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Trinkwasserinstallation weiterent­wickelt

Legionelle als Wappentier?

Prävention ist langweilig – es passiert ja nichts! Wie soll man Personen zählen, die aufgrund von Vorsorge gesund geblieben sind?“ Prof. Werner Mathys, weithin anerkannter Hygieniker an der Uni Münster, pflegt Klartext zu reden. Aus seiner Sicht lässt sich nicht einmal schätzen, wie viele Menschen – vor allem Immunschwache in Krankenhäusern, Altenheimen oder in der häuslichen Pflege – am Leben bleiben, weil sie einwandfreies Trinkwasser zur Verfügung haben. „Sind allerdings Todesfälle auf kontaminiertes Trinkwasser zurückzuführen, mangelt es nicht an Schlagzeilen und an der Suche nach dem Schuldigen!“, betonte er auf dem Sanitärsymposium.

Viele Fälle mit Legionellen ­bleiben unerkannt

„In Deutschland werden jedes Jahr 500 Todesfälle gemeldet, bei denen Legionellen als Ursache nachgewiesen werden. Vorsichtig geschätzt, sind das nur etwa zwei Prozent.“ Der Mediziner Mathys weiß den Grund: „Der Verlauf der Symptome ist ähnlich wie bei anderen Krankheiten. Man muss frühzeitig einen Legionellenverdacht haben und gezielte Untersuchungen anstellen.“

Einwandfreies Trinkwasser wird grenz­überschreitend an Bedeutung gewinnen. Prof. Mathys zeigte sich überzeugt, dass der neue Nachhaltigkeitsbegriff „Water Safety Plan“ bald europaweit in den Sprachgebrauch einzieht. „Beim Water Safety Plan erweist sich der Bauherr als die schwierigste Größe, wenn es um die Modernisierung von Trinkwasserinstallationen geht. Die Überzeugungsarbeit ist inzwischen im Krankenhaus oder Hotel erfolgreich, doch keinesfalls im Einfamilienhaus!“ Prof. Werner Mathys unterstrich die behutsame Überzeugungsarbeit, die von Planern und Errichtern geleistet werden kann: „Auch wenn Ihnen die Prävention in der Trinkwasserversorgung so schnell kein Lob einbringen wird, Ihre Hinweise womöglich vom Betreiber als unbequeme Wahrheit aufgefasst wird – bleiben Sie aufgrund ihrer Fachkompetenz konsequent und weisen Sie auf Schwachpunkte in Trinkwassersystemen hin!“

Kunststoffschläuche an ­Armaturen sind kritisch

Droht im Warmwasser Gefahr durch Legionellen, können im Kaltwasser Bakterien vom Typ Pseudomonas aeruginosa vor allem immunschwachen Personen gefährlich werden. Dr. Stefan Pleischl (Uni Bonn) berichtete von mikrobiologischen Problemen in der Sanitärinstallation. Neben Rückzugsmöglichkeiten innerhalb von Armaturen seien es vor allem Biofilme auf Anschlussschläuchen, die sich als besonders hartnäckig erweisen. Selbst wenn kontaminierte Trinkwassersysteme weitestgehend erfolgreich desinfiziert seien, können Biofilme noch immer Abschwemmraten an Bakterien aufweisen, informierte der Hygieniker aus seinen Versuchsreihen.

Kaltwasser nicht kalt und ­Warmwasser nicht heiß

Zahlreiche Wortmeldungen zwischen den Fachvorträgen bereicherten die Diskussion und machten deutlich, wie häufig die Praktiker Missstände vorfinden:

