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Mit kontrollierter Wohnungslüftung sanieren

Viele Kombinationen möglich

Wenn man die nicht nur von der Bundesregierung formulierten ho­hen Ziele hinsichtlich Energie- und CO2-Einsparung erreichen will, dann rückt die Sanierung des großen Bestandes an Wohn­gebäuden in den Mittelpunkt. Zu­sätzlich ist gerade in diesem Bereich aufgrund der stei­genden Energiekosten von Mietern und Eigen­tümern ein erhöhter Druck zur Senkung dieser Kosten feststellbar. Für viele erscheint dieser Markt besonders attraktiv und fast jeder ­Anbieter offeriert vermeintlich universelle ­Lösungsmöglichkeiten. Dabei sind die Wech­selwirkungen einzelner Maßnahmen im Ge­bäudebestand erheblich und müssen im Ge­samt­kontext behandelt werden. Ein San­ie­rungsvorhaben muss deshalb immer ganz­heitlich geplant und in sinnvollen Schritten umgesetzt werden.

22 % der Wohnungen weisen Feuchtigkeitsschäden auf

Eine 2004 veröffentlichte Untersuchung des Zentralinnungsverbandes der Schornstein­feger zeigt auf, dass rund 22 % der 5530 ­besichtigten Wohnungen sichtbare Feuchtig­keits­schäden aufwiesen. Diese Studie stellt einen direkten Zusammenhang zwischen Nutzerverhalten und Gebäudeausstattung auf der einen Seite und dem Schadensrisiko auf der anderen Seite her. So wirken u.a. eine funktionierende und nutzerunabhängige Lüftungsanlage sowie eine gute Wärme­dämmung des Gebäudes risikosenkend. Großer Wert wird bei der Lüftung auf die Nutzerunabhängigkeit gelegt. Ein temporär laufender Badlüfter, der nur bei Benutzung zugeschaltet wird, stellt in diesem Sinne keine funktionierende Lüftungsanlage dar.

Standardmaßnahmen allein reichen nicht

Dämmung und Abdichtung des Gebäudes sind die Standardmaßnahmen, wenn es um die Sa­nierung geht; aber funktioniert dann das Ge­bäude auch noch genauso, wie es ursprünglich mal geplant war? Wie dicht ist denn ein Ge­bäude nach der Sanierung und reichen die Rest­undichtigkeiten für den hy­gie­nisch not­wen­di­gen Luftwechsel noch aus? Dr.-Ing. Reichel ging dieser Frage nach. Er untersuchte Gebäude, die kürzlich saniert wurden, ohne dass eine Dichtheitsprüfung bei der Ausführung durch­geführt worden wäre. Seine Unter­suchung zeigt, dass die Gebäude auch ohne eine explizite Überprüfung eine sehr gute Dichtheit auf­weisen: Die Infiltrations-/Exfiltrationsrate lag bei 0,1 h–1 – herunter­gerechnet auf eine Wohnung mit 60 m² sind das 15 m³/h. Die DIN V 4108-6 liefert ähnliche Werte: je nach Gebäudeexposition zwischen 0,03 bis 0,15 h–1, was einem maximalen Volumenstrom von 22 m³/h in der Beispiel­wohnung entspricht.

Energie-Einsparverordnung fordert Mindestluftwechsel

Die Festlegung eines Lüftungskonzeptes ist unabdingbarer Bestandteil eines Sanierungs­planes für Wohngebäude. Dies wird auch in der Energie-Einsparverordnung gefordert, die in § 6, Absatz 2 fordert: Zu errichtende Gebäude sind so auszuführen, dass der zum Zwecke der Gesundheit und Beheizung erforderliche Min­destluftwechsel sichergestellt ist. In der Praxis kann dieser Nachweis mit dem Neuentwurf der DIN 1946 Teil 6 erbracht werden. Es zeigt sich, dass bei sanierten Fenstern, Fassaden oder Dächern in Gebäu­den ohne ergänzende lüftungstechnische Maß­nahmen der Mindest­luftwechsel für den Feuchteschutz nicht mehr sichergestellt ist. Für die Sanierung empfehlen sich folgende Systeme.

