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Chemische Speicher für Solarstrom

Gas aus Wind- und Sonnenenergie

Ab 2020 werden Wind und Sonne zu den wichtigsten Stromquellen gehören. Doch bisher gibt es noch keine Speichertechniken mit ausreichender Kapazität, die wetterbedingte Stromüberschüsse langfristig aufbewahren können. Mit einer Ausnahme: Die Speicherung des Ökostroms als Gas im vorhandenen Erdgasnetz. Diese noch junge Technik vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW), dem Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) und der Firma Solarfuel soll jetzt weiter ausreifen. Seit Juli 2011 errichten die Partner in Stuttgart eine Anlage mit 250 kW Eingangsleistung. Ziel ist die Kommerzialisierung der Technik im großen Maßstab.

„Die neue Versuchsanlage ist für die Produktion von über zehn Kubikmetern erneuerbarem Methan pro Stunde ausgelegt“, sagt Dr. Michael Specht, der Leiter des ZSW-Fachgebiets Regenerative Energieträger und Verfahren. „In der Anlage mit den Abmessungen von zwei Containern ist die gesamte Technik zur Umwandlung von Strom in Gas untergebracht.“ Ein Elektrolyseur zerlegt mit Strom Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Eine Vorrichtung zur Methanisierung führt dann dem Wasserstoff Kohlendioxid zu. Daraus entsteht unter Einwirkung von Katalysatoren das Methan. Dieses ist im Erdgas zwischen 80 und 99 % enthalten und lässt sich deshalb ohne Weiteres in die bestehende Erdgasinfrastruktur einbinden. Die Anlage ist so konstruiert, dass sie bei einer Biogasanlage betrieben werden kann, Kohlendioxid aus Biogas ist dann nutzbar. „Mit der Anlage wollen wir die Technik weiterentwickeln und optimieren“, erläutert Gregor Waldstein, Geschäftsführer von Solarfuel. „Das ist ein weiterer Fortschritt auf dem Weg zur Serienreife.“ Die Ergebnisse sollen auch in das noch deutlich größere E-Gas-Projekt der Audi AG einfließen.

Ohne Speicher hat der Ökostrom keine Zukunft

Um die wachsenden Ökostromüberschüsse in das Energiesystem zu integrieren, braucht es künftig deutlich mehr Stromspeicher. „Pumpspeicherkraftwerke sind in Deutschland nur noch geringfügig ausbaubar, Batterien können nur kurzfristig speichern, bei Wasserstoff stellt die Infrastruktur einen begrenzenden Faktor dar“, weiß Mareike Jentsch, Projektleiterin für das Fraunhofer IWES. „Wird erneuerbarer Strom jedoch in Methan umgewandelt, steht der Ökoenergie das gesamte deutsche Erdgasnetz mit großen Speicherkapazitäten zur Verfügung.“

Das Gas kann dann in effizienten Gaskraftwerken mit KWK-Technik rückverstromt werden oder in Mini-BHKWs in Wohnhäusern Verwendung finden. Oder aber in Erdgasautos. Diesen Vorteil hat auch Audi erkannt. Der Autobauer setzt die neue Technologie als Erster in die Praxis um: 2013 soll im emsländischen Werlte eine weitere Pilotanlage im industriellen Maßstab in Betrieb gehen.

Lesen Sie hierzu auch das Interview mit Stephan Rieke auf der folgenden Seite.

Der Preis wird unter 10 ct/kWh liegen

SBZ: Ihre Forschungsanlage mit 250kW Anschlussleistung wurde dieses Jahr wie geplant fertig. Wie verlief der Bau?

Rieke: Seit September 2011 plant und baut unser Kooperationspartner, das Forschungsinstitut ZSW, mit uns die Anlage. Am 5. April hat das ZSW von den zuständigen Behörden die Genehmigung zur Errichtung bekommen. Am 30. Oktober war die Einweihung, womit die Bauphase erfolgreich abgeschlossen wurde.

SBZ: Für die Folgeanlage im Industriemaßstab laufen die Arbeiten ebenfalls schon. Wie ist hier der Stand?

Rieke: Die Audi AG hat uns letztes Jahr beauftragt, bis 2013 eine Anlage mit einer Leistung von rund 6 MW im norddeutschen Werlte zu errichten. Anfang Juli war Baustart. Die erteilte Teilgenehmigung erlaubte die Errichtung einer Halle und einer Trafostation, den Bau von Fundamenten für die Anlage und das Verlegen benötigter Leitungen.

SBZ: Welchen Wirkungsgrad besitzt die fertig gestellte Versuchsanlage mit 250kW und welche Wirkungsgrade werden künftig theoretisch und auch technisch im Hinblick auf die Serienreife möglich sein?

Rieke: Unsere erste Versuchsanlage mit 25 kW aus 2009 hatte bereits einen Gesamtwirkungsgrad von Strom zu Gas von 40 % erreicht. Der Wirkungsgrad ohne Nutzung der anfallenden Wärme der 250er-Anlage wird noch einmal auf rund 50 bis 60 % steigen. Der geplante Wirkungsgrad der Audi-Anlage liegt bei 54 %, wobei in der Audi-Anlage sehr viel Wert auf die nahezu vollständige Nutzung der Abwärme genau wie bei KWK-Anlagen gelegt wird. Dazu eignet sich hervorragend eine Biogasanlage, die einen interessanten Wärmeverbraucher darstellt. Serienreife Anlagen sollen einen Strom-zuGas-Wirkungsgrad von 60 % erreichen. Die Verwendung der Abwärme steigert den Nutzungsgrad auf rund 75 %, theoretisch scheinen maximal 80 bis 90 % möglich. Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Werden die Ökostromüberschüsse nicht verwertet oder können die Speicher nur kurze Zeit Energie aufnehmen, sind sie vollständig verloren.

SBZ: Das zweite sind die Kosten. Wie hoch ist der Umwandlungspreis, den Sie Ihrer Technologie auf längere Sicht zutrauen?

Rieke: Derzeit sind die Kosten natürlich noch zu hoch, die Technologie wird ja gerade erst entwickelt. Künftig werden die Kosten aber sinken: Erneuerbares Methan kann grundsätzlich so günstig wie Biomethan erzeugt werden. Kosten von rund 8 bis 10 Cent pro kWh sind realistisch, wenn die richtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen gesetzt werden. Wir planen Anlagen mit rund 1000 Euro Kosten pro kW elektrische Leistung als modular konfektionierte Serienfertigung. Das ist vergleichsweise konkurrenzfähig zu anderen Speichertechniken.

SBZ: Und natürlich wollen unsere Leser wissen, wann die Technologie auf den Markt kommen wird.

Rieke: In etwa drei Jahren soll das der Fall sein. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, ab 2015 kommerzielle Anlagen mit einer elektrischen Anschlussleistung von einem bis 20 MW auf dem Markt anzubieten. Die Zeit ist gekommen: Je nach Szenario wird es zwischen 2020 und 2030 so große saisonale Öko­stromüberschüsse geben, dass Langzeitspeicher mit großen Kapazitäten gebraucht werden. Die Nachfrage wird also erheblich steigen.

SBZ: Herr Rieke, wir danken Ihnen für dieses interessante Gespräch.

Info

Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten an der Anlage werden vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) finanziell gefördert, Förderkennzeichen 0325275A-C.