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Anforderungen bei der Grundleitungskontrolle

Dicht — eine legitime Pflicht

Die ureigenste Eigenschaft einer Wasser führenden Rohrleitung ist ihre Dichtheit. Was hier als vermeintliche Selbstverständlichkeit erscheint, ist in punkto der Abwasser-Grundleitungen unter den Gebäuden und im Boden der Grundstücke keineswegs anwendbar. Untersuchungen der Abwassertechnischen Vereinigung (ATV) geben Anlass dafür, in Grund und Boden Schlimmes zu vermuten. Nach aktuellen Schätzungen geht man in Deutschland von einem Leitungsbestand in Grundstücksentwässerungen von insgesamt 1,4 Millionen Kilometer aus. Experten sprechen davon, dass ca. 90 % dieses Leitungsbestandes undicht ist. Grund genug, die gesetzlichen Forderungen nach intakten Entwässerungsanlagen umzusetzen.

Augen zu ist keine Lösung

Eine undichte Abwasser-Grundleitung unter dem Haus und im Garten ist alles andere als harmlos und folglich weit davon entfernt, ein Kavaliersdelikt zu sein. Abwasseraustritt kann bedeuten, dass Teile des Bauwerks – insbesondere Fundamente – mit der durchaus auch aggressiven Flüssigkeit in Berührung kommen und im Laufe der Zeit Schaden nehmen. Auswirkungen eines permanenten Abwasseraustrittes auf das Grundwasser sind auch nicht auszuschließen, besonders im Hinblick auf die große Anzahl undichter Grundleitungen. Allein schon diese Exfiltration stellt einen Straftatbestand (§ 326 StGB) dar, der den Verursacher empfindlich treffen kann.

Mit Blick auf die Schadenshäufigkeit wird ein weiteres Problem deutlich: In Leitungen, aus denen Abwasser austritt, kann auch Regen- und Grundwasser eindringen. Die undichte Grundleitung wird so als Drainage des Gartens zweckentfremdet. Analysen zeigen unlängst, dass dieser Fremdwassereintritt durchaus das Vierfache des Abwasservolumenstromes betragen kann, für den die Schmutzwassergrundleitung ausgelegt wurde. Mit diesen Werten ist das Ende der Fahnenstange möglicher Fremdwassereintritte (Infiltration) aber nicht zwangsläufig erreicht. So wurde im nordrhein-westfälischen Detmold für den Ortsteil Diestelbruch eine Infiltrationsrate festgestellt, die 25-mal größer als der tatsächlich geplante Schmutzwasservolumenstrom war.

Auf diese Weise strömen Wassermassen, mit denen man buchstäblich nie gerechnet hatte. Sie beanspruchen die Transportkapazitäten der Kanäle und überlasten die Klärwerke. In den Kläranlagen führt der zu große Volumenstrom dazu, dass die nötige Verweildauer des Wassers, z. B. in den biologischen Klärstufen nicht eingehalten werden kann. Nicht ausgeklärtes Wasser gelangt in Vorfluter, wie Flüsse und Seen, und kann deren Flora und Fauna vernichten.

Eine Forderung nach Kontrolle der Abwasser-Grundleitungen ist vor diesem Hintergrund weder unnütz noch Beschäftigungstherapie, sondern eine dringende gesellschaftliche Notwendigkeit. Eine Notwendigkeit, der mit der Neuregelung des bundesweit gültigen Wasserhaushaltsgesetzes (WHG), vom 1. März 2010 Rechnung getragen wird.

Ein Blick auf die ganze Republik

Mit § 60 WHG wird verlangt, dass „Abwasseranlagen nur nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet, betrieben und unterhalten werden“. Für Grundleitungen kommt eben als anerkannte Regel der Technik die DIN EN 752 sowie das ATV-Arbeitsblatt A 139 ins Spiel; Regeln, welche u.a. die Dichtheit der Grundleitung verlangen. Die gesetzliche Forderung nach dichten Grundleitungen wird also für ganz Deutschland erhoben.

