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Keine Chance für Langfinger

Diebstahl und Vandalismus verursachen auf Baustellen jährlich Schäden in Millionenhöhe. Begehrt bei Dieben sind neben Baufahrzeugen, Baugeräten, Werkzeugen auch teure Bauprodukte wie Sanitärobjekte, Heizkörper oder Bleche, Rohre und Kabel – wegen der hohen Metallpreise. Abhanden kommen diese und weitere Objekte meist nachts, an Wochenenden und Feiertagen. Aber auch unter der Woche, wenn viele Subunternehmen auf großen Baustellen tätig sind, geht schnell die Übersicht verloren. Dann haben Langfinger auch tagsüber leichtes Spiel.

Baustellen dokumentieren und überwachen

Eine flächendeckende Kamera-Überwachung kann sowohl Baustellen schützen als auch den Baufortschritt und alle Aktivitäten auf der Baustelle dokumentieren. Die Kameraaufnahmen unterstützen Baustellenverantwortliche bei der Bautagesbericht-Erstellung, Bauinspektion und Baumängelerfassung. Werden die Baustellenfotos mit Hilfe von Bildverarbeitungssystemen ausgewertet, lassen sich auch Abweichungen zwischen dem Soll- und Ist-Zustand aufdecken. Das unterstützt die Bauzeitenplanung und Qualitätssicherung.

Mit praktisch allen am Markt offerierten Miet- oder Kauflösungen lässt sich der Bauvorgang rund um die Uhr im 24/7-Modus (24 Stunden, 7 Tage die Woche) aufzeichnen und dokumentieren. Die aufgezeichneten Aufnahmen werden auf gesicherten Servern des Anbieters gespeichert und stehen dem Auftraggeber, optional auch zugriffsberechtigten Projektbeteiligten zur Ansicht und zum Download zur Verfügung. Per Smartphone oder Tablet und Webbrowser erhalten die Nutzer einen zeit- und ortsunabhängigen Zugriff auf Live-Bilder oder Archivaufnahmen.

Auch der Aufnahmemodus kann jederzeit per Webzugriff konfiguriert werden. Der Zugang erfolgt passwortgeschützt über eine gesicherte Verbindung, was einen Missbrauch durch Unbefugte praktisch ausschließt. Registriert das System auffällige Bewegungen, wird sofort eine Tag und Nacht besetzte Leitstelle alarmiert. Das Wachpersonal begutachtet die Kameraaufnahmen und leitet alle erforderlichen Maßnahmen ein. Mit einer dreh- und schwenkbaren Kamera kann der Eindringling verfolgt und mit dem integrierten Lautsprecher angesprochen werden. Parallel können der Sicherheitsdienst oder die Polizei verständigt werden.

Offeriert werden Überwachungssysteme entweder als separate Kamera mit integrierter Elektronik zur Selbstmontage …

Bild: Bau.Camera

Offeriert werden Überwachungssysteme entweder als separate Kamera mit integrierter Elektronik zur Selbstmontage …
… oder in Form eines ­kompletten Kameraturms, inklusive ­Scheinwerfer, Lautsprecher, Akku, ­Hinweisschild und weiterer ­Systemkomponenten.

Bild: VideoGuard 24

… oder in Form eines ­kompletten Kameraturms, inklusive ­Scheinwerfer, Lautsprecher, Akku, ­Hinweisschild und weiterer ­Systemkomponenten.

Wie werden Baustellen überwacht?

Offeriert werden Video-Überwachungssysteme entweder als separate Kamera mit integrierter Elektronik und Mobilfunktechnik zur Selbstmontage an einen bestehenden Mast oder einer Wand (z.B. Bau.Camera) oder in Form eines speziell für Baustellen und Freiflächen konzipierten, 5 bis 6 und mehr Meter hohen Kameraturms (z.B. LivEye). Er kann mit einem Gabelstapler bzw. Kran überall aufgestellt werden und einen Bereich von bis zu 20.000 Quadratmetern überwachen.

Das Herz eines Überwachungssystems ist die Kamera mit einer Bildauflösung von 2 Megapixeln (Full HD) bis 8 Megapixeln (4K) und mehr. Sie ist diebstahlsicher montiert, verfügt über ein staub- und regendichtes, wind- und wetterfestes Gehäuse (IP 66) und verträgt Außentemperaturen zwischen -40° bis + 50°C. Die Überwachungskameras funktionieren auch ohne separate Baustellenbeleuchtung und sind auch nachts einsetzbar. Ein grünes Kamera-Scheinwerferlicht sorgt für ein kontrastreicheres Videobild bei Nacht. Optionale Infrarotkameras erkennen Personen auch bei völliger Dunkelheit oder mögliche Brandherde.

