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Doch wohin dann mit dem Solarstrom

Der Weg hin zu dezentralen Techniken

SBZ: Knapper werdende Ressourcen und die Abhängigkeit von Energieimporten erfordern grundlegende Änderungen bei der Versorgung mit dem Verbrauch von Energie. Wohin wird die Reise aus Sicht von Bosch Thermotechnik gehen?

Glock: Wir sehen Gebäude schon in absehbarer Zukunft nicht mehr als Energieverbraucher, sondern als Produzenten von Strom über den Eigenbedarf hinaus. Der Wärmebedarf von Gebäuden wird schon heute überwiegend dezentral gedeckt. Der Bedarf wird in Zukunft deutlich zurückgehen und kann sehr umweltfreundlich gedeckt werden. Und durch Technologien wie Kraft-Wärme-Kopplung und Photovoltaik können Gebäude heute schon mehr Strom produzieren, als sie für den eigenen Betrieb benötigen.

SBZ: Das Problem bei einer zunehmenden Zahl dezentraler Stromerzeuger ist der zeitliche Versatz zwischen Bedarf und Angebot, denn die Sonne scheint wie sie will und nicht dann, wenn Strom gebraucht wird.

Glock: Deshalb müssen wir die Stromnetze möglichst schnell mit intelligenten Anschlüssen als Basis für eine umweltschonende und dezentrale Stromerzeugung ausbauen. Uns schwebt dabei eine Struktur vor, die nicht nur Energie mit minimierten Leitungsverlusten flexibel zwischen vielen Produzenten und Verbrauchern transportieren kann, sondern ähnlich wie die Datennetze des Internets bei Störungen auf einzelnen Netzabschnitten selbstständig auf andere ausweicht. Ein solches so genanntes „Smart Grid“ ist notwendig, um das gewaltige Potenzial zu nutzen, das in Sachen Energieeinsparung und Stromerzeugung im Gebäudebereich existiert.

SBZ: Das Smart Grid ist aber heute noch Zukunftsmusik und die Umsetzung dieser Ideen wird sicher auch noch Schwierigkeiten mit sich bringen. Was lässt sich in absehbarer Zeit bewegen?

Glock: Wir haben derzeit das Problem, dass über viele Jahre gewachsene Strukturen gleich in zwei Bereichen den Einsatz aktueller technischer Möglichkeiten bremsen und erschweren. Der eine Bereich ist die Wärmeerzeugung in Bestandsgebäuden. Hier liegt die Quote effizienter Anlagen in Deutschland nach einer breit angelegten Untersuchung aus dem Jahr 2008 bei rund 23 %, wobei nur rund 13 % unter Einbeziehung erneuerbarer Energien arbeiteten. Das bedeutet, dass allein durch den Austausch veralteter Wärmerzeuger im Bestand 55 Millionen Tonnen CO2 jährlich eingespart werden könnten. Das ist nicht nur technisch, sondern zu einem erheblichen Teil auch wirtschaftlich möglich. Die Kosten amortisieren sich über die Laufzeit bereits bei einem Ölpreis von 60 US-Dollar pro Barrel – eine Marke, die deutlich unter den Höchstpreisen der vergangenen Jahre liegt.

SBZ: Bei dieser Betrachtung fehlen aber noch die Möglichkeiten durch den verstärkten Einsatz regenerativer Energien.

Glock: Ja, tatsächlich ist das Gesamtpotenzial noch deutlich höher, weil bereits heute die Technik existiert, um auch Bestandsgebäude in Verbindung mit einer guten Wärmedämmung deutlich in Richtung so genannter Energie-Plus-Häuser zu entwickeln – also Gebäude, die durch energieeffiziente Wärme- und Klimatechnik sowie die Erzeugung von Strom aus regenerativen Quellen unterm Strich mehr Energie produzieren, als sie verbrauchen.

Im Neubau geht der Wärmebedarf durch neue gesetzliche Regelungen seit Jahren deutlich zurück. Hier ist der Gesetzgeber allerdings zu einseitig auf die Wärmedämmung fokussiert. Wärmedämmung ist wichtig und notwendig, aber es gibt eben auch einen abnehmenden Grenznutzen. Wenn in Sachen Energieeffizienz nur die Dämmung als Stellgröße verwendet wird, wächst der Aufwand für das Erreichen immer noch schärferer Grenzwerte enorm. Das macht keinen Sinn. Der richtige Weg ist die Balance aus sinnvoller Dämmung, effizienter Anlagentechnik und regenerativer Strom­erzeugung. Deshalb ist das Energie-Plus-Haus aus unserer Sicht das Gebäude der Zukunft und die richtige Ausrichtung zur Erreichung der Klimaschutzziele der Bundesregierung.

SBZ: Sie sprachen von zwei Faktoren, die die Entwicklung bremsen.

