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Interview

Das Bad als Basis der Fürsorge

SBZ: Herr Reinhardt, bei Spa denke ich zuvorderst an Schwimmbad, Sauna und Massageangebote. Klingt nicht so, als wären dafür 7 m² Raumgröße im Privatbad ausreichend.

Frank A. Reinhardt: Nein, ein Private Spa braucht Raum für Wohnlichkeit und optische Großzügigkeit. Natürlich lassen sich einzelne Elemente auch in kleineren Bädern umsetzen, aber die emotionale Kraft eines Private Spa entwickelt sich erst ab Raumgrößen von 10, 12 m² und mehr. Daher arbeiten wir bei unserer Kommunikationskampagne Pop up my Bathroom schon seit Jahren im Dialog mit Architekten und Stadtplanern mit der Aussage: „Das Badezimmer muss größer werden.“ Es gibt bereits sichtbare Veränderungen – nicht weil eine Industrie dies vorgibt, sondern weil der Nutzer ein großzügiges Private Spa wünscht.

SBZ: Mit der Initiative Pop up my Bathroom bündeln und setzen Sie und die VDS Trends in der Badgestaltung, besonders zur Fachmesse ISH in Frankfurt. Da haben Sie vor gut zwölf Jahren das Private Spa offiziell aus der Taufe gehoben. Warum ist diese Erhöhung unserer Vorstellung vom „Nutzungsraum Bad“ heute angemessener denn je?

Reinhardt: Das Badezimmer hat in den letzten 30 Jahren einen enormen Bedeutungswandel erfahren. Wohnen wird für die Menschen insgesamt wichtiger, aber in Corona-­Zeiten ist ein wohnliches Zuhause besonders gefragt. Daher ist es auch plausibel anzunehmen, dass die Pandemie Einfluss nimmt auf die Planung von Bädern. Und Bauherren wünschen eine Erhöhung von Aufenthaltszeit und -qualität.

SBZ: In einer Zeit, in der selbst intime Selbstverständlichkeiten beiläufig preisgegeben werden, dient da das Private Spa auch als „letzte Bastion“ gegen die allgegenwärtige Reizüberflutung jenseits der Türschwelle?

Reinhardt: Gerade in modernen Formen urbanen Wohnens und in der modernen Architektur werden die Grundrisse von Häusern und Wohnungen immer weiter geöffnet. Das befördert sicherlich ein großzügiges Wohngefühl, aber wir sind auch für Rückzugsorte dankbar – nicht nur in der Pandemie. Das Badezimmer ist oft das einzige Zimmer mit einem Schlüssel. Der sollte da auch stecken bleiben.

SBZ: Im Rückzugsort Bad darf der Mensch ganz privat sein, von äußeren Einflüssen ungestört. Dazu schlägt die Bezeichnung „Spa“ eine Brücke von den Aspekten der Erholung über die körperliche Reinigung hin zur Gesundheitsvorsorge. Warum ist gerade der letztgenannte Punkt noch nicht so stark in den Köpfen der Verbraucher verankert, wie z. B. einst der Begriff Wellness-Bad?

Reinhardt: Wellness oder ein Public Spa wird mit einem öffentlichen Schwimmbad oder Saunabetrieb in Hotels in Verbindung gebracht. Für die Fitness im Privatbereich ist das Bild des Ergometers im Keller noch zu sehr in den Köpfen der Menschen verankert. Zudem bieten alte Bäder schlichtweg nicht den Raum, um Spinning oder Pilates zu betreiben. Da wird eher mal das Sofa zur Seite geschoben.

