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Energiewende: Wo steht die Gebäudetechnik und wie geht es weiter?

Wer sich die Entwicklung der letzten Jahre ansieht, erkennt beim Mengengerüst der Investitionen in die Energiewende, dass der Bereich der Wärmedämmung deutlich rückläufig ist und der Anteil der gedämmten Häuser sich nur sehr geringfügig von 58 % (Quelle: BundesBauBlatt) auf 60,22 % (Hochrechnung über Quelle Spiegel vom 9. April 2024) erhöht hat. Bei einem notwendigen Wert von 1,7 bis 1,9 % pro Jahr reicht das nicht aus. In allen anderen Bereichen gibt es deutliche Steigerungen seit 2018, und man kann sagen, dass die Energiewende wirklich Fahrt aufgenommen hat (Bild rechts „Mengengerüst zur Energiewende“), wenn auch nicht ganz im nötigen Umfang mit Ausnahme der Photovoltaik­anlagen und zunehmend der Speicher. Durch zurückgehende Energiepreise und politische Unsicherheit bzw. den Abbruch der Förderung gab es leider 2024 Rückgänge. Es gibt beim erreichten Stand der Energiewende bzw. beim Anteil der neuen Technologien noch enormes Potenzial nach oben.

Die Investitionen in Photovoltaik waren nach einem Hoch durch die Förderung in den Jahren 2010 bis 2012 zunächst eingebrochen, gekoppelt mit einem Sterben der entsprechenden Industrie in Deutschland, während sich China langfristig denkend und handelnd durchgesetzt hat. Seit 2018 rechnet sich Photovoltaik immer besser auch ohne Förderung mit einem Hype durch Balkonkraftwerke auch für die breite Masse und Mieter in den Jahren 2023 und 2024. Inzwischen haben nach Einschätzungen ca. etwas über 20 % der Einfamilienhäuser (Quelle: Heinze) bereits eine Solaranlage, mit einem höheren Anteil in Baden-Württemberg aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung zu erneuerbaren Energien bei Neubau und Sanierungen.

Aber diese Zahl und die Anteile der anderen Technologien zeigen deutlich die vorhandenen Potenziale und wie weit weg Deutschland noch von der Klimaneutralität ist. Bei 1,4 Millionen Elektrofahrzeugen ist auch die Zielerreichung von 15 Millionen E-Pkw bis 2030 weit entfernt. Dies gilt auch für die Wärmepumpe, wo die aktuelle Entwicklung sehr negativ aussieht.

Aktueller Blick auf die Energiewende

2024 ist die Energiewende ganz klar ins Stocken gekommen, durch den Auslauf der E-Auto-Förderung und den Wegfall von Komplettsanierungsförderungen für Gebäude Anfang 2024. Allgemein gibt es eine sehr negative Sichtweise auf die abgewählte Ampelregierung auf allen Stufen der Wertschöpfungskette von der Industrie bis zum Endkunden. Diese negative Sichtweise resultiert sicherlich aus der fehlenden gemeinsamen Linie zur Energiewende und einer nicht sichtbaren langfristigen Konstanz im Handeln.

Besonders wichtig ist eine positive Förderpolitik mit Sicherheit für die Investoren, welche nicht mehr gegeben war. Weitere negative Randbedingungen sind die zu hohe Bürokratie bei zu geringen Fördervolumina; der Aufwand und Nutzen stimmt gerade für das Handwerk im Umgang mit den Endkunden nicht. Es gibt zur Energiewende breite Meinungsverschiedenheiten. Allerdings steht bei den meisten die Notwendigkeit der Energiewende außer Frage. Staatliche Lenkung wird nach der Befragung im Handwerk noch kritischer gesehen als im Handel. Allgemein werden auch nationale Alleingänge eher kritisch gesehen und die Energiewende soll eher marktgetrieben laufen: Man empfiehlt dem Kunden die beste (ökonomische) Lösung. Marktgetrieben ist die Energiewende über die CO2-Steuer und ggf. auch noch begünstigte Strompreise gut möglich.

