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Was uns künftig zusätzlich beschäftigt

Mehr Regeln — mehr Sicherheit?

Seit nahezu 40 Jahren werden in der Hausentwässerung für den Strang metallische Leitungen und für die abzweigenden Leitungen Kunststoffrohre als Materialkombination eingesetzt. Die vor diesem Zeitraum anzutreffenden Entwässerungsmaterialien weisen nahezu gleiche thermische Eigenschaften auf. Die abzweigenden Leitungen waren aus Bleirohr, die im thermischen Verhalten im Brandfall den Kunststoffleitungen ähnlich sind. Im Brandfall schmilzt das Bleirohr und das Kunststoffrohr brennt ab. So hat uns diese Bauweise nahezu ein Jahrhundert ohne große Probleme begleitet. Wurde in der Polizeiverordnung von 1931 (Polizeiverordnung für die Stadt Berlin vom 21. September 1931 für die Wasserversorgung und Entwässerung der Grundstücke) für den Brandschutz bei diesen Rohrleitungen auf das dichte Verschließen der Deckendurchbrüche mit nur einem Satz hingewiesen, haben wir heute für Abschottungen von Rohrleitungen ein buchfüllendes Regelwerk zu beachten. Das macht den Baustellenalltag nicht einfacher. Mit den geänderten Sichtweisen für die bauaufsichtlichen Verwendungsnachweise (bauaufsichtliche Prüfzeugnisse, Zulassungen) sowie mit zunehmendem Einzug der europäischen Normen wird die Sache noch verwirrender. Um in diesem Beitrag die jetzige Situation verständlich darstellen zu können, wird nur auf den Bereich der Entwässerungsleitungen Bezug genommen. Andere Medien und andere Materialvarianten können andere Maßnahmen erfordern. Auch auf die Einbeziehung weiterer Leitungsarten wird verzichtet. Genauso wird mit den üblichen Hinweisen für die Übereinstimmungserklärung, Erleichterungen der MLAR, Bezug auf Richtlinien und Normen usw. verfahren.

Der aktuelle Stand

Abschottungen für Entwässerungsleitungen sind entsprechend der Musterleitungsanlagenrichtlinie (MLAR) entweder nach den Erleichterungen (unter Einbeziehung der Rahmenbedingungen wie Material, Dimensionen, Abstand, Dämmung, Bauteilabmessungen, Feuerwiderstand, Abstände) oder entsprechend einem Verwendungsnachweis (durch Prüfung ermittelte Ausführung) auszuführen. Als mögliche Varianten für einen Verwendungsnachweis stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung:

Nationale Verwendungsnachweise

  • Als abP (allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis) ausgestellt von einer anerkannten Prüfstelle
  • Als abZ (allgemeine bauaufsichtliche Zulassung) ausgestellt vom DIBT (Institut für Bautechnik Berlin)
  • Als ZiE Zustimmung im Einzelfall durch einen Nachweis der Brauchbarkeit z.B. durch ein Gutachten einer Material­prüfanstalt

Europäischer Verwendungsnachweis

  • Als EU-Verwendungsnachweis (ETA) EU-weit gültig ausgestellt vom DIBT oder einer anderen akkreditierten Institution aus den EU-­Ländern

Was ist ein ­Verwendungs­nachweis?

Grundsätzlich stellen die Verwendungsnachweise die Grundlage für eine Bauabnahme dar. Die nationalen Verwendungsnachweise, das abP oder die abZ, sind neben den EU-Verwendungsnachweisen gültig. Der Verwendungsnachweis wird im Baustellenalltag meist weder vor noch bei dem Einbau richtig beachtet. Für die Bauunterlagen werden die „Papiere“ gesammelt. Die Überraschung kommt dann später, wenn ein Planer oder Sachverständiger sich ausgiebig damit beschäftigt. Denn der ist genauso bei einer Fehleinschätzung im Boot der an den Pranger Gestellten, wenn die Verwendungsnachweise nicht mit dem Eingebauten übereinstimmen. So kommt es zu vermeidbaren Streitereien, die Kosten und Zeitaufwand bedeuten. Allerdings ist ein Verwendungsnachweis kein Freibrief. Er trifft nur darüber eine Aussage, ob eine Bauart bauaufsichtlich zur Verwendung kommen kann. Das wird mit einem Nachweis der Funktion (Prüfungen) unter bestimmten Rahmenbedingungen belegt. Diese Rahmenbedingungen müssen für den Einbau erfüllt sein. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, hat der Verwendungsnachweis nur noch Papierwert. Der Einbau hat dann weder eine abP oder abZ noch eine andere bauaufsichtliche Absolution. Damit übernimmt der Verwender die Verantwortung für den Brandschutz.

Ein Beispiel aus der Praxis

Eine Brandschutzmanschette für eine Kunststoffleitung hat einen Verwendungsnachweis, eine abZ (allgemeine bauaufsichtliche Zulassung). Dieser Verwendungsnachweis wurde in diesem Fall für eine Bauart (Decke 150mm, Kunststoffrohr) durch eine Prüfung erbracht. In dem Verwendungsnachweis ist ein Hinweis enthalten, dass bei dem Einbau die durch das Medium beeinflussten Beeinträchtigungen der Funktion zu berücksichtigen sind. Die Brandschutzmanschette wird jetzt in einem Bauwerk in verschiedenen Leitungsabschnitten eingebaut und dabei auch in eine Leitung zu einem Fettabscheider. Jetzt muss geprüft werden, ob die in dem Verwendungsnachweis stehenden Rahmenbedingungen eingehalten werden. Zumindest bei der Leitung zum Fettabscheider ist das fraglich. Bei dieser Leitung ist immer mit Fettablagerungen zu rechnen. So ist die Funktion der Brandschutzmanschette nicht mehr gegeben und der Verwendungsnachweis ist dafür nicht anwendbar. Das Fett würde sich im Brandfall entzünden. Die Prüfungen für den Verwendungsnachweis sind immer ohne Wasser oder andere Medien gemacht und gelten daher auch nur für diesen Fall. Die Hinweise im Verwendungsnachweis geben Auskunft über die zu beachtenden Bedingungen. In der Regel müssen Kunststoffrohre für diesen Fall mit baulichen Maßnahmen für die Einhaltung des vorbeugenden baulichen Brandschutzes versehen sein oder es müssen nichtbrennbare Rohrmaterialien verwendet werden.

An diesem Beispiel wird deutlich, dass die gültigen Verwendungsnachweise nur für die im Verwendungsnachweis benannten Rahmenbedingungen und die geprüften Bedingungen gelten. Sind andere Einflüsse, z.B. aufgrund von anderen Materialien, oder Betriebseinflüsse vorhanden, ist der Verwendungsnachweis auch nicht mehr anwendbar. Damit ist kein Brandschutz gewährleistet. Der zur Anwendung kommende Verwendungsnachweis ist unbedingt sorgfältig zu prüfen und zu beachten.

Metall und Kunststoff – was kommt auf uns zu?

Brandschutzmaßnahmen sind bei allen Rohrleitungen einzuhalten. Geprüfte Lösungen, also Abschottungen mit Verwendungsnachweis, sind bei Kunststoffrohren und metallischen Rohren unterschiedlich. Hinzu kommen jetzt die europäischen Einflüsse, die nochmals einschneidende Unterschiede bringen.

Metallische Leitungen: Die derzeit gängige Abschottung, neben den Ausführungen nach den Erleichterungen der MLAR, sind die Ummantelungen im Deckenbereich. Diese Ausführung hat einen Verwendungsnachweis meist als abP. Das ist seit mehreren Jahren so auch gängige Praxis. Ab 2013 werden für einige Bereiche diese Verwendungsnachweise nicht mehr ausreichen. Das DIBT (Deutsches Institut für Bautechnik) hat entschieden, dass Materialkombinationen als abZ (allgemeine bauaufsichtliche Zulassung) geprüft werden sollen. Daraus werden sich für einige Bauarten andere Maßnahmen als die bisherigen für die Abschottung ergeben. Das gilt insbesondere für Leitungen bzw. Leitungsabschnitte, in denen ein Materialwechsel vorkommt. Bei Leitungssystemen ohne Materialwechsel behalten die bisherigen Regeln ihre Gültigkeit. Daneben sind die EU- Verwendungsnachweise, die europäische technische Zulassung ETA (European Technical Approval) mit einem CE-Kennzeichen wiederum anders zu berücksichtigen. Hier sind mehrere Varianten möglich. Die Auswahl ergibt sich aus der jeweiligen Prüfung der Bauart und kann dem Verwendungsnachweis entnommen werden. Der bauaufsichtliche Einsatz wird durch die Bauregelliste gesteuert.

Kunststoffleitungen: Die meistverwendeten Abschottungen sind Brandschutzmanschetten, die entweder angeschraubt oder bei dem Verschluss des Durchbruches eingemörtelt werden. Die bestehenden nationalen Verwendungsnachweise gelten weiterhin. Allerdings wird die ETA (europäische technische Zulassung) auch hier Änderungen bringen. Bislang konnten in Prüfungen für eine Manschette mehrere Rohrarten einbezogen werden. Diese Regelung wird eingeschränkt. Das bedeutet, dass eine Brandschutzmanschette (derzeit) meist nur für eine oder wenige Rohrarten verwendbar ist. Zur eigenen Sicherheit ist die Zuordnung zu Rohrmaterial, Wandstärke und Rohrdurchmesser unbedingt zu prüfen. Da die europäische Klassifizierung der Bauarten die Funktion in den Vordergrund stellt, sind hier die Rahmenbedingungen besonders zu beachten. Wie man sieht, ändert sich für metallische und für Kunststoffrohre einiges. Für die europäische Norm sind zwar noch einige Änderungen zu erwarten. Deutlich wird jedoch, dass die anlagenspezifischen Bedingungen immer mehr in die Beurteilung einer Eignung von Brandschutzabschottungen einfließen. Diese Bedingungen sind vom Planer oder Anwender einzuordnen.

Europa in der Praxis

Die uns vertrauten Bezeichnungen werden sich nicht verändern, sondern durch die europäischen Bezeichnungen erweitern. Ein direkter Vergleich ist bedingt möglich, weil einige Prüfungen hinzugekommen sind, die aber einen Einfluss auf den Brandschutz bei Leitungen der Hausentwässerung haben. So ist z.B. in der europäischen Norm das brennende Abtropfen von Kunststoff im Brandfall bewertet – eine in der nationalen Norm unterschätzte Gefahrenquelle. Unterschieden werden muss der Baustoff, also das verwendete Material wie Rohre oder Dämmung (Brandverhalten eines Baustoffes). Wird das Rohr in eine Decke mit einem Feuerwiderstand eingebaut, bedarf es eines Verwendungsnachweises, der die Einbaubedingungen beschreibt. Das ist dann das Zusammenwirken von Baustoffen in einer Bauart. Bild 1 und Bild 2 zeigen die wichtigsten Benennungen für Bauprodukte:

Die Klassifizierung von Bauarten wird an der Funktion ausgerichtet. In den nationalen Begriffen kennen wir die Bezeichnung R 90, also eine Rohrdurchführung mit einer Feuerwiderstandsdauer 90 Minuten. Die Bezeichnung Rohrdurchführung entfällt in der europäischen Norm und wird durch die Funktion – Isolation und Raumabschluss – ersetzt. Beispiele aus dem Alltag für die nationalen und europäischen Begriffe zeigen Bild 3 und Bild 4.

Ausführungsbeispiele (Hausentwässerung)

Die dargestellten Beispiele stellen schematische Lösungen dar. Abschottungen von Herstellern können auch andere Varianten oder Abschottungsarten aufweisen. Die Vielfältigkeit von Versorgungs- und Entsorgungssystemen in einem Bauwerk lässt keine universelle Lösung zu. Es sind immer objektbezogene Abwägungen zu treffen (Bild 5 und Bild 6).

Besonders zu beachten bei brennbaren Rohrleitungen:

  • Können im Rohr befindliche Medien die Abschottung im Brandfall beschädigen oder zerstören?
  • Wird durch ausreichende Befestigung der Leitung oberhalb der Decke die ­Beschädigung der Abschottung im Brandfall ­verhindert?
  • Ist die Brandschutzmanschette für das Rohr (Material, Wandstärke, Durch­messer) zulässig (gilt für den Bereich, auf den die Brandschutzmanschette einwirkt)?
  • Sind die Bedingungen des Verwen­dungsnachweises erfüllt?
  • Sind die weiteren bauphysikalischen ­Anforderungen (Schall, Feuchte) erfüllt?
  • Sind anlagentechnische Einflüsse (z.B. Temperatur) in die Ausführung einbezogen?

Besonders zu beachten bei nichtbrennbaren Rohrleitungen:

  • Können im Rohr befindliche Medien die Abschottung im Brandfall beschädigen oder zerstören?
  • Wird durch ausreichende Befestigung der Leitung die Beschädigung der Abschottung im Brandfall verhindert?
  • Sind die Grenzbedingungen der zulässigen Durchmesser erfüllt?
  • Sind die Bedingungen des Verwendungsnachweises erfüllt?
  • Sind die weiteren bauphysikalischen Anforderungen (Schall, Feuchte) erfüllt?

Fazit

Um die künftigen Neuerungen einfach zu erklären, wurde auf Hinweise und Verweise auf Normen und Richtlinien in diesem Beitrag weitgehend verzichtet. Fakt ist, dass der Brandschutz immer mehr die Funktion einer Leitung berücksichtigt. Das Jahr 2013 wird einige neue Anwendungen für den nationalen Brandschutz bringen. Einige neue Regeln sind ab 2013 zwingend einzuhalten. Die EU-Normen werden uns zusätzlich beschäftigen. Doch bereits jetzt sind Verwendungsnachweise zwingend zu beachten und einzuhalten.

ZUR SACHE

Warum so viel zum Thema Brandschutz in dieser SBZ?

Alte Öfen und Feuerstätten sind (fast) passé – doch Brände gibt es immer noch. Wie erschreckend sind die Bilder von verheerenden Hausbränden, mit denen wir fast täglich in den Medien konfrontiert werden. Die Fakten sprechen hier eine deutliche Sprache: Rund 600 Menschen kommen laut Statistischem Bundesamt jährlich in Deutschland bei Bränden ums Leben, davon 75 % in Privathaushalten. Auch die Sachschäden, die dabei entstehen, belaufen sich inzwischen auf sechs Milliarden Euro mit steigender Tendenz.

Ursache für die etwa 200000 Brände im Jahr ist aber im Gegensatz zur landläufigen Meinung nicht nur Fahrlässigkeit: Sehr oft lösen technische Defekte Brände aus, die ohne vorsorgende Maßnahmen zur Katastrophe führen. Ein wesentlicher Punkt zur Vermeidung solcher verheerenden Hausbrände und zur Verminderung von Brandschäden ist der bauliche Brandschutz. Deshalb haben wir uns in dieser SBZ-Ausgabe sehr ausgiebig mit diesem Thema beschäftigt.

Norbert Schmitz SBZ-Redakteur und Handwerksmeister

Autor

Dipl. -Ing. Gerhard Lorbeer ist tätig in der Versorgungstechnik als Fach­autor, Sachverständiger und Referent für Fachseminare. Daneben ist er Mitglied in Normen­ausschüssen. Glaurus@email.de