Lückenlose Dokumentation ­möglich

Eine intelligente Auswertungssoftware analysiert die Kameradaten in Echtzeit und erkennt Verdächtiges im Kamerabild selbstständig, wobei Fehlalarme, zum Beispiel durch streunende Tiere, in der Regel als solche erkannt werden. Damit die Kamerabilder vom Arbeitsplatzrechner, Smartphone oder Tablet jederzeit und von überall einsehbar sind, werden sie über das integrierte Modem per Mobilfunkstandard 3G, LTE oder UMTS an den Server des Anbieters übertragen und dort gespeichert. Dort sind die Aufnahmen über eine individuelle Webadresse des Anbieters (z.B. www.anbietername.de/projektname) oder auf der Webseite des Kunden als Live- oder Archiv-Bild oder rund um die Uhr und über die gesamte Projektdauer abrufbar.

Einige Anbieter (z.B. www.langzeit-zeitraffer.de) offerieren auch 360-Grad-Aufnahmen, was eine nahezu lückenlose Baustellenbeobachtung ermöglicht. Ergänzend kann das zu überwachende Baustellen-Areal durch einen elektronischen Detektorzaun abgesichert werden. Ein Notstromkonzept sorgt für Ausfallsicherheit des gesamten Überwachungssystems von bis zu 6 Stunden und damit für eine durchgehende Überwachung auch bei Stromausfall.

Was ist bei Auswahl und Aufstellung zu achten?

Für die Überwachung des Betriebsgeländes ist der Kauf einer Baustellen-Kameraüberwachung sinnvoll, für die Baustellenüberwachung lohnt er sich aufgrund kurzer Projektlaufzeiten aber meist nicht. Miet-Lösungen ab einem Monat sind meist sinnvoller – auch weil sie meist einen Rundum-Service aus einer Hand bieten, inklusive Ferndiagnose bei Störungen und Fehlern, die meist binnen 24 Stunden behoben werden.

Hardware, Software und alle Hintergrund-Systeme sind bei Komplettlösungen außerdem aufeinander abgestimmt. Die Kosten pro System liegen zwischen 150 und 800 Euro monatlich, je nach Ausführung und Mietlaufzeit, inklusive Mobilfunk-SIM, 24/7-Bildübertragung über Mobilfunk auf einen Server, Web-Adresse, Online-Bildarchiv, sicherer SSL-Datenübertragung und Passwortschutz. Die Lieferung, Installation und Montage ist entweder im Leistungsumfang enthalten oder wird – abhängig vom Einsatzort – extra berechnet.

Blendeffekte vermeiden

Maßgeblich für die Aufstellung des Systems vor Ort sind mehrere Faktoren wie die Platzierung, Ausrichtung, Perspektive und Energieversorgung. Da sich Baustellen kontinuierlich ändern, sollte die Kamera möglichst außerhalb des unmittelbaren Baugeschehens aufgestellt werden. Für Zeitraffer-Dokumentationen ist wichtig, dass der gesamte Bauablauf vom gleichen Standpunkt aus erfasst wird. Grundsätzlich sollte die Kamera an der Baustellen-Südseite mit der Ausrichtung nach Norden an benachbarten Gebäuden, Masten oder Containern aufgestellt werden. Dadurch lassen sich Blendeffekte vermeiden und mit der Sonne im Rücken erhält man tagsüber eine gute Baustellenausleuchtung.

Wird die Kamera an einer Gebäudeecke aufgestellt, können von einer Perspektive aus gleich mehrere Gebäudeseiten erfasst und tote Ecken vermieden werden. Eine erhöhte Kameraposition bietet die Möglichkeit, sämtliche Geschosse mit dem Baufortschritt optimal einsehen zu können. Wird die Kamera mit Solarstrom betrieben, sollte stets auch eine alternative Netzstromversorgung über eine Steckdose oder ein Außenverlängerungskabel möglich sein, um widrige Wetterbedingungen, insbesondere in den Wintermonaten, überbrücken zu können.

Was ist rechtlich zu beachten?

Die Planung, Installation und Nutzung von Kamera-Überwachungssystemen hat auch rechtliche Aspekte. Sobald personenbezogene Daten erfasst werden und Personen individuell erkennbar sind, greifen die Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Gemäß Artikel 12 und 13 der DSGVO müssen betroffene Personen auf eine Videoüberwachung hingewiesen und mit allen relevanten Informationen versorgt werden. Deshalb muss am Baustelleneingang ein Hinweisschild mit einem Kamerasymbol und einem Hinweis auf die Videoüberwachung inklusive Infoblatt angebracht werden.

