Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Sanitärsymposium Burgsteinfurt

Was Kaltwasser nicht kalt lässt

Die neue Trinkwasser-Verordnung mit verschärften Bestimmungen ist in Arbeit. Ob sie in einem Monat oder in einem halben Jahr kommt, ist noch nicht klar. Prof. Dr. Werner Mathys (Hygiene-Institut der Uni Münster) machte auf dem voll besetzen 12. Sanitärtechnischen Symposium der Fachhochschule Münster in Burgsteinfurt allerdings deutlich, dass die Zeit der Sorglosigkeit in der Trinkwasserinstallation vorbei ist. Stagnation ist die größte Sünde wider die Hygiene, lautete seine Botschaft. Prof. Mathys wusste den etwa 200 anwesenden Planern und Handwerksunternehmern mit Pointen und Fakten zu erläutern, wie der Kenntnisstand in der Trinkwasserhygiene derzeit ist und welche Ziele zu erreichen sind. „Die Empfehlung des Umweltbundesamtes lautet, dass Trinkwasser nach mehreren Stunden Stagnation nicht mehr zu Lebensmitteln verarbeitet werden soll“, verkündete der Hygiene-Spezialist. Völlig klar war ihm dabei, wie weit diese Vorstellung von der Realität entfernt ist.

Mit lauwarmem Wasser steigt ­Risiko der Verkeimung

In zahllosen Gebäuden sorgen unzureichend gedämmte Steigleitungen und Stockwerksverteilungen dafür, dass Kaltwasser nicht kalt bleibt, sondern die kritische Marke von 25° C übersteigt. Untersuchungen zeigen, dass in wärmerem Wasser der bis dahin geringe Anteil von Keimen deutlich ansteigt, eine Stagnation über Stunden vorausgesetzt. Lauwarmes Wasser mit 30 bis 48 °C gilt als besonders förderlich. Das Problem verschärft sich zusätzlich dadurch, dass ungenutzte oder falsch genutzte Trinkwasser-Einrichtungen Refugien bilden, in denen Biofilme im Kalt- und Warmwasser Nährböden finden.

Ekelerregende Funde

Dr. Georg Tuschewitzki (Hygiene-Institut Ruhrgebiet, Gelsenkirchen) hat diese Welt unter dem Mikroskop eingehend studiert und warnte vor einer Scheinsicherheit: „Ein Biofilm baut sich teilweise erst nach Stunden Stagnation neu auf. Verlässt man sich auf eine einzelne Wasserprobe, sagt dies nicht viel aus.“ Fotos kamen auf die Leinwand. Vom herausgedrückten Schleimberg aus einem Kunststoffschlauch über kontaminierte Weichgummidichtungen im Wasserspender mit Festanschluss ans Trinkwassernetz bis hin zum völlig verstopften Spülsystem am Behandlungsstuhl des Zahnarztes reichte das ekelerregende Repertoire. Sein Rat für Planer und Errichter: Werkstoffe, die mit Trinkwasser in Berührung kommen, sollten ausnahmslos den Vorgaben des DVGW-Merkblattes W 270 entsprechen.

Hygiene-Experte Mathys bezeichnete Krankenhäuser und Pflegeheime als ideale Herbergen für Killerkeime, weil Patienten bzw. Bewohner oftmals durch Immunschwäche einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Er zeigte allerdings auch die Schwierigkeiten auf, die Trinkwasser-Experten bei ihren Planungsaufgaben zu bewältigen haben. Sowohl bei der Neukonstruktion als auch in den Überlegungen für eine Modernisierung müsse „Prävention statt Reak­tion“ das Motto sein. Seine anspruchsvolle Botschaft an die Experten im Saal: „Sie müssen nicht nur beim Warmwasser abwägen zwischen Energieeffizienz und Hygiene, sondern den drohenden Wärmeübergang ins Kaltwassersystem mit berücksichtigen.“