Abluftsysteme – überschaubare Investitionskosten

Um in sanierten Gebäuden die Lüftung innen liegender Räume und auch eine nutzer­un­abhängige Wohnungslüftung sicherzustellen, müssen die Abluftvolumenströme mit den Zuluftvolumenströmen harmonieren. Abluft­anlagen können ohne den Einsatz von Außen­wand-Luftdurchlässen in der Fassade nicht zuverlässig funktionieren.

Dabei eignen sich Abluftanlagen meist sehr gut, um im Bestand die notwendige Lüftung bei vergleichsweise geringen Investitions­kosten nutzerunabhängig sicherzustellen: Vorhandene Lüftungsstränge werden ge­nutzt, ein zusätzliches Kanalnetz ist nicht notwendig. Um den steten Luftwechsel zu gewährleisten, wird nur die zeitgeschaltete Nachlaufregelung der Lüfter auf eine drei­stufige oder feuchteabhängige Regelung mit nicht abschaltbarer Grundlast umgerüstet. ­Eine planerische Berücksichtigung bei der Berechnung des Primärenergiebedarfes nach EnEV ist zudem bei der Feuchteregelung möglich. Über Außenwandluftdurchlässe in den Aufenthaltsräumen wie Schlaf-, Kinder- und Wohnzimmer strömt frische Außenluft zugfrei und schallgedämpft in die Wohnung ein. Beim Durchströmen der Wohnung wer­den Schadstoffe und Feuchtigkeit auf­ge­nommen und über die Abluftventilatoren in Küche, Bad und Toilette abgeführt (Bild 1).

Die deutsche Energieagentur DENA hat 2004 eine Broschüre herausgegeben, in der Po­si­tionierungs- und Auslegungsempfehlungen für Außenwandluftdurchlässe (ALD) gegeben werden. Die beste Positio­nie­rungs­mög­lich­keit ist in Verbindung mit einem Heizkörper direkt im Konvektionsstrom. So vermischt sich die Außenluft mit der im Raum zirku­lierenden Luft und es kommt zu einer zu­g­freien Verteilung ohne Komforteinbußen.

ALD stellen Durchdringungen der Außen­wand dar, deren äußerer Abschluss in der Regel als Wetterschutzgitter ausgeführt wird. Dieses Gitter sorgte in der Vergangenheit immer wieder für starke Widersprüche des für die Gestaltung des Gebäudes verant­wortlichen Architekten oder auch beim Bau­herrn. Letztendlich führten die störenden ­Außengitter oft zu einer Ablehnung des Systems. In Verbindung mit einem Wärme­dämmverbundsystem (WDVS) kann das Gitter jedoch von der direkten Ansichtsfläche verschwinden und in die Fenster- oder Türlaibung verlegt werden (Bild 2).

In der Grafik (Bild 3) ist der Außenwand-Luftdurchlass oberhalb des Fensters ange­bracht. Durch einen Spalt, der außenseitig mit einem Insektenschutz versehen ist, wird die Außenluft zum eigentlichen ALD geleitet.

Dezentrale raumweise Lüftung mit Wärmerückgewinnung

Speziell für den Modernisierungsbereich wur­den dezentrale Lüftungssysteme mit Wärme­rückgewinnung entwickelt. Geeignet für die Auf- und Unterputzmontage können diese Geräte durch die vielfachen Anschluss- und Verwendungsmöglichkeiten nahezu überall schnell und kostengünstig montiert werden. Sie verbinden Vorteile der Abluftsysteme (einfache ­Montage) mit den Vorteilen von Zentralsystemen (Wärmerückgewinnung bis über 70 %).

Dezentrale Lüftungsgeräte werden mit einer intelligenten Steuerung ausgerüstet, hiermit lassen sich alle Betriebsdaten bis zu fünf Jahre auswerten und damit kann jederzeit der Nachweis für eine hygienische Lüftung er­bracht werden. Eine automatische Filter­wech­selanzeige ist Standard. Dezentrale Lüftungs­geräte können individuell auf die Architektur und Farbgebung des Raumes angepasst werden und sind so dezent zu installieren. Dezentrale raumweise Geräte können durch zusätzliche Anschlüsse und kleine Rohrstücke wie ein kleines Zentralgerät betrieben werden. Im Flur die Decke abhängen und dazwischen die Flachkanäle für die Zu- und Abluft der Räume schnell und einfach montieren.