Letzteres muss zusätzlich an zentraler Stelle – etwa am Baucontainer, am schwarzen Brett oder am roten Baufreigabe-Punkt ausliegen, mit folgendem Inhalt: Name und Kontaktdaten des für die Videoüberwachung Verantwortlichen und des betrieblichen Datenschutzbeauftragten, der Verarbeitungszweck sowie die Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung, ferner die Angabe des berechtigten Interesses, die Dauer der Speicherung sowie ein Hinweise zum Auskunftsrecht, Beschwerderecht und dem Empfänger der Daten. Vorab sollten alle auf der Baustelle beschäftigten Firmen und Mitarbeiter informiert und gegebenenfalls deren Einverständnis eingeholt werden.

Existiert ein Betriebsrat, empfiehlt sich der Abschluss einer Betriebsvereinbarung. Bei der Aufstellung sollte man die Kameraeinstellungen (Standort, Perspektive, Entfernung, Kameraauflösung etc.) so wählen, dass öffentliche Bereiche nicht erfasst und Personen oder KFZ-Kennzeichen möglichst nicht identifiziert werden können. Andernfalls sind diese – etwa bei einer Verbreitung, Veröffentlichung oder für Baudokumentationszwecke – unkenntlich zu machen. Das gilt übrigens sowohl für den Einsatz von Baustellenkameras, als auch von Video-Drohnen oder 3D-Laserscannern, wenn sie parallel zum Messvorgang auch Fotos für die Baudokumentation anfertigen.

Die an eine zentrale Leitstelle vesandten Kameradaten werden kontinuierlich ausgewertet, so dass im Alarmfall entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden können.

Bild: CAO Systems

Die an eine zentrale Leitstelle vesandten Kameradaten werden kontinuierlich ausgewertet, so dass im Alarmfall entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden können.

Datenschutz einhalten

Einige Anbieter offerieren optional einen datenschutzkonformen Aufnahme-Modus. Dabei werden über einen speziellen Algorithmus alle sich bewegenden Objekte aus den Aufnahmen vollautomatisch entfernt. Werden Videodrohnen eingesetzt, sind auch die Grundsätze der Drohnenverordnung des BMVI von 2017 zu beachten. In der Regel werden mit Baustellen-Überwachungssystemen ausschließlich Übersichtsaufnahmen des Baustellen-Areals angefertigt. Aufnahmeabstand und Brennweite schließen meist eine Personenidentifizierung und die Erfassung personenbezogener Daten aus. Somit werden Persönlichkeitsrechte in der Regel nicht beeinträchtigt und Kollisionen mit dem Datenschutzrecht vermieden.

Wer ganz sicher gehen will, sollte prüfen, ob beispielsweise das Überwachungssystem nicht erst nach Feierabend in Betrieb gesetzt werden kann. Um alle Vorgaben der DSGVO zu erfüllen, sollten Anwender auch darauf achten, dass die Daten auf Servern in Deutschland gespeichert werden, die auch strengere Datenschutz-Standards erfüllen. Außerdem sollte mit dem System-Anbieter ein so genannter Auftragsverarbeitungsvertrag abgeschlossen werden. Darin verpflichtet er sich, dass er bei der Verarbeitung personenbezogener Daten die Vorgaben der DSGVO einhält.

Weitere Verfahren und Trends

Die Baustellendokumentation und sicherung des Außenbereichs per Überwachungskamera kann durch andere Systeme und Verfahren, wie etwa 3D-Laserscanner oder Drohnen, ergänzt werden. 3D-Laserscanner erfassen Außen- oder Innenbereiche sowohl als Rundum-Fotopanorama mit der integrierten Kamera als auch in Form von dreidimensionalen Messdaten mit dem Laserscanner. Das bietet den Vorteil, dass Gebautes auch messtechnisch erfasst und überprüft werden kann – etwa über manuelle oder automatisierte Vergleiche zwischen dem Ist-Zustand auf der Baustelle und den Planvorgaben.

Wird der Laserscanner regelmäßig an den gleichen Standorten aufgestellt und die Baustelle von Außen oder Innen erfasst, entsteht sukzessive eine visuelle und messtechnische As-Built-Dokumentation der Baustelle. Sie dokumentiert das realisierte Bauwerk „wie gebaut“, was auch die spätere Gebäudebewirtschaftung und Instandhaltung oder Umbaumaßnahmen vereinfacht. Werden Kameras und spezielle 3D-Laserscanner an Drohnen befestigt, ist eine lückenlose Dokumentation und Qualitätsüberwachung auch von Gerüstbau-, Zimmerer- oder Dachdeckerarbeiten aus großer Höhe und aus allen Perspektiven möglich. Einige Hersteller und Hochschulen arbeiten auch an Systemen, die den traditionellen Bauhelm als ein digitales, mobiles Datenerfassungswerkzeug einsetzen.