Der Nachweis der Dichtheit einer Grundleitung muss demnach entsprechend den Vorgaben der DIN EN 1610 vor Inbetriebnahme der Leitung erbracht und eindeutig dokumentiert werden. Dieses Prüfprotokoll dient dem Betreiber als Dichtheitsbescheinigung. Für den folgenden bestimmungsgemäßen Betrieb werden mit der DIN 1986-30 Kontrollzeiträume und Kontrollverfahren festgelegt. Diese sind davon abhängig, um welche Art von Entwässerungsanlage es sich handelt (häuslich, gewerblich oder industriell genutzt) und in welchem Bereich sich die Installation befindet (innerhalb oder außerhalb der Zonen von Wasserschutzgebieten). In dem für den Betreiber günstigsten Fall wird nach Norm alle 25 Jahre eine Kanalkamerauntersuchung verlangt.

NRW wird gesetzlich konkreter

Für das viertgrößte Land der Republik wird die abwassertechnische Dichtheitsfrage im Landeswassergesetz NRW (LWG NRW) geregelt. Nach § 61a LWG NRW ist jeder Grundstückseigentümer verpflichtet, die Grundstücksentwässerungsanlagen auf seinem Grundstück (Abwasserleitungen zum Sammeln und Fortleiten von Schmutzwasser oder mit diesem vermischten Niederschlagswasser) durch Sachkundige auf Dichtheit überprüfen zu lassen. Diese Verpflichtung besteht seit dem 31.12.2007. Das Ziel des Landes Nordrhein-Westfalen ist es, ein dichtes Abwassernetz zu schaffen.

Über das Ergebnis der Dichtheitsprüfung stellt der Sachkundige eine Bescheinigung aus, die der Grundstückseigentümer aufzubewahren hat. Auf Verlangen der Gemeinde muss der Abflussbesitzer diese Bescheinigung vorlegen. Es besteht hier zwar seitens des Grundstücksinhabers keine „Bringschuld“; sehr wohl ist er aber zum Bereithalten des Nachweises verpflichtet. Die Dichtheitsprüfung ist nach den Vorgaben des LWG NRW – abweichend von normativen Festlegungen – in Abständen von höchstens 20 Jahren zu wiederholen.

Allerdings gilt es unterschiedliche Fristen für die Dichtheitsprüfung zu beachten. Für bereits im Erdreich oder unzugänglich verlegte bestehende Abwasserleitungen muss die erste Dichtheitsprüfung in NRW bis spätestens zum 31.12.2015 durchgeführt werden. Bei der Änderung einer bestehenden Grundstücksentwässerungsanlage erfolgt diese Dichtheitsprüfung sofort nach Fertigstellung der Änderung. Unter Änderung sind z.B. auch Reparaturen oder Erweiterungen prüfungspflichtiger Leitungen zu verstehen. Zur Grundstücksentwässerungsanlage, die dann auf Dichtheit geprüft werden muss, gehören alle im Erdreich oder unzugänglich verlegten Leitungen, Grundleitungen und Anschlusskanäle sowie evtl. vorhandene Schächte.

Verschärfte Anforderungen

Die Gemeinden wurden durch die oberste Wasserbehörde verpflichtet, durch Satzung kürzere Zeiträume und Fristen für die erstmalige Dichtheitsprüfung festzulegen, wenn sich die Grundstücksentwässerungsanlagen in Wasserschutzgebieten befinden. Dies trifft insbesondere für solche Gebäude in Wasserschutzgebieten zu, deren Hausentwässerungsanlage vor dem 1.1.1965 bzw. bei industriellen oder gewerblichen Abwasseranlagen vor dem 1.1.1990 fertiggestellt wurde. Diese Anlagen müssen aufgrund der gesetz­lichen Änderung zu einer früheren Frist als bis zum 31.12.2015 geprüft werden. Ausschlaggebend ist hier die jeweilige kommunale Abwassersatzung.

Sind private Regenwasser- und Schmutzwasserleitungen getrennt an Regenwasser- bzw. Schmutzwasserkanäle im öffentlichen Bereich (Trennsystem) angeschlossen, so sind die reinen Regenwasserrohre von einer Prüfung nicht betroffen. Regenwasserrohre, die an eine Mischwasserkanalisation angeschlossen sind, sind, soweit sie sich im Erdreich befinden, allerdings ebenfalls zu überprüfen, da in diese durchaus einmal Schmutzwasser eindringen kann.

