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Berliner Wärmekonferenz diskutierte Machbarkeit

Strategien für den Wärmemarkt besprochen

Als ob der Klimawandel dem Wärmemarkt nicht schon genug Herausforderungen für die nächste Zeit diktieren würde. Der Termin für die Berliner Wärmekonferenz am 24. März 2022 hätte nicht aktueller gewählt werden können. Denn mitten in die strategischen Überlegungen der Tagung hinein platzte die Meldung der russischen Regierung, dass die Rechnungen für Energielieferungen von Erdgas, Rohöl und Kohle zukünftig nicht mehr in einer westlichen Währung, sondern in Rubel zu zahlen seien – im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die ­Ukraine eine Drohung mit noch nicht ab­sehbaren Folgen für eine weitere Verteuerung der Energiepreise in Deutschland.

Klimawandel plus Kostensteigerung im Energieeinkauf: Die lange geplante Wärmekonferenz konnte die aktuelle Brisanz noch nicht im Blick haben, als das Motto der Tagung „Alle Register ziehen“ festgelegt wurde. Umso deutlicher wurden die rund 200 Teilnehmer mit den sich weiter verschärfenden Problemen konfrontiert, die zu bewältigen sind.

Fachhandwerk besetzt Schlüsselposition

Eine entscheidende Rolle übernimmt das Fachhandwerk als tatkräftiger Umsetzer für das Erreichen der ambitionierten Klimaschutz­ziele. In den nächsten zehn Jahren scheiden allerdings rund 30 Prozent der heute Beschäftigten ruhestandsbedingt aus dem Erwerbsleben aus. Davon werden die rund 49 000 SHK-​Betriebe aufgrund der demografischen Entwicklung aber nur etwa die Hälfte durch Neueinstellungen ersetzen können. Um die ehrgeizigen Ziele im Wärmemarkt zu erreichen, muss aber zwangsläufig die Modernisierungsrate der Heizungen weiter gesteigert werden. Ohne ausreichende personelle Kapazitäten im Heizungsbauerhandwerk ist das in dem angestrebten knappen Zeitraum bis 2030 nicht zu schaffen. Auf diese Zusammenhänge verwies ZVSHK-Präsident Michael Hilpert: „Entscheidend ist für uns der Faktor Zeit. Wir unterstützen die Klimaziele der Bundesregierung. Wir schaffen auch deren Umsetzung im Wärmemarkt. Aber die zeitlichen Fristen hierfür müssen sich an dem Machbaren orientieren, das heißt an den verfügbaren Fachkräften!“

ZVSHK-Präsident Michael Hilpert: „Die Heizungswirtschaft unterstützt die Anstrengungen der Politik zu Klimaschutz und Energieunabhängigkeit. Sie fordert die Poli­tik gleichzeitig aber auf, hierbei für die Umsetzung realistische Vorgaben zu treffen, die sich am tatsächlich Machbaren ausrichten.“

Bild: SBZ / Dietrich

ZVSHK-Präsident Michael Hilpert: „Die Heizungswirtschaft unterstützt die Anstrengungen der Politik zu Klimaschutz und Energieunabhängigkeit. Sie fordert die Poli­tik gleichzeitig aber auf, hierbei für die Umsetzung realistische Vorgaben zu treffen, die sich am tatsächlich Machbaren ausrichten.“

Fast 100 000 Stellen sind offen

Der ZVSHK rechnet mit rund 60 000 zusätzlich benötigten Monteuren, um – wie von der Politik gefordert – bis 2030 sechs Millionen Wärmepumpen in Deutschland zu installieren. „Das Heizungsbauerhandwerk ist hochqualifiziert und in der Lage, die zunehmend komplexer werdenden heiztechnischen Systeme kompetent einzubauen und zu warten“, betonte Hilpert. „Aber bei den gesteigerten Anforderungen seitens der Politik brauchen wir als Klimahandwerk auch konkrete Hilfe der Politik, den gesteigerten Fachkräftebedarf zu decken.“ Der ZVSHK-Präsident konnte die ­vakanten Stellen beziffern: „Schon heute könnten wir zusätzlich fast 100 000 offene Stellen sofort besetzen – wenn wir nur qualifizierte Bewerber dafür hätten!“ Die in der SHK-Organisation jüngst ermittelten Zahlen machten deutlich, dass derzeit über 41 000 Monteure – also technisches Personal – und fast 27 000 kaufmännische Mitarbeiter sowie über 31 000 Auszubildende einen freien ­Arbeitsplatz finden würden.

Analog zu der seit Jahren stattfindenden Hochschulförderung erwartet der ZVSHK deshalb eine intensivere Unterstützung der Politik bei der Ausbildungsförderung und Weiterqualifizierung von Fachkräften – etwa durch ein neu zu schaffendes Kompetenzzentrum für Klimahandwerke.

