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Branchenforum in Berlin

Vertriebswege im Wandel

Ist die Zeit für eine Reform der Absatzstrukturen gekommen? Der dreistufige Absatzweg ist mal wieder in der Diskussion. Baumarkt und Internethandel sehen in dieser Vertriebsstruktur vor allem Handelshemmnisse. Für das Fachhandwerk stehen Liefertermine, unvollständige Lieferungen und uneinheitliche Warencodes auf der Mängelliste. In zig-Tausend Fällen läuft diese Logistik ohne Beanstandung – muss man deshalb über Probleme reden?

Man wollte es jedenfalls. Das Fachforum in Berlin am 27. November stellte Fragen und suchte nach Antworten. Brisante Knackpunkte, gegenüber denen sich der dreistufige Vertriebsweg bewähren will, wurden allerdings ausgespart. Dazu gehört beispielsweise, dass Handwerker in zweistufigen Geschäftsbeziehungen Ware direkt vom Hersteller beziehen. Oder die Vierstufigkeit, in der Ware vom Hersteller über einen Großhändler zum Baumarkt bzw. ins Internet „wandert“ und von dort über Handwerker den Weg ins neue Bad oder den Heizungskeller finden.

Insbesondere das Thema Preise war tabu, wie zwei Rechtsanwälte bei ihrer Einführungsbelehrung vor den aufmerksamen Augen des Kartellamtes ausdrücklich betonte. Andreas Röhling und Dr. Ulrich Scholz nannten zahlreiche Fakten, die eine verbotene Preisabsprache bedeuten oder einem Boykottaufruf gleichkommen. Das derzeit größte Problem für Handwerkerbetriebe, dass Endverbraucher im Internet manche Produkte fast zu den Preisen einkaufen können wie der SHK-Betrieb, wurde leider nicht thematisiert.

Wenn auch diese Problemzonen ausgespart wurden, blieben für die Veranstaltung genügend Themen. In drei Workshops erarbeiteten die Teilnehmer aus allen drei Vertriebsstufen, was Vorteile bringt, verbessert gehört oder zukünftig wichtig ist. Das Novum nach über einjähriger Vorbereitung: Man diskutierte miteinander – statt übereinander.

Konkurrenz durch Internet-Handel

Wo und wie kauft der Endverbraucher der Zukunft? ZVSHK und Großhandel hatten den Meinungsforschern von Emnid einen Fragenkatalog in Auftrag gegeben und Oliver Krieg attestierte dem Fachhandwerk eine starke Marktposition beim Kunden. Mal waren es etwa 1000 Erwachsene aller Altersgruppen, mal ging es insbesondere um Hausbesitzer, deren Antworten ausgewertet wurden. Einige interessante Ergebnisse:

  • 20 % der Hauseigentümer – insbesondere die 40- bis 59-Jährigen – wollen in den nächsten fünf Jahren in die Heizungstechnik investieren. 20 % der jüngeren Kunden planen im gleichen Zeitraum eine Badmodernisierung.
  • Bei Bad oder Heizung ist das Fachhandwerk für 89 % von etwa 1000 Befragten die bevorzugte Einkaufsquelle (Baumarkt 47 %, Internet 12 %). Von den gut 450 befragten Hauseigentümern wollten nahezu alle beim Fachhandwerk kaufen.
  • Wenn es um die konkrete Kaufentscheidung bei Bad und Heizung geht, sind Vertrauen und Seriosität oberstes Gebot. Produktqualität und Gewährleistung folgen auf den weiteren Rängen. Die Bedeutung des Kaufpreises erreicht lediglich Platz 6.
  • Ein Preisproblem taucht für den Kunden nur dann auf, wenn er die unmittelbare Vergleichsmöglichkeit hat.
  • Von allen im Internet gekauften Waren entfallen 12 % auf Haustechnik (z.B. ­Modernisierung von Bädern und Heizungen). Wer die Produkte letztlich einbaut, ist bislang nicht untersucht.