Wer darf in NRW prüfen?

Die beschriebenen Festlegungen bezüglich der nachzuweisenden Dichtheitsprüfung sind in NRW im Grunde nichts Neues. Die Anforderungen in dieser Form waren bereits im § 45 der Landesbauordnung NRW verankert. Neu ist aber, dass aktuell besondere Anforderungen an die Sachkundigen gestellt werden, die eine tatsächlich amtlich anerkannte Prüfung durchführen dürfen.

Im Zuständigkeitsbereich der Landesbauordnung NRW wurde es damals den Kommunen überlassen, welche Qualifikationen ein Fachmann erbringen musste, um seine Sachkunde unter Beweis zu stellen. Die Folge davon war, dass die Kommunen die Messlatte auf unterschiedliche Höhen legten, um Anerkennungen von Sachkundigen auszusprechen.

Mit der Überführung des § 45 LBO NRW in das Landeswassergesetz § 61 a NRW zum 31.12.2007 wurden erstmals die Anforderungen an den Sachkundigen für Nordrhein-Westfalen einheitlich festgelegt. Sie betreffen alle Berufsgruppen, die für diese Tätigkeiten in Betracht kommen können. Somit gelten die Anforderungen auch für Installateur- und Heizungsbauermeister.


Schulungspflicht auch für Meister

Die künftigen Sachkundigen müssen an einer Schulung teilnehmen, welche die besonderen Kenntnisse für die Durchführung von Dichtheitsprüfungen, insbesondere die Kenntnisse von Gesetzen, Regelwerken mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik in gültiger Fassung und deren sachgerechte Anwendung vermittelt. Neben den theoretischen Schulungsinhalten wird in einem Praxisteil die Anwendung der Prüf- und Kontrollgeräte geschult. Die Schulung wird mit einer theoretischen und praktischen Prüfung abgeschlossen, in der der Teilnehmer seine Qualifikation nachweist. Die bestandene Prüfung qualifiziert ihn als Sachkundigen für die Grundleitungskontrolle.

Die Schulung ist als personenbezogene Qualifizierungsmaßnahme zu verstehen, was bedeutet, dass nur derjenige, der an der Schulung teilgenommen und die beiden Prüfungsteile bestanden hat, die Dichtheitsprüfung durchführen darf bzw. zumindest bei der Durchführung vor Ort sein muss. Die Registrierung der Sachkundigen erfolgt in NRW für ihre jeweiligen Mitglieder ausschließlich über:

  • Die Industrie- und Handelskammern
  • Die Handwerkskammern
  • Die Ingenieurkammer-Bau NRW

Die vorgenannten Institutionen tragen nach Vorlage des Sachkundenachweises „Dichtheitsprüfung nach § 61 a LWG NRW“ und dem Nachweis der beruflichen Befähigung (z.B. Installateur- und Heizungsbauermeisterzeugnis) die Sachkundigen in Listen ein, die in einer landesweiten Aufstellung zusammengeführt werden. Damit die betroffenen Grundstückseigentümer und die Kommunen einen schnellen Zugriff zu dieser landesweiten Liste der Sachkundigen nach § 61 a LWG haben, stellt das LANUV (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW) diese Liste auf seiner Webseite ( https://www.lanuv.nrw.de/wasser/abwasser/dichtheit ) zur Verfügung. Die Liste ist mit den entsprechenden Detailangaben und Suchfunk­tionen versehen.

Sachkunde bei Alt und Neu

In Sachen Grundleitungsprüfung muss der Sachkundige grundsätzlich die örtlichen Abwassersatzungen beachten. Einige Kommunen geben vor, dass Dichtheitsprüfungen bereits im Vorfeld schriftlich anzuzeigen sind oder dass die Dokumentation der durchgeführten Dichtheitsprüfung mit vorgefertigten Vordrucken erfolgen soll.