Neue Strukturen im Denken und in der Architektur brauchen Zeit. Bis dahin erreicht man die Menschen argumentativ eher mit der Heilkraft des Wassers, die bei Naturvölkern, den antiken Römern oder in der Moderne bei Sebastian Kneipp integraler Bestandteil der Gesundheitsvorsorge war und ist. Dabei ist es doch naheliegend, in unserer modernen Gesellschaft das Badezimmer als Ausgangsbasis unserer Gesundheitsvorsorge zu nutzen. In der Kombination mit passenden Fitnessaktivitäten kann man dem Bad problemlos ein Upgrade zur Ladestation verpassen. Das Konzept des Private Spa ist der Ausgangspunkt für den Gesundbrunnen 2.0.

SBZ: Ein Badezimmer könnte also – in begrenztem Umfang – als Ort der persönlichen Vorsorge angesehen werden. Kalte Güsse in Kneipp’scher Manier stelle ich mir ja noch problemlos vor, aber darüber hinaus …?

Reinhardt: Das Thema Fitness ist das Add-on für das Private Spa. Mit einer größeren Nutzungsfläche sind Fitnessanwendungen wie etwa Spinning-Räder, Gymnastik oder Yoga problemlos zu integrieren. Durch Zonierungen werden die Bereiche im Private Spa klar definiert. Auch die anschließenden Wohnbereiche und die Art des Anschlusses charakterisieren die Nutzung eines Private Spa. Ein direkter Zugang zu Garten oder Terrasse durch eine Flügeltür oder auch nur ein großes Dachfenster oder ein Oberlicht sind Beispiele, wie durch die Verbindung mit der Architektur aus dem Thema Gesundheit, Achtsamkeit und Fitness im Badezimmer eine runde Geschichte werden kann.

SBZ: Die SBZ hat die Etablierung der Bezeichnung Private Spa u. a. seinerzeit mit einem thematisch passenden Badplanungswettbewerb begleitet. Welche der klassischen Private-Spa-Merkmale von 2009 besitzen heute noch Gültigkeit?

Reinhardt: Vor allem die ganzheitliche Badplanung, angefangen von der Bedarfsanalyse über die Beleuchtung bis hin zur Erhöhung des Interior-Designs durch wohnliche Einrichtungsgegenstände oder Deko-Elemente. Der SBZ-Wettbewerb hat den Trend zur ganzheitlichen Badplanung zweifelsohne verstärkt und viele SBZ-Leser angeregt, die Badplanung auf ein neues Qualitätslevel zu heben.

SBZ: Wie wichtig ist Tageslicht im Bad für die Spa-Wirkung? Wäre künstliche Beleuchtung gleichfalls dienlich?

Reinhardt: Das ist zwar nicht günstig und schmälert die wohnliche Qualität, ist aber mit den neuen Beleuchtungskonzepten mit sehr natürlich wirkenden Lichttemperaturen und zirkadianem Licht, die zum Teil schon mit dem Spiegelschrank ins Bad kommen, durchaus möglich. Grundsätzlich sollte ein Private Spa nach dem Tagesablauf des Nutzers geplant und daher auch auf die wechselnden Anforderungen an die Beleuchtung abgestimmt werden. Funktionale und emotionale künstliche Beleuchtung mit dem natürlichen Licht zu kombinieren ist aber durchaus eine Herausforderung. Die Farbe Weiß sieht bei Badmöbeln, Armaturen, Fliesen, Wandfarben und Aluprofilen unter wechselnden Lichtverhältnissen immer anders aus. Das muss im Private Spa harmonisiert werden. Der wichtige Bereich Beleuchtung im Bad ist über Jahrzehnte vernachlässigt worden. Auf diesem Gebiet scheint sich aber gerade einiges zu tun.

SBZ: Hm, ich stelle bei genauerer Betrachtung fest: Ein Private Spa ist bei Weitem nicht so komplex in der Planung und Umsetzung, wie es der Begriff vermuten lässt.

