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SBZ-Gespräch mit Uwe Glock, Bereichsvorstand Bosch Thermotechnik

Wachstumstreiber sind die Erneuerbaren

Wie geht es in der Heiztechnikbranche im Krisenjahr 2009 weiter? Wie schätzt der europaweit führende Heiztechnikhersteller Bosch Thermotechnik (Umsatz 2007: 2,8 Milliarden Euro) die Lage ein und welche Ziele verfolgt das Unternehmen? Mit welchen neuen Produkten ist zu rechnen? Über diese und weitere Themen sprach SBZ-Redakteur Jürgen Wendnagel mit Uwe Glock, der seit dem 1. Juli 2008 Vorsitzender des Bereichsvorstands von Bosch Thermotechnik ist. Der Dip­lom-Betriebswirt, der 1984 bei Bosch eintrat, war zuletzt Vorsitzender der Geschäftsführung der Bosch Sicherheitssysteme GmbH.

SBZ: Herr Glock, ich falle gleich mit der Tür ins Haus: Wie wird sich der deutsche Heiztechnikmarkt in den nächsten drei Monaten entwickeln?

Glock: Es ist selbst auf Dreimonatssicht derzeit extrem schwierig, eine Prognose abzugeben. Denken Sie an die sich täglich ändernden Wirtschaftsprognosen und an das Auf und Ab beim Ölpreis und beim Dollarkurs. Wir gehen im Prinzip davon aus, dass es keinen gravierenden Abbruch des Geschäftes in 2009 gibt. Einzelne Märkte könnte ein kräftigerer Abschwung treffen. Stützend wirkt sich jedoch in vielen Märkten aus, dass es dort staatliche bzw. klimapolitische Interessen gibt. Dazu gehören die Themen CO2-Reduzierung, Energieeinsparung und Förderung erneuerbarer Energien.

»Wir gehen davon aus, dass es keinen gravierenden Abbruch des Geschäftes in 2009 gibt«

SBZ: Wie sah das Umsatzwachstum für Bosch Thermotechnik im Jahr 2008 aus?

Glock: Wir gehen von einem guten Wachstum fürs Gesamtunternehmen aus – und das trotz der starken Währungsschwankungen in den USA und England. In Deutschland erzielten wir ein zweistelliges Wachstum.

SBZ: In welchen Segmenten befinden sich die Wachstumstreiber?

Glock: Während die Heizwerttechnik rückläufig ist, wächst Brennwert gut. Die echten Wachstumstreiber in allen Märkten sind allerdings die Produkte und Systeme, die mit erneuerbaren Energien zu tun haben. Dies gilt für die Wärmepumpe und vor allem für die Solarthermie, wo wir um mehr als 70% gewachsen sind. Damit lassen sich die Einbrüche beim klassischen Heizungsgeschäft, z.B. aufgrund eines rückläufigen Neubauvolumens, in den meisten Märkten kompensieren, so dass immer noch ein Wachstum vorhanden ist. Bis 2015 wollen wir 30% unseres Umsatzes mit Produkten zur Nutzung erneuerbarer Energien erzielen.

SBZ: Bosch ist nach wie vor sehr stark als Zulieferer für die Automobilindustrie tätig, die derzeit tief in der Krise steckt. Ergeben sich daraus Konsequenzen für den Heiztechnikbereich oder können Sie weitestgehend unabhängig agieren?

Glock: Es gibt keine direkten Auswirkungen auf den Bereich Bosch Thermotechnik. Allerdings ist schwer prognostizierbar, inwieweit der Heiztechnikbereich 2009 auch unter den Problemen der Wirtschaftskrise zu leiden hat. Wir sind deshalb momentan etwas vorsichtiger bei unseren Investitionen, ohne allerdings zu komplett bremsen. Wir steuern auf Sicht und schauen uns alle Märkte genau an. Deshalb bauen wir derzeit unsere Solarthermiefertigungen aus, weil wir davon ausgehen, dass der Solarbereich auch in den nächsten Jahren weiterwächst. Mit unserer neuen Fertigungshalle in Wettringen verfügen wir nun über eine Gesamtkapazität von 350000 Solarkollektoren pro Jahr.

»Wir verfügen nun über eine Gesamtkapazität von 350000 Solarkollektoren pro Jahr«

SBZ: Bosch hat Mitte 2008 den Photovoltaik-Spezialisten Ersol übernommen. Wo wird der PV-Produktbereich angesiedelt sein?

