Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Sind erneuerbare Fuels Bausteine für die Wärmewende?

SBZ: Der Verband en2x vertritt die Vision, dass erneuerbare Fuels einen relevanten Beitrag zur Wärmewende leisten können. Was macht Sie so sicher, dass dieser Weg tatsächlich gangbar ist – technisch und wirtschaftlich? Studien wie die der Agora-Verkehrswende betonen, alternative Fuels seien teuer, selten, bei der Energieeffizienz unterlegen und daher primär für Luft- und Seeverkehr geeignet.

Dr. Ernst-Moritz Bellingen: Dass eine verstärkte Elektrifizierung einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann und muss, ist unumstritten. Das betrifft zum Beispiel im Gebäudebereich den Hochlauf von Wärmepumpen und im Straßenverkehr die verstärkte Verbreitung von batteriebetriebenen Fahrzeugen. Doch unseren heutigen Energiebedarf decken wir nur zu rund 20 % mit Strom ab. Nahezu der gesamte Rest, also fast 80 %, sind feste, flüssige und gasförmige Energieträger, also Moleküle. Den Schwerpunkt bilden dabei Kohlenwasserstoffe wie Öl und Gas. Als Energieträger und Rohstoffe sind sie überall dort erforderlich, wo eine Elektrifizierung nicht sinnvoll oder nicht möglich ist, gerade im Flugverkehr und der Schifffahrt. Doch nicht nur dort. Unter den bundesweit etwa 21,6 Mio. Wärmeerzeugern in Gebäuden sind rund 13,9 Mio. Gasheizungen, etwa 4,8 Mio. Ölkessel und ca. 650.000 Flüssiggasheizungen. Nicht jedes Haus mit Öl- oder Flüssiggasheizung lässt sich ohne Weiteres auf einen anderen Energieträger umstellen. Um die Klimaziele zu erreichen, ist es daher notwendig, die Treibhausgasemissionen dieser Gebäude auch ohne kompletten Systemwechsel zu ermöglichen. Hier bietet sich der Einsatz von hybriden Heizsystemen und erneuerbaren Brennstoffen an.

SBZ: Erneuerbare Fuels gelten als kompatibel mit bestehenden Heizsystemen. Kann das bestehende System einfach weiter genutzt werden oder muss man die entsprechende Infrastruktur erst aufbauen?

Bellingen: Bereits seit vielen Jahren ist mancherorts Bioheizöl im Einsatz – so zum Beispiel in Baden-Württemberg, wo es seit Längerem eine Erfüllungsoption für die Vorgaben des landesspezifischen Erneuerbare-Wärme-Gesetzes ist. Auch biogenes Flüssiggas ist als regenerativer Brennstoff anerkannt. Mit einem vierjährigen Demonstrationsvorhaben vom Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie BDH und en2x konnte jüngst erfolgreich gezeigt werden, dass im Rahmen eines technologieoffenen Ansatzes auch Heizgeräte für flüssige Brennstoffe ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele erbringen können – gerade auch im Bestand. Zudem wurde deutlich, dass in bestehenden Gebäuden die Anforderungen des derzeitigen Gebäudeenergiegesetzes (GEG) auch durch den Einsatz erneuerbarer flüssiger Brennstoffe erfüllbar sind. Kurzum: Eine zu 100 % erneuerbare Wärmeversorgung ist mit aktuell verfügbarer Technik für flüssige Brennstoffe möglich. Viele neue Geräte für flüssige Brennstoffe sind ohnehin bereits grundsätzlich für erneuerbare Energieträger ausgelegt. Für Technik rund um die Ölheizung gibt es dafür das „Green Fuels Ready“-Label.

Es gibt keine fossilen ­Heizsysteme, sondern nur fossile Energieträger.

Dr. Ernst-Moritz Bellingen ist Leiter Wärmemarkt bei en2x

SBZ: Erneuerbare Fuels haben im Vergleich zu Wärmepumpen einen schlechten Gesamtwirkungsgrad (nur etwa 10 bis 20 %) und benötigen ein Vielfaches an Strom für die gleiche Wärmemenge. Warum sollten wir uns aus energieökonomischer Sicht für ein solches System entscheiden, wenn hocheffiziente Alternativen verfügbar sind?

Bellingen: Zunächst muss man feststellen, dass ein modernes Brennwertgerät einen Wirkungsgrad von über 95 % hat und den Brennstoff somit fast vollständig in Wärme umsetzen kann. Bei der Bewertung der Effizienz kommt es daher auf den Energieträger und seine Herstellung an. Wir setzen heute auf Brennstoffe, die aus Rest- und Abfallstoffen hergestellt werden, wie beispielsweise HVO (Hydrotreated Vegetable Oil), sowie zukünftig auf synthetische Brennstoffe auf Basis von Wasserstoff und CO2.