Laut Abwassersatzung kann auch festgelegt werden, dass eine optische Inspektion, also eine Befahrung der Grundleitung mittels Kanalkamera, als Kontrollmaßnahme ausreichend ist und somit auf eine Druckprüfung verzichtet werden kann. Hinsichtlich des Aufwands, den eine Dichtheitsprüfung erfordert, ist diese Regelung sicherlich eine Bürgerfreundliche. Allerdings weiß der Fachmann, dass auch die Grundleitung, die optisch mängelfrei erscheint, nicht zwangsläufig auch wasserdicht sein muss. Im Umkehrschluss ist eine Grundleitung, bei der mit der Kamera Leitungsversatz, Risse, Wurzeleinwuchs, usw. festgestellt werden, ganz sicher nicht mehr dicht, was in sehr vielen Fällen die Ausführung einer Dichtheitsprüfung ohnehin überflüssig macht.

Während unterhalb von Gebäuden gemäß DIN 1986-100 auf den Einsatz von Grundleitungen möglichst verzichtet werden soll, ist ihr Einsatz als Verbindung der Hausentwässerung zum Straßenkanal hin unerlässlich. Diese neu verlegten Grundleitungen müssen vor der Inbetriebnahme einer Dichtheitsprüfung entsprechend DIN EN 1610 unterzogen werden.

Der in der Vergangenheit von einigen Kommunen anerkannte Dichtheitsnachweis per Unternehmerbescheinigung (gemäß § 66 Landesbauordnung NRW, kurz BauO NW, „Typ A – Abwasseranlagen“) kann demnach nur noch durch den Unternehmer erfolgen, der auch als Sachkundiger anerkannt ist. Im Vorfeld ist also immer zu prüfen, ob die Unternehmerbescheinigung nach LBO NRW bei der jeweiligen Kommune anerkannt wird.

Blick über die Landesgrenzen

Neben Nordrhein-Westfalen formulieren nur die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein in ihren Landesgesetzgebungen ähnliche Anforderungen. Für die anderen 13 Bundesländer stehen in Sachen der Dichtheit von Grundleitungen nur das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und die anerkannten technischen Regeln im Raum.

Wie eingangs schon ausgeführt, lässt sich hieraus – und auch entgegen mancher anders lautenden Aussage – die „Dichtheitspflicht“ für Grundleitungen herauslesen. Schließlich wird mit § 60 WHG verlangt, dass „Abwasseranlagen nur nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet, betrieben und unterhalten werden dürfen“. Für Grundleitungen stellt die DIN EN 752 sowie das ATV-Arbeitsblatt A 139 diese anerkannten Regeln der Technik dar, mit denen die Dichtheit entsprechend DIN EN 1610 gefordert ist.

Was nicht mit Gesetz, Verordnung oder Runderlass geregelt ist, ist die Antwort auf die Frage, wer die Dichtheit überprüfen und schlussendlich auch bescheinigen darf. Hier sind die Kommunen gefordert Sachkunde­standards vorzugeben um Scharlatane, die weniger an fachlich korrekter Kontrolle als am schnell verdienten Geld interessiert sind, keinen Markt zu bieten. Vielleicht empfiehlt es sich, auf die nordrhein-westfälischen Erfahrungen zurückzugreifen. Sie zeigen, dass für die korrekte Überprüfung von Grundleitungen ein besonders geschultes Auge und Spezialkenntnisse nötig sind, die im Rahmen der Meisterausbildung in der Regel gar nicht vermittelt werden können.

Extras

Weitere interessante Details zum Thema gibt es zum Downloaden auf https://www.sbz-online.de/tags/extras-zum-heft. Im Einzelnen sind dies:

Der Runderlass bezüglich der Anforderungen an die Sachkunde für die Durchführung der Dichtheitsprüfung von privaten Abwasserleitungen gemäß § 61 a LWG in Nordrhein-Westfalen

Das Landeswassergesetz NRW

Autor

Dipl.-Ing. Bernd Staats ist Technischer Berater des Fachverbandes NRW.

40212 Düsseldorf, Telefon (02 11) 6 90 65-32, Telefax (02 11) 6 90 65-49, E-Mail: staats@fvshk-nrw.de