Glock: Ersol wird als eigener Geschäfts­bereich in den Bereich Industrietechnik eingegliedert. Wir werden mittelfristig aber auf der vertrieblichen Seite eng zusammen­arbeiten und die Photovoltaik-Produkte sowohl ins Programm von Buderus als auch von Junkers übernehmen. Allerdings dürfte sich das PV-Geschäft bei Bosch Thermotechnik im Jahr 2009 wohl nicht explosionsartig entwickeln.

»Bei der Gas-Wärme­pumpe wird es aus heutiger Sicht bis zur ISH 2009 ­kein marktreifes Produkt geben«

SBZ: Ein sehr beliebtes Thema ist derzeit die stromerzeugende Heizung. Wie stehen Sie dazu?

Glock: Die Kraft-Wärme-Kopplung ist ein interessantes Themenfeld. Wobei die KWK-Technik auf Basis des Stirlings schon noch ein hohes Preisniveau in der Anfangsphase haben wird. Man braucht hier ein oder zwei ­Geräte­gene­ra­tionen, um den Preis so senken zu können, dass es ein Massenprodukt wird. Zur ISH wird dazu ein Pilotprojekt auf unserem Messestand zu sehen sein.

SBZ: Gibt es etwas Neues zum Brennstoffzellenheizgerät und zum Bereich Mini-BHKW?

Glock: Ich sehe in den nächsten zwei bis drei Jahren keine durchschlagende Produktlösung beim Brennstoffzellenheizgerät. Hier eine Prognose abzugeben, ist außerordentlich schwierig. BHKWs haben wir als Handelsprodukte seit Jahren in unserem Produktprogramm und vermarkten sie erfolgreich.

SBZ: Werden wir zur ISH 2009 eine Gaswärmepumpe auf Ihrem Messestand sehen?

Glock: Das Thema Gaswärmepumpe schauen wir uns sehr intensiv an. Unser Gerät der zweiten Generation hat kürzlich den IGU Gas Efficiency Award gewonnen. Allerdings wird es aus heutiger Sicht bis zur ISH 2009 kein marktreifes Produkt geben. Dies liegt vor allem daran, dass wir nur eine begrenzte Anzahl von Projekten mit voller Kraft vorantreiben können. Ein höhere Priorität haben hier vor allem die Bereiche Brennwerttechnik, Solarthermie und Elektro-Wärmepumpe.

SBZ: Wie sehen die Prioritäten im Segment Wärmepumpe aus?

Glock: Wir werden unser Wärmepumpen-Produktportfolio kräftig und kontinuierlich ausbauen. Insbesondere das Thema Luft-/Wasserwärmepumpe wird immer interessanter. Auch an Integrations- und Kombinationslösungen, wie z.B. Wärmepumpe mit Solarthermie, arbeiten wir. Ein weiteres Ziel ist es, kompakter und effizienter zu werden, was auch für das Bohrverfahren bei den ­erdgekoppelten Systemen gilt. Denn je niedriger die Gesamtkosten eines Systems sind, um so stärker lässt es sich im Markt vorantreiben. Zur ISH werden wir die ein oder andere Wärmepumpen-Neuheit vorstellen.

SBZ: Apropos Messe, Herr Glock. Sie waren u.a. im Messebeirat bei der „Security“ und Vizepräsident des deutschen Forums für ­Kriminalprävention. Welchen Stellenwert hat für Sie die Verbandsarbeit?

Glock: Ich interessiere mich sehr für das Thema Verbände und war in der Sicherheitsbranche selbst in der Verbandsarbeit engagiert. Denn zum einen ist es wichtig, früh zu wissen, was z.B. auf dem Normensektor und im gesetzgebenden bzw. politischen Bereich geschieht. Zum anderen hat man im Vorfeld die Chance, beratend aktiv zu sein, um die Vorstellungen der Politik und der Industrie in Einklang zu bringen. Denn Politik und Industrie müssen unbedingt miteinander an den Themen und an der Umsetzung arbeiten.

»Politik und Industrie müssen miteinander an den Themen und an der Umsetzung arbeiten«

SBZ: Sehen Sie in Deutschland noch Nachholbedarf bei den Rahmenvereinbarungen zwischen Politik und Industrie?

