Was haben eine warme Klobrille, oszillierendes Wasser und gesellschaftlicher Wandel gemeinsam? Eine ganze Menge – zumindest wenn man Tim Baral zuhört. Der Hygiene-Vordenker spricht im Interview mit SBZ-Chefredakteur Dennis Jäger über Toilettenkultur, überraschend emotionale Kundenreaktionen und warum ein Washlet mehr ist als ein Luxusartikel. Spoiler: Es geht um mehr als nur ein sauberes Hinterteil – es geht um Selbstwert, Bildung und ein bisschen Zukunftsphilosophie aus dem Badezimmer.
Ein Washlet verändert mehr als das Bad. Es verändert das Leben.
SBZ: Herr Baral, Handwerker sind oft die stillen Helden im Hintergrund. Aber manchmal verändert ein Produkt nicht nur ein Badezimmer, sondern auch das Leben der Menschen. Können Sie uns ein Beispiel geben, wie ein Dusch-WC genau das schafft?
Tim Baral: Da fallen mir gleich mehrere ein. Ich hatte Kunden, die mir regelrecht emotionale Rückmeldungen geschickt haben. Eine ältere Dame erzählte mir, dass sie seit fünf Jahren an Darmproblemen litt und unzählige Arztbesuche hinter sich hatte. Durch das Dusch-WC konnte sie zum ersten Mal wieder ohne Mühe zur Toilette gehen. Sie war überglücklich. Das war mehr als Hygiene, das war Lebensqualität.
SBZ:Dasklingttatsächlichbeeindruckend.WelcheRückmeldungenbekommenSie denn am häufigsten?
Baral: Die Quintessenz ist eigentlich immer: Ich möchte nie mehr ohne. Die meisten sind erstaunt, wie selbstverständlich ein Washlet von Toto in den Alltag übergeht. Interessanterweise kommt gleich nach der Reinigungsfunktion oft die Sitzheizung als zweitliebste Funktion. Da merkt man, wie sehr Komfort und Wohlbefinden Hand in Hand gehen.
SBZ: Und wie reagieren die Menschen, die sich anfangs eher unsicher sind?
Baral: Auch da überwiegt am Ende immer das Positive. Viele sagen, sie hätten es sich schwieriger vorgestellt oder dachten, es sei ein Luxusprodukt – und merken dann, wie viel es ihnen bringt. Gerade bei älteren Menschen oder bei Bewegungseinschränkungen wird es schnell zu einem echten Alltagshelfer.
SBZ: Dusch-WCs sind also nicht nur praktisch, sondern haben auch einen gesundheitlichen Nutzen?
Baral: Absolut. Ich war einmal auf einem Proktologen-Kongress, da sagte mir ein Arzt: Von vier Personen hat nur eine keinerlei Probleme beim Toilettengang. Der Rest hat Beschwerden oder greift zu Hilfsmitteln. Viele nehmen das stillschweigend hin, dabei gibt es Lösungen, die wirklich helfen. Das Dusch-WC ist da ein wertvolles Instrument – für Sauberkeit, Wohlgefühl und sogar zur Vorbeugung.
SBZ: Müssen wir als Branche vielleicht umdenken? Vom Installateur zum Gesundheitsberater im Bad?
Baral: Ganz ehrlich – wir dürfen und sollen über die Vorteile sprechen. Aber mit Bedacht. Ich bin kein Arzt und will auch nicht so wirken. Unsere Aufgabe ist es, die Technik zu erklären, auf Möglichkeiten hinzuweisen und aufzuklären. Wenn wir es richtig machen, können wir helfen, das Wohlbefinden der Menschen zu verbessern, ohne medizinische Versprechen zu machen.
SBZ: Und wie sieht es mit der öffentlichen Wahrnehmung aus? Ist das Dusch-WC bei uns kulturell angekommen?
Baral: Noch nicht wirklich. In Japan gehört es zum Alltag, bei uns ist es eher ein Exot. Besonders im öffentlichen Bereich ist ein Dusch-WC noch schwer denkbar – auch wegen der Hemmschwellen und der Infrastruktur. Es ist ein kulturelles Thema. Wenn wir wollen, dass sich das ändert, müssen wir früher anfangen.
SBZ: Was meinen Sie mit „früher“?
Baral: In der Schule, im Kindergarten. Es beginnt bei der Toilettenkultur. Wenn Kinder lernen, hygienisch und respektvoll mit sanitären Einrichtungen umzugehen, wächst das Bewusstsein mit. Es bringt nichts, neue Fliesen und Musik in Schultoiletten einzubauen, wenn der Umgang damit nicht stimmt. Hygiene, Selbstwert, Wohlfühlen – das sind Themen, die ins Klassenzimmer gehören.
SBZ: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten – was würden Sie der Politik oder Ihren Kollegen ins Badezimmer schreiben?
Baral: Ganz einfach: Wenn wir wollen, dass Menschen sich in ihrer Haut wohler fühlen, dann müssen wir bei der Basis anfangen. Die Technik ist da – aber das Bewusstsein muss folgen. Investiert in gute Toiletten, redet über Hygiene, schafft Verständnis. Dann verändert sich nicht nur das Bad – sondern unsere gesamte Einstellung dazu.
