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Erfolgreiche Marktstrategie

Das Hobby zum Beruf gemacht

Angefangen hatte alles nach Feierabend und im Urlaub, genauer gesagt: in mehreren Urlauben. Jörg Tappeser, seit Anfang der 1990er-Jahre Besitzer einer privaten PV-Anlage in Schwerte, wollte seine Leidenschaft für Solarstrom mit anderen teilen und rief einen regionalen Solarstammtisch ins Leben. Fortan tauschten sich in regelmäßiger Runde technologisch Gleichgesinnte über Funktions­weise und Leistungsfähigkeit von PV-Anlagen aus. Dabei blieb es nicht. Tappeser wollte mehr. Aus seinen Ideen, wie sich PV-Technologie besser einsetzen und verbreiten lässt, erwuchsen konkrete Pläne. Aus Plänen wurden erste Projekte, die der Schwerter zunächst nebenberuflich umsetzte – gemeinsam mit seiner Frau Anja. „Das war dann irgendwann so viel, dass wir das im Urlaub nicht mehr hinkriegen konnten“, sagt Tappeser. „Also mussten wir das Ganze hauptberuflich angehen.“

Inzwischen sind 16 Jahre vergangen, die Zahl der Projekte ist sprunghaft gestiegen. Allein im Jahr 2010 haben die beiden Projekt-Spezialisten 1 MW PV-Leistung aufs Dach gebracht. Das Besondere: Anja und Jörg Tappeser haben dies mit Kleinanlagen zwischen 10 und 15 kW geschafft, vorwiegend auf Einfamilienhäusern, „ungefähr zwei bis drei Anlagen pro Woche.“ Mittlerweile betreuen sie auch Großprojekte. „An solche Aufträge kommt man schneller, wenn man sich einen Namen gemacht hat“, sagt der PV-Spezialist, „dabei haben uns die Kleinanlagen schon sehr geholfen.“

Die Montage erfolgt mit Subunternehmern

Ihre im Jahr 1993 gegründete Firma Solartechnik Tappeser GmbH & Co. KG ist als Handelsbetrieb eingetragen. Tappesers verstehen sich als Generalunternehmer. Die Errichtung der PV-Anlagen führen sie gemeinsam mit Handwerkspartnerunternehmen – einem Elektrofachbetrieb und drei Dachdeckern – durch. Für die Sicherheit vor Blitzschäden sorgt ein Blitzschutzfachbetrieb. Diese Betriebe sind zuverlässige Partner, oft erprobt und eingespielt. „Wenn sich bei unseren Partnern Interessenten melden, werden sie zu uns geschickt“, erläutert Tappeser. „Wir machen die Beratung, das Aufmaß vom Dach und die Berechnungen.“ Die Solarteure planen auch die Gerüste und die Installation der Elektrotechnik. „Die Installation einer PV-Anlage ist ein Mischgewerk“, sagt Tappeser. „Unsere Vorgehensweise hat den Vorteil, dass in den verschiedenen Bereichen immer gleich die passenden Fachleute am Werk sind.“ Bei der Planung hält das Team die Fäden in der Hand. „Die Kunden haben für alle Teilbereiche nur einen Ansprechpartner. Das erleichtert die Zusammenarbeit“, weiß der 44-jährige aus Erfahrung. Eine Alternative zur Subunternehmerschaft gibt es nicht. Da weder Elektro- noch Dachdeckermeister ins Geschäft eingebunden sind, kann Tappeser keine Fachhandwerker fest anstellen oder Nachwuchs ausbilden.

Die reibungslose Kooperation hat einen weiteren Vorteil: Speed. Pro Tag schaffen es die Handwerker, zwischen 20 und 30 kW auf die Dächer zu bringen. Um besser planen zu können, hat Tappeser ein eigenes Gerüst angeschafft. „Mit Gerüstbauern haben wir keine guten Erfahrungen gemacht“, meint er rückblickend. „Die Arbeitssicherheit auf dem Dach ist ganz wichtig, nicht nur für die Qualität der Montage. Davon hängt schließlich auch unsere Gesundheit ab.“

Kompletter Service bis zu den Anmeldungsformalitäten

Das Team Tappeser übernimmt nicht nur die Planung und Installation neuer PV-Anlagen, sondern prüft auch bereits erbaute Systeme auf Mängel und Unstimmigkeiten. Darüber erledigt es einschlägige Formalitäten, etwa die Anmeldung beim Netzbetreiber und bei der Bundesnetzagentur. Solartechnik Tappeser ist Mitglied im Bundesverband Solarwirtschaft (BSW), stellt als Qualitätsnachweis den BSW-Anlagenpass aus und gehört zu den SMA-Fachhandelspartnern. Regional zeigen sich die PV-Experten ebenfalls stark engagiert: Jörg Tappeser gehört noch immer dem Solarstammtisch Schwerte an und ist Gründungsmitglied bei den örtlichen Energiegewinnern, einem regionalen Verbund von Fachhandwerkern, die sich dem Einsatz regenerativer Energien verschrieben haben. Das Unternehmen verbaut mehr als zehn Modultypen von verschiedenen Herstellern.

