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TREND

Gesundheitszentrum Bad auf dem Vormarsch

Welchen Beitrag zur Gesundheitspflege leistet das moderne Badezimmer bereits heute? Was können wir vom Bad in Zukunft erwarten? Moderiert vom Geschäftsführer der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft Jens Wischmann sprachen Sportmediziner Prof. Klaus-Michael Braumann (Universität Hamburg), Thomas Richter (Dornbracht) und Dirk Engelhardt (Geberit) über das Bad als Gesundheitszentrum.

Wischmann: Herr Prof. Braumann, die Themen Bad und Gesundheit wachsen beim modernen Wohnen immer mehr zusammen. Gibt es medizinisch belegbare Wirkungen, die das Bad beziehungsweise seine Produkte auf unseren Organismus haben?
Braumann: Wie die Jahrtausende alte Tradition in allen großen Kulturen zeigt, hat das Bad seit jeher eine ganz besondere Bedeutung. Zum einen als Ort der Kommunikation, zum anderen aber auch als Ort der Gesunderhaltung und der Gesundwerdung. Auch in der Tradition der Heil- und Kurbäder der letzten Jahrhunderte wurden die Effekte des Wassers auf den ­Organismus intensiv genutzt. Wir haben das etwas aus den Augen verloren, weil wir für Erkrankungen, die relativ einfach mit Wasser behandelt werden könnten, Medikamente haben.

Wischmann: Herr Richter, hat die Industrie zu lange auf schönes Design geschaut und gesundheitliche Aspekte ausgeblendet?
Richter: Sicherlich war für Dornbracht das Design lange Zeit ein entscheidendes Differenzierungsmerkmal gegenüber dem Wettbewerb. Unser Ziel war es, Armaturen zu gestalten, die ein Bewusstsein für ihre Form schaffen, weshalb wir sehr viel Wert auf die Details in der Gestaltung gelegt haben. Insofern ist die Frage sicherlich berechtigt. Uns war aber auch immer bewusst, dass Wasser wirkt. Das hat Herr Kneipp ja schon vor über 100 Jahren erfolgreich propagiert. Doch zu seiner Zeit gab es keine Privatbäder in dem Stil, wie wir sie heute haben. Das Thema Gesundheit ist bisher nie in das Privatbad eingezogen. Deshalb greift die Badindustrie dieses Thema auch erst jetzt mit Nachdruck auf und wirbt dafür, eine solche Praxis im Bad zu ermöglichen. Dennoch stellt sich die Frage: Wo soll das stattfinden? Viele Bäder lassen das schon von der Größe her gar nicht zu. Es ist wichtig, ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Dabei ist es aber entscheidend – wenn wir die Kneipp‘sche Idee ins Bad tragen wollen –, dass die Umsetzung nicht „krank“ wirkt. Das Bad soll ja prophylaktisch genutzt werden. Daher ist die Ästhetik mindestens genauso wichtig.

Wischmann: Herr Engelhardt, wie gestaltet sich das Thema Gesundheit, Wasser, Bad aus der Sicht von Geberit? Wie wird es sich entwickeln?
Engelhardt: Zunächst einmal schließen sich Gesundheit, Wohlbefinden und schönes Design ja nicht aus. Ein schönes Bad, in dem ich mich wohlfühle, trägt sicherlich ganz entscheidend zu meinem Wohlbefinden bei. Aber wenn wir das Thema mal etwas handfester betrachten und überlegen, wie die Wasserversorgung und -entsorgung vor 150 Jahren aussah, wird deutlich, dass mit Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung ausgestattete Sanitärräume erst die Voraussetzung dafür geschaffen haben, dass wir heute ein so hohes Alter erreichen, dass die ganzen Zipperlein unser Wohlbefinden beeinträchtigen können.

Wischmann: Soweit also der Ist-Zustand. Aber wenn wir in die Zukunft blicken und fragen: Was gibt es noch mehr, was man im Bad machen kann? Was ist neu zu entdecken, vielleicht auch: wiederzuentdecken? Welche Ideen gibt es, Bäder neu zu denken?
Braumann: Aus Sicht der Sport- und Bewegungsmedizin propagieren wir stets die körperliche Fitness auch im hohen Alter. Wir müssen auch die Kinesiophobiker, also diejenigen, die gar keine Beziehung zu Bewegung haben, dazu bringen, sich sportlich mehr zu betätigen. Und da bietet es sich einfach an, so etwas im Bad zu machen. Nehmen wir zum Beispiel die Klientel, die in großen Wohnungen lebt, obwohl die Kinder aus dem Haus sind. Warum hier nicht einfach die Wand zum Kinderzimmer rausreißen und das Bad mit dem Kinderzimmer zusammen in eine Art Wellnesstempel umwandeln, in dem etwa auch ein Fahrradergometer stehen könnte – vielleicht zusammen mit einem Großbildfernseher und einem Getränkespender. Wenn dann noch ein schöner Blick nach draußen vorhanden ist, lässt es sich hier morgens ganz entspannt erst mal eine halbe Stunde auf dem Fahrradergometer fahren, um dann nahtlos zur Körperpflege überzugehen.

