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Wenn der WC-Deckel den Kampf der Geschlechter ­beendet

Die Faszination facettierter Formen wächst in der Architektur ebenso wie in der Industrie. Moderne Bauten, futuristische Möbel, neueste Elektronik – nichts geht mehr ohne den letzten Schliff. Unerwartete Winkel und außergewöhnliche Flächenaufteilungen erzeugen einzigartige Spannungen.“ Moment Mal, worum geht es hier eigentlich? Ach so, eine Badezimmerarmatur. Aber eine, die „dem Bad eine einzigartige Identität verleiht und den Nutzer stärkt in dem Bewusstsein, etwas Besonderes zu sein“. Toll, was so ein verchromter Messingblock laut ISH-Pressemitteilung des Herstellers alles leisten soll! Was meinen Sie, wie Ihre Kunden auf das Produkt abfahren.

Bisweilen ersparen Produkte laut Pressetext gar die Eheberatung: „WC-Deckel XYZ beendet den Kampf der Geschlechter. Mit XYZ braucht der Mann nicht ausgewechselt zu werden. Stattdessen kann man jetzt einfach den WC-Sitz austauschen und der Haussegen hängt wieder gerade.“ Für einige Herren der Schöpfung kommt dieser handfeste Tipp bei einer Scheidungsrate von 50 % wohl zu spät. Gar nicht auszumalen, was gewesen wäre, wenn die Herren ihre bessere Hälfte mit diesem WC-Sitz beglückt hätten. Die Scheidungsanwälte wären arbeitslos!

Und was lernen wir sonst noch aus den blumig geschriebenen Agenturmeldungen? Vorsicht ist bei XYZ-WC-Betätigungsplatten geboten, man könnte nach dem Einbau sein Klo nicht wiedererkennen, denn „mit diesem exklusiven Blickfang kommt das internationale Flair der großen Metropolen direkt ins Bad.“ Was so eine kleine Abdeckplatte laut Hersteller alles leistet! Da kann man nur froh sein, das der Waschtisch XYZ „…die Brücke zwischen Vernunft und Fantasie…“schlägt. Und völlig überraschende Feststellungen wie „Ganz umgeben von Wasser ist man beim Baden,“ holen uns wieder auf den harten Boden der Realität zurück.

Dabei will die Sanitärindustrie wirklich nur das Beste für uns alle und auch das Reinigungspersonal hat sie ins Herz geschlossen: „Das System ABC bietet sich an als hygienische, ansprechende Alternative zu den üblicherweise eingesetzten Geruchssteinen, die in eingelegten Plastiksieben oder mit kleinen Plastikkörben in die Urinale eingehängt werden. Diese Lösungen erzeugen häufig Urinspritzer, die unangenehme Folgen haben können.“ So, so! „Vor allem der Austausch solcher Steine erfreut sich beim Reinigungspersonal – aus ästhetischen Gründen – verständlicherweise keiner besonderen Beliebtheit.“ Aus ästhetischen Gründen also? Nicht etwa aus Ekel oder Berührungsängsten? Welche unangenehmen Folgen sollen Urinspritzer eigentlich haben? Finanzieller Ruin oder ungewollte Schwangerschaft?

Auch der Heizungsbereich hält unzählige Schwallblasen und Stilblüten parat. Dabei werden die eigenen Produkte, die durch die Presseverlautbarungen angepriesen werden sollen, auch schon mal argumentativ ausgebremst: „Für Wohn- und Gewerbegebäude mit konstant hohem Wärmebedarf bedeutet dieses Mini-BHKW eine klimafreundliche Alternative, die sich bezahlt macht.“ Gegenfrage: Wer kennt ein Gebäude mit konstant hohem Wärmebedarf? Natürlich niemand! Eben! Logische Folge – dann macht wohl auch der Einsatz des Produktes keinen Sinn, oder?

Beim Herumfuchteln mit Prozentzahlen und CO2-Tonnen gehört die PR-Agentur des BHKW-Unternehmens auch zu den Größten: „Im Vergleich zur getrennten Erzeugung von Strom und Wärme senkt die Mikro-KWK-Anlage den Primärenergiebedarf um 15 % und produziert etwa 20 % weniger CO2“. Ein paar Seiten weiter steht dann „Im Vergleich zur getrennten Erzeugung von Strom und Wärme halbiert die KWK-Anlage von XYZ die CO2-Emissionen.“ Was denn nun, 20 oder 50 %? Das soll sich der geneigte Redakteur wohl selbst aussuchen. So einfach gehen Agenturen mit Prozenten um und die werten Hersteller merken es nicht einmal. Und noch etwas zu den Prozenten, mit denen viele so gerne um sich werfen: Was ist die Basis der häufig zitierten Vergleiche? Wie aussagekräftig sind CO2-Einsparungen auf der Basis der Emissionen eines mit Schweröl betriebenen Kampfpanzers T 34 aus dem 2. Weltkrieg?

Eher aus der philosophischen Kiste stammen dagegen nagelneue Erkenntnisse wie: „Bei der Wahl des Heizsystems steht die Funktionalität im Mittelpunkt. Die Heizung soll für Wärme sorgen – auf den individuellen Wärmebedarf abgestimmt und sobald sie benötigt wird.“ Sehr wahrscheinlich, damit niemand auf die dumme Idee kommt, mit der Heizung zum Mars fliegen zu können. Und dann ist da noch das schöne Wörtchen innovativ, das in den ISH-Pressemitteilungen unzählige Mal vergewaltigt wurde. „Innovationen können nur in einem innovativen Umfeld entstehen.“

Dem ist nun wirklich nichts mehr hinzuzufügen meint

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