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Digitale Revolution beim Bau

Die Technische Gebäudeausrüstung und der Landschaftsbau bilden in Deutschland die Schlusslichter bei der Umsetzung der inzwischen weltweit vordringenden BIM-Methode. So könnte man die Einschätzung der BIM-Befürworter auf den zahlreichen Vorträgen rund um das Thema digitales Bauen auf der BAU 2015 in München auf einen Nenner bringen. Und weiter: Wer in den nächsten fünf Jahren den Einstieg in die BIM-Methode nicht schafft, muss damit rechnen, dass er bei der Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand und kostenbewusster Investoren ins Hintertreffen gerät. Triebkräfte für BIM sind die teilweise enormen Kosteneinsparungen, die durch digitales Bauen möglich sind.

Allerdings scheint die bisherige Zurückhaltung der TGA-Branche gegenüber BIM durchaus berechtigt zu sein, denn existierende Regelwerke kollidieren teilweise mit der BIM-Methode oder sie bilden die Planungen nach BIM nicht oder nicht ausreichend ab. Dazu zählen Ausschreibungen, einheitliche Begriffe, die Rolle geistigen Eigentums bei der Schaffung gewerkeübergreifender 3D-Modelle, Standards und Formate, HOAI-Konformität, Verantwortlichkeiten und Haftung sowie eine vertragsübergreifende Konsistenz. An folgenden VDI-Richtlinienprojekten wird bereits gearbeitet:

  • VDI 2552 BIM: Rahmenrichtlinie
  • VDI 2553 BIM: Begriffe
  • VDI 2554 BIM: Management Controlling
  • VDI 2555 BIM: Anforderungen an den Datenaustausch
  • VDI 2556 BIM: Datenmanagement
  • VDI 2557 BIM: FM/BIM-Objects

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass noch weitere anerkannte Regeln der Technik notwendig sind, um das Arbeiten nach der BIM-Methode abzusichern. Wichtig sei es, auch bestehende Richtlinien BIM-gerecht zu überarbeiten, wie beispielsweise VDI 3805 „Produktdatenaustausch in der Technischen Gebäudeausrüstung“ und VDI 6027 „Anforderungen an den Datenaustausch von CAD-Systemen“, so der Tenor auf der VDI-Presseveranstaltung auf der BAU 2015.

Der VDI-Koordinierungskreis BIM will bei seiner Richtlinienarbeit aber auch auf bereits bestehende digitale Regelwerke von VDI und VDE zurückgreifen, wie Automation, Industrie 4.0 und Digitale Fabrik. Über den Stand der Projekte informiert das BIM-Gremium unter www.vdi.de/bim.

Das Tempo nimmt zu, die TGA wartet immer noch ab

„Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ Dieses schon etwas strapazierte Zitat des französischen Schriftstellers Victor Hugo bringt die aktuelle Entwicklung bei BIM auf den Punkt. Peter Steinhagen, Vorsitzender des VDI-Fachbeirats Bautechnik, untermauert das Zitat: „Solch einen Entwicklungsschub hat es beim VDI in dieser Dynamik noch nicht gegeben. Innerhalb kürzester Zeit sind in Deutschland rund 60 Arbeitskreise und Cluster zum Thema BIM gegründet worden.“ Prof. Rasso Steinmann, Vorsitzender des VDI-Koordinierungskreises BIM, ergänzt: „Die Resonanz auf BIM-Veranstaltungen ist enorm. Deshalb ist die Standardisierung so wichtig.“ Alexander Kuhn von der Ed. Züblin AG, Stuttgart, will die 5D-Planung nach der BIM-Methode nicht mehr missen. „Der Spaßfaktor gegenüber einer konventionellen 2D-Planung ist mit BIM ungleich höher. Wenn das Modell erst einmal steht, lassen sich Preise, Mengen und Varianten quasi auf Knopfdruck abrufen.“ Kuhn wies auch auf den Mehrwert hin, der durch den durchgängigen BIM-Prozess entsteht.

