wirtschaftliche Bohrverfahren zum Einsatz. Das GZB hat das Verfahren jetzt den Anforderungen der Geothermie angepasst, insbesondere um potenzielle geothermische Reservoire einfacher aufzuspüren. Das Verfahren sei, so Volker Wittig, vergleichbar mit einer Magen- oder Darmspiegelung, das heißt, die Art der Bohrung liefere mit geringem Aufwand eine hohe Informationsdichte und Informationssicherheit.

Coil Tubing gehöre damit zu einer der wichtigsten Bohrtechniken der Zukunft, insbesondere für tiefes und hartes Festgestein. Es sei zudem um rund 30 % billiger und zwei- bis dreimal schneller als ein konventionelles Bohrverfahren. Stand der Technik sei der wassergetriebene In-Loch-Hammer, der eine bessere Bohrlochqualität liefere als ein Luft-Hammer. Derzeit arbeite das GZB an einem Wasserstrahl-Hammer mit dem Ziel, noch schneller, tiefer und in noch härterem Gestein zu bohren.

Fazit

Die Effizienz von geothermischen Wärmepumpenanlagen ist in hohem Maße von der Planung des Erdwärmesondenfeldes, der Qualität der Bohrung und des Verpressvorgangs sowie von der Sondenbewirtschaftung abhängig. Fehlerhafte Bohrungen und schlecht verfüllte Bohrlöcher können den Bauherrn teuer zu stehen kommen. Wer an geologischen Gutachten spart und auf die Beaufsichtigung der Bohrung durch einen Sachverständigen verzichtet, geht das Risiko ein, dass er nicht das bekommt, was er bestellt und bezahlt hat. Reklamationen sind meist zwecklos: Anders als bei der Anlagentechnik im Gebäude kann im Bohrloch nicht nachgebessert werden.

INFO

Was bitte ist denn Exergie?

Mit der Exergie lassen sich Energieströme bewerten. Sie ist ein Maß für die Fähigkeit, Arbeit zu verrichten. So ist mechanische Energie und Elektrizität reine Exergie, während Wärmeenergie einen geringeren Exergieanteil hat – und zwar um so weniger, je geringer die Temperaturdifferenz zur Umgebung ist. Über eine Exergie- und eine Energie­bilanz lässt sich der Aufwand für den Wärmepumpenprozess berechnen. Die Antriebsenergie ist reine Exergie. Reicht eine niedrige Vorlauftemperatur für den gewünschten Zweck aus, so lässt sich mit der investierten Exergie ein großer Wärmestrom erzeugen, weil dieser z.B. mit 35°C nur einen geringen Exergieanteil hat. Umgekehrt erzielt die Wärmepumpe bei hohen Vorlauftemperaturen nur geringe Wärmeleistungen, weil der Vorlauf einen hohen Exergieanteil aufweist.

INFO

Der Sanierungsmarkt bietet auf jeden Fall das Hauptpotenzial

Die gelegentliche Ausrüstung von Neubauten mit geothermischen Wärmepumpen reicht nach Ansicht von Rüdiger Grimm und Chris­tian Lumm von der Geoenergie Konzept GmbH, Freiberg, nicht aus, der oberflächennahen Geothermie zum Durchbruch zu verhelfen. Jetzt gehe es darum, den Sanierungsmarkt für die Geothermie zu gewinnen, insbesondere die etwa 30 Millionen Altbauten der Baujahre 1949 bis 1978. Zur Verbesserung der Energieeffizienz von geothermischen Wärmepumpen sei ein Anlagenmonitoring unbedingt nötig, einmal, um die bestehende Anlage zu optimieren, aber auch um Erfahrungen für künftige Planungen und Ausführungen zu sammeln. Wichtig seien die Ermittlung der Anlageneffizienz und die Identifizierung von Optimierungsansätzen, zum Beispiel bei der Pumpenauslegung. Auch bei den Jahresarbeitszahlen (JAZ) der geothermischen Wärmepumpen sehen Grimm und Lumm noch Effizienzpotenzial. Auf Testständen kämen Geothermie-Wärmepumpen auf einen COP von 4,5. Die gemessene Jahresarbeitszahl im Rahmen der Feldtests des Fraunhofer-Instituts ISE läge nur bei 3,5. Die Förderung nach ­BAFA setze jedoch eine Jahresarbeitszahl von mindestens 3,8 voraus.

Die Erfahrungen der Firma Geoenergie Konzept mit Anlagenmonitoring bei geothermischen Wärmepumpenanlagen in Sanierungsbauten haben gezeigt, dass in den ersten Betriebsjahren fast immer die Anlageneffizienz durch Optimierungsmaßnahmen gesteigert werden kann. Leider seien nur wenige Bauherren bereit, Geld dafür auszugeben. Insgesamt komme die oberflächennahe Geothermie im Sanierungsbau nur zögerlich voran. Zitat: „Es existieren weitverbreitete Vorurteile gegenüber der Effizienz von Wärmepumpen im Sanierungsbau.“ Ob es sich tatsächlich um Vorurteile handelt oder nicht doch um reale Erfahrungen von Bauherren, sei dahingestellt. Unbestritten ist: Wer das Image von oberflächennahen Geothermie-Wärmepumpen­anlagen verbessern will, kommt nicht umhin, ein Monitoring in den ersten Betriebsjahren verbindlich festzulegen.

Autor

Wolfgang Schmid ist Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, 80751 München, wsm@tele2.de

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