Ein solches Geschäftskonzept erfordert mehr als nur fachliches Wissen. Tappesers haben als Quereinsteiger zur Solarbranche gefunden und eine Reihe Zusatzqualifikationen im Gepäck. Jörg Tappeser, ein gelernter Energiegeräte-Elektroniker und Datenverarbeitungskaufmann, besitzt beispielsweise das richtige Fingerspitzengefühl für den Umgang mit Kunden, Geschäftspartnern und Subunternehmern, und bringt ausgeprägtes Organisationstalent mit. „Das brauchte ich früher schon in meinem alten Job – und kann dies jetzt weiter gut nutzen“, sagt der Kaufmann.

Ehefrau Anja ist Software-Spezialistin. Als gelernte Arzthelferin kam die 35-jährige über Computerprogramme für Ärzte in Kontakt mit der Softwarebranche, leitete später Schulungen, führte Tests durch und arbeitete zum Schluss als Netzwerkadministratorin. Diesen Job hat sie jetzt wieder – in der eigenen Firma. Zuständig ist sie außerdem für die Planung und die Erstellung von Angeboten sowie die Gestaltung und Aktualisierung des Internetauftritts. „Wir bekommen viele Anfragen und Kontakte über unsere Webseite“, sagt Jörg Tappeser. „Das ist Gold wert“.

Auch knifflige Aufträge nimmt das Ehepaar an

Zum Einsatz kommt die breit gefächerte Kompetenz des Zweierteams auch bei einem ihrer aktuellen Projekte. Der Auftrag: Auf den Dächern zweier benachbarter, noch im Bau befindlicher Filialen eines Discount- bzw. Lebensmittelkonzerns nahe des Schwerter Bahnhofs wurden PV-Anlagen mit einer Leistung von 76 kW bzw. 180 kW realisiert. Direkter Auftraggeber waren die Stadtwerke Schwerte. Die Errichtung und Verwaltung der Bauobjekte erfolgt über verschiedene Investoren. „Dieses System aus Zuständigkeiten ist schon sehr kompliziert“, stellt der Schwerter Solarteur fest. „Es ist gigantisch, mit wie vielen Entscheidern man reden muss.“ Allein die Angebotsphase für das Objekt zog sich über ein Dreivierteljahr hin. „Kalkulatorisch ist das ein hohes Risiko“, weiß Tappeser. „Man muss viele Leute an einen Tisch kriegen. Aber das ist unser Vorteil, wir sind sehr flexibel.“

Stolpersteine gibt es auch bei anderen Projekten: Als die Stadtwerke Schwerte bei der Firma Tappeser vor vier Jahren erstmals eine Anlage anfragten, gehörte der komfortable Zugriff auf das Datenmaterial und die Webüberwachung zu den Vertragsbedingungen. Die dazugehörigen PV-Anlagen sollten auf zwei Schulen verbaut werden. Tappesers übernahmen den Job, sorgten für die Installation der Module einschließlich der Wechselrichter plus Webüberwachung.

Alles lief wie geplant, bis die Stadtwerke nachträglich Jahr eine dritte Schule an das laufende System anschließen wollten, der Hersteller der Wechselrichter aber – aufgrund der problematischen Marktlage 2010 – Lieferschwierigkeiten hatte. Die Folge: Das Solarteam stieg notgedrungen auf einen anderen Anbieter um. Für diese Wechselrichter sorgt zwar ein markenübergreifender Datenlogger für die Webanbindung, doch gibt es bislang keine Kompatibilität mit den bisher installierten Anlagen und ihrer Webüberwachung. Die Erwartung der Stadtwerke Schwerte ist jedoch, dass die Dokumentationen zu allen eigenen PV-Anlagen in einem einheitlichen Monitoring zur Verfügung stehen. „Man hätte gleich von Anfang an den markenübergreifenden Datenlogger nehmen sollen, dann hätte alles zusammengepasst“, sagt Tappeser. „Aber solche Entwicklungen kann man nicht voraussehen.“ Außerdem hatte bei der Auswahl seinerzeit ein gewichtiges Argument gegen das zweite Produkt gesprochen: Die damit verknüpfte Webüberwachung war nämlich kostenpflichtig.

Durchdachte Regeln sparen das Mahnwesen

Herausforderungen dieser Art gehören zum Berufsalltag. „Es ist aber nie etwas richtig schiefgelaufen“, sagt Tappeser, „und zwar von Anfang an nicht.“ Damit das so bleibt, hält sich der Kaufmann strikt an persönliche unternehmerische Regeln. Die Warenlieferung erfolgt beispielsweise nur gegen Vorkasse in Höhe von 80 %. Wird auch die Endsumme prompt gezahlt, erhält der Kunde sogar 5% Skonto. Dieses Entgegenkommen kommentiert er schmunzelnd: „Das ist alles eine Frage der Kalkulation.“ Als Zahlungssicherheit verlangt das Zweierteam bis zur Fertigstellung von seinen Auftraggebern eine Bankbürgschaft. Die dafür anfallenden Gebühren zahlt der Kunde, die PV-Spezialisten übernehmen die Zinsen. „Ich sage dem Kunden immer: Wir teilen uns das. Du kannst also davon ausgehen, dass ich mich bemühe, so schnell wie möglich fertig zu werden“, erklärt Tappeser. Diese Strategie mag zuweilen etwas Überzeugungsarbeit erfordern, lohnt sich aber unterm Strich: „Wir mussten bislang noch keine einzige Mahnung schreiben.“

