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Interview

So schaffen wir mehr Neuanlagen im Bestand

SBZ: Der Klimaschutz ist nach einer kurzen Corona-bedingten Pause wieder in aller Munde und die Ziele für Deutschland sind gerade erst verschärft worden. Sind Sie mit Ihrer Forschung zum Einsatz von Wärmepumpen im Bestand zur richtigen Zeit am richtigen Ort?

Miara: Um die Klimaziele und die angestrebte Klimaneutralität zu erreichen, müssen wir ab sofort alle geeigneten und verfügbaren Lösungen in ganzer Breite einsetzen. Wärmepumpen sind hierbei eine zentrale Schlüsseltechnologie.

75 % der Wohngebäude in Deutschland sind älter als 40 Jahre. In vielen europäischen Ländern ist die Situation vergleichbar. Dies verdeutlicht, wie wichtig die richtige energetische Strategie für Bestandsgebäude ist.

Wo immer möglich, sollte zuerst der Heizenergiebedarf reduziert werden. Langfristig ist das ohnehin unabdingbar. Allerdings kann nicht immer das Heizgerät erst nach der energetischen Sanierung getauscht werden.

Diese Tatsache wird oft als Argument gegen Wärmepumpen genutzt. In der Artikelserie „Wärmepumpen im Bestand“ habe ich faktenbasiert nachgewiesen, dass diese Annahme falsch ist. Es ist möglich und notwendig, Wärmepumpen ökologisch und ökonomisch erfolgreich in Bestandsgebäuden einzusetzen.

SBZ: Was sind die wichtigsten Erkenntnisse für den Heizungsbauer?

Miara: Zuerst sind Wärmepumpen in der ­Lage, die notwendige Wärme auch an sehr kalten Tagen zu liefern. Gleichzeitig haben unsere Analysen gezeigt, dass gar nicht die maximalen, sondern die mittleren Heizkreistemperaturen für die Gesamteffizienz ausschlaggebend sind. Das heißt, Wärmepumpen können auch in Bestandsgebäuden die benötigte Wärme mit zufriedenstellender Effizienz bereitstellen.

Mit Hilfe relativ kostengünstiger und kurzfristig umsetzbarer Maßnahmen lässt sich zudem die Effizienz noch weiter verbessern. Dazu gehört etwa der Austausch einzelner Heizkörper. Moderne Radiatoren können die gleiche Wärmemenge bei deutlich geringerer Vorlauftemperatur an den Raum übertragen.

SBZ: Die Vorstellung, dass eine Wärmepumpe nur mit einer Flächenheizung effizient arbeitet, ist weit verbreitet und galt jahrelang als gesetzt. Handelt es sich hier wirklich um ein Vorurteil?

Miara: Unsere Felduntersuchungen widerlegen die Einschätzung, dass Wärmepumpen nur mit einer Fußboden- oder Wandheizung einsetzbar sind. Heizkörper erfordern nicht zwangsläufig sehr hohe Vorlauftemperaturen. In unserer Feldstudie hatte nur eine Handvoll der Luft/Wasser-Wärmepumpenanlagen, die ausschließlich mit Heizkörpern ausgestattet waren, mittlere Heizkreistemperaturen von über 45 °C.

Ein anderes, häufiges Vorurteil ist, dass der Heizstab oft genutzt werden muss und die Heizkosten dadurch explodieren. Auch hier zeigen unsere Untersuchungen: In korrekt geplanten und ausgelegten Wärmepumpenanlagen liegt der Heizstabanteil nicht über 3 %, in den meisten Fällen sogar unter 1 %. Diese geringen Anteile haben weder relevanten Einfluss auf die Effizienz noch auf die Betriebskosten.

SBZ: Der Beitrag von Wärmepumpen zum Klimaschutz, aber auch deren Wirtschaftlichkeit, werden immer wieder heiß diskutiert. Zu welchen Ergebnissen sind Sie hier gekommen?

Miara: Die ökologische Betrachtung zeigte, dass der Einsatz von Wärmepumpen zu einer deutlichen CO2-Emissionsminderung gegenüber fossil betriebenen Heizungssystemen führt. Mit steigenden Anteilen an erneuerbarer Stromerzeugung werden sich diese Einsparungen noch verstärken. Die Effizienzergebnisse aus den Feldstudien zeigen, dass erhebliche Treibhausgasminderungen sowohl im Neubau als auch im Altbau problemlos erreichbar sind.

Was die Wirtschaftlichkeit angeht: Eine Wärmepumpe mit der gängigen Effizienz von 3,5 ist schon beim heutigen Preisgefüge in Deutschland ökonomisch vorteilhaft gegenüber einer Gasheizung. Trotzdem ist die Senkung der Strompreise in Deutschland eine Schlüsselstrategie zur Erhöhung der Attraktivität von Wärmepumpen im Vergleich zu fossilen Heizungssystemen.

SBZ: Also ist es an der Zeit, alte Vorurteile ab- und mit der Wärmepumpe loszulegen?

