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Pfiffiges Energiekonzept

Eis-Energiespeicher sind Primärquellenspeicher. Oder vereinfacht gesagt: große Betonbehälter mit integriertem Wärmetauschersystem. Dieses ist wiederum an eine Wärmepumpe angeschlossen, die dem Wasser im Speicher Energie entzieht. Dadurch sorgt sie dafür, dass die Temperatur im Eis-Energiespeicher langsam in Richtung Gefrierpunkt sinkt. Wird dieser erreicht, gefriert das 0 °C kalte Wasser zu 0 °C kaltem Eis. Dieser Phasenübergang von flüssig zu fest setzt die sogenannte Kristallisationsenergie frei. Bekannt ist das Prinzip von den kleinen praktischen Handwärmekissen. Bei einem Eis-Energiespeicher handelt es sich jedoch um ganz andere Dimensionen: Je Kilogramm Wasser sind 90 Wh gebunden, die via Kristallisation freigesetzt werden. Ein Eisspeicher mit nur 10 m³ Wasser kann also in etwa die gleiche Energiemenge liefern wie 100 l Heizöl.

Im Winter vereist das Wasser im Speicherbehälter aufgrund des Wärmeentzugs durch die Wärmepumpe. Wird im Sommer Kälte benötigt, beispielsweise um Büro- oder Serverräume zu kühlen, steht das entstandene Eis kostenfrei zur Verfügung. Gleichzeitig trägt der Wärmeeintrag aus dem Gebäude dazu bei, das Eis im Speicher wieder aufzutauen und den Eis-Energiespeicher somit für die nächste Heizperiode einsatzbereit zu machen.

Darüber hinaus bezieht der Eis-Energiespeicher Wärme von Solar-Luftabsorbern sowie aus dem umgebenden Erdreich. Solar-Luftabsorber bestehen – im Gegensatz zu herkömmlichen Solarthermieanlagen – aus einfachem schwarzen PE-Rohr, das mit einem Wasser-Glykol-Gemisch gefüllt ist. Sie arbeiten mit der Umgebungstemperatur sowie der direkten solaren Einstrahlung, weswegen sie auch in milden Wintern und bei starker Bewölkung Wärme liefern können.

Nur ein Anbieter

Viessmann ist einziger Anbieter dieser Technologie. 2012 übernahm der Heiztechnikhersteller das Friedrichshafener Unternehmen isocal. Viessmann optimierte die Wärmeübertragung und passte das System für die eigenen Sole-Wasser-Wärmepumpen an. Für die Wärmepumpenregelung und Solar-Luftabsorber wurden neue Algorithmen entwickelt. Bislang wurden über 1200 Eis-Energiespeicheranlagen in Deutschland installiert. Darunter kleinere in Ein- und Zweifamilienhäusern, für die Viessmann Komplettpakete anbietet, aber auch Anlagen in großen Objekten, beispielsweise in Bürogebäuden.

Eine Leitung heizt und kühlt

Eine große Anlage mit Eis-Energiespeicher steht in Nagold. Das 1981 gegründete Unternehmen Schnepf Planungsgruppe Energietechnik benötigte eine neue Firmenzentrale und errichtete sie auf einem 3400 m² großen Grundstück im Süden des Industrieparks Wolfsberg an der Werner-von-Siemens-Straße. „Die Planungsgruppe Schnepf war uns als Vorreiter in Sachen Energietechnik bekannt. Mit dem gemeinsam realisierten Eis-Energiespeichersystem am Firmensitz in Nagold steht dort nun eine Referenz zur Verfügung, die Kunden und Partnern veranschaulicht, wie Herausforderungen der Energiewende angegangen werden können“, so Heiko Lüdemann, Geschäftsführer der Viessmann Eis-Energiespeicher GmbH.

In die Stahlbetondecken wurde eine thermische Betonkernaktivierung integriert. Diese wird entweder von warmem oder kaltem Wasser durchflossen. Manche Planer trennen beide Systeme, sodass die warmen Leitungen im oberen Teil der Geschossdecke liegen und quasi als Fußbodenheizung dienen, die kalten Leitungen hingegen im unteren Teil und so die Kühle nach unten über die Decke abstrahlen. Unbedingt nötig ist dies jedoch nicht.

Wie bei jeder wärmepumpenbasierten Technologie sind gute Dämmwerte der Gebäudehülle von Vorteil. Die Außenwände kommen auf einen U-Wert von 0,26 W/m²K, die Glasfassade liegt bei 0,8 W/m²K. Beide liegen damit rund 40 % unter den gesetzlichen Vorgaben.

5,7 km Leitungen im Eis-Energiespeicher

Der Eisspeicher wurde unter dem neu angelegten Parkplatz platziert. Mit 9,5 m Durchmesser und einer Tiefe von 5,5 m fasst er 300 m³ Wasser. Allein die Kristallisationsenergie entspricht demnach der Energiemenge von rund 3000 l Heizöl. Im Speicher liegen 5,7 km Rohrleitungen. Auf einem benachbarten Flachdach fangen 42 Solarabsorber auf einer Fläche von 382 m² die Umgebungswärme ein. Über das Jahr gesehen ist der Ertrag der Absorber höher als der einer klassischen Solarthermieanlage, da auch bei Bewölkung oder diffuser Strahlung Wärme aus der Außenluft gewonnen wird.

Die Wärmepumpe wird zudem komplett mittels eigener PV-Stromerzeugung versorgt und so zu 100 % regenerativ betrieben. Dafür wurde ebenfalls auf dem Flachdach, zusätzlich zu den Solar-Luftabsorbern, eine 320 m² große Photovoltaikanlage mit 196 Modulen und einer Leistung von 50 kWp installiert. Der Jahresertrag liegt bei 51 000 kWh.

Als Wärmepumpe dient eine Vitocal 300-G Pro mit Scroll-Verdichter. Mit dem innovativen Refrigerant Cycle Diagnostic System (RCD-System) zur Kältekreis-Überwachung und einem elektronischen Expansionsventil erreicht das Gerät COP-Werte bis 4,8 (Sole 0 °C / Wasser 35 °C) und Vorlauftemperaturen bis 60 °C bei einer Heizleistung von 73 kW und einer Kühlleistung von 101 kW.

Projektdaten

Bauherr: Schnepf + Partner GbR, Werner-von-Siemens-Straße 4, 72202 Nagold

Architektur: Schmelzle + Partner Architekten BDA

Bauzeit: 7 Monate

Fertigstellung: 2013

Grundstücksgröße: 3345 m²

Brutto-Grundfläche: 2538 m²

Brutto-Rauminhalt: 9324 m³

Eisspeichersystem: Sole-Wasser-Wärmepumpe Vitocal 300-G Pro

Jahresnutzenergie: 121,4 kWh/m²a

Jahresendenergie: 23,5 kWh/m²a

Jahresprimärenergie: 61,2 kWh/m²a

Energiestandard: Niedrigenergiebürogebäude

Energieträger: Sonne, Luft, Wasser, Erdwärme, Eis

Autor

Frank Urbansky ist freier Journalist, Fachautor und Mitglied der Energieblogger, 04158 Leipzig, Telefon (01 71) 5 25 32 79, E-Mail: urbansky@enwipo.de