Die Bemessung von Versickerungsanlagen (Bild A) erfolgt auf Grundlage des Arbeitsblatts DWA-A 117 „Bemessung von Regenrückhalteräumen“. Es können folgende Verfahren angewendet werden:
Für die Bemessung von dezentralen Versickerungsanlagen kann in der Regel das „Einfache Verfahren“ angewendet werden. Die genaue Vorgehensweise wird im Abschnitt 5.3.3.2 des Arbeitsblatts DWA-A 138-1 näher erläutert. Beim „Einfachen Verfahren“ gelten nach Arbeitsblatt DWA-A 117 in Übereinstimmung mit DIN EN 752 „Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden – Kanalmanagement“ und unter Berücksichtigung technischer und wirtschaftlicher Aspekte für das gesamte Einzugsgebiet (Grundstück) bis zur Versickerungsanlage die folgenden Randbedingungen:
Zuflüsse
Die Berechnung der Zuflüsse zur Versickerungsanlage im „Einfachen Verfahren“ erfolgt nach Abschnitt 5.3.3.5 des Arbeitsblatts DWA-A 138-1. Der Rechenwert für die abflusswirksame Fläche AC wird gemäß Gleichung 2 wie folgt ermittelt:
AC = Σ (AE,b,a,i · Ci) + Σ (AE,nb,a,i · Ci)
Dabei ist:
AC Summe aller an die Versickerungsanlage angeschlossenen Teilflächen, multipliziert mit dem jeweils zugehörigen Abflussbeiwert in m²
AE,b,a,i angeschlossene befestigte Teilfläche in m²
AE,nb,a,i angeschlossene nicht befestigte Teilfläche in m²
Ci Abflussbeiwert der Teilfläche
In Tabelle 9 des Arbeitsblatts DWA-A 138-1 sind Abflussbeiwerte aufgeführt. Alternativ können die Abflussbeiwerte aus Tabelle 9 der DIN 1986-100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056“ verwendet werden.
Berechnungsbeispiel 1
Gegeben:
AE,b,a,i 400 m² Dachfläche mit Extensivbegrünung < 10 cm Aufbaudicke und Dachneigung < 5° mit einem Cm,i von 0,3
AE,nb,a,i 200 m² Parkfläche mit Rasengittersteinen für häufige Verkehrsbelastung mit einem Cm,i von 0,2
Gesucht:
AC = Summe aller an die Versickerungsanlage angeschlossenen Teilflächen, multipliziert mit dem jeweils zugehörigen mittleren Abflussbeiwert in m²
Formel:
AC = Σ (AE,b,a,i · Cm,i) + Σ (AE,nb,a,i · Cm,i)
Lösung:
AC = (400 m² · 0,3) + (200 m² · 0,2)
Ergebnis:
AC = 160 m²
Der Zufluss zur Versickerungsanlage Qzu wird nach folgender Gleichung 3 ermittelt:
Qzu = rD(n) · (AC + AVA) · 10-4
Dabei ist:
Qzu Zufluss zur Versickerungsanlage während der Dauerstufe D in l/s
rD(n) Regenspende der Dauerstufe D und Wiederkehrzeit n in l/(s · ha) aus Kostra-DWD-2020
AVA überregnete Fläche einer oberirdischen Versickerungsanlage in m²
AC Rechenwert für die Bemessung, der sich aus der Summe aller an die Versickerungsanlage angeschlossenen Teilflächen, multipliziert mit dem jeweils zugehörigen Abflussbeiwert C, ergibt in m²
Berechnungsbeispiel 2
Gegeben:
rD(n) Regenspende r10(5) = 207 l/(s · ha) für Bonn
AC angeschlossene abflusswirksame Fläche insgesamt = 650 m²
AVA überregnete Fläche der Versickerungsanlage = 100 m²
Gesucht:
Qzu = Zufluss zur Versickerungsanlage in m³/s bzw. l/s
Formel:
Qzu = rD(n) · (AC + AVA) · 10-4
Lösung:
Qzu = 207 l/(s · ha) · (650 m² + 100 m²) · 10-4
Ergebnis:
Qzu = 15,5 l/s
Versickerungsleistung