Zentralsysteme mit Wärmerückgewinnung

Auch zentrale Lüftungssysteme mit Wärme­rückgewinnung können in bestehenden Ge­bäu­den eingesetzt werden. Oft stehen in Alt­bauten große Deckenhöhen zur Verfügung, so dass genügend Platz für Geräte und Ver­teilsysteme in abgehängten Decken z.B. im Flur zur Verfügung steht. Jede Wohnung kann dann individuell mit einem Lüftungsgerät für Zu- und Abluft versorgt werden (Bild 6). Neben den Energie- und Komfortaspekten weisen ventila­tor­gestützte Systeme weitere Vorteile auf.

Wirksamer Schutz vor Pollen, Allergien und Lärm

Durch eine effiziente Filterung der Außenluft werden Schmutz, Staub, Ungeziefer und Pollen ferngehalten. Für Allergiker empfehlen sich Zu-/­Abluftgeräte mit Wärmerück­ge­winnung kombiniert mit einer hohen Filter­klasse (z.B. F7).

Im Vergleich zur Fensterlüftung gehört die Lärmbelästigung in den Wohnräumen eben­falls der Vergangenheit an. Die Fenster können den Großteil des Jahres geschlossen bleiben. Dies ist insbesondere beim Einbau von Schall­schutzfenstern von Bedeutung, da derartige Fenster in geöffnetem Zustand ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen können und der Außen­lärm durch die geöffneten oder gekippten Fenster­flügel ungehindert in den Wohnraum gelangt. Besonders für Allergiker und lärm­geplagte Bewohner wird damit eine wesent­liche Erleichterung und ein Komfort­gewinn im täglichen Wohnumfeld geschaffen.

Allerdings muss bei der Planung und Installation einer Wohnungslüftungsanlage beachtet werden, dass die akustische Qualität auch durch die Anlage selbst beeinflusst wird. So sind Komponenten wie Ventilatoren, Klappen und Luftdurchlässe, aber auch die Verteilleitungen Schallquellen, die man besonders beachten muss. Die Hersteller der Verteilsysteme geben hier Hinweise für die praktische Verfahrensweise.

Beispiele aus dem 3-Liter-Haus in Mannheim

Die GBG-Mannheimer Wohnungsbaugesell­schaft plante im Rahmen des vom Bundes­wirtschaftsministeriums geförderten EnSan-Projektes im Wohngebiet Mannheim-Gartenstadt eine aus den 30­-er Jahren stammende Häuserzeile zu sogenannten „3-Liter-Reihenhäusern“ umzurüsten. In jedem der sechs Gebäude waren bisher vier Wohnungen untergebracht, künftig werden je zwei übereinanderliegende Wohneinheiten zu einem Reihenhaus zusammengefasst. Aus den ehemals 24 relativ kleinen Wohnungen entstehen somit zwölf Reihenhäuser mit mo­dernen Grundrissen. Die Häuser sollen dabei energetisch auf das Niveau eines 3-Liter-Hauses gebracht werden. Um dieses Ziel zu erreichen sind umfangreiche Maßnahmen an der Gebäudehülle und der Anlagentechnik notwendig. Das Institut für Gebäudeenergetik der Universität Stuttgart begleitete das Projekt und das Messprogramm.

Eine grundlegende Voraussetzung zur Erzie­lung kleiner Heizwärmeverbräuche ist die exzellente Dämmung der Hüllfläche, die Vermeidung von Wärmebrücken und die Schaffung einer luftdichten Gebäudehülle. Im 3-Liter-Haus-Projekt lag der Schwerpunkt, neben den baulichen Sanierungsmaßnahmen, auf der Untersuchung verschiedener Anla­gen­konzepte für die Belüftung und Beheizung der Wohnungen. Die Bandbreite der um­gesetzten Konzepte reicht dabei von der relativ einfachen Luftheizung über Anlagen­varianten mit einem zusätzlichen System zur Beheizung der Räume bis hin zu Varianten, bei denen ­eine sommerliche Kühlung der Räume vorgesehen ist. Insgesamt sind in den zwölf Wohnungen fünf verschiedene Systemvarianten zur Deckung des Wärme­bedarfs und zur Belüftung der Wohnungen umgesetzt. Allen Varianten gemeinsam ist ein zentrales Wohnungslüftungsgerät mit ef­fizienter Wärme­rückgewinnung.

