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Bilanz unter der Lupe

Unterm Strich bleibt: nix

Es herrscht Hochkonjunktur in der deutschen SHK-Branche. Allen Widrigkeiten der Nach-Corona-Phase zum Trotz brummt der mittelständisch geprägte Handwerkszweig. Die Gründe hierfür sind hinlänglich bekannt und müssen daher nicht nochmals dargestellt werden. Bei Vollauslastung im Arbeitsalltag rauschen schon mal Meldungen an einem vorbei, die normalerweise aufhorchen lassen würden. Wie etwa Anfang des Jahres, als die Thermondo GmbH bekannt gab, dass der nächste Investor (Brookfield) gefunden ist, der sich mit 51 % an der Firma beteiligt. Als Autor dieser Zeilen frage ich mich, berechtigterweise wie ich finde: 51 % wovon eigentlich? 51 % des Stammkapitals? 51 % der verbliebenen Kapitalrücklage? 51 % der Gesellschaftsanteile? Leider ist die Informationspolitik der sonst redseligeren Unternehmensleitung in diesem Fall eher als zugeknöpft zu bezeichnen. Die jüngste Bilanz vom Mai 2021 behandelt das Geschäftsjahr 2019. Demnach verringerten sich in diesem Zeitraum zwar die Verluste. Aber gleichzeitig hat sich auch das Wachstum verlangsamt.

Fürs bessere Verständnis hier meine Interpretation der Entwicklung der vergangenen Jahre. Man nimmt z. B. aus dem Bundesanzeiger die Bilanz und die verkürzte Gewinn-Verlust-Rechnung aus dem Jahr 2018. Allerdings muss man, wenn man Liebhaber von Geschäftsberichts-Epik ist, den dort hinterlegten Jahresabschluss gelesen haben. Er liest sich über weite Strecken wie eine Marketingbroschüre und ist voll von Absichtserklärungen und Hoffnungsschimmern, welche die Thermondo-Welt erhellen bzw. sie in einem guten Licht dastehen lassen.

Eigenkapital schrumpft

Leider täuscht die Inszenierung nicht darüber hinweg, dass in den Jahren 2017 und 2018 zusammen insgesamt 21 Millionen Euro Verluste gemacht wurden – mit leichter Verbesserung in 2019. Summiert man den fortgeschriebenen Verlustvortrag mit dem Verlust aus 2018, kann man eindeutig erkennen: Mehr als 40 Millionen Euro (von über 51 Millionen Euro der Kapitalrücklage) sind damit schon weg. Oder positiv ausgedrückt: gehören jetzt einem anderen. Selbst bei den geringeren Verlusten (bei geringerem Zuwachs, wohlgemerkt) in 2019 wird klar, dass die Kapitaldecke schmilzt wie der Eisberg im Sommer – die Klimaerwärmung hat, könnte man meinen, insofern auch auf den Geldspeicher der Berliner Gesellschaft einen negativen Einfluss. Einen besonderen Leckerbissen liefert wiederum der Geschäftsbericht: „Die Geschäftsleitung hat sich zum Ziel gesetzt, das Unternehmen in den nächsten zwei Jahren (das betrifft 2019 und 2020; Anm. des Verf.) nah an die Profitabilität zu führen (…). Dennoch plant Thermondo auch 2019 noch nicht mit einem Gewinn und auch 2020 noch mit einem leichten Verlust.“

Daher verwundert es nicht, dass im Juli 2019 erneut „frisches“ Kapital (7,55 Millionen Euro) in den Geldspeicher fließen musste, um die Liquidität aufrechtzuerhalten und weitere Investitionen zu finanzieren. Eineinhalb Jahre später (Anfang 2021) steigt jetzt ein großer nordamerikanischer Investor, der sich mit Sicherheit eine Rendite des Investments von jenseits der 15%-Marke erwartet, ein. Man kann sich fragen: Woher nimmt der seine Renditeerwartungen? Er übernimmt 51 % eines Unternehmens, welches seit seiner Gründung in 2012 mutmaßlich entweder noch keinen Cent verdient oder zumindest gesichert einen hohen zweistelligen Millionenbetrag verbrannt hat. Vielleicht ist an dieser Stelle ein wenig Selbstkritik angebracht: Wahrscheinlich kann ich nicht rechnen, bin blind für die Chancen des Geschäftsmodells und verstehe die großen Zusammenhänge nicht.

Dennoch schaue ich einmal genauer hin: Im Folgenden ein Ansatz, anhand von Daten, die die Firma selber in ihrem wortreichen Geschäftsbericht zur Verfügung stellt, die Lage für 2019 ff. im Nachhinein zu analysieren und mit Branchenzahlen zu kontrastieren:

Auslastung gegeben?