Im Abschnitt 5.3.3.6 des Arbeitsblatts DWA-A 138-1 wird die Vorgehensweise zur Berechnung der Versickerungsleistung beschrieben. Zur Ermittlung der Versickerungsleistung gilt folgende Grundgleichung 4:
QS = ki · AS · 103
Dabei ist:
QS Versickerungsleistung in l/s
AS erforderliche Versickerungsfläche in m²
ki bemessungsrelevante Infiltrationsrate in m/s
Die bemessungsrelevante Infiltrationsrate ki in m/s ergibt sich aus der Multiplikation des ermittelten Durchlässigkeitsbeiwertes des Bodens k (in der Regel kf-Wert aus dem hydrogeologischen Gutachten) in m/s mit dem resultierenden Korrekturfaktor für die Wasserdurchlässigkeit fk gemäß Gleichung 5:
ki = k · fk
Der resultierende Korrekturfaktor fk wird nach folgender Gleichung 6 berechnet:
fk = fOrt · fMethode ≤ 1
Dabei ist:
fOrt Korrekturfaktor zum Kenntnisstand der Variabilität der Bodenverhältnisse sowie der Anzahl der durchgeführten Versuche/Probenahmen vor Ort
fMethode Korrekturfaktor für die Bestimmungsmethode (methodenspezifische Unsicherheiten der Ergebnisse durch unterschiedliche Versuchsverfahren)
Entsprechende Zahlenwerte für die Korrekturfaktoren befinden sich im hydrogeologischen Gutachten bzw. in den Tabellen 10 und 11 des Arbeitsblatts DWA-A 138-1.
Berechnungsbeispiel 3
Gegeben:
AS erforderliche Versickerungsfläche = 100 m²
k Durchlässigkeitsbeiwert des Bodens mit 2 · 10−4 m/s (hier kf-Wert aus hydrogeologischem Gutachten)
fk resultierender Korrekturfaktor mit 0,8 (aus hydrogeologischem Gutachten bzw. den Tabellen 10 und 11 des Arbeitsblatts DWA‑A 138-1)
Gesucht:
QS = Versickerungsleistung in l/s
Formel:
QS = ki · AS · 103
mit
ki = k · fk
Lösung:
ki = 2 · 10-4 m/s · 0,8 = 1,6 · 10-4 m/s
QS = 1,6 · 10-4 m/s · 100 m2 · 103
Ergebnis:
QS = 16 l/s

Bild: Otto Graf
Speichervolumen
Das erforderliche Speichervolumen stellt in den häufigsten Fällen die Bemessungszielgröße bei Versickerungsanlagen dar (außer bei der Flächenversickerung). Im Arbeitsblatt DWA-A 138-1 wird im Abschnitt 5.3.3.7 die Vorgehensweise zur Ermittlung des erforderlichen Speichervolumens beschrieben. Beim „Einfachen Verfahren“ gilt die Gleichung 8:
VVA = (Qzu - QS - QDr) · D · 60 · fZ · fA · 10-3
Dabei sind:
VVA erforderliches Speichervolumen in m³
Qzu Zufluss zur Versickerungsanlage während der Dauerstufe D in l/s
QS Versickerungsleistung in l/s
QDr Drosselabfluss in l/s (z. B. gemäß Einleitungsbeschränkung in den Straßenkanal)
D Dauerstufe in Minuten
fZ Zuschlagsfaktor nach Arbeitsblatt DWA-A 117 (empfohlen zwischen 1,1 und 1,2)
fA Abminderungsfaktor nach Arbeitsblatt DWA-A 117 (in der Regel = 1,0)
Das Maximum für das erforderliche Speichervolumen ist iterativ für verschiedene Wertepaare der Dauerstufe D (beginnend bei 5 Minuten bis maximal 4320 Minuten) und der jeweils zugehörigen Regenspende rD(n) nach Kostra-DWD-2020 zu bestimmen.
Berechnungsbeispiel 4
Gegeben:
gesamte abflusswirksame Fläche AC + AVA = 2200 m²
Versickerungsleistung QS = 5 l/s
Drosselabfluss QDr = 0 l/s
Zuschlagsfaktor fZ = 1,2
Abminderungsfaktor fA = 1,0
Jährlichkeit T = 5
Gesucht:
VVA = erforderliches Speichervolumen in m³
Lösung:
siehe Bild B und Bild C
Ergebnis:
Das erforderliche Speichervolumen VVA beträgt 33,2 m³.