Hinzu kommt, dass Deutschland derzeit rund 70 % der hierzulande genutzten Energie importiert und auch zukünftig ein Energieimportland bleiben wird. Moleküle ermöglichen den Transport erneuerbarer Energie über längere Strecken. So können Wind- und Solarstrom wie auch Bioenergie aus weit entfernten Ländern für uns nutzbar gemacht werden. Die notwendige Umwandlung des Stroms führt zwar zu Energieverlusten, doch diese werden durch die höheren Erträge der einzelnen Erzeugungsanlagen zumindest teilweise ausgeglichen, da Windkraft- und Solarstromanlagen in günstig gelegenen Weltregionen deutlich höhere Erträge liefern. Ohne Umwandlung wäre ein Import der erzeugten Energie überhaupt nicht möglich. Sie würde uns hierzulande fehlen.

Zudem stellt sich bei einer Modernisierung die Frage, ob die technischen und finanziellen Voraussetzungen für eine Wärmepumpe überhaupt gegeben sind. Jedes Gebäude ist unterschiedlich, ebenso die individuelle Situation der Menschen, die es besitzen bzw. dort wohnen. Vor allem aber haben wir es hier gar nicht zwingend mit einem Entweder-oder zu tun. Grundsätzlich wird die Bedeutung von hybriden Systemen, also die Kombination aus Stromnutzung mit gut speicherbaren Energieträgern, noch immer unterschätzt – sei es in Fahrzeugen mit Hybridantrieb oder in entsprechenden Heizsystemen. Die Kombination einer Ölheizung mit einer Wärmepumpe kleiner Leistung ist eine sinnvolle Modernisierungsoption. So bleiben die Modernisierungskosten überschaubar, und die Menschen erhalten eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Energieträgers, sind also wirtschaftlich flexibler.

SBZ: Unabhängige Analysen, darunter vom Umweltbundesamt und vom Fraunhofer-Institut, sehen E‑Fuels im Gebäudesektor als klimapolitisch ineffektiv und wirtschaftlich unvernünftig an. Was entgegnen Sie auf diese Kritik – insbesondere, wenn direkte Stromlösungen vielfach günstiger und sauberer sind?

Bellingen: Ihre letzte Aussage möchte ich gerne etwas genauer analysieren. In den meisten Fällen waren bislang Wärmepumpenlösungen um ein Vielfaches teurer als der Ersatz einer alten Öl- oder Flüssiggasheizung. Nur durch eine extrem starke Förderung nähern sich die Kosten bei der Modernisierung an, Wärmepumpen bleiben in der Regel immer die teurere Alternative. Inwieweit ein Energieträger als „sauber“ bezeichnet werden kann, hängt ausschließlich von seiner Herstellung bzw. Erzeugung ab, das gilt sowohl für flüssige Energieträger als auch für Strom. Angesichts der hohen Anteile fluktuierenden Wind- und Solarstroms können Hybridheizungen insbesondere an kalten Tagen Spitzenlasten abdecken bzw. den Strombedarf reduzieren. Ebenso stärkt eine dezentrale Bevorratung flüssiger Brennstoffe die Resilienz der Energieversorgung. Hybridheizungen können die Spitzenlast, für die Infrastrukturen ausgelegt werden, deutlich reduzieren und damit die Gesamtkosten des Energiesystems spürbar senken.

Die ­Energiewende wird allein als ­Stromwende kaum erfolgreich sein. Sie muss um ­eine ­Molekülwende ­ergänzt werden.

SBZ: Sehen Sie nicht einen systemischen Zielkonflikt zwischen dem Interesse, bestehende Ölheizungen weiter zu nutzen, und dem gesamtgesellschaftlichen Ziel, Energieeffizienz zu maximieren und die Energiewende nicht zu verzögern?

Bellingen: Die Energiewende wird allein als Stromwende kaum erfolgreich sein. Sie muss um eine Molekülwende ergänzt werden. Der Klimaschutz ist eine große Herausforderung, doch darüber dürfen wir die anderen Aspekte des energiepolitischen Zieldreiecks nicht außer Acht lassen: Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit. Mit Strom allein werden wir die Energiewende nicht schaffen. Insofern sehen wir hier keinen Konflikt. Es geht um ein Sowohl-als-auch, nicht um ein Entweder-oder. Das schließt insbesondere Hybridlösungen mit ein und Effizienzmaßnahmen keineswegs aus.