In 2018 verfügte die Firma über durchschnittlich 287 Mitarbeiter, von denen 139 als „Arbeiter“ tituliert werden. Geht man davon aus, dass alle diese im eigentlichen Kerngeschäft (dem Heizungsbau) tätig waren, müssten sie, um halbwegs rentabel für die Firma zu sein, einen Pro-Kopf-Umsatz von ca. 137 000 Euro (Quelle: stat. Ämter und eigene Berechnungen) erwirtschaftet haben. Dies entspricht einem Zielumsatz (Lohn und Material) von ca. 19 Millionen Euro. Im Schnitt kommen in einem normalen und am Markt erfolgreichen Handwerksbetrieb auf jeden „produktiven“ Mitarbeiter 0,25 bis max. 0,33 „unproduktive“ Mitarbeiter. Im vorliegenden Fall ist die Quote aber 1:1. Diese Schieflage lässt sich auch aus einer anderen Angabe herauslesen. Dem Rohergebnis (Umsatzerlöse +/- Bestandsänderungen + betriebliche Erträge minus Materialeinsatz) von 13,24 Millionen Euro stehen Personalkosten in Höhe von 16,69 Millionen Euro gegenüber. Aber: Bei einer angenommenen Materialquote von 40 % des Umsatzes dürften sich die gesamten Personalkosten im Bereich von 11,5 Millionen Euro bewegen.

Eine weitere Kennzahl sollte die Aufmerksamkeit des Betrachters/Investors erregen: Thermondo baute in 2018 insgesamt ca. 4000 Heizsysteme ein. Bei lediglich 139 arbeitenden Mitarbeitern bedeutet dies, dass jeder pro Jahr knapp 29 Kessel installierte. Bei großzügig ausgelegten 40 produktiven Arbeitswochen pro Mitarbeiter und Jahr bedeutet dies, dass jeder produktive Thermondoianer nur 0,725 Heizkessel pro Woche an die Wand brachte – ein durchschnittlicher Heizungsbauer fragt sich staunend: Hatten die am Dienstag immer Feierabend? Sollten mehr als die 139 „Arbeiter“ im Heizungsraum gearbeitet haben, wäre die Installationsquote noch schlechter. Bei dieser (Un-)Produktivität und der mehrfach kolportierten Ausweitung des Mitarbeiterstammes in allen Bereichen auf ca. 440 Mitarbeiter (Ende 2020), ist nicht damit zu rechnen, dass insgesamt ein signifikanter Gewinn erwirtschaftet wird – abgesehen vielleicht von einzelnen positiven Monaten.

Gewinn nicht erkennbar

Ein durchschnittlicher Handwerksbetrieb würde mit solch haarsträubenden Zahlen und nachgewiesener langjähriger Erfolglosigkeit bei keiner Bank einen Cent Kredit bekommen – wohl auch von keinem Investor. Irgendwas muss es folglich an dem Konstrukt bzw. dem Unternehmen geben, das wir alle nicht sehen und das dem neuen Investor „die Dollarzeichen“ in die Augen treibt. Wahrscheinlich ist es die Nachhaltigkeit, mit welcher der Thermondo-Chef Philipp Pausder (der einzig Verbliebene aus dem Kreis der ursprünglichen Gründer) einerseits verspricht, dass das Unternehmen in 2021 Gewinne erwirtschaften werde. Nachhaltigkeit im Personalmanagement ist andererseits für mich ebenfalls nicht zu erkennen, denn z. B. Auszubildende sind im gewerblichen Bereich der Thermondo GmbH nicht zu finden. Um die eingangs gestellt Frage damit (vorerst) zu beantworten: Die neue Beteiligung von 51 % an der Gesellschaft bezieht sich auf die Hoffnung bzw. das Versprechen, dass aus dem Unternehmen mal eine Organisation wird, die für alle Beteiligten Gewinn abwirft. Wann das sein wird, steht für mich in den Sternen.

Schlussbemerkung: Wenn die SBZ diese Zeilen abdruckt, wovon ich ausgehe, dann folgt demnächst vermutlich eine Reaktion aus Berlin. Vielleicht ein Anruf für Chefredakteur Dennis Jäger oder er erhält zumindest Post von Thermondo. Ich bin gespannt. Er auch, nehme ich an.

Info

Die Kolumne SBZ-Radar wird von Brancheninsidern ­geschrieben, die frei von täglichen Zwängen zum Nachdenken anregen und deshalb anonym bleiben möchten.

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Autor

Der Autor dieses SBZ-Radars möchte anonym bleiben. Die Person ist der Redaktion bekannt. Sie nimmt im SHK-Branchengeschehen eine führende Rolle ein und ist bewandert in betriebswirtschaftlichen Themen.

Bild: Fotonachweis

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