Schwierig zu meistern

Arno Kloep vom Querschiesser-Institut ist für seine provokanten Aussagen bekannt. Als Key-Note-Speaker rüttelte er die Runde wach. Hier ein Auszug seiner Thesen, die er vollständig in der SBZ 21/2012 ab Seite 22 vorgestellt hat:

  • Die Fachschiene ist nicht länger der einzig wahre Vertriebsweg, dem man als Hersteller oder Händler verpflichtet sein muss. Aktuelle Interviews mit SHK-Handwerkern zeigen, dass zwei Drittel diesen Verlust von Bedeutung realisieren und den Verlust von Marge beklagen. Besonders unglücklich sind die befragten Handwerker, dass die Spielregeln der Fachschiene nicht mehr eingehalten werden. 75 % vermissen die schützende Wirkung der (starren) Strukturen.
  • Die Fachschiene ist in ihrem Absatz­volumen begrenzt, vernichtet bestehende Nachfrage, braucht zu viele Chancen für einen Abschluss und ist „optisch“ zu teuer, deshalb liefern die Hersteller über andere Kanäle an die Endverbraucher! Die Zeit ist reif für eine Öffnung der Ausstellung und eine Bruttopreis­absenkung.
  • In Aussicht stehen daher für die nächsten drei bis fünf Jahre darwinistische Branchenverhältnisse. Es werden jene überleben, die sich am schnellsten und besten an die neuen Gegebenheiten ­anpassen.
  • Die Händler reduzieren mit den Handelsmarken, die vom Handwerk ­gierig aufgegriffen werden, für die ­Marken den erreichbaren Markt. Deshalb suchen sich diese andere ­Vertriebskanäle.
  • Entweder wird der Handwerker „90-Euro-fähig“ und ein Badmanager (vermutlich mit Unterstützung des ­Großhandels) oder er verliert Marge. Die Ware wird er auf jeden Fall knapp über netto/netto durchschieben.
  • Der Markt rund ums Trinkwasser wird viele neue Anbieter anlocken und ein ­unübersichtliches Waren­angebot schaffen. Daher die wichtige Frage: Wer ist der Kompetenzträger zum Thema Wasser in den nächsten zehn Jahren? Das SHK-Fachhandwerk oder Dritte?

Handwerk: Qualifikation hat Priorität

Im Anschluss an die Referate ging es in die Workshops. Den Workshop Handwerker moderierte Dr. Michael Herma, Geschäftsführer der VdZ. Die Diskussion kreiste um die Frage nach der zukünftigen Rolle des SHK-Handwerkers. Im Mittelpunkt stand seine Qualifikation und der Bedarf an Weiterbildung in der Zukunft. Geschehe dies erfolgreich, werde er von seinen Kunden eine leistungsgerechte Vergütung verlangen können. Wichtiger werde die Spezialisierung, beispielsweise der Handwerker als Komplettbadprofi oder Hybridheizungs-Fachmann, da die Aufgaben immer komplexer werden. Hier werde es in Zukunft verstärkt Bedarf an Fortbildung geben. Außerdem müssten höhere Anforderungen an die Ausbildung gestellt werden, um dem anspruchsvoller werdenden Berufsbild gerecht zu werden. Das SHK-Handwerk stehe jedoch vor der Problematik, dass die Ausbildungszahlen stark rückläufig sind. Nicht zuletzt spiegele sich hier die niedrige Bezahlung in der Branche wider. Im Umkehrschluss könnten leistungsgerechtere Verrechnungssätze zu einer höheren Attraktivität des Berufsbildes beitragen und mehr qualifizierte Schüler für diesen Beruf gewinnen.

Mehr Marketing durch den ­Handwerker?

Kontrovers diskutiert wurde insbesondere die Rolle des Handwerkers im Marketing. Zwei Positionen standen sich gegenüber. Auf der einen Seite wurde argumentiert, dass die Handwerksbetriebe selbst kaufmännische Fähigkeiten ausbilden sollten, um den Kauf-anreiz bei ihren Kunden für ein neues Bad oder eine neue Heizungsanlage zu generieren. Die Gegenseite war dafür, diese Aufgabe besser in Partnerschaften mit der Industrie und dem Großhandel anzugehen. Der Handwerker könne sich dann besser auf seine Kernkompetenz, die Installation, konzentrieren. Offen blieb, ob auch der Internethandel und der Baumarkt geeignete Partner für eine solche Kooperation mit den Handwerkern wären.