Das Dusch-WC ist ein wertvolles Instrument für Sauberkeit, Wohlgefühl und sogar zur Vorbeugung.
SBZ: Herr Baral, Hygiene hat auch mit Respekt zu tun. Mit Respekt vor sich selber, aber auch vor den Mitmenschen. Sehen Sie Parallelen zu unserer Toilettenkultur?
Baral: Ganz eindeutig. Wenn in einer öffentlichen Toilette das erste Papier auf dem Boden liegt, wird der oder die Nächste seines auch einfach liegen lassen. Das ist kein böser Wille – das ist Nachahmung. Wenn es keine klare Linie gibt, wie mit Hygiene und Sauberkeit umzugehen ist, dann sinkt das Niveau schnell. Und das lässt sich eben nicht allein mit Fliesen und Duftspray beheben.
SBZ: Das erinnert ein wenig an legendäre Beispiele aus der Stadtentwicklung – mit einem ernüchternden Fazit.
Baral: Ja, es gibt da diese Geschichte aus dem Tourismus: Wohlhabende Reisende sollen eine Insel besuchen, aber der Weg dorthin führt durch ein Slumgebiet. Die Investoren sagen: „Das können wir unseren Kunden nicht zumuten“, und bauen für die Slumbewohner moderne Wohnblocks – mit allem Komfort. Doch das Ergebnis: Nach wenigen Monaten sind die neuen Häuser wieder Slums. Warum? Weil man nur das Äußere verändert hat, aber nicht das Denken. Wer sein Leben lang unter schwierigen Bedingungen gelebt hat, muss nicht nur einen Ort, sondern auch ein ganzes Selbstverständnis ändern.
SBZ: Also reicht es nicht, einfach neue Technik ins Badezimmer zu stellen.
Baral: Ganz genau. Ein Dusch-WC allein macht noch keine Kulturveränderung. Es braucht ein Umdenken – Verantwortung, Bildung, Bewusstsein. Deshalb habe ich ein Buch geschrieben, das tiefer einsteigt. Ich will verstehen, warum Veränderungen so oft scheitern – und wie wir es schaffen, dass sie nachhaltig wirken.
Ein Dusch-WC allein macht noch keine Kulturveränderung.
SBZ: Veränderung beginnt also im Kopf?
Baral: Immer. Ich kann mir ein Elektroauto kaufen – aber wenn mir CO₂ egal ist, fahre ich trotzdem 200 auf der Autobahn und lasse das Licht überall brennen. Genauso beim Dusch-WC: Wenn ich es nur kaufe, weil es schick aussieht, aber kein Interesse an Hygiene oder Nachhaltigkeit habe, bleibt es eine Spielerei. Das Ziel ist: neues Denken, nicht nur neues Produkt.
SBZ: Und darum betonen Sie auch so oft, wie wichtig es ist, bei Kindern anzufangen.
Baral: Kinder sind leichter zu begeistern. Ich habe mit der dreijährigen Tochter einer Mitarbeiterin gesprochen. Wenn sie bei uns im Büro ist, fragt sie nach dem Dusch-WC. Sie will nur auf dieses gehen. Sie hat das als Standard verinnerlicht.
SBZ: Kinder brauchen keine langen Erklärungen?
Baral: Nein, im Gegenteil. Ein älterer Mensch braucht vielleicht 30 Minuten Einführung mit der Fernbedienung – ein Kind drückt zwei Knöpfe, lacht, freut sich und hat’s verstanden. Wenn wir das Thema früh und spielerisch vermitteln, ist die Akzeptanz später ganz natürlich. Dann ist ein Dusch-WC eben keine Frage des Luxus mehr, sondern eine des gesunden Menschenverstands. Und da wollen wir doch hinkommen.
SBZ: Herr Baral, vielen Dank für das offene Gespräch. Und: Bleiben Sie sauber!
Bild: Toto
Tim Baral spricht sich für eine neue Hygienekultur aus, die sich an japanischen Duschtoiletten orientiert. Er setzt sich dafür ein, das Bewusstsein für moderne Hygiene in Deutschland zu schärfen.
Empfehlung: Sauber macht glücklich
Tim Baral ist Geschäftsführer der Baral GmbH und gilt als ausgewiesenerExpertefürmoderneHygienelösungen,insbesondereimBereich der Intimhygiene. Mit jahrzehntelangerErfahrunginderBadmodernisierungundinnachhaltigenEnergiekonzepten verfolgt er das Ziel, Hygieneneuzudenkenundalltagstauglich umzusetzen. In seinem Buch „Sauber macht glücklich“, das im März 2025 im Gmeiner-Verlag erschienen ist, zeigt Baral auf verständliche und praxisnahe Weise, wie moderne Reinigungsmethoden mit Wasser das persönliche Wohlbefinden steigern und gleichzeitig gesellschaftliche Denkmuster verändern können. Das 160-seitige Sachbuch richtet sich an alle, die sich für körperliches Wohlgefühl, Nachhaltigkeit und ein bewusstes Leben interessieren. Erhältlich ist es für 16 Euro.
Bild: Gmeiner-Verlag
Jetzt weiterlesen und profitieren.
+ SBZ E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu + Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv + Fokus SBZ: Sonderhefte (PDF) + Webinare und Veranstaltungen mit Rabatten uvm.