Sein sicheres Händchen für Zahlungs­modalitäten zeigt sich auch an anderer Stelle. Stellt der 44-jährige bei der Schlussabrechnung beispielsweise ein kalkulatorisches De-fizit von 100 bis 200 Euro fest, bürdet er diesen Betrag nicht nachträglich dem Kunden auf. So bleibt dieser zufrieden – und empfiehlt ihn auch weiter. „Dieses Geld ist gut angelegt, besser als in Anzeigen“, sagt Tappeser. „Diese bringen nichts, sondern sind nur teuer.“

Messungen als zusätzliche Dienstleistung

Ihren Kunden tritt das Ehepaar mit Flexibilität, Engagement und Individualität in der Beratung gegenüber. Um guten Gewissens das Messen von PV-Anlagen als Dienstleistung anbieten zu können, hat Tappeser beispielsweise Vergleichsmessungen mit marktüblichen Messgeräten durchgeführt. Als er dabei feststellte, dass die Ergebnisse deutlich von­einander abwichen, fuhr er in ein unabhängiges PV-Testlabor nach Aachen, um der Sache höchstpersönlich auf den Grund zu gehen. Zurück kam er mit einem exakt ausgemessenen Referenzmodul, das er jetzt für seine Dienstleistungen einsetzt. „Der Kunde bekommt dann ein Vergleichsprotokoll“, sagt der PV-Profi. „Das ist gleichzeitig eine vertrauensbildende Maßnahme.“

Von vorkonfektionierten PV-Paketen fürs Dach lassen sie die Finger. „Bei uns gibt es keine Anlage von der Stange“, stellt Tappeser fest. „Wir gucken, welche Module zu welchen Wechselrichtern in welcher Situation am besten passen. Da gibt es erhebliche Unterschiede.“

Ihre Produkte beziehen sie nicht über den Spotmarkt, sondern über einen Großhändler in Süddeutschland, auf den sie über einen Kunden aufmerksam geworden sind. Unter den branchenüblichen Riesen sei dieser zwar ein kleiner. Genau das aber mache den Kontakt so wertvoll. „Wir sind sein größter Kunde, so dass er sich sehr für uns einsetzt“, sagt Tappeser. In der Rangliste eines herkömmlichen Anbieters gelte ein Betrieb seiner Größe hingegen nicht viel.

Auch beim Preiskampf ist irgendwann Schluss

Ärgerlich findet er, wenn Kunden nicht mit offenen Karten spielen. So hat er mittlerweile immer häufiger das Gefühl, dass seine Beratungsgespräche nur dazu dienen, ein Vergleichsangebot zu einem bereits vorliegenden Angebot eines Konkurrenten einzuholen. Die Beratung und das Anfertigen der schriftlichen Unterlagen kosten jedoch Zeit und Geld. „Man kann leider manchmal schlecht abschätzen, ob der Kunde wirklich ein ernsthaftes Interesse an einer Auftragsvergabe hat oder nicht“, stellt Tappeser fest.

Die Mitbewerber zumindest stehen parat, was auch die Aufgraggeber bemerken. So haben beispielsweise die Schwerter Stadtwerke erwogen, den PV-Auftrag für Schule Nummer Vier einem Wettbewerber – einer Kooperation aus Dachdecker und Solarteur – zu überlassen. Abwechslung belebt das Geschäft. „Man kämpft immer preislich, aber irgendwann ist auch mal Schluss“, findet Tappeser. Ihm liegt vor allem die Qualität der Arbeit am Herzen. „Wenn ich solche Aufträge vergeben müsste, würde ich mich für denjenigen entscheiden, mit dem ich keine Probleme habe“, stellt der engagierte Solarexperte fest. „Aber ich halte mich an das, was meine Frau gesagt hat: Lass die das ruhig mal mit der Konkurrenz machen, dann wissen sie hinterher, warum sie uns beauftragen.“

Angst vor der beruflichen Zukunft haben Anja und Jörg Tappeser nicht. „Gut, wir bekommen nicht jeden Auftrag“, sagt der Schwerter Solarteur, „aber wir halten die Augen auf.“ Bereut haben sie den Berufswechsel ohnehin nie: „PV macht einfach Spaß“, sagt Tappeser – auch wenn sich das Zweierteam mit der Technologie längst nicht mehr nur im Urlaub, sondern jetzt jeden Tag beschäftigt.

Autor

Ute Schmidt ist freie Wissenschaftsjournalistin. Zu ihren Themenschwerpunkten gehören die regenerativen Energien, 42699 Solingen, schmidt.text@t-online.de.