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Kommunale Wärmeplanung

Bundesrat: 80 Empfehlungen für Wärme­planungs­gesetz-Entwurf

In den nächsten Jahren soll jede Kommune in Deutschland eine Wärmeplanung erstellen.

Robert Ruidl – stock.adobe.com

In den nächsten Jahren soll jede Kommune in Deutschland eine Wärmeplanung erstellen.

Am 29. September 2023 berät der Bundesrat den Gesetzentwurf der Bundesregierung für die kommunale Wärmeplanung. Die Beschlussempfehlung umfasst 81 Punkte.

Dass der Regierungsentwurf für das „Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze“ (Bundesrats-Drucksache 388/23) ohne Veränderungen durch das parlamentarische Verfahren läuft, dürfte auch die federführende Bundesbauministerien Klara Geywitz trotz einer Extra-Anhörungsrunde mit Verändern und Ländern nicht geglaubt haben.

Schließlich wurde das Wärmeplanungsgesetz in den letzten Monaten in eine Schlüsselposition bei der Wärmewende gehoben – wenngleich es auch Kritik gibt, dass die kommunale Wärmeplanung zunächst das Potenzial hat, mindestens die Wärmewende in Gebäudesektor auszubremsen. Schon vorgelagert wurde die kommunale Wärmeplanung dafür benutzt, der GEG-Novelle über Jahre die Wirkung im Bereich Heizungswende zu nehmen. Gleichzeitig wird die Aufgabe Kommunale Wärmeplanung an vielen Stellen als „gigantisch“ wahrgenommen – oder eben dieses kolportiert: Um Zeit zu schinden und überholte Geschäftsmodelle zu verlängern oder Geschäftsmodellen, deren Tauglichkeit gar nicht klar ist, Türen möglichst lange offen zu halten.

Umfangreiche Beschlussvorlage der Ausschüsse

Jedenfalls haben die Bundesratsausschüsse in der sommerlichen Sitzungspause für die Beratung am 29. September 2023 eine 53 Seiten umfassende Beschlussvorlage mit 80 Empfehlungen für eine Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vorbereitet. Zur Einordnung: Der Text des Gesetzentwurfs umfasst nur knapp 40 Seiten und die Beschlussvorlage zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für die GEG-Novelle – der später umfangreich von der Ampel-Koalition selbst geändert worden ist, umfasste 39 Empfehlungen auf 39 Seiten.

Regierungsentwurf zum Wärmeplanungsgesetz

Die Bundesregierung zielt mit dem Gesetzentwurf darauf ab, die Grundlagen für eine verbindliche und systematische Einführung einer flächendeckenden Wärmeplanung zu schaffen. Damit soll die Versorgung mit Raumwärme, Warmwasser und Prozesswärme auf Treibhausgasneutralität umgestellt werden, um zum Erreichen der Klimaschutzziele bis zum Jahr 2045 beizutragen.

Dass die Beschlussvorlage so umfangreich ausfällt, dürfte auch insbesondere damit zu tun haben, dass den Ländern die Aufgaben zur Durchführung der Wärmeplanung für ihr Hoheitsgebiet verpflichtend auferlegt werden. Die Länder können diese Pflicht gleichwohl auf Rechtsträger innerhalb ihres Hoheitsgebiets beziehungsweise auf eine zuständige Verwaltungseinheit übertragen.

Bürger und Unternehmen vor Ort sollen beteiligt werden

Die Bundesregierung will mit dem Wärmeplanungsgesetz einen Rahmen vorgeben, der den Ländern möglichst viel Flexibilität und Gestaltungsfreiheit bei der Durchführung der Wärmeplanung sowie der Erstellung von Wärmeplänen belassen soll. Die Wärmeplanung soll so das Problem- und Lösungsbewusstsein der Akteure vor Ort stärken und die langfristige Aufgabe der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung als eine wichtige Planungs- und Steuerungsaufgabe verankern. Sie Wärmeplanung soll auch sicherstellen, dass die Bürger und die Unternehmen vor Ort in den Planungs- und Strategieprozess eingebunden und bestehende Umsetzungspotenziale aktiviert werden.

Die Wärmeplanung soll schließlich die Planungs- und Investitionssicherheit steigern und die notwendigen Investitionen in eine Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme anreizen. Bestehende und aufgrund bereits vorhandener Regelungen in den Ländern in der Erstellung befindliche Wärmepläne sollen durch die bundesgesetzlichen Regelungen weitgehend anerkannt werden.

Dekarbonisierung leitungsgebundener Wärme

Zudem soll erstmals eine rechtlich verbindliche Verpflichtung für die Betreiber bestehender Wärmenetze vorgesehen werden, die Wärmenetze bis zum Jahr 2030 mindestens zu einem Anteil von 30 % und bis zum Jahr 2040 zu 80 % mit Wärme, die aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme hergestellt wurde, zu speisen.

Für neue Wärmenetze wird im Gleichklang mit den Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes ein Anteil von erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme von 65 % gesetzlich verlangt. Hierdurch soll der Dekarbonisierung der Wärmeinfrastruktur ein deutlicher Schub gegeben werden. Für KWK-gespeiste Wärmenetze sowie in Fällen wirtschaftlicher Härte sollen Übergangsregelungen vorgesehen werden. Ab dem Jahr 2045 sollen in Übereinstimmung mit den Zielen des Bundes-Klimaschutzgesetzes alle Wärmenetze vollständig klimaneutral betrieben werden.