  • Weil Verteiler für Kalt- und Warmwasser in knapp bemessenen Technikzentralen in unmittelbarer Nachbarschaft platziert werden, entstehen unerwünschte Wärmeübergänge.
  • Versorgungsschächte bieten dem Sanitärbereich oft nur ein Minimum, um die nötigsten Dämmmaßnahmen ergreifen zu können.
  • Wird wenig Wasser verbraucht, erwärmt sich in unzureichend gedämmten Altanlagen Kaltwasser über 25° C und begüns­tigt eine Verkeimung.
  • Stichleitungen in der Stockwerksverteilung bieten Voraussetzungen für Stagnation.
  • Gibt es keine Zirkulation, gelangt allenfalls nach längerer Spüldauer Warmwasser mit mehr als 55° C bis zur letzten Zapfstelle.
  • Planern und Installateuren sind solche kritischen Zustände in der Trinkwasserversorgung vertraut. Erst seitdem die Vorgaben des DVGW-Arbeitsblattes W551 in die Praxis umgesetzt werden, zeigen sich durchgreifende Erfolge für eine einwandfreie Qualität in der Warmwasserversorgung.

DIN EN 806 und DIN 1988 werden maßgebend

Franz-Josef Heinrichs, Referent für Sanitärtechnik im ZVSHK, ging Punkt für Punkt auf die zuvor genannten Schwachstellen in Altanlagen ein. In einer Zusammenstellung von europäischer und nationaler Normung (siehe nebenstehende Übersicht) machte er deutlich, wie zeitgemäße Rahmenbedingungen für eine einwandfreie Kalt- und Warmwasserversorgung aussehen. Auch die vertrauten Vorgaben aus dem Arbeitsblatt W 551 werden miteinfließen.

Künftig werde es für die Technischen Regeln in der Trinkwasserinstallation (TRWI) zwei wichtige Normen geben. Während sich die DIN EN 806 auf den europäischen Mindeststandard beschränke, würden die deutlich anspruchsvolleren nationalen Vorgaben in der DIN 1988 beschrieben. Der Experte für Sanitärtechnik: „Mit der Veröffentlichung eines Kommentars beider Normen ist noch in diesem Jahr zu rechnen.“

Bisherige Warmwasser­versorgung nicht effizient

  • Der Wasserverbrauch ist in den letzten 20 Jahren deutlich zurückgegangen.
  • Spitzenvolumenströme fallen oft erheblich niedriger aus als berechnet.
  • Reihen- oder Ringleitungen bieten für eine günstigere Durchströmung bessere Voraussetzungen.

Mit Statements zu zahlreichen Themen rund um die Kalt- und Warmwasserversorgung konfrontierten Bernd Rickmann und Franz-Peter Schmickler (beide Professoren der FH Burgsteinfurt) die Tagungsteilnehmer im Audimax der Fachhochschule.

„Bisher hat man die Technik mit Zirkulationsinlinern eher belächelt – zu Unrecht“, betonte Prof. Rickmann. „Im Wohnungsbau lassen sich durch diese Technik etwa 30 bis 40 Prozent geringere Bereitschaftsverluste erzielen“, wusste er aus entsprechenden Versuchen zu berichten.

Er zeigte auch auf, welche Vorteile Strömungsteiler erzielen können:

  • Im Abzweig für die Warmwasserversorgung der Etage eingesetzt, erübrigt sich die Zirkulationsleitung im Schacht bzw. in der Zentrale.
  • Im Abzweig für die Kaltwasserversorgung der Etage eingesetzt, kann eine Zwangsspülung zur Temperaturhaltung realisiert werden.

„Noch arbeiten wir an ausgereiften Lösungen, damit der Praktiker seinen Kunden den zusätzlichen Aufwand in der Installation empfehlen kann“, erläuterte Prof. Rickmann den Stand der Dinge. Trinkwassersysteme neuen Zuschnitts lassen sich mithilfe der Dendrit-Software berechnen. In einer Tagesschulung ( http://www.kemper-olpe.de ) kann man sich mit der EDV vertraut machen.