Handel: Markenware in den Vordergrund

Mit der Rolle des Fachgroßhandels als Mittler zwischen Hersteller und Handwerk beschäftigte sich der Workshop Handel unter der Moderation von Jens Wischmann, Geschäftsführer der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft. Wie sehen Hersteller und Handwerk dieses Bindeglied? Was sind die Kernkompetenzen, worin bestehen die Herausforderungen der Zukunft? Das Handwerk erwartet primär eine zuverlässige und schnelle Lieferung. Deutliche Verbesserungen erwartet man bei der Reklamationsbearbeitung im gesamten Vertriebsweg. Auch Unsicherheiten bei der Haftung sollten nicht durch Kulanz, sondern durch klare Regelungen beseitigt werden. Das Handwerk drängt zudem auf eine verlässliche Kommunikation bei Lieferzeiten und Verzögerungen. Deshalb – und nicht allein wegen einer besseren Vergleichbarkeit – war die durchgängige Artikelbezeichnung (EAN oder Vergleichbares) erneut Thema.

Die Hersteller wünschen sich einen stärkeren Außendienst des Großhandels, um Innovationen, Marken und Produkteinführungen besser zu kommunizieren. Mehr Präsenz ihrer Marken wünschen sich die Hersteller in den Ausstellungen des Handels. Ausdrücklich äußerten sie, dass das Thema Ersatzteilmanagement federführend auf Industrieseite verbleiben solle.

Neutrale Infos über Produkte und Services

Als Herausforderungen der Zukunft gelten bei Fachhandwerk und Herstellern gleichermaßen:

  • Die Marken der Hersteller gilt es zu ­stärken und den Mehrwert besser zu kommunizieren – beim Handwerk sowie beim Endkunden. Durchaus kritisch ge­sehen wurde die Positionierung des Großhandels als Marke bzw. mit eigenen Marken.
  • Die neutrale Informationsaufbereitung über Produkte und Services wird ein wichtiger Anspruch an den Großhandel.
  • Der Handel soll eigene Kompetenz aufbauen zu den Themen barrierefreies Bad, nachhaltige Sanitärlösungen, Wasseraufbereitung sowie zum Bereich Energie. Doch könnten Zentren für Weiterbildung kostendeckend betrieben werden? Um den Mehrwert des dreistufigen Vertriebsweges nach außen zu kommunizieren, wurde die Bad-Akademie als Möglichkeit für die Weiterbildung thematisiert.

Hersteller: Emotionale und funktionale Begeisterung

Matthias Thiel (ZVSHK) und Achim Laubenthal (DG Haustechnik) moderierten gemeinsam den Workshop Hersteller. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der Energiewende in Deutschland erarbeitete man die wichtigsten Kernkompetenzen der SHK-Industrie. Diese sollten ausgebaut werden, um die bestehenden sowie zukünftigen Marktpotenziale zu erschließen. Dafür setzten die teilnehmenden Experten aus dem Fachgroßhandel und dem Fachhandwerk die Brille des Endverbrauchers auf und simulierten eine Marktnachfrage. Die Sanitärindustrie soll den demografischen Wandel (alternde, anspruchsvolle Bevölkerung) in den Fokus nehmen. Funktionale barrierefreie Produkte fürs Bad sind gefragt, die mit einem ansprechenden Design überzeugen können. Will sagen: Sanitärprodukte sollten den Endverbraucher emotional und funktional begeistern. Barrierefreie Badprodukte sollten sexy sein! Dies steigere die Lebensqualität und auch die sicheren Rahmenbedingungen, um bis ins hohe Alter in der eigenen Wohnung bleiben zu können. Förderlich ist beispielsweise gutes Licht und eine kontrastreiche Farbgestaltung zur besseren Orientierung im Bad. Ferner sind Rutschfestigkeit, gerundete Ecken und Kanten, Zuverlässigkeit sowie Langlebigkeit der Badprodukte wichtig. Auch gehören Wartungsfreundlichkeit, Nachkaufgarantie von Ersatzteilen sowie ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis zu den Grundvoraussetzungen.