Regenerativer Wasserstoff wird aktuell sehr kritisch gesehen, besonders für Wohngebäude. HPS Home Power Solutions als maßgeblicher innovativer Anbieter in diesem Bereich ist 2025 in die Insolvenz gegangen, das Geschäftsmodell hat sich trotz hoher Preise nicht gerechnet. Wenn, dann ist Wasserstoff eher etwas für die Industrie, aber aktuell ist Wasserstoff auch für die Industrie viel zu teuer und man ist eher skeptisch, ob sich die Verwendung jemals zukünftig rechnen wird. Auch Wasserstoff für Lkw verliert gegenüber Elektro-Lkw aktuell an Bedeutung. Der Grund liegt in den hohen Verlusten der Umwandlung von grüner Energie in Wasserstoff und dann zurück in Strom für den Antrieb (Wirkungsgrade nur zwischen 35 und 50 %).

Der Handel sieht die Chance der Energiewende für sich und unterstützt diese am stärksten in der Wertschöpfungskette, ebenso wie grundsätzlich das Handwerk, auch wenn man dort andersdenkende Kunden nicht vergraulen will. Der Anteil an Aufträgen für die Energiewende ist für das Handwerk seit 2020 stark steigend gewesen und heute vielfach entscheidend, aber es gibt hier eher eine negative Stimmung für 2025.

Das Handwerk sieht Chancen durch Energien aus regenerativen Quellen und bei der Wärmepumpe. Es pusht allgemein die relevanten Technologien entsprechend ihrer direkten Wirtschaftlichkeit, also in erster Linie die Photovoltaik, Batteriespeicher, die Wärmepumpe und natürlich die Wärmedämmung (entscheidend bei Häusern gebaut vor 1980). Das Handwerk setzt auf Angebot und Nachfrage sowie marktwirtschaftliche Steuerung (70 %) und stellt sich breit auf, meist positiv zur Energiewende, und profitiert auch von ihr: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“

Entscheidend wird der Endkunde sein mit seiner Entscheidung.

Die Endkunden setzen ihre persönlichen Prioritäten für Geldausgaben meist auf Dinge wie Urlaub, gut leben etc. – deutlich vor die Investitionen zur Energiewende. Hinzu kommt, dass dem Endkunden der Neubau lieber ist als die Renovierung, auch weil er sich einfacher realisieren lässt und obwohl er nicht wirklich nachhaltig oder kostengünstig ist. Der Umstieg auf Elektro-Kfz sowie die Umstellung der Heizung, Batteriespeicher und größere Sanierung haben eine niedrigere Priorität. Allgemein steht die Mehrheit der Energiewende positiv gegenüber, aber es gibt eine hohe Skepsis wegen der Kosten und des Aufwands.

Nur ein kleiner Teil ist bedingungslos bereit, die Energiewende zu vollziehen, und hat es vielfach heute bereits voll und ganz getan. Wirtschaftlich muss die Energiewende für die Kunden sein, es darf nichts kosten (bzw. muss gefördert sein) und sich möglichst kurzfristig rechnen. Es gilt, dass der wirtschaftliche Druck durch hohe und steigende Energiepreise im Jahr 2024 mittlerweile deutlich nachgelassen hat (siehe Gas- und Heizölpreise) und dies bremst natürlich die Energiewende. Die Investitionsbereitschaft ist deswegen zurückgegangen und bei Wärmedämmung und Wärmepumpen gibt es aktuell wenig Nachfrage.

Aber die Photovoltaikanlage mit Speicher am Dach und ein berufliches E-Auto mit Privatnutzung rechnen sich bereits jetzt. Dies lässt die E-Auto-Zahlen bei sinkenden Preisen für E-Autos 2025 wieder steigen. Nach der Freigabe der CO2-Bepreisung 2027 wird sich wahrscheinlich auch ein privates E-Auto für Hausbesitzer mit Lademöglichkeit sehr gut rechnen und dies wird dann zu einem noch deutlicheren Wandel führen.