Berechnung um 100 Prozent daneben

„Es gilt, die Aufteilung einzelner Volumenströme detailliert zu rechnen, denn sonst kann sich eine Fehlerquote von nahezu 100 Prozent ergeben“, warnte Prof. Bernhard Mundus, Strömungsspezialist der Fachhochschule. Er gab seine Erkenntnisse über Einzelwiderstände in hydraulischen Systemen weiter. Auch in Burgsteinfurt blieb die Frage offen, die Sanitärexperten seit Monaten diskutieren: Wie lassen sich Zeta-Werte einzelner Sanitärkomponenten in die komplexen Sys­temberechnungen einbeziehen? Das Ziel für den Planer soll sein, die Spitzenvolumenströme so präzise zu simulieren, dass Nennweiten in Teilbereichen für eine möglichst effi­ziente Durchspülung stärker als bisher reduziert werden können.

Legionelle als Wappentier?

„Sind die anerkannten Regeln der Technik das Maß der Dinge oder ist die Legionelle auf dem Weg, das Wappentier des deutschen Sanitärhandwerks zu werden?“ Klar, dass Jurist Thomas Herrig die Lacher auf seiner Seite hatte. Doch seine Scherzfrage hatte durchaus einen ernsten Hintergrund. „Vereinbaren Sie im Vertrag, was gelten soll. Können allgemein anerkannte Regeln der Technik unterschiedliche Interpretationen zulassen, dann stimmen Sie sich mit dem Auftraggeber vertraglich ab“, riet der Berliner Rechtsanwalt. In Bezug auf die Trinkwasserhygiene so zu verfahren wie eh und je, wäre fatal. Aktuelle Rechtsprechungen zeigten nämlich, dass der Verbraucherschutz inzwischen sehr hoch bewertet werde. Die Trinkwasserverordnung, die allgemein anerkannten Regeln der Technik oder der Werkvertrag seien aus juristischer Sicht Schuldverhältnisse, die befriedigend erfüllt werden müssen.

Was dem Praktiker kurios erscheinen mag: Wenn der Gelbdruck einer Norm erschienen sei, so Thomas Herrig, habe der Praktiker dies als Weiterentwicklung zur Kenntnis zu nehmen. Möglicherweise entstehe dadurch seinem Auftraggeber gegenüber eine Mitteilungspflicht. Aus Unkenntnis oder Gleichgültigkeit weiter nach altem Schema zu verfahren, könne sich zum Streitpunkt entwickeln. „Einen Bestandsschutz gibt es nicht bei Gesundheitsgefährdung“, warnte der Anwalt. Wenn dem Sanitärfachmann Schwachstellen in der Trinkwasserinstallation auffallen, sei er zumindest verpflichtet, diese Punkte zu benennen und beispielsweise auf eine Legionellengefahr hinzuweisen.

Schlussbemerkung

Das Sanitärsymposium hat Gefahrenpoten­ziale und Chancen aufgezeigt, wie der Fachbetrieb seine Beratungskompetenz steigern kann. Beispielsweise lässt sich mit dem Trinkwasser-Check Markt machen. Dafür kann der Handwerksunternehmer auf das gewonnene Vertrauensverhältnis zum Kunden aufbauen. Was hindert den Eckring-Betrieb, einen Water-Safety-Plan für die ­häusliche Installation zum Erfolg zu führen? TD

Die Veranstaltung

Zu viele für einen Hörsaal

Das 11. Sanitärtechnische Symposium der Fachhochschule Münster/Burgsteinfurt war eine mit dem ZVSHK gemeinschaftlich organisierte Tagung. Sie ist inzwischen so populär geworden, dass die mehrstündige Veranstaltung mit identischem Inhalt an zwei aufeinander folgenden Tagen (27. und 28. Februar 2010) angeboten wurde. Insgesamt hörten sich etwa 450 Planer und Errichter von Trinkwassersystemen an, was in der Versorgung Stand der Technik ist. Neues aus der Hygieneforschung, zur Rechtsprechung und Normungsarbeit rundete die Tagung ab.