Glock: Noch ist es nicht wirklich klar, wie die Politik die angekündigten Zukunftsziele hinsichtlich CO2-Einsparung und Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien tatsächlich erreichen will. Eigentlich müsste man einen detaillierten Meilensteinplan erarbeiten. Dieser sollte definieren, über welche Technologien man welche Teilziele bis zu welchen Zeitpunkten konkret erreichen will. Dementsprechend müssten dann auch die Investitionen auf der Industrieseite erfolgen, damit parallel die entsprechend notwendigen Produkte verfügbar sind.

SBZ: Ich habe gehört, dass bei Bosch Thermotechnik gerade eine größere Restrukturierung stattgefunden hätte. Was hat sich hauptsächlich geändert?

Glock: Bislang waren wir eher in Landesgesellschaften strukturiert. Wir haben nun Produktbereiche definiert, die künftig die weltweite Geschäftsverantwortung für ihr Gebiet übernehmen. Die Aufteilung sieht folgende Bereiche vor: wandhängende Heizung, bodenstehende Heizung, Warmwasserbereitung/Solartechnik/Speicher, wasserbasierte Wärmepumpen, luftbasierte Wärmepumpen mit Ausrichtung auf die Klimatisierung sowie den Bereich Handelswaren. Übergeordnet haben wir eine Systementwicklung etabliert. Neben den Produktbereichen gibt es in der klassisch strukturierten Matrixorganisa­tion sechs Vertriebsregionen, die für die Regionen bzw. einzelnen Märkte die Verantwortung bezogen auf das Gesamtportfolio tragen.

SBZ: Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Umstrukturierung?

Glock: Diese Umstrukturierung wird nach außen keine gravierenden Änderungen haben. Für unsere Kunden bleiben die gewohnten Ansprechpartner erhalten. Wir wollen künftig Doppelaktivitäten vermeiden, die bislang manchmal in einzelnen Ländern gelaufen sind. Zudem wollen wir eine verantwortliche Stelle für ein Produktsegment in allen Märkten weltweit schaffen. Im Zuge dieser Umstrukturierung untersuchen wir unser Port­folio gezielt nach Lücken und überlegen uns, wie wir diese über interne Entwicklungsaktivitäten oder über externes Wachstum schließen können.

SBZ: Bedeutet dies, dass es in Kürze weitere Unternehmensübernahmen gibt?

Glock: Wir haben einen schönen Schritt mit der Übernahme von Florida Heat Pump im Jahr 2007 getan und uns Ende 2008 mit der Vertriebsgesellschaft Servico in Belgien verstärkt. Wir sind aber nicht auf Schnäppchensuche, sondern schauen uns kontinuierlich nach neuen, strategischen Wachstumsfeldern und interessanten Produktergänzungen um. Und wenn wir etwas Passendes finden, dann werden wir versuchen auch über externes Wachstum weiter voranzukommen.

SBZ: Veränderungen gab es ja auch beim Buderus-Großhandel. Wie sieht hier die Lage aktuell aus?

Glock: Mir ist der Buderus-Großhandel sehr wichtig, vor allem wegen des direkten Kundenkontakts. Die Umstrukturierung, mit der wir im Jahr 2007 begonnen haben, läuft wie geplant. Gerade die fortschreitende Orientierung weg vom Produkt hin zur Systemtechnik erfordert mehr Kompetenzen und mehr Spezialistentum in der Organisation. Die logische Konsequenz dieser Entwicklung ist die interne Konzentration.

»Noch ist unklar, wie die Politik die Ziele hinsichtlich CO2-Einsparung und erneuerbarer Energien konkret er­reichen will«

SBZ: Welche Ziele definieren Sie für 2009?

Glock: Wir wollen in 2009 erneut wachsen und die Chancen sind nicht schlecht. Denn die Klimadebatte wird einfach dazu führen, dass wir vor allem die Energieeffizienz und die Heizungsmodernisierung vorantreiben müssen. Ich rate deshalb derzeit allen Bekannten und Freunden, die mich fragen, was sie tun sollen: Investiert lieber in eine neue Heizungsanlage statt in Aktien. Denn man erwirbt damit eine Sachanlage, die sicher ist und sich über die Energiekosteneinsparungen gut rechnet. Und für den Umweltschutz tut man auch noch etwas. Viele Verbraucher haben dies erkannt und kaufen deshalb derzeit eher eine Heizung als Konsumgüter.

SBZ: Vielen Dank, Herr ­Glock.