BIM bei internationalen Projekten fast obligatorisch

Wie wichtig der Einstieg in die BIM-Methode ist, verdeutlichte Peter Steinhagen: „Bei internationalen Ausschreibungen und Wettbewerben kommt man an BIM kaum mehr vorbei“, und weiter, „international ausgeschriebene Bauvorhaben in Katar oder Singapur werden praktisch nur noch nach der BIM-Methode realisiert.“ Wettbewerber zu deutschen Unternehmen kämen aus Skandinavien und den Niederlanden; insbesondere England sei Deutschland bei BIM sogar um gut fünf Jahre voraus.

BIM sei jedoch nicht nur eine Planungsmethode zur Realisierung von Großprojekten, sondern eigne sich auch für Planungsbüros, die Schulen, Kindergärten und Verwaltungsgebäude, ja sogar Wohngebäude planen. Rasso Steinmann dazu: „Wir müssen auch kleinere Büros zum Wechsel zur BIM-Methode motivieren. Die Erfahrung zeigt, dass der Planungsprozess dadurch sowohl beschleunigt als auch die Planungseffizienz verbessert werden kann.

Ein wichtiges Vorbild für den Einstieg in das digitale Bauen und den Erfahrungsaustausch sei das BIM-Cluster Stuttgart (Kontakt über bimcluster@zueblin.de). Tenor der dort engagierten Unternehmen sei, nicht auf eine „Bundes-BIM“ zu warten, sondern sich in der Region zu organisieren. Willkommen seien insbesondere TGA-Fachplaner, sagt Alexander Kuhn. Den TGA-Planern täte etwas mehr BIM-Engagement gut, so seine Einschätzung.

BIM-Initiative will für einheitliche Standards sorgen

Rückenwind bekommt BIM auch durch die Gründung der BIM-Initiative Bauen Digital GmbH, der aktuell rund 15 Verbände und Institutionen der Wertschöpfungskette Planen, Bauen und Betreiben angehören. Ihre Hauptaufgabe sieht die Bauen Digital GmbH in der Koordination, Unterstützung und Beschleunigung der Einführung von BIM in Deutschland. Ziel sei es, BIM-Standards zu vereinheitlichen und auszuweiten, Forschungslücken zu schließen und Hilfestellungen zur Marktimplementierung zu leisten.

Außerdem wolle man die Immobilienverwaltungen der Länder sowie kommunale Organisationen wie den Städtetag und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bei der Umsetzung des BIM-gestützten Bauens begleiten. Die Gründung sei auch ein Ergebnis aus der Arbeit der Reformkommission Großprojekte, wobei insbesondere die problembehafteten Baustellen wie der Berliner Flughafen und Stuttgart 21 analysiert wurden, so eine Verlautbarung des Gründungsmitglieds VBI. Auch die TGA-Branche hat die Zeichen der Zeit erkannt. BTGA-Hauptgeschäftsführer Günther Mertz appellierte: „Nur gemeinsam können die Verbände und Unternehmen der Bauwirtschaft die Einführung von BIM in Deutschland voranbringen.“ Besonders wichtig sei dabei das mit der RWTH Aachen geplante Pilotprojekt, das komplett auf BIM-Methoden basiert.

Auch das Handwerk brauchtkünftig BIM-Kompetenz

Auch das Handwerk kommt nicht umhin, sich BIM-Kompetenz anzueignen, will man bei Aufträgen der öffentlichen Hand sowie bei Unteraufträgen großer Baufirmen wie Züblin, Max Bögl, Hochtief und ähnlichen Unternehmen mit dabei sein. Sicher ist, dass diese BIM-Protagonisten ihre Unteraufträge mehr und mehr auf der Basis des Gebäudeplanungsmodells BIM ausschreiben. Die Handwerkskammer Berlin schrieb dazu bereits im Jahr 2010 in einer Pressenotiz: „Für das Handwerk im Bau und Ausbaugewerke wird BIM-Kompetenz zum Wettbewerbsvorteil werden. Dazu gehört neben einer aktiven Mitwirkung bei der Planung auch die Beherrschung der für die Arbeit am und mit dem virtuellen Gebäudemodell verwendeten Technik und Kommunikation.“

Zu den Mitgliedern des 2010 gegründeten BIM-Beirats (www.buildingsmart.de/buildingsmart/bim-beirat) zählt auch der Zentralverband Sanitär Heizung Klima/Gebäude- und Energietechnik Deutschland (ZVSHK/GED). Allerdings sind dort bisher keine nennenswerten BIM-Aktivitäten zu erkennen.