Die Umfrage hat gezeigt, dass Vermieter meist langfristig denken und an einer positiven Wertentwicklung ihrer Immobilie interessiert sind, die stark von der Umstellung auf erneuerbare Energien und dem Energieausweis abhängt. Aber die Tilgung des Anschaffungskredits ist prioritär; die energetische Sanierung sollen möglichst die Mieter tragen.

Konsequenzen für Industrie, Handel, Handwerk und Endkunden

Klarheit hätte viel früher geschaffen werden müssen von der Politik mit einer langfristig erfolgreichen nachhaltigen Strategie, welche die Basis ist für die Verbraucherentscheidungen (Fernwärmeplanung, ganzheitliche Strategie für Netzsicherheit und günstige Energie). Andere Länder haben sich da klarer positioniert und sind bereits weitergekommen in der Energiewende (insbesondere die skandinavischen Länder Dänemark, Schweden, Norwegen mit Wind- und Wasserkraft sowie Fernwärme). China nutzt die Chancen für die eigene Wirtschaft extrem positiv. Zum Glück hat Deutschland sich hier auf den Weg begeben, den gilt es zu verstetigen, ganzheitlich zu optimieren und fortzusetzen, ggf. auch mit etwas politischem Zwang zum langfristigen allgemeinen Vorteil aller Parteien.

Die Industrie leidet unter hohen Energiepreisen im internationalen Vergleich und benötigt Hilfe, sonst gibt es diese nicht mehr in Deutschland. Wasserstoff ist aktuell noch keine Lösung. Dies ist angekommen bei der neuen Regierung und man will hier mit einer Sonderregelung für energieintensive, im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen reagieren.

Der Endkunde will, wie gesagt, den Gürtel nicht enger schnallen, ein gutes Leben und Urlaub etc. haben Priorität vor der Energiewende bei der Mehrheit der Bevölkerung. Einfache und risikoarme Lösungen wie Neubau sind gewünscht, damit man sich um nichts zu kümmern braucht. Dies ist eine Chance für Industrie, Handel und Handwerk und neue Servicedienstleister, die z. B. PV-Anlagen errichten und vermieten. Was einfach und risikolos für die Kunden ist, wird nachgefragt, auch wenn es etwas teurer ist. Sorglos-Pakete zum Komplettpreis können den eigenen Absatz befeuern, hier müssen die Anbieter und besonders das Handwerk ansetzen.

Der Kunde reagiert auf Förderung (kurzfristige Strohfeuer wie PV-Anlagen 2020/2012) und wirtschaftlichen Druck/wirtschaftliche Chancen (PV-Anlagen rechnen sich, betriebliche Elektrofahrzeuge rechnen sich durch Steuervorteile). Es entsteht dann die entsprechende Marktdynamik, wenn eindeutige wirtschaftliche Vorteile sich ergeben. Es entsteht aber auch ein Ausnutzen solcher Situationen durch Industrie, Handel und Handwerk, um daran zu partizipieren. Alle anderen Parteien müssen gemeinsam den Endkunden aufzeigen, dass es wirtschaftlich sinnvoll und interessant ist, vorausdenkend zu handeln. Die nächste Energiepreiserhöhung kommt bestimmt. Investitionen jetzt, wo die Nachfrage gering ist, rechnen sich langfristig, wenn man dazu finanziell in der Lage ist.

Ratschläge an die Politik

Es gilt, die marktwirtschaftliche Energiewende ganzheitlich vorzudenken, zu fördern und einzufordern. Das genehmigte Infrastruktur-Geld ist dafür strategisch langfristig einzusetzen.