Miara: Aus technischer Sicht gibt es kaum Gründe, Wärmepumpen in Bestandsgebäuden nicht schon heute einzusetzen. Sicherlich ist die Herausforderung, eine passende technische Lösung zu finden und diese erfolgreich zu implementieren, in einigen Fällen größer als in anderen.

Wenn ich mir aber anschaue, dass viele von der Wärmepumpe überzeugte Hausbesitzer Schwierigkeiten haben, einen Fachbetrieb zu finden, liegen die Hürden mittlerweile weniger in der Technologie begründet. Hierzu muss dringend auf verschiedenen Ebenen angesetzt werden.

SBZ: Sie spielen hier auf die hohe Auslastung der SHK-Unternehmen und den größeren Aufwand im Vergleich zum Gaskessel an. Was lässt sich da tun?

Miara: Die technologische Entwicklung sollte auf eine breitere Produktpalette für Bestandsgebäude zielen. Dabei sind besonders standarisierte Gesamtlösungen wichtig, die sich möglichst schnell und am besten kostengünstig installieren lassen. Weitere Entwicklungsziele sind noch höhere Effizienzen, leisere Geräte und der Umstieg auf klimafreundliche Kältemittel, wie etwa Propan.

Vor allem aber geht es um eine weitere Kostenreduktion. Die Investitionskosten von Wärmepumpenanlagen sind derzeit leider oft noch ein Ausschlusskriterium. Auch sollten Wärmepumpen insgesamt einfacher zu installieren sein. Die gezielte Nutzung von Werkzeugen und Methoden der Digitalisierung bzw. der künstlichen Intelligenz kann hier einen großen Beitrag leisten.

Es zeichnet sich ab, dass der Flaschenhals für die stärkere Verbreitung von Wärmepumpen nicht die Technologie selbst, sondern die Verfügbarkeit von Fachkräften ist. Die Lösung dieses Problems ist sicherlich vielschichtig und erfordert einen langen Atem. Es ist aber sehr wichtig, jetzt schon die richtigen Qualifizierungsmaßnahmen zu ergreifen, sei es in der Ausbildung oder in der beruflichen Weiterbildung.

SBZ: Wie sieht es mit den politischen Rahmenbedingungen aus?

Miara: Die institutionelle Ebene ist dafür verantwortlich, die richtigen Impulse zu setzen. Die neuen, ambitionierten Klimaneutralitätsziele sind ohne klare Beschlüsse und mutige Entscheidungen nicht zu erreichen. Heizöl und Erdgas sind in Deutschland derzeit steuerlich geringer belastet als Strom. Im Ergebnis ist der Preis für den Strom zum Betrieb einer Wärmepumpe knapp viermal so hoch wie der Preis von Heizöl und Erdgas.

Mit der seit Januar 2021 geltenden CO2-Bepreisung, die zu einer schrittweisen Steigerung der Gas- bzw. Heizölkosten führt, wird sich dies jedoch ändern. Zudem ist, aufgrund politischer Willenserklärungen vieler Akteure, von einer deutlichen Senkung der EEG-Umlage in nächsten Jahren auszugehen. Damit werden Wärmepumpenanlagen wirtschaftlich immer attraktiver.

SBZ: Das Wärmepumpengeschäft bleibt also ein komplexes Thema. Welche Tipps würden Sie einem SHK-Unternehmer geben, der jetzt einsteigen möchte? Und welche einem alten Hasen?

Miara: Zuerst einmal, keine Angst vor dem „komplexen“ Thema Wärmepumpen zu haben! Die Technologie ist die Zukunft und je früher die SHK-Unternehmer umsteigen, desto besser wird die Lage sein, in der sie sich später auf dem Markt befinden.

Trotzdem empfehle ich, sich das notwendige Wissen anzueignen. Es gibt gute Schulungsangebote, die man unbedingt wahrnehmen sollte. Nur gut geschult lassen sich Vorteile für die Kunden, aber auch für sich selbst generieren. Etwa durch eine schnellere Installation oder weniger eventuell auftretender Probleme danach.

Drittens empfehle ich, sich für hochwertige Produkte zu entscheiden. Auf dem Markt gibt es eine große Palette von Wärmepumpen, die eine ebenso große Bandbreite in Bezug auf die Effizienz oder zum Beispiel den Lärmpegel aufweisen. Bessere Produkte bedeuten einfach zufriedenere Kunden und eine bessere Werbung für die Zukunft.

Und am Ende empfehle ich bzw. appelliere ich sogar, die heutige Situation nicht auszunutzen und die Installationspreise nicht künstlich nach oben zu treiben. Mir ist bewusst, dass es bei steigender Nachfrage verlockend ist, genau dies zu tun. Und es ist auch mit den Marktregeln konform. Aber diese Praxis führt bereits jetzt zu Installationspreisen, die für die Endkunden abschreckend sind und die der Branche langfristig schaden werden.

SBZ: Herr Miara, vielen Dank für das interessante Gespräch.

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