Empfehlungen der Ausschüsse (Auswahl)

Der federführende Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raum-ordnung (Wo), der Finanzausschuss (Fz), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (in), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat eine Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf. Die Ausschüsse fordern darin umfangreiche materiell-rechtliche Anpassungen.

Der Gesetzentwurf zur kommunalen Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze stelle eine weitreichende und umfassende Aufgabe dar, woraus eine langfristig hohe finanzielle Belastung für die Länder und Kommunen resultiere. So wird vom Wo gefordert, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Kosten der Kommunen für den Prozess der Wärmeplanung auch vom Bund vollständig zu decken.

Fz und Wi richten dabei an die Bundesregierung die Bitte, die Finanzierungszusage des Bundes weiter zu konkretisieren und zu operationalisieren, um den Ländern frühzeitig Planungssicherheit bei der Umsetzung der Aufgaben zu geben. In diesem Zusammenhang hält der Fz auch eine Änderung der Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern für erforderlich. Durch die geforderte Änderung des Finanzausgleichsgesetzes bedürfe das beabsichtigte Gesetz dann insgesamt der Zustimmung des Bundesrats.

Wo, In, und Wi fordern schließlich auch eine Änderung der Fristen bei der Erstellung von Wärmeplänen, da diese im Gesetzentwurf zu knapp bemessen seien. Aufgrund nur begrenzt verfügbaren Personal- und Planungskapazitäten seien diese um mindestens sechs Monate zu verlängern. Zur Entzerrung der Belastungen der mit der Planung beauftragten Stellen sei für Gemeinden bis 10 000 Einwohnern eine zusätzliche, spätere Umsetzungsfrist bis zum 31. Dezember 2030) einzufügen.

Kalte Wärmenetze

Von großer strategischer Bedeutung ist die 3. Empfehlung des Wo „kalte Wärmenetze“ explizit im Gesetz zu erwähnen. Kalte Wärmenetze, auch als „Wärmenetze der 4. Generation“ bezeichnet, bieten ein großes technisches und wirtschaftliches Potenzial zur Nutzung erneuerbarer Energien und unvermeidbarer Abwärme wie keine andere Wärmenetzart. Sie sind zudem leicht zu bauen und praktisch ohne Netzverluste unkompliziert zu betreiben und sehr gut erweiterungsfähig.

Die Baukosten von kalten Wärmenetzen liegen bei nur rund einem Zehntel der Kosten von klassischen heißen Wärmenetzen, ähnlich verhält sich der Planungs- und Betreuungsaufwand. In den Gebäuden befindet sich dann in der Regel eine gut zu standardisierende Wasser/Wasser-Wärmepumpe, die das kalte Wärmenetz als Wärmequelle und ggf. im Sommer als Wärmesenke nutzt.

Über Kalte Wärmenetze können sehr unterschiedliche Wärmequellen auf niedrigem Temperaturniveau erschlossen werden. Die Anschlussnehmer stellen ihren Temperaturbedarf dann über Wärmepumpen sicher.

Bundesverband Wärmepumpe

Über Kalte Wärmenetze können sehr unterschiedliche Wärmequellen auf niedrigem Temperaturniveau erschlossen werden. Die Anschlussnehmer stellen ihren Temperaturbedarf dann über Wärmepumpen sicher.

Ausblick

Unabhängig von den Empfehlungen der Bundesratsausschüsse und der schlussendlichen Stellungnahme des Bundesrats ist absehbar, dass die GEG-Novelle schon vor ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 2024 an einigen Stellen angepasst werden muss, damit sich das Gebäudeenergiegesetz und das Wärmeplanungsgesetz nicht widersprechen.

Man sollte hoffen, dass in den nächsten Monaten auch noch ein irriges Denkmuster korrigiert wird, das sich am Ende der 78. Empfehlung des In findet: „Zuerst muss die kommunale Wärmeplanung erfolgen, dann die Entscheidung der Eigentümer, welche Heiztechnologie sie wählen.“

Das mag auf den ersten Blick logisch erscheinen. Es impliziert jedoch, dass nach der Wärmeplanung alle Eigentümer noch die freie Wahl haben (also keine Anschluss- oder Nutzungszwänge existieren) und bereits verbindliche Angaben zu Kosten bzw. Preisklauseln existieren. Wenn dem so ist, ist absehbar, dass sich nicht alle Eigentümer so wie bei der Wärmeplanung abgenommen oder abgefragt verhalten werden und damit die Ergebnisse der Wärmeplanung infrage gestellt werden.

Ohnehin ist die kommunale Wärmeplanung nicht ein statisches Ergebnis zu einem bestimmten Termin, sondern ein dynamischer Prozess. Und je weiter man die Fristen für die Wärmeplanung verschiebt, desto wahrscheinlicher wird es, dass auch eine langsame vorauseilende Wärmewende der Eigentümer heute noch mögliche Optionen aufgrund mangelnder Abnahmedichte hinfällig macht.

Nach Angaben von Dr. Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin für Wirtschaft und Klimaschutz, bei einer Befragung der Bundesregierung am 20. September 2023 im Bundestag ist vorgesehen, dass das Bundeskabinett am 4. Oktober 2023 die Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundsrats beschließt, sodass die erste Lesung des Bundestages zum „Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze“ am 12. Oktober 2023 erfolgen kann. Nach Kenntnis der Bundesregierung habe der federführende Bundestagsausschuss bereits über weitere Verfahrensschritte beschlossen. ■
Quelle: Bundesrats-Drucksache 388/23  / jv

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