SBZ: Erneuerbare Fuels gelten als CO₂‑bilanzneutral, weil sie nur zuvor gebundenes CO₂ ausstoßen. Allerdings erfolgen Bindung und Verbrennung zeitlich versetzt, und der Herstellungsprozess ist energieintensiv. Warum halten Sie diese Bilanzierung für gerechtfertigt – gerade im Gebäudesektor, wo diese Argumente häufig infrage gestellt werden?

Bellingen: Entscheidend für den Klimaschutz ist, dass der Anteil an Treibhausgasen in der Atmosphäre nicht weiter zunimmt. Das ist bei geschlossenen Kohlenstoffkreisläufen der Fall. Bei der Nutzung von Biomasse ermöglichen dies Pflanzen, die zuvor das CO₂ aus der Atmosphäre genommen haben. Die Nutzung von Rest- und Abfallstoffen ist eine weitere Option. Eine andere Möglichkeit bietet das Herausfiltern von CO₂ aus Abgasen oder aus der Luft.

SBZ: Welche Mechanismen sollen sicherstellen, dass zum Beispiel E-Fuels tatsächlich mit grünem Strom und CO₂‑Quellen funktionieren – und nicht mit fossilem Strom? Gibt es verbindliche Zertifizierungssysteme oder geprüfte Strukturen zur Vermeidung von Greenwashing?

Bellingen: Greenwashing sollte grundsätzlich immer vermieden werden – unabhängig von Energieform und Rohstoffen. Dementsprechend gibt es bereits heute entsprechende Gesetze und Zertifizierungssysteme für biogene Produkte – und Entsprechendes wird es künftig auch für E-Fuels geben. Wichtiger erscheint es jedoch, die Produktion und den Import von erneuerbaren Fuels grundsätzlich anzuschieben. Hier besteht dringender politischer Handlungsbedarf.

SBZ: Verbrennung bleibt Verbrennung – Schadstoffe wie NOx und Feinstaub werden auch bei synthetischen Brennstoffen emittiert. Wo stehen Green Fuels in Sachen Luftreinhaltung gegenüber fossilen Brennstoffen?

Bellingen: Synthetische Brennstoffe, in der Regel Paraffine, haben hervorragende Eigenschaften bei der Verbrennung. Sie verbrennen extrem rußarm und mit sehr geringen NOx-Emissionen. Aber auch hier gilt es, die Alternativen zu betrachten. Strom aus Photovoltaik- oder Windanlagen schneidet bei diesem Vergleich fraglos besser ab. Im Vergleich zu einem Braunkohlekraftwerk ist die Emissionsbilanz des alternativen Brennstoffs jedoch deutlich besser.

SBZ: Wie realistisch ist es, dass Haushalte jemals bezahlbare Wärme via Green Fuels erhalten? Aktuelle Hochrechnungen gehen von extrem hohen Heizkosten aus – teurer als fossiles Öl oder elektrische Alternativen. Entstehen Mehrkosten?

Bellingen: Es ist klar, dass erneuerbare Alternativen teurer sind als ihre fossilen Vorgänger. Das ist bei Molekülen und Strom ganz ähnlich. Wie sich die Kosten entwickeln werden, lässt sich nicht seriös vorhersagen: für erneuerbare Brennstoffe genauso wenig wie für Strom. Aus diesem Grund werden Effizienzmaßnahmen wie die Gebäudedämmung auch künftig wichtig sein, um den Energieverbrauch zu begrenzen. Doch auch hier haben Hybridsysteme den Vorteil, dass Eigentümer zwischen verschiedenen Energieträgern wählen und sich dabei auch an der jeweiligen Preisentwicklung orientieren können. Wie Sie wissen, kann sich der Fahrer eines Dieselfahrzeugs schon heute für einen erneuerbaren Kraftstoff entscheiden, der für einen überschaubaren Mehrpreis an verschiedenen Tankstellen angeboten wird. Es ist vorgesehen, ein vergleichbares Produkt zukünftig auch in Mischungen mit fossilen Energieträgern als Brennstoff in Haushalten anzubieten.

Grundsätzlich wird die Bedeutung von hybriden Systemen, also die Kombination aus Stromnutzung mit gut speicherbaren Energieträgern, noch immer unterschätzt.

SBZ: Wie reagieren Sie auf die Sorge, dass das politische Festhalten an erneuerbaren Fuels Investitionen in Gebäudesanierung, Wärmeinfrastruktur und Elektrifizierung blockiert und so eher kontraproduktiv wirkt?