So entwickelt beispielsweise die Forschungsgruppe AWA der Hochschule Darmstadt zusammen mit der Open Experience GmbH ein Bauhelm-basierendes System zur durchgängigen digitalen Datenerhebung und Weiterverarbeitung speziell für die Bauinspektion. Zwei seitlich im Helm integrierte Kameras mit Fisheye-Objektiv erfassen die Umgebung in einer 360 Grad-Perspektive, eine Frontkamera erfasst zusätzlich Details. Aus den Daten wird ein interaktiv begehbares 3D-Modell erstellt, in dem Mängel und Abweichungen vom Soll-Zustand angezeigt und der Arbeitsfortschritt dokumentiert werden kann. Ein ergänzendes, auf Algorithmen der Künstlichen Intelligenz (KI) basierendes Bildauswertungssystem soll die Erfassung von Mängeln und Abweichungen automatisieren.

Fazit: Big Brother is watching you!

Technisch ist eine lückenlose Überwachung und Dokumentation von Baustellen heute problemlos möglich. Allerdings sollte Aufwand und Nutzen stets hinterfragt werden, denn auch eine gute Baustellenausleuchtung kann schon viel zur Baustellensicherheit beitragen. Heikler, nicht nur aus Datenschutzgründen, ist die Möglichkeit der ständigen Überwachung. Verursacher von Beschädigungen oder Montagefehlern auch nachträglich über Videoprotokolle überführen und Arbeiter aller Gewerke und Subunternehmen disziplinieren zu können, ist zwar verlockend. Sie birgt aber auch die Gefahr, dass der ohnehin schon durch Zeitdruck, Hektik und Stress bestimmte Baustellenalltag noch prekärer wird und die Kultur der konstruktiven Zusammenarbeit und des kollegialen Miteinanders darunter leidet.

Die auf einem Webserver abgelegten Baustellendaten können rund um die Uhr auch auf mobilen Geräten abgerufen werden.

Bild: Bau.Camera

Die auf einem Webserver abgelegten Baustellendaten können rund um die Uhr auch auf mobilen Geräten abgerufen werden.

TIPP

Mehr Baustellen-Sicherheit

Baustelle über eine möglichst flächendeckende Aufstellung von Lampen gut ausleuchten und durch Bauzäune sichern.

Material, Werkzeuge und Maschinen immer nur abhängig vom Baufortschritt auf der ­Baustelle möglichst kurzfristig lagern.

Teure Werkzeuge und Bauprodukte nicht ­ungesichert lagern, sondern in Firmenwagen oder Containern einschließen.

Auch an einem Kran hängend lassen sich ­Maschinen oder Werkzeugkisten in luftiger Höhe sicher parken.

Baustellen-Fahrzeuge mit Wegfahrsperren, Lenkradsicherungen und GPS-Modulen ­sichern.

Möglichst das gesamte Baustellengelände ­flächendeckend mit moderner Kamera- und Videotechnik ausstatten.

Intelligente Bildauswertungsverfahren nutzen und Wachunternehmen mit der Auswertung/Überwachung beauftragen.

Info

Anbieter-Beispiele*

Baustellenüberwachungssysteme: www.1000eyes.de, www.bau.camera, www.bauwatch.de,
www.cameloteurope.com, www.foto-web-cam.de, https://247kooi.com/, www.langzeit-zeitraffer.de,
https://www.liveye.com/, www.videoguard24.de

3D-Laserscanning-Dienstleister: www.3d-laserscanning.com, www.3dcad-gmbh.de, www.bkr-­laserscanning.de, www.cafm-service.de, www.laserscanning3d.de,
www.laser-scanning-architecture.com

Drohnen-Dienstleister:
www.aerophoto.de, https://schaeden-an-gebaeuden.de/gutachten/drohnen-einsatz/, www.geospector.de, www.kopterflug.de, www.sky-i.com, www.spectair.com

* Auswahl, ohne Anspruch auf Vollständigkeit!

Autor

Dipl.-Ing. Marian Behaneck 
ist Fachautor zahlreicher ­Publikationen zu Hardware, Software und IT im Baubereich
E-Mail: behaneck@gmx.de

Bild: M. Behaneck