Warmwasser beeinflusst ­Kaltwasser

„Um Warmwasser mit 55 °C bis zur letzten Zapfstelle zu bringen, ist der Wärmeeintrag in den Versorgungsschacht besonders kritisch“, konstatierte Prof. Bernd Rickmann (FH Burgsteinfurt). Untersuchungen haben ergeben, dass sich eine ungedämmte Kaltwasserleitung im Stockwerk bereits nach einer Stunde von 10 auf mehr als 25 °C erwärmt, wenn die Umgebungstemperatur entsprechend hoch ist. Bei einer nach EnEV-Vorgaben gedämmten KW-Leitung dauert es zwei Stunden, wenn keine Entnahme stattfindet. „In Zwischendecken herrschen oft Temperaturen von mehr als 25 °C, da hilft eine Dämmung wenig“, gab Rickmann zu bedenken. Der erforderliche Wasserwechsel „einmal in drei Tagen“, wie er früher gegolten habe, sei deshalb völlig veraltet. Vielmehr gelte jetzt das Ziel, Kaltwasser vor einer kritischen Erwärmung zu bewahren. Nach eingehenden Tests könne „Der induzierte Volumenstrom im Ring“ als Zauberwort gelten, so Rickmann.

Strömungsteiler sorgen für ­automatisierte Durchspülung

Statt einer Trinkwasserleitung, die bis zu jeder Zapfstelle durchgeschleift wird, erweise sich eine Ring-Installation mit Strömungsteilern als kostengünstiger, weil auch kleinere Nennweiten genutzt werden können. Dr. Carsten Bäcker (Kemper, Olpe) verdeutlichte zunächst zeichnerisch den erhöhten technischen Aufwand, um die Leitungsführung für Kalt- und Warmwasser durch Sanitäranlagen durchzuschleifen. Je nach Zahl der Entnahmestellen ist die Grenze der Übersichtlichkeit schnell erreicht. Wird auf diese Art eine Versorgung im Stockwerk realisiert, lautete seine Beispielrechnung, könnte eine Gesamtsumme von 200000 Euro zustande kommen.

Um 50000 Euro günstiger würde dagegen die Installation, wenn Strömungsteiler zum Einsatz kommen, die sich auf der Etage mit einem automatisierten Wasserwechsel kombinieren lassen. Die Entnahme am entferntesten Punkt der Ringleitung mündet ­dabei in einen Grauwassertank. Bei einer typischen Gebäudenutzung, zeigten die Simulationen auf, lässt sich ein bis zu 17-facher Wasserwechsel pro Tag erreichen. „Auf diese Weise kann man die Probleme durch Stagnation im Kaltwasserstrang beseitigen“, stellte Rickmann fest.

Wenn mangels Verbrauch auf der Etage nicht induziert werden könne, dann helfe die endständige Wasserentnahme mit einem verhältnismäßig geringen Verbrauch. „Mein Herz schlägt zwar auch für die Entwässerungstechnik“, scherzte der Professor der Burgsteinfurter Fachhochschule, „aber um einen intensiven Wasserwechsel sicherzustellen, müssen keine großen Wassermengen ungenutzt in die Entwässerungsanlage abfließen.“

Gütegemeinschaften für die Grundstücksentwässerung

Themen rund um die Entwässerungstechnik gehörten ebenfalls zum Programm des Symposiums. Zur Sprache kamen auch Punkte, die bereits Inhalt der Fuldaer Entwässerungstagung waren (siehe SBZ 04/2011, S. 38).

Franz-Josef Heinrichs (Referent für Sanitärtechnik im ZVSHK) hatte darüber hinaus eine positive Neuigkeit: Der Vorstand des Güteschutz Kanalbau hat sich inzwischen für die vereinbarte Entwicklung und Neudefi­nition der Aufgabengebiete für die Inspek­tion und Sanierung von Entwässerungslei­tungen ausgesprochen. Jetzt folgt noch die Befragung der dort organisierten Mitgliedsbetriebe.

Der Hintergrund: Bei der Sanierung von Grundleitungen soll die Grundstücksgrenze die Schnittstelle sein, von der aus unterschiedliche Betriebe in entgegengesetzter Richtung arbeiten. Viele Sanitärbetriebe haben schon immer die Entwässerungssysteme auf privatem Grund betreut und sollen dies auch weiterhin tun können, wenn sie entsprechend zertifiziert sind. Eine entsprechende Gütegemeinschaft Grundstücksentwässerung steht deshalb vor ihrer Gründung. Jenseits der Grundstücksgrenze sollen sich die im Güteschutz Kanalbau organisierten Betriebe um die Systeme im öffentlichen Bereich kümmern. Diesseits bzw. jenseits der Grundstücksgrenze werden die Mitgliedsbetriebe der beiden Gütegemeinschaften jeweils ein eigenständiges Gütezeichen haben, das durch Städte und Gemeinden zu einer allgemeinen Anerkennung für den öffentlichen bzw. den privaten Entwässerungsbereich führen soll. TD