Luftheizung als Standard

Die Beheizung und Belüftung der Wohnräu­me erfolgt bei der Variante 1 (Bild 7) über eine Luftheizung. Die Luftmenge kann durch den Nutzer gesteuert werden. Im Heizfall wird dem Luftsystem über einen zentralen Nacherwärmer Wärme zugeführt, um die geforderte Raumtemperatur zu erreichen. Im Bad sorgt ein zusätzlicher Heizkörper für die gewünschte Raumtemperatur. Bei diesem Luft­heizungssystem handelt es sich um eine einfache und relativ kostengünstige Anla­genvariante, wie sie heute häufig in Passiv­häusern eingesetzt wird.

Individuell regelbare Luftheizung

Die Beheizung und Belüftung der Wohnräume erfolgt bei der Variante 2 (Bild 8) ebenfalls über eine Luftheizung. Auch hier kann der Nutzer die Luftmenge steuern. Im Unterschied zur Variante 1 sind in dieser Anlagenvariante separate Nacherwärmer für EG und OG vorgesehen, so dass für die Raumgruppen in jedem Geschoss ein jeweils unterschiedliches Temperaturniveau eingestellt werden kann. Dadurch können für Wohn- und Schlafräume unterschiedliche Temperaturen realisiert werden. Im Unterschied zu den beiden ersten Varianten muss bei Variante 3 (Bild 9) das Temperatur-Niveau jedes einzelnen Raumes geregelt werden, da den Wohnräumen jeweils ein ­eigener Nach­erwärmer zugeordnet ist. Zusätzlich kann den einzelnen Räumen über ­eine sogenannte „Party-Schaltung“ eine besonders große Luftmenge zugeführt werden, wenn der Bewohner diese anfordert.

Lüftung und Heizkörper

Neben der Luftheizung ist in Anlagenvariante 4 (Bild 10) für die Beheizung der Räume ein zusätzliches System vorgesehen. Die Beheizung erfolgt durch Heizkörper mit denen alle Wohnräume versehen sind. Hierdurch wird eine komfortable raumweise Temperierung aller Räume ermöglicht und die Belüftung ist unabhängig von der Beheizung realisiert.

Lüftung und Kapillarrohrmatten

Die Belüftung der Wohnung erfolgt in An­lagenvariante 5 (Bild 11) ebenfalls über eine Luftheizung. Die individuelle Beheizung der Wohnräume ist in dieser Variante jedoch über ein System aus Kapillarrohrmatten realisiert. ­Diese sind oberflächennah in den Zimmerdecken angeordnet. Neben der Zufuhr von Wärme im Heizfall können die Kapillarrohrmatten im Sommer zur Kühlung der Räume eingesetzt werden. Dazu dient ein den Kapillarrohrmatten vorgeschaltetes Kühlsystem, das energiesparend über einen Erdkollektor kühlt. Im ersten Betriebsjahr wurde der Zielwert von 3 Litern pro m² Wohnfläche erreicht. Die Systemvarianten unterscheiden sich vor allem im Nutzer-Komfort (Temperatur Kühlung, Schnelligkeit).

Durch integrale Konzepte können ­unattraktive und energieverschwen­derische Altgebäude in Wohnungen mit hohem Wohnwert und einer guten Energiebilanz umgewandelt werden. Ein Lüftungssystem sollte dabei grundsätzlich Bestandteil des Systems werden. Planer und ausführende Handwerksbetriebe können sich mit derart optimierten Anlagen am Markt profilieren und Kompetenz demonstrieren.

Weitere Informationen

Unser Autor Dipl-Ing. Claus Händel ist technischer Refe­rent beim FGK und Mitglied in zahlreichen Normenaus­schüssen. Fachinstitut Ge­bäude-Klima e.V., 74321 Bietigheim-Bissingen, Tele­fon (0 71 42) 5 44 98, Tele­fax (0 71 42) 6 12 98, E-Mail: haendel@fgk.de, Inter­net: https://www.fgk.de/

Nützliche Links

Weiterführende Informationen zum Thema 3-Liter-Haus und rund um die Woh­nungs­­lüf­tung gibt es unter:

http://www.ensan.de

http://www.bine.info

https://kwl-info.de/

https://www.fgk.de/