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Studie: Handwerk kauft online und greift zu Handelsmarken

Vorab zur Einordnung: Es gibt aufseiten der Armaturenhersteller eine Arbeitsgemeinschaft Sanitärarmaturenindustrie (kurz AGSI). Die sind im sogenannten VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) organisiert. Der Arbeitsgemeinschaft gehören Hersteller wie Dornbracht, Schell, Ideal Standard oder Keuco an. Und jetzt zu den Aussagen der Pressekonferenz: Als „sehr erfreulich“ bezeichnete der AGSI-Geschäftsführer Wolfgang Burchard den Start in das laufende Jahr. Sowohl Auftragseingang als auch Umsatz „sind aus dem Winterschlaf erwacht“.

Insgesamt übertrafen die Verkaufserlöse der im VDMA organisierten Sanitärarmaturenhersteller in den ersten beiden Monaten 2018 das in der entsprechenden Vorjahresperiode erreichte Niveau um nominal 12 % (Inland plus 2 %, Ausland plus 22 %). Im weiteren Jahresverlauf werde das Wachstum jedoch „nicht zuletzt aufgrund der bekannten Kapazitätsengpässe im SHK-Handwerk“ an Schwung verlieren. Für das ganze Jahr 2018 rechnet Burchard derzeit nur noch mit einem Umsatzplus von 2 %.

Onlineeinkauf beim Handwerk fest etabliert

Die Stimmung wird jedoch von einer Entwicklung eingetrübt, die der Sanitärarmaturenindustrie allmählich Sorgen bereitet. „Industrie produziert und pflegt Marke, Großhandel bildet logistische Brücke zwischen Industrie und Handwerk, und Handwerk verkauft und installiert Marke. Das war lange Zeit das gemeinsame Verständnis der Partner im dreistufigen Vertriebsweg. Betrachtet man die Entwicklungen im Onlinehandel und bei den Handels- bzw. Hausmarken des Großhandels, ergeben sich allerdings Zweifel, ob und inwieweit das Modell des dreistufigen Vertriebsweges von den drei Partnern noch gleichermaßen getragen wird,“ so leitete der Vorsitzende Andreas Dornbracht sein Statement zu den Ergebnissen und Auswirkungen einer Ende Februar 2018 abgeschlossenen Studie ein. Dafür befragte das Institut für Handelsforschung (IFH in Köln) im Auftrag der AGSI Sanitärhandwerker in zehn persönlichen Tiefen- und 350 repräsentativ ausgewählten Telefoninterviews.

Der Untersuchung zufolge ist der Materialeinkauf im Internet beim Fachhandwerk inzwischen fest etabliert. Etwa die Hälfte greife bei Sanitärarmaturen auf diese Quelle zurück. Das geschehe indes unternehmens- und nicht warengruppenabhängig. Generell schwanke der Anteil der online erworbenen Produkte erheblich. Unter Berücksichtigung der Branchenstruktur ergebe sich eine Installationsrate von rund 60 %. Tendenziell die höchsten Werte ermittelte die Studie bei Waschtischarmaturen.

Aus der Sicht des Handwerks spreche für die Onlinebestellung primär die damit verbundene Schnelligkeit. Weitere relevante Motive seien Bequemlichkeit/Einfachheit, günstige Preise und die Warenverfügbarkeit. Wer den Onlineeinkauf nicht praktiziere, tue das in erster Linie wegen des fehlenden, aufgrund der Sortimentskomplexität jedoch dringend nötigen Kontaktes zu kompetenten und vertrauten Fachberatern im Großhandel. Überhaupt sei der Großhandel „vor Ort“ mit Abstand die wichtigste Adresse beim Onlinekauf. Weitere Anbieter spielen dagegen laut Untersuchung nur eine untergeordnete Rolle.

Im Grundsatz bewertet die AGSI die Entwicklung positiv. Zum einen schlage sich darin ein Element der Prozessoptimierung nieder, die Zeit und Geld spare. Zweitens bekennt sich das Handwerk beim Einkauf per Internet „in überzeugender Weise“ zum Großhandel, betonte Dornbracht. Dennoch gehen dieser Vertriebsstufe bei Sanitärarmaturen immerhin rund 65 Millionen Euro Onlineumsatz verloren. Insgesamt rechnet die Sanitärarmaturenindustrie mit einem künftig weiter steigenden Onlineanteil, bei dem sich das Handwerk „unterschiedlichster Kanäle“ bediene.