Die Bemessungsregeln für die unterschiedlichen Typen von Versickerungsanlagen – z. B. für Flächenversickerung, Versickerungsmulden, Rigolen- und Schachtversickerung – befinden sich im Abschnitt 6 des Arbeitsblatts DWA-A 138-1.
Überflutungsnachweis
Gemäß DIN 1986-100 muss für Versickerungsanlagen zur Entwässerung von Grundstücken mit einem Rechenwert von AC größer 800 m² ein Überflutungsnachweis erbracht werden. Bezüglich der Durchführung des Überflutungsnachweises bei Versickerungsanlagen verweist die DIN 1986-100 auf das Arbeitsblatt DWA-A 138.
Die Vorgehensweise zum Überflutungsnachweis bei Versickerungsanlagen wird im Abschnitt 5.3.4 des Arbeitsblatts DWA-A 138-1 beschrieben. Es muss der Nachweis erbracht werden, dass die zurückzuhaltende Regenwassermenge VRück in m³ vollständig und schadlos auf dem Grundstück verbleiben kann, beispielsweise durch zusätzlichen Speicherraum oder das Einstauen von Außenflächen.
Das Maximum der zurückzuhaltenden Regenwassermenge VRück in m³ muss hierbei nach folgender Gleichung 10 iterativ für verschiedene Wertepaare der Dauerstufe D (beginnend bei 5 Minuten bis maximal 4320 Minuten) und der jeweils zugehörigen Überflutungsregenspende (in der Regel die 30-jährige Regenspende rD(30) nach Kostra-DWD-2020) bestimmt werden:
VRück = [rD(30) ∙ (AE,b,a ∙ CS + AVA) ∙ 10-4 - (QS + QDr)] ∙ D ∙ 60 ∙ 10-3 - VVA
Dabei ist:
VRück zurückzuhaltende Regenwassermenge in m³
CS Spitzenabflussbeiwert
D Dauerstufe des Bemessungsregens in Minuten
rD(30) Regenspende für die Dauerstufe D und Jährlichkeit T = 30 nach Kostra-DWD-2020
AE,b,a angeschlossene befestigte Fläche in m²
AVA überregnete Fläche einer oberirdischen Versickerungsanlage in m²
QS Leistung der Versickerungsanlage in l/s
QDr mittlerer Drosselabfluss in l/s
VVA Speichervolumen in m³
Berechnungsbeispiel 5
Gegeben:
Jährlichkeit T = 30
abflusswirksame Fläche = AE,b,a ∙ CS = 820 m²
überregnete Fläche der oberirdischen
Versickerungsanlage AVA = 29,28 m²
Leistung der Versickerungsanlage QS = 6,73 l/s
mittlerer Drosselabfluss QDr = 0 l/s
erforderliches Speichervolumen VVA = 19,32 m³
Gesucht:
VRück = zurückzuhaltende Regenwassermenge in m³
Lösung:
siehe Bild D und Bild E
Ergebnis:
Die zurückzuhaltende Regenwassermenge VRück beträgt 3,06 m³.
Hinweis: Um den Zeitaufwand zu minimieren, sollten zur Bemessung von Versickerungsanlagen entsprechende Berechnungsprogramme verwendet werden (etwa die Software des Instituts für technisch-wissenschaftliche Hydrologie GmbH (itwh) aus Hannover oder Berechnungstools der Hersteller).




Quellen
Arbeitsblatt DWA-A 138-1: Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser – Teil 1: Planung, Bau, Betrieb. Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), Oktober 2024
Arbeitsblatt DWA-A 138: Planung, Bau und Betrieb von Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser. Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), April 2005
Arbeitsblatt DWA-A 117: Bemessung von Regenrückhalteräumen. Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), Dezember 2013
DIN 1986-100: Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056. DIN Media, Dezember 2016
DIN EN 752: Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden – Kanalmanagement. DIN Media, Juli 2017