Es gilt, das Bewusstsein beim Verbraucher für die Notwendigkeit und zukünftige Wirtschaftlichkeit seiner Investitionen in die Energiewende weiter zu fördern, insbesondere durch Hinweise auf die in Zukunft steigenden CO2-Steuern. Die 2027 dynamisch festgelegten Preise können einen neuen Nachfrageboom auslösen, welcher sinnvollerweise vermieden werden sollte im Sinne aller Marktteilnehmer. Dazu kommt, dass bei Wegverlagerung vom Gas die Durchleitungspreise für die Gasnetze nochmals deutlich steigen können, weil dann die Kosten für die Gasnetze auf immer weniger Verbraucher umgelegt werden.

Die Politik muss eine positive marktwirtschaftliche Steuerung in Richtung Energiewende vornehmen, damit Gefahren für extreme Steigerungen gemindert und ggf. rechtzeitig kommuniziert werden, also nicht unvermittelt beim Kunden ankommen. Dies vermeidet später Verbraucher- und Wählerfrust und Konflikte.

Wichtig erscheint es, gerade für den Zeitraum 2025 bis Mitte 2027 durch eine Weiterführung von zielgerichteten Förderungen für die Energiewende im Baubereich ein Investitionsloch zu vermeiden und die Energiewende positiv weiterzuführen. Sinnvoll könnte es sein, verteilt mit begrenzten Ressourcen zu fördern, um eine konstante Auslastung in Industrie, Handel und Handwerk zu sichern und gleichzeitig Spitzen mit Unter- und Überauslastung im volkswirtschaftlichen Interesse zu vermeiden. Darüber könnte das Debakel nach dem Ende der hohen PV-Förderung mit Zusammenbruch der industriellen Struktur und Rückgang im Handel und Handwerk in Deutschland verhindert werden. Und es gilt für den Verbraucher, bei einem Nachfrageboom durch hohe CO2-Preise ab Mitte 2027 stark steigende Preise insbesondere durch Kapazitätsengpässe im Handwerk zu verhindern. Ohne eine Konstanz in der gesamten Wertschöpfungskette wird die Energiewende nicht gelingen.

Die Förderung bereits wirtschaftlicher Technologien, wie z. B. Photovoltaik, ist nicht nötig. Für die E-Mobilität ist nur noch eine Förderung über günstigere Strompreise sinnvoll und ggf. über eine Förderung des Neubaus von mit akzeptablen Ladepreisen arbeitenden Schnellladestationen, um einen Frust beim Kunden nach dem Wechsel zum E-Auto bei zukünftig ggf. schnell steigenden E-Auto-Zahlen zu vermeiden.

  • Die Wärmedämmung stagniert, andere Bereiche der Energiewende wachsen. PV boomt wieder, doch 2024 bremsen Förderstopps und Unsicherheit. Insgesamt besteht großes Ausbaupotenzial.
  • PV wird wirtschaftlicher, E-Auto- und Wärmepumpenziele werden klar verfehlt. Politik, Bürokratie und fehlende Planungssicherheit hemmen Investitionen. Handel und Handwerk sehen aber Chancen.
  • Endkunden priorisieren Konsum statt Energiewende. Wirtschaftlicher Druck sinkt, Nachfrage bricht ein. Was sich schnell rechnet (PV, Speicher, E-Auto), setzt sich durch. Die Skepsis bleibt allerdings hoch.
  • Politik muss marktwirtschaftlich steuern, Planungssicherheit schaffen und gezielt fördern. Die Vermeidung von Nachfragebooms wird ab 2027 wichtig. Ohne stabilen Rahmen scheitert die Energiewende.
  • Autor
    Prof. Dr. Alexander ­Neumann
    ist Leiter des Studiengangs „BWL – Nachhaltiges Bauen und Ressourcenmanagement“ an der DHBW Mosbach. Der Studiengang ist ein dualer Studiengang und wird von BDB, Bauwirtschaft BW, VDS, DGH, ZVSHK und VEG unterstützt.

    Bild: SBZ

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