Info

BIM – BAM – BOOM

Eine griffige Abkürzung für die neue Art der digitalen Bauplanung, der Simulation der Baurealisierung und der Betriebsphase eines Gebäudes ist die lautmalerisch einprägsame Wortschöpfung BIM, BAM, BOOM. Dieses Mega-Akronym aus den USA kursiert seit einiger Zeit auch auf deutschen Veranstaltungen und Veröffentlichungen zum Thema digitales Bauen/Building Information Modelling. Im Internet wird der Begriff in erster Linie Patrick MacLeamy, Vorstand der global aufgestellten US-Planungs- und Ingenieurgesellschaft HOK, zugeordnet (www.hok.com). HOK ist eigenen Angaben zufolge mit rund 1800 Mitarbeitern und 25 Büros in den USA, in Europa und Asien die größte Ingenieurgesellschaft für Architektur, Ingenieurwesen und Städteplanung mit Sitz in den USA.

BIM – Building Information Modelling – steht in erster Linie für ein dreidimensionales Datenmodell, in das alle am Bau beteiligten Planer und Gewerke sämtliche relevante, vom Besteller gewünschte Daten einspeisen. Die Basisdaten werden von Architekten, von Tragwerksplanern und von den jeweiligen Fach-Planern der gebäudetechnischen Gewerke zur Verfügung gestellt. Vorteil der 3D-Planung ist die Option, einen Bauprozess vor dem eigentlichen Baubeginn zu simulieren sowie Abstimmungsprobleme und mögliche Gewerkekollisionen schon in der Entwurfsphase zu erkennen und zu lösen. Durch die Hinterlegung von zeitlichen Daten (Terminpläne, Bauablaufspläne) entsteht daraus ein 4D-Modell, durch Daten über Mengen-, Material- und Personalbedarf ein 5D-Modell. Weitere Dimensionen (nD-Modelle) können durch das Einfügen von Raumbüchern, Produktinformationen von Herstellern sowie Angaben über betriebs- und wartungsbezogene Spezifikationen generiert werden (Quelle: BIM-Glossar, www.hochtief-vicon.de).

BAM steht für Building Assembling Modelling, d. h. die Simulation der Bauphase inklusive der Baulogistik. Hiermit können beispielsweise Kranpositionen und Kranarbeiten in Verbindung mit Materialanlieferungen simuliert und optimiert werden. Besonders wichtig sind solche Simulationen bei innerstädtischen Großbaustellen mit engen Zuwegungen. BAM ist gleichzeitig ein wichtiges Werkzeug zur Kostenkontrolle während der Bauphase. Erfahrungen in den USA deuten darauf hin, dass durch BIM und BAM bis zu 30 % der Kosten für das Erstellen eines Gebäudes eingespart werden können.

BOOM – Building Operational and Organisational Modelling – bildet die Betriebsphase eines Gebäudes ab. Die Planungsstufe BOOM ist wichtig, da die Kosten für die Betriebsphase eines Gebäudes direkt von der Qualität der BIM- und BAM-Phase abhängen. HOK-Chef Patrick MacLeamy erklärt den Inhalt seiner Wortschöpfung so: Für jeden Dollar, der in das Gebäudedesign (BIM) investiert wird, müssen rund 20 Dollar für die Gebäudeerrichtung (BAM) und 60 Dollar für den Gebäudebetrieb (BOOM) kalkuliert werden, bezogen auf 50 Jahre. Durch die Simulation der BOOM-Phase könnten enorm hohe Kosten für den späteren Energieverbrauch und Gebäudebetrieb eingespart werden. Am wirtschaftlichsten sei es, die Betriebskosten über den Lebenszyklus eines Gebäudes schon während der BIM- und BAM-Phase zu optimieren. Dazu sei es notwendig, mit den Daten aus BIM und BAM die BOOM-Phase zu simulieren und gegebenenfalls Mehrkosten für die BIM-Phase in Kauf zu nehmen, um damit Kosten in der BOOM-Phase einzusparen.

Autor

Wolfgang Schmid ist freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, 80751 München, wsm@tele2.de