Reinhardt: Technisch gesehen vielleicht nicht. Ein Private Spa muss nicht unbedingt mit Sauna und LED-Himmel ausgestattet werden. Die Herausforderung liegt eher im konzeptionellen und gestalterischen Bereich. Und da muss ich Ihnen widersprechen: Ein gelungenes Private Spa stellt die höchsten Anforderungen an den Badplaner, weil so viele unterschiedliche Bereich miteinander kombiniert werden müssen: Wohnlichkeit und Funktionalität, Großzügigkeit und Zonierung, Natürlichkeit und technischer Komfort, sanitäre Ausstattung und Möblierung, Farbwelten, Klimamanagement, Beleuchtung.

Der Beruf des Badplaners vereint ja auch eine Vielzahl von beruflichen und sozialen Kompetenzen: Ein Badplaner ist Psychologe, Designer, Architekt, Lichtgestalter, Installateur, Interior-Designer, Projektmanager, Kaufmann und Trendforscher in einer Person. Ein Badplaner muss sich ständig weiterbilden und auf Messen nach neuen Ideen suchen, um seinen Kunden eine Story erzählen zu können. Natürlich sind die Anforderungen sehr hoch, aber der Badplaner ist wohl auch einer der tollsten Berufe in unserer Branche.

SBZ: Aber der Kunde muss es ja auch verstehen und bezahlen wollen. Warum lohnt es sich für Badgestalter, ihren Kunden darzulegen, dass sie eben nicht nur „ein Stück Bad“ erhalten, sondern ein Private Spa?

Reinhardt: Ähnlich wie die Küche muss das Bad eine feste Verbindung mit der Architektur eingehen und technische Funktionen wohnlich „verpacken“ – und zwar so, dass man es nach der Realisierung auch mag, und das für eine möglichst lange Zeit. Da kann man nicht mal so eben umräumen. Was noch dazukommt: In ein Private Spa zu gehen ist ein bisschen, wie in eine eigene Welt einzutauchen, Abstand zu gewinnen. Da muss alles passen. Das ist der eigentliche Mehrwert, der auch durch längere Verweildauer ausgenutzt wird. Die Herausforderung liegt darin herauszuarbeiten, wo der Unterschied zwischen einem online zusammengeklickten und einem auf die Bedürfnisse der Nutzer abgestimmten Bad liegt.

Die Sanierung eines 30 Jahre alten Bades ist per se mit einem Update verbunden – die Sanitärprodukte haben sich in 30 Jahren so extrem weiterentwickelt, dass auch eine weniger anspruchsvolle Sanierung eine merkliche Verbesserung darstellt. Beim Private Spa geht es daher um die Story, den Mehrwert, die Optik, die Harmonie, um Nachhaltigkeit und Aufenthaltsqualität. Die Bereitschaft von Bauherren, in diese „weichen“ Werte zu investieren, ist mit der Erfahrung der Pandemie nochmals gestiegen. Ganz pragmatisch sollte die Kreativleistung Badplanung auch als eigenständige Position aufgeführt werden, und wir alle müssen daran arbeiten, die Wertschätzung des Auftraggebers für diese Dienstleistung zu erhöhen.

Info

Das ist Pop up my Bathroom

Bei „Pop up my Bathroom“ handelt es sich um eine Initiative der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS) und der Messe Frankfurt. Es ist eine experimentelle Plattform zur Badgestaltung. Hier soll untersucht und gezeigt werden, welche Möglichkeiten das Bad als ästhetischer und funktionaler Raum für die Menschen noch bereithält. Zum einen können sich Fachleute hier über neue Entwicklungen informieren, zum anderen sollen die hier entwickelten Entwürfe in Bilder umgewandelt werden, die weltweit verstanden werden. Als Kommunikationsplattform ist die Seite www.pop-up-my-bathroom.de zu einem stetig aktualisierten Blog ausgebaut worden mit knapp einer Million internationalen Besuchern. Hier können sich Badprofis, aber auch interessierte Endverbraucher neben den „Pop up my Bath­room“-Trends auch über neue Entwicklungen in diversen Sanitärbereichen informieren.

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