Wischmann: Bei Renovierungszyklen reden wir von 20 Jahren. Auf der anderen Seite sehen wir, dass gesellschaftliche Trends und Entwicklungen deutlich schneller ablaufen. Gibt es da nicht einen gesellschaftlichen Druck, solche Entwicklungen schneller umzusetzen?
Engelhardt: Wir haben es da in der Tat mit sehr langen Zyklen zu tun, sodass sich Neuerungen nicht schnell etablieren lassen. Andererseits gibt es auch Lösungen, die sich schon lange etabliert haben, und die, aus ­einem anderen Blickwinkel betrachtet, durchaus auch unter gesundheitlichen Aspekten genutzt werden können. Das Thema bodenebene Duschen etwa ist eigentlich ­uralt. Nur war es lange Zeit mit dem Makel ­eines rollstuhlgerechten Bades behaftet. Erst im Zuge einer geänderten Betrachtungsweise des Bades – aufgrund einer großzügigeren und wohnlicheren Raumausstattung – wurde die bodenebene Dusche zu einem auch für junge Leute attraktiven Komfort-, Design- und Gestaltungsaspekt. Dabei ist es im Prinzip das gleiche System, das 20 Jahre zuvor in das sogenannte Rollstuhlfahrerbad eingebaut wurde.

Wischmann: Wir brauchen also nicht einfach nur neue Gesundheitsprodukte. Vieles kann mit bereits Bestehendem gelöst werden. Trotzdem die Frage: Können wir mehr gesundheitsaffine Produkte erwarten?
Engelhardt: Einfach und kurz: Ja. Deswegen empfehlen wir Planern und Handwerkern schon seit Jahren – lange Zyklen hin oder her –, das Bad bei jedem Neubau, bei jeder Renovierung vernünftig zu elektrifizieren. Wenn Sie über die ISH gehen, sehen Sie Spiegel mit integrierten LCD-Monitoren, über die sie bei einem etwas längeren Aufenthalt im Bad schon mal E-Mails checken oder den Börsenticker verfolgen können. Das braucht Strom. Bei Geberit haben wir das Dusch-WC mit intelligenten Betätigungsplatten und Geruchsabsaugung, das breiten Raum im Bereich Gesundheit einnimmt. Und es gibt eine Menge weiterer Lösungsangebote, die dem Kunden einen Mehrnutzen bringen. Es lohnt sich, das Badezimmer schon im Voraus adäquat zu elektrifizieren. Dann kann auf zukünftige Entwicklungen, die mit Sicherheit kommen werden, entsprechend reagiert werden, ohne dass gleich die ganze Wand aufgerissen werden muss.

Wischmann: Die ISH ist eine internationale Messe. Wir sehen aber auch Badtrends, die lokal verankert sind. In Deutschland beispielsweise wird viel über den demografischen Wandel gesprochen. Das ist aber nicht überall so. Inwieweit ist der Zusammenhang von Bad und Gesundheit international ein Thema?
Engelhardt: Wir haben in diesem Jahr ein sehr internationales Publikum. Und wenn Sie mit Kunden aus Indien sprechen, merken Sie schnell, dass der Gesundheitsaspekt sich dort zunächst einmal auf den Zugang zu klarem, genießbarem Trinkwasser bezieht und auf die Entsorgung der Fäkalien. Wir vergessen gerne, dass wir hier auf extrem hohem Niveau diskutieren. In vielen Regionen der Welt haben die Menschen mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Da ist es manchmal schwer, Verständnis für ein hochentwickeltes Designprodukt zu wecken, wenn es in erster Linie darum geht, Wasser sauber von A nach B zu bringen.

Wischmann: Wie sehen Sie das, Herr Braumann? Sie sind ja viel auf internationalen Kongressen unterwegs.
Braumann: Es ist auf jeden Fall zu beobachten, dass es gerade in den arabischen Staaten oder in Indien trotz oder sogar wegen der bestehenden sozialen Ungleichheit eine große Anzahl von Menschen gibt, die froh sein können, wenn sie sauberes Wasser bekommen.
Wir sehen aber auch, dass es eine immer größer werdende Gruppe gibt, die einen mit unserem vergleichbaren Lebensstandard haben. Und bei denen entwickelt sich die Anzahl der chronischen Krankheiten wie Diabetes explosionsartig. Ich war unlängst in Saudi Arabien auf einer Präventionstagung. Hier versuchen sie mit aller Gewalt, die Phase für Erfahrungen, die wir in den letzten 50 Jahren gemacht haben, auf drei bis vier Jahre einzudampfen. Hier könnte es sich lohnen, Produkte anzubieten, die den gesundheitlichen Aspekt berücksichtigen, den diese Menschen gerade erst beginnen, in ihr Alltagsleben zu integrieren.