Glock: Der zweite Bereich, bei dem bestehende Strukturen und Stand der Technik nur noch bedingt zusammenpassen, ist die heutige Art der Stromversorgung. Das Konzept der zentralisierten, von großen Kraftwerken geleisteten Stromerzeugung war über viele Jahrzehnte hinweg schlüssig und richtig – einfach, weil die Technik gefehlt hat, Strom dezentral wirtschaftlich und effizient zu produzieren. Aber das hat sich inzwischen geändert und wird sich in den nächsten Jahren noch sehr viel stärker wandeln.

Technologien wie die Mikro-Kraft-Wärme-Kopplung und die Photovoltaik sind die Antwort auf viele Fragen der aktuellen Klimaschutzpolitik. Die Stromerzeugung in zentralen Großkraftwerken steht für den massiven Einsatz fossiler Energieträger, für einen vergleichsweise hohen CO2-Ausstoß und einen – bedingt durch lange Transportwege – beachtlichen Leitungsverlust. Auch die Integration regenerativer Energiequellen ist im großen Maßstab sehr viel schwieriger als mit einem dezentralisierten Ansatz. Das alles führt dazu, dass unter Klimaschutzaspekten wenig gegen und so gut wie alles für eine dezentrale Stromerzeugung spricht.

SBZ: Und wenn das in die Umsetzung geht, dann lassen sich die Großkraftwerke nach und nach abschalten. Das könnte sich dann mit Verlautbarungen decken, dass bis 2050 die Energieversorgung zu 100 % auf regenerativ umgestellt sein könnte.

Glock: Es wäre völlig utopisch zu glauben, dass wir kurzfristig komplett auf zentrale Strukturen verzichten können. Im Gegenteil, wir werden sie auch langfristig brauchen – beispielsweise für den industriellen Sektor und um die Versorgungssicherheit auch der häuslichen Energieversorgung zu gewährleisten. Aber wenn es gelingt, das zentrale Netz um intelligente dezentrale Komponenten zu ergänzen und das Ganze eng miteinander zu verknüpfen, haben wir die Voraussetzungen geschaffen, um im gesamten Energiemix den dezentral erzeugten Anteil deutlich und kontinuierlich zu steigern.

SBZ: Welche Rahmenbedingungen von der politischen Seite sind erforderlich, um hemmende Faktoren zu beseitigen?

Glock: Eine entsprechende Ausrichtung der politischen Entscheidungen – von der Gestaltung der einschlägigen Normen und Gesetze bis hin zu einem sinnvollen Einsatz von Fördergeldern – ist unbedingt erforderlich. Das hat bislang ein wenig gefehlt. Heruntergebrochen auf die Gebäudetechnik ist es sinnvoll, nicht bestimmte Technologien zu fördern, sondern die Verbesserung der Energiebilanz. Dann haben die Verbraucher die freie Wahl, für welche Technologie sie sich entscheiden.

Die Thermotechnik insgesamt hat gerade in jüngerer Vergangenheit mit der Durchsetzung der Brennwerttechnik und der immer stärkeren Integration erneuerbarer Energiequellen einen großen Schritt in Sachen Energieeffizienz gemacht. Aber es wäre vollkommen falsch, sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen. Im Gegenteil: aktuelle Trends wie das Zusammenwachsen von Heizung und Klimatisierung sowie Wärme- und Stromerzeugung bieten beste Chancen, die Energieeffizienz in der Gebäudetechnik weiter enorm zu verbessern.

Wir sind entschlossen, unsere ganze Innovationskraft, die Kreativität unser Entwickler und unser technisches Know-how für dieses Ziel in die Waagschale zu werfen. Dabei sind wir als Teil der Bosch-Gruppe auch im Einklang mit dem Kurs des Mutterhauses, denn in der gesamten Gruppe fließen aktuell mehr als 40 % der Entwicklungsetats in Technologien und Produkte, die Umwelt und Ressourcen schonen.

SBZ: Mit diesen Produkten können dann andere ihren Beitrag zur Effizienzsteigerung leisten. Doch wie sieht es mit Bosch Thermotechnik selbst aus? Ich spreche hier so eine Art Vorbildfunktion an.

Glock: Auch hier wollen wir nicht versäumen, mit allen Kräften einen eigenen Beitrag zu leisten. Deshalb hat Bosch Thermotechnik für sich selbst die Messlatte beim Klimaschutz bis 2020 auch höher gelegt als die EU. Aus der Vorgabe 20/20/20 (20 % CO2-Reduk­tion, 20 % Steigerung der Energieeffizienz und 20 % erneuerbare Energien) haben wir 30/30/30 gemacht. Das heißt für uns: 30 % höhere Wirkungsgrade, 30% niedrigere CO2-Emissionen und 30 % Umsatz mit erneuerbaren Energien. Wir bewerten hierzu intern jede Maßnahme und jedes Projekt, welchen Beitrag es leistet.

Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Aber wir sind zuversichtlich, dass wir diese Werte tatsächlich innerhalb von zehn Jahren erreichen. Mit Hochdruck arbeiten wir deshalb an neuen Produkten für Heizung, Lüftung, Klimatisierung und dezentrales Energiemanagement.

SBZ: Herr Glock, wir bedanken uns für das interessante Gespräch.