Bellingen: Wie gesagt: Es geht um ein Sowohl-als-auch, nicht um ein Entweder-oder. Die Aufgabe, CO2-Neutralität im Gebäudebestand zu erreichen, ist so groß und die Voraussetzungen sind von Objekt zu Objekt so verschieden, dass wir eine Vielfalt an Lösungen brauchen. Mehr Elektrifizierung, mehr Wärmenetze und der Einsatz erneuerbarer Brennstoffe schließen sich nicht aus.

SBZ: Globale Prognosen zeigen, dass E‑Fuels in absehbarer Zeit nicht einmal den Bedarf der Luftfahrt und Industrie decken können – geschweige denn den im Wärmesektor. Warum also sollte gerade der Wärmesektor Priorität erhalten?

Bellingen: Es geht hier nicht um Priorisierung, sondern darum, die notwendigen Investitionen in neue Kraft- und Brennstoffe anzureizen, gerade weil sie in bestimmten Bereichen unverzichtbar sind. Als Energieträger und Rohstoffe sind Kohlenwasserstoffe überall dort erforderlich, wo eine Elektrifizierung nicht sinnvoll oder nicht möglich ist. Nicht nur im Flugverkehr und der Schifffahrt, sondern auch als Grundstoffe für die industrielle Nutzung. Auch Landmaschinen, Lösch-, Bergungs- und Militärfahrzeuge sowie Notstromaggregate für Krisensituationen werden weiterhin flexible und speicherbare Energieträger in Form von Kohlenwasserstoffen brauchen. Trotz fortschreitender Elektrifizierung wird es 2030 bundesweit voraussichtlich noch mehr als 40 Millionen Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor und auch weiterhin mehrere Millionen Heizungen für flüssige oder gasförmige Brennstoffe geben, die Klimaschutzoptionen brauchen. Wir brauchen also ohnehin große Mengen, und die Aussicht auf große Absatzmärkte würde auch Investitionen in die Hochskalierung befördern. Eine Einschränkung der Einsatzgebiete, schon die entsprechenden politischen Diskussionen, sind da kontraproduktiv. Vielmehr sollten erneuerbare Kraft- und Brennstoffe überall dort sinnvoll eingesetzt werden können, wo sie einen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele zu leisten vermögen.

SBZ: Sehen Sie Green Fuels im Gebäudebereich eher als Reserveoption – z. B. für Denkmäler oder ländliche Regionen ohne Alternativen – oder streben Sie tatsächlich eine breite Marktintegration an? Welche Skalierungskonzepte verfolgen Sie dort?

Bellingen: Mit unseren Modellvorhaben konnten wir zeigen, dass der Brennstoffbedarf von Gebäuden deutlich gesenkt werden kann und der verbleibende Bedarf effizient durch Hybridanlagen gedeckt werden konnte. Flüssige Energieträger haben dabei für die sichere und immer verfügbare Energie gesorgt, der jährliche Brennstoffbedarf konnte dabei jedoch deutlich reduziert werden. Und um auf Ihre Frage zu antworten, möchte ich sagen: Ja, in diesen Fällen ergibt sich eine Option, die nicht nur für die oben genannten Sonderfälle interessant ist.

Wichtig ist aus unserer Sicht, dass jetzt die Rahmenbedingungen für die Molekülwende, also den Hochlauf erneuerbarer Kohlenwasserstoffe, geschaffen werden. Dafür und für erneuerbare Kraftstoffe für den Straßenverkehr werden in Deutschland bislang vor allem Anbaubiomasse wie Raps und Mais sowie Altspeisefette als biogene Rohstoffe genutzt. Für die Zukunft geht es vor allem um den Einsatz weiterer Rest- und Abfallstoffe, wie etwa von Stroh- und Holzresten, aber auch Algen. Deren Verarbeitung zu fortschrittlichen Biokraftstoffen erfordert allerdings noch Investitionen in neue Technologien. Das gilt auch für E-Fuels, also die Produktion von strombasierten Kraftstoffen aus grünem Wasserstoff und CO2. Wir stehen dabei derzeit vor einer doppelten Herausforderung: Zum einen benötigt die Branche hierzulande wieder wettbewerbsfähige Standortbedingungen, insbesondere geringere Energiekosten und weniger Bürokratie. Zum anderen brauchen wir sodann eine klare Perspektive und geeignete Rahmenbedingungen, um Zukunftsinvestitionen anzureizen.

Durch die besonders hohe Energiedichte flüssiger Brennstoffe können große Energiemengen transportiert und für längere Zeit einfach und sicher gespeichert werden.