Modernisierungsschub im Jahr 2021

Die Förderkulisse hat zu einer dynamischen Marktentwicklung bei der Heizungsmoder­nisierung in den vergangenen zwei Jahren geführt. Nach über zwei Dekaden ohne ­signifikantes Wachstum wurden im Jahr 2021 knapp 930 000 neue Anlagen installiert. Damit kommt man erstmalig in den Bereich von einer Million Anlagen, die man zur Erreichung der Klimaziele im Gebäude benötigt. Diese Entwicklung muss durch die Verstetigung der Rahmenbedingungen noch weiter ausgebaut werden. Daher forderten die Verbände die Politik auf, die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) finanziell abzusichern und verlässlich fortzusetzen. Diese sei ein Erfolgsmodell und die Menschen seien bei stimmigen Rahmenbedingungen bereit, in moderne Heizungstechnik und damit in Klimaschutz zu investieren.

Anstrengungen noch forcieren

„Angesichts der aktuellen Entwicklungen muss der Ausbau der erneuerbaren Energien inklusive Biomethan und Holzenergie sowie der Markthochlauf von Wasserstoff noch schneller organisiert werden als bisher geplant“, forderte BDH-Präsident Uwe Glock. Und in einer der Podiumsdiskussionen konstatierte der Grünen-Politiker Dieter Janecek: „Bei der Modernisierung im Heizungsmarkt ist vieles sehr anspruchsvoll. Aber die Preis­explosion im Energiemarkt wird wahrscheinlich vieles beschleunigen.“

Weitgehende Übereinstimmung erzielten folgende Punkte in den Podiumsgesprächen: Es gilt, alle technologischen Lösungen einzubeziehen, die einen Beitrag zur Erreichung der klimapolitischen Ziele im Wärme- und Gebäudesektor ermöglichen. Nur so wird die Wärmewende unter Berücksichtigung der Heterogenität der Gebäude und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einem Realitätscheck standhalten. Die Verengung des Lösungsraums auf nur wenige Technologien droht den gerade realisierten Marktaufschwung bei den Wärmeerzeugern auszubremsen.

Heizungsmodernisierung auch in Europa beschleunigen

Im Rahmen eines EU-Panels diskutierte die Deutsche Wärmekonferenz auch die europäische Situation. „Was für den deutschen Wärmemarkt gilt, muss sich auch in Europa spiegeln“, forderte Dr. Markus Pieper, Mitglied des Europäischen Parlaments. Nicht nur Deutschland, auch die EU als Gesamtes müsse die Modernisierung veralteter Wärme­erzeuger zur Reduktion der Emissionen im Gebäudesektor beschleunigen. „Dies geht unter anderem über die verstärkte Nutzung der erneuerbaren Energien im Wärmemarkt“, so der Europapolitiker.

Nötige Technologie steht bereit

An der Deutschen Wärmekonferenz nahmen Vertreter aus Politik, Verbänden, Medien und Industrie teil. Trotz der derzeit großen Herausforderungen durch die noch immer nicht überwundene Coronapandemie sowie den Krieg in der Ukraine ging von der Veranstaltung ein positives Signal aus.

BDH-Hauptgeschäftsführer Markus Staudt fasste zusammen: „Die innovationsgetriebene Heizungsindustrie bietet bereits heute alle technologischen Lösungen, um die Klimaziele im Wärmesektor umzusetzen. Dazu gehören unter anderem Wärmepumpen, Brennstoffzellen, Brennwerttechnik für den Betrieb mit grünen Gasen und E-Fuels in Verbindung mit Solarthermie, hybride Systeme, Holzzentralheizungen und Lüftungssysteme mit Wärme­rückgewinnung. Gemeinsam mit unseren Marktpartnern aus Fachhandwerk und Großhandel müssen diese Systeme nun beschleunigt und unter verstärkter Nutzung CO2-reduzierter und erneuerbarer Energien in den Markt gebracht werden.“

Info

Der Bundesverband der Deutschen ­Heizungsindustrie (BDH), der Deutsche Großhandelsverband Haus­technik (DG Haustechnik) und der ZVSHK ­haben am 24. März 2022 im Dialog mit der Bundespolitik Strategien und Lösungsansätze diskutiert, die die Er­reichung der ambitio­nierten Klimaziele im Wärmesektor ­ermöglichen. Im ­Rahmen der Deutschen Wärmekonferenz, die auch ­inhaltlich unter dem ­Eindruck des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine stand, legte der BDH im Berliner Futurium sein Strate­gie­papier „Zielbild Wärmemarkt 2045“ vor. Die 20-seitige Broschüre steht im PDF-Format unter www.zvshk.de als Download bereit (im Suchfeld den Quicklink QL31117611 ein­geben).