Hohe Quoten und großes Volumen

Um die seit Jahren „gefühlt sehr dynamische Entwicklung“ der Handelsmarken mit der Realität abzugleichen, hat das Institut die Teilnehmer auch dazu befragt. Die Kernresultate im Überblick:

  • Mit 83 % weisen Handelsmarken bei Sanitärarmaturen eine sehr hohe Verwendungsquote im Handwerk auf. Das gelte speziell für kleinere Betriebe (89 %). Mit steigender Firmengröße sinke die Relevanz zwar, liege bei Unternehmen mit über 20 Mitarbeitern (ab ca. 2,4 Millionen Euro Jahresumsatz) mit 75 % aber trotzdem noch auf einem hohen Niveau.
  • Die Installationsrate von Handelsmarken belaufe sich auf durchschnittlich 45 %. Hier zeige sich bei größeren Betrieben ebenfalls eine geringere Quote.
  • Bei Waschtischarmaturen und Eckventilen ist die Aufgeschlossenheit für Handelsmarken laut Studie überdurchschnittlich stark ausgeprägt. Unter den Mittelwerten bewegten sich dagegen Küchenarmaturen und Handbrausen.
  • Die Liste der Pro-Argumente führe unabhängig von der Warengruppe das nach Handwerkermeinung „bessere Preis-Leistungs-Verhältnis“ der Hausmarken des Großhandels an. Beim Contra-Ranking tauche die „mangelnde Qualität“ als häufigster Kritikpunkt auf. Dahinter folge der Wunsch der (End-)Kunden nach Herstellermarken.
  • Unter Berücksichtigung aller Ergebnisse bezifferte das IFH Köln die Handelsmarkenquoten bei der Menge auf 38 % und beim Wert auf 31 %. Das entspreche einem Volumen von 720 Millionen Euro. Dornbracht: „Das ist definitiv kein Pappenstiel.“

Vom Partner zum Konkurrenten

Als Zwischenfazit sei festzuhalten, dass sich Handelsmarken zu einer der „zentralen Zukunftsherausforderungen“ für die Industriemarken entwickeln dürften. Das gelte umso mehr, als Großhandel und Handwerk bei dem Thema das „gleiche Interesse“ hätten. Ob sie sich „damit einen Gefallen tun, erscheint indes zweifelhaft“, hieß es zur Pressekonferenz vonseiten der AGSI-Mitglieder.

In der Sache richtig sei der Hinweis auf die häufige Identität von Hausmarken- und Industriemarkenproduzenten. Die darin zum Ausdruck kommende unternehmerische Entscheidungsfreiheit jedes Herstellers habe man in einer Marktwirtschaft zu respektieren.

Stattdessen gäben der gesamten Sanitärarmaturenindustrie die inzwischen „grundlegend gewandelten“ Handelsmarkenkonzeptionen zu denken. Habe es sich dabei zu Beginn um industrielle Standardprodukte in großhandelsspezifischer Verpackung oder mit großhandelsspezifischem Logo gehandelt, seien daraus später verstärkt individuell für den Großhandel entwickelte Produkte geworden. In den letzten Jahren übernehme der Großhandel dabei immer mehr herstellertypische Funktionen wie Artikelspezifikation und Design – bis hin zu der Praxis, sich gegenüber dem Endkunden als Herstellermarke zu positionieren.

Damit trete der Großhandel regional weniger als Partner, sondern in wachsendem Maße als Konkurrent der etablierten Markenindustrie auf. Die Eigenmarken-Fokussierung zeige sich u. a. in der höheren Lagerverfügbarkeit, der zunehmenden Ausstellungspräsenz und den präferierten Regalplätzen in den Abhollagern. Selbst konkrete Angebotsanfragen des Handwerks nach Markenprodukten würden nicht selten mit alternativen Handelsmarkenofferten beantwortet.

Innovationsfähigkeit der Markenindustrie gefährdet

In der Endkonsequenz gefährdeten derartige Verhaltensweisen neben der Profitabilität der Markenartikler eine der „wichtigsten Stärken des professionellen Vertriebsweges“: die Innovationsfähigkeit der Markenindustrie. Sie beruhe auf vielfältigen Herstellerleistungen. Dazu gehören, unterstrich Dornbracht, eine weit in die Zukunft gerichtete Trendforschung, eine globale, multikulturelle Orientierung, die Bereitschaft, zu neuen Ufern (Digitalisierung, Smarthome, IoT) aufzubrechen und damit letztlich neue Märkte zu schaffen.

Der AGSI-Vorsitzende forderte Großhandel und Handwerk auf, die Markenhersteller auch künftig „in einer engen Partnerschaft zu begleiten“. Schließlich gehe es um die gemeinsamen Kunden – also die Endverbraucher. Sie wünschten sich nach wie vor starke Herstellermarken als Wegweiser, die für Innovation, Qualität, Vertrauen und nachhaltige Zukunftsfähigkeit stünden. Vor dem Hintergrund der aktuellen, durch die neue Untersuchung klar dokumentierten Entwicklungen sei auch über die Freiheitsgrade zu sprechen, die man der Industrie zum Erreichen ihrer Ziele und bei der Realisierung ihres Geschäftes einräumen sollte. Hier gebe es einen erheblichen Diskussionsbedarf. Ansonsten müsse man sich schon die Frage stellen: „Gilt wirklich gleiches Recht für alle oder sind manche nicht doch gleicher?“

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