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Der etwas andere Badwettbewerb

Handbrause mit Strickstrumpf

Als SBZ-Redakteur bekommt man viele Einladungen, sich etwas anzusehen, und man wird auch schon mal nach seiner Meinung gefragt. Die Einladung in die Ukraine zur Jury-Teilnahme anlässlich der 10. Vodoparad war jedoch etwas ganz Besonderes. Bereits 2005 wurden die Ergebnisse des damals durchgeführten, unkonventionellen Design-Wettbewerbs auf der ISH ausgestellt, und es war auffällig, wie wenig die Exponate in die minimalistische Sanitärwelt passen wollten. Diesen widerspenstigen Charme hat sich die Vodoparad bis heute erhalten, denn hier können Designer und Studenten vollkommen losgelöst von irgendwelchen Produktionszwängen Produkte für das Badezimmer von heute und morgen entwerfen. Dies ist umso bemerkenswerter, als es in der Ukraine kaum produzierende Industrie für Konsumgüter gibt.

Vollkommen schmerzfrei

Auf dem riesigen Flughafen in Kharkov landet jeden Nachmittag nur eine einzige Maschine aus dem westlichen Europa. Das kleine Flughafengebäude sieht irgendwie russisch aus und könnte eine Renovierung gut gebrauchen. Doch direkt daneben steht schon das neue, mit Aluminium-Fassade versehene Gebäude. Dank der kommenden Fußball-Europameisterschaft 2012 in der Ukraine und in Polen ist hier investiert worden. Die von dem deutschen Designer Adolf Babel zusammengestellte Jury für die Vodoparad wird mit großem Hallo begrüßt. Mit dabei ist auch der Kollege Oskar Colli aus Italien, der Chefredakteur der Zeitschrift Il Bagno. Die Fahrt im Bus führt durch eine aufregende Stadt, in der Reichtum und Armut seltsam harmonisch eng beieinanderliegen. Diesem scheinbar so schmerzfrei empfundenen Widerspruch werde ich in den nächsten vier Tagen noch öfter begegnen. Und natürlich werden wir auch viel miteinander reden, denn die Vodoparad ist auch ein Fest der Kommunikation. Begleitet von drei (bildhübschen) Übersetzerinnen kommen wir überraschend ungezwungen mit Land und Leuten in intensiven Kontakt. Und so begrüßen wir auch Boris Lotkin, Firmeninhaber eines florierenden Sanitär- und Küchenhandels in der Ukraine und Begründer der ­Vodoparad. Boris hat eine Vorliebe für designorientierte Marken aus dem Badezimmer.

Markenprodukte aus Deutschland heiß begehrt

Die deutschen Marken findet er besonders schön. Man munkelt, in seiner Datscha hätten schon alle deutschen Unternehmensführer bei Wodka und Tee einen Plausch mit Boris gehalten. Wir werden zunächst direkt in die Designhochschule gefahren, wo die Ausstellung aufgebaut wurde: Ein guter Jahrgang, so das einstimmige Urteil der Jury. Neben Kitsch, Kunst und Komik sind auch viele ernst gemeinte Arbeiten zu bewundern, die durchaus patentfähig wären und die Chance auf ein Serienprodukt hätten. An dem Wettbewerb nehmen zahlreiche Designer und Innenarchitekten des Landes teil. Es ist eine Jubiläums-Ausstellung, und da in der Ukraine gerne gefeiert wird, ist das für die Preisverleihung angemietete Theater so gut wie ausverkauft. Das Medieninteresse in der Ukraine an dem Event ist groß, die Jury wird stets von Kameras umlagert, und so findet die Preisverleihung gleich neben der damals anstehenden Präsidentenwahl Einzug in die abend­lichen Nachrichten.

Großes Kino für Sanitärdesign

Adolf Babel, der Gestalter unzähliger Badewannen und anderer Sanitärprodukte (SBZ berichtete), leitet die Jury schon seit Jahren und ist in der Ukraine der Design-Star. In einem Fernsehinterview fordert er die Kreativen zu mehr Geduld auf, damit sie weiterhin hart an ihrem Traum weiterarbeiten. Auf der Bühne geben sich mittlerweile die Sponsoren die Klinke in die Hand. Hansgrohe, Duravit, Grohe oder Villeroy & Boch loben die Arbeit von Boris Lotkin und die Kreativität der Teilnehmer. Das Leben in der Ukraine ist für junge Kreative ziemlich hart: keine gesetzliche Krankenversicherung, kaum Möglichkeiten, als Designer zu arbeiten, und eine ungezügelte Inflation machen das Leben zum Abenteuer. Ein glücklicher Teilnehmer erhält als Natural-Preis eine Whirlwanne. Sein Badezimmer wird für die Wanne zu klein sein, doch mit dem Verkauf wird er sein Studium zu Ende finanzieren können. Alle auf der Bühne strahlen. Die dreistündige Preisverleihung war ein voller Erfolg, und ich kann endlich meine eiskalten Füße wieder aufwärmen.

Und schließlich, nach einer ausgiebigen Stadtrundfahrt durch Kharkov, wird die Design-Jury auch in Boris’ Datscha eingeladen. Wieder gibt es reichlich zu trinken und zu essen. Erinnerungsfotos werden geschossen, und obwohl keiner von uns dieselbe Muttersprache sprach, wurden in diesen vier Tagen etliche Freundschaften begründet. Auch wenn so manche Idee schon bei der ersten Überprüfung durch DIN-Vorschriften oder Hygienebestimmungen ad absurdum geführt wird, wünsche ich unseren Lesern viel Spaß mit den Entwürfen. Vielleicht lässt sich ja sogar die eine oder andere Idee für das eigene Geschäft aufgreifen. Nach der Vodoparad scheint vieles möglich.

http://www.vodoparad.com

Autor

Frank A. Reinhardt hat sich als Berater auf Design und Marketing spezialisiert.

Der in Köln ansässige diplomierte Produktdesigner betreut für die SBZ den Schwerpunkt Design, Telefon (02 21) ­­ 6 20 18 02, Telefax (02 21) 9 62 45 39 reinhardt@sbz-online.de https://far-consulting.de/

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