Auf klimaschonende Technologien zu setzen, muss für Investoren attraktiver werden. Jedes Gesetz, jede Regulierung muss sich künftig daran messen lassen, ob sie die gewünschten privaten Investitionen in den Klimaschutz auslöst – bei Unternehmen wie in privaten Haushalten. Das könnte zum Beispiel eine Novellierung des GEG leisten. Für den Straßenverkehr zum Beispiel wäre hingegen eine Reform der Energiesteuer notwendig, die Kraftstoffe nach ihrer Klimawirkung besteuert. Zudem müssen weitere Instrumente ausgebildet werden, um die Risiken bei neuen Technologien abzufedern.

SBZ: Wann erwarten Sie ein marktfähiges, ausreichend großes Angebot an alternativen Fuels im Wärmemarkt? Welche politischen Rahmenbedingungen – beispielsweise Subventionen, Netzanreize oder CO₂-Preisgestaltung – sind dafür nötig?

Bellingen: Bioheizöl ist bereits seit Jahren dort verfügbar, wo es durch die örtlichen Wärmegesetze nach einer Heizungsmodernisierung durch den Verordnungsgeber gefordert wird. Für den gesamten deutschen Wärmemarkt könnte das Angebot an alternativen Brennstoffen durch eine Novellierung des GEG erzielt werden. Das aktuelle Gesetz ist zwar technologieoffen angelegt, in seiner Ausgestaltung jedoch keineswegs modernisierungsfördernd. Im Gegenteil: Heute werden Verbraucher verpflichtet, nach einer Heizungsmodernisierung 65 % erneuerbare Energien einzusetzen, was in vielen Fällen zu höheren Energiekosten als vor der Modernisierung führen würde. Dies hat zusammen mit den anhaltenden kritischen Diskussionen zu einem drastischen Rückgang bei der Modernisierung von Heizungen geführt. Für viele Verbraucher ist es derzeit anscheinend attraktiver, den alten Heizkessel weiter zu betreiben. So können die klimapolitischen Ziele im Gebäudesektor nicht erreicht werden. Unser Vorschlag für eine GEG-Novelle, den wir gemeinsam mit anderen Verbänden aus der Energieversorgung formuliert haben, sieht vor, künftig nicht mehr die Verbraucher zu verpflichten, nach einer Modernisierung hohe Anteile erneuerbarer Energien zu nutzen, sondern die Hersteller bzw. Lieferanten von gasförmigen oder flüssigen Energieträgern zu verpflichten, einen jährlich steigenden Anteil erneuerbarer Brennstoffe auf Basis einer Erneuerbare-Energien-Quote in den Markt zu bringen. Mit diesem Ansatz würde man der Strategie im Stromsektor folgen, bei der seit über 20 Jahren auf Basis des EEG steigende Anteile an erneuerbarem Strom in den Markt kommen, und ein flächendeckendes Angebot an erneuerbaren Brennstoffen schaffen.

Es geht hier nicht um ­Priorisierung, sondern darum, die notwendigen Investitionen in neue Kraft- und Brennstoffe ­anzureizen.

SBZ: Was entgegnen Sie Menschen, die den Eindruck haben, hier werde versucht, ein fossiles Heizsystem künstlich zu verlängern, anstatt konsequent in die postfossile Zukunft zu gehen?

Bellingen: Es gibt keine fossilen Heizsysteme, sondern nur fossile Energieträger. So wie wir mit der Stromwende Elektronen nach und nach durch den Ausbau von Sonnen- und Windstrom defossilisieren, muss das auch im Rahmen einer Molekülwende mit Kohlenwasserstoffen geschehen. Beides schließt sich nicht aus, im Gegenteil: Stromwende und Molekülwende sind zusammen die tragenden Säulen der Energiewende.

SBZ: Und abschließend, wenn Sie in einem einzigen Satz sagen müssten, was die einzigartige Rolle von erneuerbaren Fuels im Gebäudesektor ist, die keine andere Technologie so erfüllen kann, wie würde dieser Satz lauten?

Bellingen: Durch die besonders hohe Energiedichte flüssiger Brennstoffe können große Energiemengen transportiert und für längere Zeit einfach und sicher gespeichert werden – sie leisten damit einen unverzichtbaren Beitrag für eine resiliente Energieversorgung, insbesondere in Krisensituationen.

SBZ: Werter Herr Bellingen, besten Dank für die ausführlichen Antworten!

Das ist en2x

Der Wirtschaftsverband Fuels & Energie e.V. (en2x) vertritt Unternehmen aus der Energie- und Brennstoffbranche. Er fördert den Einsatz erneuerbarer und synthetischer Energieträger, setzt sich für eine technologieoffene Wärmewende ein und bündelt Interessen in Politik und Wirtschaft, um Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Bezahlbarkeit zu verbinden.

www.en2x.de

Tags