Wischmann: Das Bad verändert sich zum lebensphasengerechten Bad. Wir können eben nicht sagen, dass einmal Gebautes auch immer so bleibt. Es muss adaptierbar sein für neue gesellschaftliche Entwicklungen und Trends. Nochmal eine Frage an den Mediziner: Das Bad spiegelt, wenn auch manchmal etwas zeitversetzt, gesellschaftliche Entwicklungen wieder. Was hat sich verändert und was wird sich aus Ihrer Sicht in Zukunft noch mehr verändern?
Braumann: Ganz sicher hat sich die Einschätzung der Bedeutung ­einer guten körperlichen Leistungs­fähigkeit verändert, auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Es wird zunehmend erkannt, wie wichtig körperliche Fitness ist, auch für den Menschen ab 50. Da sage ich nur die Stichworte: ­Präsentismus, Burnout, Stressresistenz. All diese Kriterien werden mittlerweile in breiter Front erkannt, auch von den gesetzlichen Krankenkassen. Die Bevölkerung beginnt zu begreifen, wie wichtig Gesundheit ist. Und vor diesem Hintergrund ergibt sich die Schlussfolgerung: Macht doch gleich in ­einem Aufwasch eine Fitness- und Badrenovierung.

Wischmann: Inwieweit kann denn die moderne Technologie in Zukunft helfen, Gesundheitsaspekte im Bad zu integrieren?
Engelhardt: Eine ganze Menge. Sowohl mit den vorhandenen Lösungen als auch mit denen, die noch dazukommen. Die Frage ist: Sehen wir das Bad als Präventionsraum, den wir schon dem 30-Jährigen als Investition in die Zukunft empfehlen und als Vorbereitung auf das, was da kommen mag? Oder sehen wir es als Rekonvaleszenz-Zone für den 60-Jährigen, bei dem das Kind schon in den Brunnen gefallen ist und den wir da erst wieder rausholen müssen? Man kann den Kunden also schon heute mit 30 Jahren abholen, oder in 30 Jahren mit 60. Aus Industriesicht eine klare Entscheidung: Diesen Kunden gewinne ich lieber direkt heute und renoviere sein Bad in 30 Jahren noch einmal.
Richter: Herr Braumann hat vorhin mit dem Kinesiophobiker ein Grundproblem angesprochen, getreu dem Motto: Der Geist ist willig, aber der Körper nicht unbedingt. Die Erfahrung zeigt doch, dass Menschen besser in der Lage sind, mit einem ernsten Thema umzugehen, wenn es spielerisch angegangen wird. Es gibt heute 96 000 Gesundheits-Apps. Sie sind deshalb so hilfreich, weil sie spielerisch zu einer gewissen Regelmäßigkeit animieren. In diesem Zusammenhang scheint mir die Elektrifizierung des Bades wichtig, denn damit sind wir schon bei den digitalen Produkten, die ja auch die Möglichkeit bieten, zu protokollieren. Die Digitalität an sich braucht dabei nicht in den Vordergrund gestellt zu werden, sondern das, was sich damit alles tun lässt, auch und gerade in Sachen Gesundheit.

Wischmann: Wie wichtig wird der Trend Gesundheit im Bad für die Branche?
Engelhardt: Bad und Gesundheit gehören untrennbar zusammen. Das ist allerdings eine Aufgabe, die Hersteller, Installateur und Architekt nur gemeinsam lösen können, um im konkreten Anwendungsfall funktionale und gesundheitliche Aspekte zu vereinen.
Richter: All die Themen, die wir hier angesprochen haben, werden im Bad oder im direkten Umfeld des Bades stattfinden. Ich erwarte eine neue Qualität von Badezimmern, angefangen bei der Architektur über das Interieur und die Gestaltung der Produkte, die Vernetzung der Produkte bis hin zu dem Nutzungsumfang.
Braumann: Ich würde mir wünschen, dass die Menschen verstehen, wie wichtig eine gute körperliche Fitness ist. Insofern wäre mein primärer Wunsch, dass auf allen Ebenen, auch politisch, Aktionen gestartet werden. Das Bewusstsein für eine körperliche Fitness muss in breiten Teilen der Bevölkerung größer werden. Dann haben wir auch motivierte Menschen, die diese Angebote wahrnehmen.

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