Fünf wichtige Punkte für die Heizung

Für Heizungshersteller sollen fünf Kernkompetenzen gelten:

1. Effizienz – die Heizung sollte ökologisch sinnvoll arbeiten, damit der Endkunde mit einem guten Gefühl, an der Energiewende teilzuhaben, die Investition in eine neue Anlage tätigen kann.

2. Zuverlässigkeit – die Anlage sollte die mit ihr verknüpften Versprechungen/Erwartungen erfüllen.

3. Intelligenz – eine einfache, möglichst intuitive Bedienbarkeit mit Schnittstellen für Tablet/Smartphone.

4. Zukunftsfähigkeit – das System sollte Energieträger nutzen können, die auch in etlichen Jahren noch ausreichend verfügbar sein werden.

5. Preis-Leistungsverhältnis – der Endkunde soll die Wirtschaftlichkeit seiner Investition vor Augen haben.

Bewährt sich die Dreistufigkeit?

Erfrischend einfach stellte N24-Moderatorin Corinna Wohlfeil in einer Podiumsdiskussion dem SHK-Handwerksunternehmer Eberhard Bürgel die Frage: „Würden Sie einem Kunden, der im Baumarkt Sanitärarmaturen gekauft hat, diese fachgerecht installieren?“ Mit einem freundlichen Lächeln versuchte der eine einfache Antwort: „Für die im Baumarkt erworbene Armatur gilt das Kaufrecht, doch ich als Handwerker habe einen Werkvertrag zu erfüllen und müsste für eine Armatur geradestehen, deren Qualität ich nicht kenne. Da kann ich nicht auf Nummer sicher gehen.“

Die Zweifel an der Qualität von Baumarkt-Armaturen gefiel Erich Huwer, Chef der Globus-Baumärkte, gar nicht. Seit Jahrzehnten erlebe er solche Vorbehalte von Seiten des dreistufigen Vertriebsweges, obwohl seine Qualitätskontrolle beim Wareneinkauf der des dreistufigen Vertriebsweges ebenbürtig sei.

Andreas Dornbracht, Chef des gleichnamigen Armaturen-Herstellers und Präsident der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft unterstrich die Komplexität des Themas. Es sei nicht damit getan, irgendwo eine Armatur zu erwerben. Hinter der Armatur stecke eine komplexe Gebäudetechnik, deren einwandfreie Funktion angesichts einer verschärften Trinkwasserverordnung sichergestellt werden müsse. Während Baumarkt und Internethandel weitestgehend auf den Warenverkauf ausgerichtet seien, biete der ­dreistufige Vertriebsweg ein Gesamtpaket an Komponenten, um diese Technik zu errichten.

Branche denkt noch offline

Es seien etwa 100000 Artikel, die der Großhandel dem Handwerker binnen 24 Stunden liefern könne, verdeutlichte VDS-Vorstandsmitglied Benedikt Mahr. Dennoch könnten sicher noch Dinge verbessert werden wie Stammdatensätze oder Lieferzeiten. Diese Logistik sei dem Endkunden ohnehin verborgen, hieß es auf dem Podium. Was der Konsument sehe, sei allenfalls die Ausstellung des Großhandels. Wer aber gerade aus der Sanitärausstellung im Baumarkt kommt und sich danach auch noch beim Großhändler umschauen möchte, kann das tun, findet aber nach wie vor keine Preise – das verwirrt den Verbraucher. Im Baumarkt oder im Webshop ist dies anders.

Vor allem junge Leute sind es gewohnt, sich über den Monitor zumindest Infos einzuholen. Den Webkauf sieht man im dreistufigen Vertrieb zum jetzigen Zeitpunkt nicht als Bedrohung – doch was bringt die Zukunft? Karlheinz Reitze (Stiebel Eltron): „Das Internet ist ein Zeitgeist. Wir können dies nicht ausklammern, sondern müssen uns darauf einstellen.“ Andreas Dornbracht zeigte seine Unzufriedenheit über die momentanen Treffer von Suchmaschinen: „Wenn es im Web um das Stichwort Wellness geht, müssten unsere Marken auftauchen, doch dies wird im Netz von anderen belegt. Da fehlt uns bislang ein wirksames Konzept. Wir denken immer noch offline.“ Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen.