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Subventionskürzungen bei Photovoltaik

Eigenverbrauch als Vermarktungsturbo

Mittlerweile sind sich die Koalitionspartner in der deutschen Regierung einig. Nach eigenen Angaben verständigten sie sich auf eine Reduzierung der Einspeisevergütung für Aufdachanlagen um 16 % sowie für Freiflächenanlagen auf Gewerbeland um 15 %. Die neuen Tarife sollen ab dem 1. Juli gelten. Derzeit erhalten Betreiber von Photovoltaikanlagen 29,37 bis 39,14 Cent pro Kilowattstunde, je nachdem, wie groß die Anlage ist. Mit der geplanten Gesetzesänderung sinken die Tarife auf 24,67 bis 32,88 Cent. Auf Ackerflächen soll die Förderung neuer Solaranlagen ab Juli 2010 ausgeschlossen werden.

Diese Ankündigung hat zum Teil heftige Reaktionen in der Solarbranche ausgelöst. Vielerorts kam es zu Arbeitsniederlegungen, wie zum Beispiel in Konstanz, wo 120 Mitarbeiter der Sunways AG gegen die geplanten Kürzungen streikten. „Der Vorschlag des Bundesumweltministeriums gefährdet die Zukunft der produzierenden PV-Unternehmen in Deutschland und damit eine große Zahl von Arbeitsplätzen“, sagte Michael Wilhelm, Vorstandsvorsitzender des Herstellers Sunways.

Und auch der Bundesverband der Solarwirtschaft (BSW) appellierte an die Regierung. „Angela Merkel hat sich wiederholt zu einem konsequenten Ausbau der Solarenergie bekannt“, sagte Carsten Körnig, Geschäftsführer des BSW. „Die Kanzlerin weiß um die hohe industrie- und beschäftigungspolitische Bedeutung der Solartechnik für unser Land. Wir hoffen, dass sie die Kürzungspläne ihres Umweltministers korrigiert, damit nicht Tausende ihren Job verlieren und Deutschland unwiederbringlich den Zugang zu einer der wichtigsten weltweiten Zukunfts- und Wachstumsmärkte.“

Stephan Kohler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie Agentur hält die geplanten Einschnitte dagegen für vertretbar. „Die zeitnahe Anpassung der Vergütung an die stark gesunkenen Anlagenpreise ist richtig und wichtig.“ Sie zwinge die Hersteller von Zellen und Modulen zu Innovation.

Ein starkes Argument für den Eigenverbrauch

Bei dem ganzen Wehklagen darf aber eine Sache nicht übersehen werden. Solaranlagenbetreiber, die ihren Strom selbst verbrauchen, sind von der Kürzung nicht betroffen. Für sie liegt die Förderung weiterhin bei 22,76 Cent pro Kilowattstunde. Gleichzeitig entfallen für den Eigenverbraucher die Kos­ten für den Strom, den er beim Stromanbieter ansonsten kaufen würde. Bei einem Preis von rund 20 Cent die Kilowattstunde ergibt sich für den Eigenverbraucher somit ein Plus von etwa 42,76 Cent. Allerdings muss der Eigenverbrauch dabei nach dem aktuellen Stand der Willensbildung in der Politik mindestens 30 % betragen, damit ein Anspruch auf diese hohe Vergütung besteht.

Den Satz bekommt er für die nächsten 20 Jahre garantiert, wobei davon auszugehen ist, dass die Preise für Strom in Zukunft steigen werden. Und das ist noch nicht alles. Denn die Spitzenvertreter der Regierungskoali­tion beschlossen auch Änderungen bei der Eigenverbrauchsregelung. Demnach sollen Anlagenbesitzer, die ihren Solarstrom selbst verbrauchen, ab dem 1. Juli einen finanziellen Vorteil von 8 Cent je Kilowattstunde erhalten. Dar­über hinaus wird die maximale Anlagengröße, die unter diese Regelung fällt, auf 800 kW begrenzt. Das sind 200 kW weniger als bislang diskutiert. Aber dennoch: Bisher sieht das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nur eine Förderung des Eigenverbrauchs bei Anlagen bis zu einer Leistung von 30 kW vor. Mit dieser Änderung würde die Obergrenze für Eigenverbrauch um mehr als das 26-fache steigen.

Eigenverbrauch lohnt sich künftig auch bei Großanlagen

Auf diese Weise lohnt sich die Einspeiseregelung nicht nur für private Haushalte, sondern auch für Betreiber größerer Projekte, wie zum Beispiel Aufdachanlagen auf Industriedächern oder landwirtschaftlichen Gebäuden. Das gleiche gilt für größere Projekte von Gemeinden auf Dächern öffentlicher Gebäude, wie zum Beispiel Schulen.

Aber es scheint, dass die Regierung die Auswirkungen der Eigenverbrauchsregelung genau prüfen will. Diese soll nämlich vorerst nur bis Ende 2011 befristet werden, hieß es aus Regierungskreisen. Offen ist, ob Eigenverbraucher einer Investitionsverpflichtung – beispielweise in Steuertechnik oder Speicher – unterliegen werden.

„Wenn die Regierung die Änderung des Gesetzes in dieser Form durchsetzt, wird die Attraktivität des Eigenverbrauches von Strom stark zunehmen“, meint Valentin Hollain von der Europäischen Vereinigung für Erneuerbare Energien Eurosolar. Damit würde automatisch das Interesse an Speichermöglichkeiten für Strom steigen, weil so mehr Strom selbst verbraucht werden kann. Das würde wiederum bedeuten, dass mehr Fördergelder in Anspruch genommen werden können.

Erste Unternehmen forcieren bereits Pilotprojekte

Nicht wenige Teilnehmer der deutschen Photovoltaikbranche dürften eine Kürzung des Fördergesetzes, welche den Eigenverbrauch von Solarstrom ausschließt, begrüßen. So sprach sich Frank H. Asbeck, Vorstandsvorsitzender der Solarworld AG, bereits zu Beginn des Jahres für einen Schritt in diese Richtung aus. In einem Interview mit dem Tagesspiegel sagt er: „Der Gesetzgeber sollte den Fokus noch stärker auf den Eigenverbrauch der Solarstromproduzenten legen. Die Idee wird im Umweltministerium sehr gut aufgenommen.“

Und Conergy ist in Sachen Eigenverbrauch bereits aktiv. Anfang März startete das Hamburger Unternehmen eine Kampagne mit 100 Testhaushalten. „Wir haben schon vor einiger Zeit begonnen, uns mit diesem Thema zu beschäftigen. Noch bevor in Deutschland die Debatte um den Eigenverbrauch von Solarstrom begonnen hatte“, so Alexander Leinhos, Pressesprecher des Unternehmens. „Und jetzt schieben wir das erste, bundesweite Pilotprojekt zum Thema Eigenverbrauch an – und stellen damit die Weichen für die solare Energielösung der Zukunft. Eigenverbraucher nutzen den von ihrer Solaranlage produzierten Strom im eigenen Haushalt – und verringern damit die Abhängigkeit von ihren Stromanbietern.“ Dabei greife Conergy auf seine bereits gewonnenen Erfahrungen mit solaren Monitoring-Systemen zurück.

Gerät zeigt günstige Zeiten für den Betrieb von Stromfressern

Seit Anfang dieses Monats verfügen 100 Testhaushalte jeweils über eine sogenannte Vision Box. Diese stelle die Erträge aus der Dachsolaranlage dem derzeitigen Verbrauch intelligent gegenüber und ermöglicht effizientes und transparentes Energiemanagement durch den Anlagenbesitzer. So ermögliche die Box seinem Besitzer genau herauszufinden, wann der beste Zeitpunkt ist, die größten Stromfresser im Haushalt zu aktivieren.

„Sie zeigt dem Kunden ganz genau, wann seine Solarerträge am größten sind und er Wasch- und Spülmaschine oder den elektrischen Ofen nutzen sollte. Unsere Eigenverbrauchslösung ermöglicht dem Kunden, den Anteil selbst verbrauchten Solarstroms zu maximieren – und damit seinen besonders geförderten Eigenverbrauch. Was sich beim Nutzer spätestens am Monatsende auf der Stromgutschrift bemerkbar macht“, sagt Leinhos. Das Projekt soll bis Mitte 2010 laufen. „Wenn alles gut geht, wollen wir ab Juni dieses Jahres die Box als Standardprodukt auf dem Markt anbieten.“

Energiespeicher gehen noch dieses Jahr in den Feldversuch

Auf das Projekt zum intelligenten Energie­management soll dann direkt der nächste Schritt folgen. „Die Sache steckt noch in den Kinderschuhen. Aber in der zweiten Hälfte 2010 wollen wir mit den ersten Feldversuchen in Sachen Energiespeicherung beginnen.“ Dabei werde Conergy eng mit dem Unternehmen Voltwerk an einem geeigneten Speicher für Solarstrom arbeiten, mit der Hoffnung, Ende des Jahres einen ersten Prototyp vorstellen zu können.

Das Bonner Unternehmen Solarworld ist in der gleichen Richtung unterwegs. Wie die Tageszeitung Handelsblatt meldete, befinde sich das Unternehmen in Gesprächen mit Batterieproduzenten, unter anderem mit dem Unternehmen Evonik.

So sagt Frank H. Asbeck: „Wir werden noch in diesem Sommer ein Energiepaket für Eigenstromversorger anbieten. Darin kombinieren wir eine Solarstromanlage mit einem Batteriespeicher und einer Verbrauchskontrolle.“ Die Batterie soll die Größe einer Waschmaschine haben und den Endkunden 3000 Euro kosten. Dies ermögliche dem Kunden, 25 % seines Solarstroms zu speichern.

Derzeit ist ein Anlagenbesitzer in der Lage, rund 30 % seines gewonnenen Stroms selbst zu verbrauchen. Mit diesem Schritt würde sich Solarworld neu auf dem deutschen Solarmarkt positionieren, wo mit der erwarteten Änderung der Solarförderung das Interesse an dem Thema Eigenverbrauch steigen dürfte.

Vor Kurzem gab das Unternehmen Evonik bekannt, dass es gemeinsam mit Partnern die größte Lithium-Keramik-Batterie der Welt entwickelt hat. „Möglich wird dies dank einer speziellen Kombination von Keramik-Mate­ria­lien und hochmolekularen Ionenleitern, die stark erhöhte Sicherheit bei gleichzeitig geringem Platzbedarf und hoher Zykluslebensdauer garantieren. Am saarländischen Kraftwerks-Standort Völklingen entsteht in einem ersten Schritt ein Stromspeicher mit einer Leis­tung von einem Megawatt (MW) und einer Speicherkapazität von etwa 700 kWh“, so Alexandra Boy, Pressesprecherin von Evonik.

Erheblicher Preisverfall bei Speichern steht bevor

Für den Bereich der privaten Haushalte seien vor allem Lithium-Ionen-Akkumulatoren sehr interessant, so Valentin Hollain von Eurosolar. „Noch kostet die Speicherkapazität für ein Kilowatt 1500 bis 2000 Euro“, so Hollain. Aber das werde sich bald ändern, sodass der Durchschnittspreis auf 200 bis 300 Euro sinkt. Dr. Tom Smolinka vom Fraunhofer-Ins­titut für Solare Energiesysteme bestätigt diese Einschätzung. „Speziell Lithium-Ionen-Akkumulatoren erfahren derzeit einen intensiven Entwicklungsschub.“ Sind Kostenfrage, Sicherheitsaspekte, Tieftemperaturverhalten, Schnellladefähigkeit und die Frage der Lebensdauer erst einmal gelöst, würden sie sich gegenüber Konkurrenz-Batterien schnell durchsetzen.

Spezielle Technologien für Großspeicher

Bei stationären Großbatteriespeichern würden momentan vor allem Natriumschwefelbatterien (NaS-Batterien) eingesetzt, so Hollain. „Hersteller ist die japanische Firma NGK, die gegenüber anderen Produzenten dieser Technik einen deutlichen Vorsprung hat, große Produktionskapazitäten besitzt und von der japanischen Regierung stark unterstützt wird. NGK hat auch schon diverse Projekte der MW-Klasse realisiert. Die NGK-Batterien sind momentan noch recht teuer, da NGK keinen wirklichen Wettbewerber hat und auch dementsprechende Gewinnmargen einfahren kann.“

Eine weitere Technik seien die sogenannten Redow-Flow-Batterien, für die es aber erst wenige Hersteller gebe, wie zum Beispiel Cellstrom in Österreich. In einigen Jahren werde diese Technik aber auch eine ernstzunehmende Konkurrenztechnologie für stationäre Anwendungen sein.

Hollain ist der Ansicht, dass internationale Unternehmen, die Stromspeicher anbieten, den deutschen Markt derzeit sehr genau beobachten. „Ich hatte mich Ende letzten Jahres mit Vertretern von NEC und Samsung getroffen, die großes Interesse am deutschen Markt haben. Ich gehe davon aus, dass mit der Erhöhung der Vergütung für den Selbstverbrauch eine Reihe von Unternehmen mit entsprechenden Lösungen auf den deutschen Markt drängen werden.“

Aufgrund der vorgesehenen Änderung der Fördersätze für Solarstrom könnte das Wort Eigenverbrauch zum Wort des Jahres der deutschen Photovoltaikbranche werden. Spätestens ab dem 1. Juli dieses Jahres dient Installateuren der Eigenverbrauch als schlagkräftiges Argument für den Verkauf von Photovoltaikanlagen: Neben der Rentabilität sprechen auch Neuigkeiten aus dem Bereich der Forschung für den Selbstverbrauch von Solarstrom. Denn mit einer günstigeren und effizienteren Form der Energiespeicherung wird dieser noch attraktiver.

Autor

Markus Grunwald ist Redakteur beim EuPD Europressedienst, 53111 Bonn, Telefon (02 28) 3 69 44-75, m.grunwald@europressedienst.com, http://www.­europressedienst.com